Das „Friedenspulvermagazin“ wird zum Fritz-Encke-Volkspark in Raderthal

Luftbild Raderthaler Volkspark, etwa um 1930, im Vordergrund der Sender Raderthal
Luftbild Raderthaler Volkspark, etwa um 1930, im Vordergrund der Sender Raderthal

Bis zu 50.000 Tonnen hochexplosives Pulver lagerten noch bis 1918 im Kölner Süden. Im „Friedenspulvermagazin Raderthal“ wurde in friedlichen Zeiten die Munition gelagert, welche im Kriegsfall von den Festungswerken im äußeren Festungsring abgeschossen worden wäre. Zum Glück ist Köln in preußischer Zeit nie angegriffen worden – so wurde kein einziger „echter“ Schuss von den Verteidigungswerken abgegeben.

Gefährlicher Transport

Der zentrale linksrheinische Lagerort des Pulvers1Neben dem Raderthaler Pulvermagazin gab es noch das rechtsrheinische Friedenspulvermagazin Westhoven. war notwendig, weil die Munitionsräume der Forts in der Regel unterirdisch lagen und das Pulver dort wegen der Feuchtigkeit schnell unbrauchbar geworden wäre. Daher wurde an 1876 das Pulvermagazin direkt am Militärring angelegt. Von dort aus hätten Pferdefuhrwerke die Verteidigungsforts mit dem Pulver versorgt. Mit solchen Pferdefuhrwerken wurde das Pulver auch in das Pulvermagazin transportiert. Offensichtlich keine ungefährliche Angelegenheit, wie diese Beschreibung zeigt:

„Die Beförderung des Pulvers erfolgte … mittelst Pferdefuhrwerks. … Vorn am Wagen war eine rote Fahne angebracht, die mit einem P versehen war (Pulver!). Der Fuhrmann ging stets neben seinen beiden Pferden. Alle Personen waren, sobald der Wagen in Sicht kam, verpflichtet, die Pfeife oder Zigarre aus dem Mund zu nehmen und auf den Rücken zu halten. Erst wenn das Gefährt wieder verschwunden war, durfte weitergeraucht werden. Getreulich wurde diese Anordnung befolgt.“2 Quelle: „Friedenspulvermagazin Raderthal”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-96481-20140716-2 (Abgerufen: 13. März 2022)]

Erst 1914 wurde auf dem Militärring nur für die Versorgung der Forts eine Bahnstrecke angelegt.

Umwandlung in Volkspark

Gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages wurden die meisten Verteidigungsanlagen Anfang der 1920er Jahre geschliffen oder zu anderen Zwecken umgewidmet. In Raderthal entstand 1923/24 auf dem großzügigen Gelände des Friedenspulvermagazins der Volkspark Raderthal, geplant von dem Gartenarchitekt Fritz Encke (1861 – 1931).

Die Hauptwiese des Fritz-Encke-Parks, Bild: Uli Kievernagel
Die Hauptwiese des Fritz-Encke-Parks, Bild: Uli Kievernagel

Enckes gestalterische Idee war, den Menschen der großen Mietskasernen ein „soziales Grün“ als Gartenersatz zu bieten. Daher waren seine Parkanlagen immer multifunktional angelegt: Blumenanlagen zum Flanieren, Sportanlagen und auch weite Grünflächen, die z.B. für ein Picknick genutzt werden konnten. Das Gelände des Pulvermagazins bot Encke ganz besondere Möglichkeiten.

Als "Reigenplatz" gedachtes Platz im Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel
Als „Reigenplatz“ gedachter Platz im Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Freiluft-Leseraum, Reigenplatz, Kaffeehaus und Brunnentempel

Ausgehend von einer großen, zentralen Wiese schuf Encke eine ursprünglich völlig symmetrisch gestaltete Anlage. Die in dem Gelände angelegten ringförmigen Wälle, welche ursprünglich im Falle einer Explosion den Sprengdruck aufhalten und nach oben ableiten sollten, integrierte der Gartenarchitekt in den Gesamtplan. Aus einem der Wälle wurde ein Freiluft-Leseraum mit integrierter Ausleihmöglichkeit für Bücher und Zeitschriften. Die weiteren Wälle sollten als Reigenplatz zum Tanz, als Naturtheater oder Planschbecken genutzt werden.

Der als "Freiluft-Leseraum" geplante Bereich im Fritz-Encke-Park, Bild: Uli Kievernagel
Der als „Freiluft-Leseraum“ geplante Bereich im Fritz-Encke-Park, Bild: Uli Kievernagel

Großzügige, mit vielen Blumen bepflanzte Schmuckgärten fassten den neuen Park ein. Durch spezielle Nischen mit Sitzmöglichkeiten entstanden kleine, intime Gärten. Ein Raderthaler Bürger dazu „In dä Ecke ham mer uch festjestallt, dat et zweierlei Minsche jov.“3In dem Park haben wir auch festgestellt, dass es zweierlei Menschen gibt.

Lauschige Ecken im heutigen Fritz-Encke-Park, früher von Jugendlichen gern zum gegenseitigen intensiven Kennenlernen genutzt,. Bild: Uli Kievernagel
Lauschige Ecken im heutigen Fritz-Encke-Park, früher von Jugendlichen gern zum gegenseitigen intensiven Kennenlernen genutzt,. Bild: Uli Kievernagel

Angeschlossen war der attraktive Brunnentempel mit einem Trinkbrunnen. Zusätzlich war eine Schänke oder ein Café vorgesehen.

Der vergessene Park

Leider wurden die reichhaltigen Angebote des Volksparks Raderthal nie entsprechend genutzt. Der Heimatforscher Josef Rosenzweig schreibt dazu:

„Der im Oktober 1923 begonnene Raderthaler Volkspark war 1926 fertiggestellt. Leider wurde er von der Bevölkerung nicht in dem Maße genutzt, wie er es verdient hätte. … Das vorgesehene Planschbecken und die Kaffeewirtschaft sowie das Volkshaus sind nicht über die Planung hinausgekommen.“4Josef Rosenzweig: „Zwischen Judenbüchel und Sauacker“

So wurde der Raderthaler Volkspark zum „vergessenen Park“. An der Stelle, an der ein Kaffeehaus geplant war, entstand 1927 der Sender Raderthal.

Ab 1950 wurden weitere Flächen des Parks genutzt, um für die britischen Besatzer eine Gartenstadt nach englischem Vorbild zu erschaffen – der Park schrumpfte auf etwa ein Drittel seiner ursprünglichen Größe, und es entstand auf dem Gelände des Parks die „Englische Siedlung“ mit Naafi-Shop5Navy, Army and Air Force Institutes, mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten für die im Ausland stationierten Soldaten und einer Schule, welche heute von der Bundeswehr genutzt wird.

Umbenennung in Fritz-Encke-Volkspark

Seit 1980 stand der Raderthaler Volkspark als ursprüngliches Gartenbaudenkmal ersten Ranges unter Denkmalschutz – und verrottete zunehmend. Erst seit etwa 2001 wird der Park behutsam wieder gepflegt – auch Dank einer vorbildlichen Anwohnerinitiative. So wurden Beschilderungen angebracht, Bänke repariert, Rankgerüste angebracht und auch der Reigenplatz sowie der ursprünglich als „Leseraum“ geplante Platanenwall wiederhergestellt.

Um den genialen Gartenarchitekten Encke zu ehren6Encke hat neben diesem Park unter anderem auch den Blücherpark, den Friedenspark, den Beethovenpark und den Klettenbergpark sowie die Erweiterung des Zoos erschaffen. hat, wurde der Park im Jahr 2002 in „Fritz-Encke-Volkspark“ umbenannt.

Schmuckstück des Parks heute ist der Brunnentempel. Der bereits 1920 erbaute offene Rundbau wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Im Jahr 2006 konnte der wiederhergestellte Brunnentempel neu eingeweiht werden. Der Brunnentempel ist mit acht Figuren von Kindern geschmückt. Jeweils zwei Kinder stellen eine Jahreszeit dar.  Mein persönlicher Favorit ist der Junge mit däm Trömmelche (Bild 6 in der Bildergalerie).

Der Brunnentempel im Fritz-Encke-Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Bild 2 von 11

Der Brunnentempel im Fritz-Encke-Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

2019 wurde die Anlage noch einmal vollständig saniert. Doch leider verschmieren immer wieder unbelehrbare und untalentierte Schmutzfinken den Brunnentempel mit hässlichen Graffits.

Schämt euch!


Lotsentour Raderberg und -Thal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Der Fritz-Encke-Park ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz *

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung