Marie-Luise Nikuta: Die kölsche Motto-Queen

Marie Luise Nikuta auf der Bühne zur ColognePride 2006, Bild: Raimond Spekking
Marie Luise Nikuta auf der Bühne zur ColognePride 2006, Bild: Raimond Spekking

Podcast Nikuta 8

 

Es war jedes Jahr eines der Rituale des kölschen Fasteleers: Das Festkomitee gab immer an Veilchendienstag das Sessionsmotto für die kommende Session bekannt. Und knapp eine Stunde später hörte man eine gut gelaunte Marie-Luise Nikuta via Telefon im Radio das entsprechende Sessionslied trällern. So schnell wie die „Motto-Queen“ war sonst niemand.

Seit 1977 komponierte und textete „die Nikuta“ in Windeseile unvergessene Mottolieder, darunter zum Beispiel „E paar Grosche för Ies“, den „Straßenbahn Song: Weißte wat, m´r fahre met d´r Stroßebahn noh Hus“ oder auch „Hokus, Pokus, Kölsche Zauberei“. Kritiker warfen ihr vor, rein oberflächliche Stimmungslieder zu singen. Und tatsächlich sind viele ihrer insgesamt 160 Karnevalslieder, wie zum Beispiel „Kölle loss jonn“ mit den Textzeilen

„Kumm loss mer laache,
jet Freud uns mache,
kumm loss mer singe,
kumm loss mer springe,
kumm loss mer fiere,
uns amüsiere
denn Fasteovend is e härrlisch Fess.“

keine wirklich tiefgründigen Lieder, aber mit eingängigen Melodien und nie anzüglich. Dieser zweifelhafte Ruhm gebührt anderen Karnevalsgrößen.1So zum Beispiel der Herrensitzungs-Schenkelklopfer des Eilemann-Trios „Wir steigen auf das Matterhorn – mal von hinten, mal von vorn…“

Erfolgreich im von Männern dominierten Karneval

Marie-Luise Nikuta wor en esch kölsch Mädchen: Geboren am 25. Juli 1938 in Nippes hatte sie schon als Kind Klavierunterricht. Ihr erster Auftritt, gemeinsam mit einem Kinderchor, war auf einer Karnevalssitzung im Williamsbau.

Die Familie blieb bis 1944 in Köln, erst dann flüchtete man aus der fast völlig zerstörten Stadt nach Overath. Dort hielten es die Familie, neben Vater und Mutter gab es noch eine Schwester, aber nicht lange aus. Direkt nach dem Kriegsende ging es zurück nach Nippes.

1968 startet ihre Fastelovends-Karriere mit einem Auftritt beim Literarischen Komitee. Neben dem Karneval arbeitete sie bis zur Geburt ihrer Tochter als Versicherungskauffrau bei Gerling. Ihre große Stütze, Förderer und die Liebe ihres Lebens war ihr Mann Willi. Seit 1960 waren die beiden ein Paar. Er spornt sie an und hält ihr den Rücken frei. So singt sie auf der Bühne im Gürzenich, und hinter der Bühne wechselt Willi die Windeln der gemeinsamen Tochter Andrea.  „Er hat mich unterstützt. Das war wichtig. Ich war ja eine der ganz wenigen Frauen im von Männern dominierten Karneval. Manche haben uns belächelt. Es gab sogar ein paar Machos, die tönten, dass sie sowas in ihrer Ehe nicht tolerieren würden.“ so Marie-Luise Nikuta in einem Interview mit dem Express.

Die Zeiten für Künstlerinnen im Karneval waren hart und sind es heute noch. Männliche Kollegen spotten über die mit roten Haaren und im Köbes-Kostüm auftretende Nikuta. Doch ihr Erfolg spricht für sich. Auch das Festkomitee erkennt dies zwar spät, aber immerhin an: „Sie hat den Karneval – in einer Zeit, als das noch lange nicht selbstverständlich war – weiblicher gemacht. Sie hat die Bühnen der Stadt gegen manch damalige männliche Widerstände erobert.“ so Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn im Februar 2020. Das war allerdings bereits nach dem Tod von Marie-Luise Nikuta.

Ein Star in der LGBT-Community

Ein ganz besonderes Verhältnis hatte Marie-Luise Nikuta zur LGBT-Community2Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender, also Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender in Köln. Als eine der wenigen Künstler*innen aus der Karnevalszene trat sie regelmäßig bei schwul-lesbischen Veranstaltungen auf. Und dazu kam es eher zufällig. Sie hatte eine Buchung für eine Veranstaltung in der Altstadt. Nikuta dazu „Als ich da ankam, waren nur Männer da. Ich habe mir da erst einmal gar nichts bei gedacht. Und dann fragte mich jemand, ob ich ein Problem damit hätte, hier aufzutreten – warum sollte ich? Erst da hab‘ ich verstanden, wo ich damals war.“ Die konservativen Karnevalisten sind entsetzt, doch Marie-Luise steht zu ihrer Fangemeinde: „Natürlich bin ich weiter da aufgetreten. Die Stimmung war immer sensationell.“

Maria Luise Nikuta auf einem Paradewagen in der CSD-Parade 2009, Bild: Raimond Spekking
Maria Luise Nikuta auf einem Paradewagen in der CSD-Parade 2009, Bild: Raimond Spekking
Tod ausgerechnet an Karnevalsdienstag – dem „Motto-Tag“

Zur Zäsur im Leben von Marie-Luise Nikuta wird der 18. Dezember 2013. Anfänglich eher harmlose Kopfschmerzen entpuppen sich als Schlaganfall. Noch am gleichen Tag wird sie operiert. Ihr offizieller Rückzug von der Bühne findet bei der Sessionseröffnung am Elften im Elften 2014 statt. 

Ausgerechnet an „ihrem Motto-Tag“ – Karnevalsdienstag 2020 – stirbt Marie-Luise Nikuta im Alter von 81 Jahren. Und wieder werden an diesem Tag ihr zu Ehren im Radio und in den Kneipen die Lieder der Mottoqueen gespielt, wie schon seit 1977.    


Die Nikutas waren trotz der Prominenz ganz bodenständig , wie mir Bäätes geschrieben hat:
„Lieber Uli,
eine Zeitlang habe ich in Mauenheim gearbeitet, wo Frau Nikuta mit ihrem Mann wohnte. Völlig normale Lück. 
Bäätes“


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Die Heilige Ursula, Teil II: Der Reliquienkult wird für die Kölner zum guten Geschäft

Eine Ursulabüste mit Schauöffnung. Die Büsten sind hohl, der Deckel in Form des Kopfes kann abgenommen werden. Gefüllt werden die Büsten mit einem Schädel oder anderen Knochen, Bild: Raimond Spekking
Eine Ursulabüste mit Schauöffnung. Die Büsten sind hohl, der Deckel in Form des Kopfes kann abgenommen werden. Gefüllt werden die Büsten mit einem Schädel oder anderen Knochen, Bild: Raimond Spekking

Podcast Ursuala II, 25

Letzte Woche hatte ich euch von der Legende um die Heilige Ursula und ihren 11.000 Jungfrauen berichtet. Heute geht es darum, wie aus dieser Legende ein lukratives Geschäft mit Reliquien wurde.

Dank der 11.000 Jungfrauen waren ja tatsächlich theoretisch genug Knochen da, welche der Kölner in nette Schachteln verpacken und als Reliquien verkaufen konnte1Zur Erinnerung: Die Kirche hatte das Geschäft mit den Reliquien verboten. Aber der findige Kölner hatte auch dafür eine Lösung: Verkauft wurden nicht die Reliquien selber sondern die hübschen Kisten und Schachteln drumherum..

Es blieb aber ein praktisches Problem: Woher sollte man die Knochen nehmen? Wie gut, dass es direkt außerhalb der Stadtmauer ein altes römisches Gräberfeld und somit genug Nachschub an Knochen gab. Dieses Gräberfeld wurde kurzerhand zur Ruhstätte der 11.000 Jungfrauen erklärt. Und fertig – das Geschäft konnte anlaufen.

Römisches Gräberfeld wird geplündert

Die Menge an Knochen war so gewaltig, dass diese nicht nur als Reliquien verkauft, sondern auch als Zierrat verwendet wurden. Bestes Beispiel dafür ist die „Goldene Kammer“ in St. Ursula. In einer Seitenkapelle der Kirche sind die Wände meterhoch mit Knochen verziert. Dort finden sich Ornamente aus Hüften und Rippen, Muster aus Oberschenkelknochen und eine aus Knochen geformte Inschrift: „S. Ursula pro nobis ora“ – „Heilige Ursula, bitte für uns“. Unzählige Kopfreliquiare, die echte menschliche Schädel beinhalten, stehen sauber aufgereiht in den Regalen, gleich neben hunderten in Seidenpapier eingepackten Schädeln.

Wenn ich mit Gruppen im Rahmen der Lotsentour Innenstadt die Goldene Kammer besuche, herrscht zunächst immer Schweigen, und dann kommt unweigerlich die Frage: „Ist das alles echt?“. Ja, ist es. Das sind alles menschliche Knochen, zum größten Teil von dem geplünderten römischen Gräberfeld. In der Kammer und in der Kirche stehen auch noch große Sarkophage – bis zum Rand gefüllt mit Knochen. Immerhin waren es ja 11.000 Jungfrauen, deren Knochen untergebracht werden mussten.

Aus 11 werden 11.000

Weder für die Legende der Heiligen Ursula noch für die Zahl 11.000 Jungfrauen gibt es historische Belege. In der Kirche St. Ursula selber findet sich eine eingemauerte Inschrift aus dem 4. oder 5. Jahrhundert:

Die Inschrift des Clematius in St. Ursula, Bild: Raimond Spekking
Die Inschrift des Clematius in St. Ursula, Bild: Raimond Spekking

Diese „Inschrift des Clematius“ kann als Ursprung der Ursula-Legende angesehen werden. Dort steht (deutsche Übersetzung):
„Durch göttliche Flammenvisionen häufig ermahnt und durch die sehr große Kraft der Majestät des Martyriums der himmlischen Jungfrauen, die erschienen, aus der östlichen Reichshälfte herbeigeholt, (hat), nach Gelübde, Clematius, im Senatorenrang, auf eigene Kosten, auf seinem Boden, diese Basilika, wie es nach seinen Gelübde schuldete, von den Fundamenten erneuert. Wenn jemand aber unter der so großen Majestät dieser Basilika, wo die heiligen Jungfrauen für den Namen Christi ihr Blut vergossen haben, irgend jemandes Leichnam bestattet, mit Ausnahme der Jungfrauen, so wisse er, daß er mit ewigen Höllenfeuern bestraft wird.”

Aufmerksame Leser werden feststellen, dass in dieser Inschrift keine Rede von 11.000 Jungfrauen ist. Diese, für das Reliquiengeschäft ungemein praktische, Zahl basiert vermutlich auf einem gewollten Lesefehler. In älteren Dokumenten findet sich zu der Ursula-Legende die Angabe „X I M V“.

Liest man dies als „XI MV“ kann es als „11 M(artyres) V(irgines)“, also „Elf jungfräuliche Märtyrerinnen“ verstanden werden. Weil dies aber schlecht für das Geschäft gewesen wäre,  interpretierten die Kölner die Inschrift als „XIM V“. Und flott werden  das somit „11 M(ilia) V(irgines)“, also „11.000 Jungfrauen“.

Das Kölner Wappen mit den Kronen der Heiligen Drei Könige und den elf Hermelinschwänzen. Bild: Stadt Köln
Das Kölner Wappen mit den Kronen der Heiligen Drei Könige und den elf Hermelinschwänzen. Bild: Stadt Köln

Keine Tränen, keine Flammen sondern Hermelinschwänze

Dank ihres Martyriums und der damit verbunden Rettung Kölns hat es Ursula als Stadtpatronin bis auf das Stadtwappen geschafft. Zusammen mit den drei Kronen, welche die Heiligen Drei Könige symbolisieren, finden sich dort elf oft fälschlich als Tränen oder Flammen bezeichnete Symbole. Allerdings handelt es sich hier um Hermelinschwänze. Diese stammen ursprünglich aus dem Wappen der Bretagne und erinnern an Ursula und ihre 11.000 Begleiterinnen.


Hinter der schillernden Legende von Ursula wird ein anderer Stadtpatron oft vergessen: Der „Kriesgdienstverweigerer“ Gereon.


Der Name der Jungferninseln bezieht sich auf Ursula und die Jungfrauen

Kein geringerer als Christoph Kolumbus hat zur Ehre der Elftausend Jungfrauen die Jungferninseln in der Karibik nach Ihnen benannt: Santa Ursula, Once Mil Virgines, Archipiélago de las Vírgenes (Sankt Ursula, Elftausend Jungfrauen, Archipel der Jungfrauen). Noch heute zeigt das Wappen die Heilige Ursula. Ein großes DANKE an meinen treuen Leser Heinz Peter für diesen Hinweis.

Das Wappen der Britischen Jungferninseln Bild: Tobias Jakobs, CC0, via Wikimedia Commons
Das Wappen der Britischen Jungferninseln
Bild: Tobias Jakobs, CC0, via Wikimedia Commons

Ferdinand Magellan nannte das Kap am Eingang der Magellanstraße „Cabo Virgenes“ (Kap der Jungfrauen). da er es am 21. Oktober 1520, dem Ursula-Gedenktag, entdeckte.


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Das ehemalige Funkhaus der Deutschen Welle

Das schmalste Hochhaus Kölns, Bild: Uli Kievernagel
Das schmalste Hochhaus Kölns, Bild: Uli Kievernagel

Preisfrage: Wo stand Kölns schmalstes Hochhaus?
Antwort: Im Kölner Süden, am Raderberggürtel.

Es sah tatsächlich etwas seltsam aus: Ein Hochhaus mit knapp 140 Meter Höhe aber nur 12 x 15 Meter Grundfläche – wie ein riesiger, in den Boden gerammter Bleistift. Unwillkürlich fragte man sich: Was ist das?

Bei diesem Bleistift handelt es sich um den Aufzugsturm des ehemals aus drei Bauteilen bestehenden Gebäudes der Deutschen Welle. Ein imposanter Komplex, prägend für die Skyline des Kölner Südens. Tatsächlich handelte es sich nach dem Kölnturm im Mediapark und dem Colonia-Haus um das dritthöchste Hochhaus in Köln.

Das ist allerdings Geschichte. Anfang 2021 wurde der Abriss des Gebäudes abgeschlossen. Und so konnte das Uni-Center auf Platz drei der Kölner Hochhäuser vorrücken.

Das Gebäude entsteht im Kalten Krieg

Die Deutsche Welle ist der Auslandsrundfunk Deutschlands. Die Aufgabe des Senders ist sogar im „Deutsche-Welle-Gesetz“ festgeschrieben. Im § 4 lautet es: „Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft … ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. … “.

Mitten im Kalten Krieg begannen 1974 die Bauarbeiten für das Funkhaus am Raderberggürtel. Das Gebäude war so konzipiert, dass selbst nach einem Atombombenangriff der Sendebetrieb weitergehen sollte. Dafür wurden eigens Bunker unter dem Gebäude angelegt und riesige Notstromaggregate hätten den für den Sendebetrieb notwendigen Strom geliefert. Fraglich ist allerdings, ob bei einem tatsächlichen Angriff noch viel vom Kölner Süden übriggeblieben wäre: Immerhin befindet sich in fast unmittelbarer Nachbarschaft die Zentrale des Militärischen Abschirmdiensts, dem mit Sicherheit mindestens ein eigener Kernsprengkopf gewidmet war.

Im Jahr 1980 wurde das riesige Gebäude bezogen. Dabei diente der blau-türkis verkleidete Teil des Gebäudes als Büroturm und der rote Teil als Studioturm. In der Mitte befand sich der 138 Meter hohe, schwarz verkleidete Aufzugsturm, der heute noch als „Bleistift“ zu sehen ist. Mehr als 1.100 Mitarbeiter produzierten hier zunächst Radio, ab 1992 auch TV-Sendungen. Und das in immerhin 30 Sprachen, darunter auch  Kisuaheli und Haussa.

Das Funkhaus der Deutschen Welle. Links der rote Studioturm, rechts der blau-türkise Büroturm und in der Mitte der Aufzugsturm. Bild: Riadismat
Das Funkhaus der Deutschen Welle. Links der rote Studioturm, rechts der blau-türkise Büroturm und in der Mitte der Aufzugsturm. Bild: Riadismat

Asbest-Belastung verursacht Probleme

Problematisch war die Asbest-Belastung. In dem Gebäude wurden nach Expertenschätzungen mehr als 500 Tonnen Asbest verbaut: Als Spritzasbest um die Stahlträger, im Putz, auf den Platten der Außenfassade, den Feuerschutztüren und vielen weiteren Bauteilen. Im Jahr 2003 zog die Deutsche Welle daher aus dem Gebäude aus. Neue Zentrale wurde der ursprünglich für Abgeordnetenbüros geplante Schürmannbau im Bonner Regierungsviertel.

Das Gebäude am Raderberggürtel fiel daraufhin für fast 15 Jahre in einen Dornröschenschlaf. Alle Ideen einer neuen Nutzung, wie zum Beispiel Büros oder Studentenwohnungen, scheiterten an den baulichen Voraussetzungen und an der Asbest-Belastung. Das war auch der Grund, weshalb Investoren sich scheuten, in dieser sehr attraktiven Lage neu zu bauen.

Im Rahmen eines Architektenwettbewerbs wurde 2015 die städtebauliche Planung für ein Konsortium, bestehend aus DIE WOHNKOMPANIE NRW GmbH und Bauwens Development GmbH & Co. KG, entwickelt und festgelegt.

Der Beginn des Rückbaus. Im Einsatz: Einer der größten mobilen Kräne Europas, Bild: Hans Jörg Michell, www.lindenthal.blog
Der Beginn des Rückbaus. Im Einsatz: Einer der größten mobilen Kräne Europas, Bild: Hans Jörg Michell

Rückbau statt Sprengung

Bevor gebaut werden kann, muss erst das alte Gebäude abgerissen werden. Ursprünglich war eine Sprengung aller drei Gebäudeteile geplant. Das wäre ein Weltrekord geworden: Noch nie wurde ein so hohes Gebäude gezielt gesprengt. Dies rief allerdings den benachbarten Deutschlandfunk auf den Plan: Eine Sprengung der durch eine gemeinsame Bodenplatte verbundenen Gebäude würden den Sendebetrieb gefährden. Auch die Nachbarschaft befürchtete, dass bei der Entkernung nicht gefundene Asbestfasern sich über den gesamten Kölner Süden verbreiten würden.

Die Gegner der Sprengung setzten sich schließlich durch und so wurde das Gebäude seit November 2019 konventionell von „oben nach unten“ abgerissen. Dazu wurden die größten mobilen Kräne Europas eingesetzt. Die Zahlen sind so eindrucksvoll wie das Gebäude selbst: 360.000 Kubikmeter umbauter Raum mit etwa 18.000 Tonnen Stahl und etwa 140.000 Tonnen Beton wurden zurückgebaut. Die Kosten für Rückbau und Entsorgung des asbestbelasteten Materials wurden auf mehr als 14 Mio. Euro geschätzt. Immerhin: Große Teile des Abbruchmaterials, selbstverständlich asbestfrei, wurden vor Ort aufbereitet und für die Verfüllung der Baugruben verwendet. Das sparte, so die beauftragte Entsorgungsfirma, mehr als 10.000 LKW-Betriebsstunden.

Peter Hutt hat den Fortschritt des Abrisses fotografiert und ein sehr sehenswertes Zeitraffervideo daraus gemacht.

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Beeindruckende Baustelle

Die Dimensionen der riesigen Baustelle erschließen sich erst aus der Luft. Mamuel Jakobi hat Bilder mit seiner Drohne gemacht und mir erlaubt, diese hier zu zeigen: 

Die beeindruckende Baustelle auf dem Gelände der Deutschen Welle, Bild: Manuel Jakobi

Bild 1 von 10

Die beeindruckende Baustelle auf dem Gelände der Deutschen Welle, Bild: Manuel Jakobi

Hohe Verdichtung

Wegen der hohen Kosten des Abrisses und der Entsorgung des asbechtverseuchten Materials hat die Stadt auch das kooperative Baulandmodell für dieses Areal ausgesetzt. Dieses Modell sieht bei solchen Bauprojekten einen Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen vor. Diese Quote muss bei diesem Projekt nicht erfüllt werden.

Gleichzeitig wird auf dem Gelände mit bis zu 700 Wohnungen auf etwa 55.000 Quadratmetern eine extreme Verdichtung des Wohnraums stattfinden.

Zukünftige Wohnbebauung auf dem Welle-Areal, Bild: Bauwens
Zukünftige Wohnbebauung auf dem Welle-Areal, Bild: Bauwens

 Allerdings hätte sich beim Festhalten an der Quote für die Sozialwohnungen und bei einer geringeren Verdichtung wohl kein Investor gefunden. Franz-Josef Höing, von 2012 bis 2017 Kölner Baudezernent konstatierte daher auch:

„Die hohe Dichte, die dort erforderlich ist,
hat mir zunächst Kopfschmerzen bereitet“
.

Mal sehen, wie sich dich diese Projekt nach der Fertigstellung in die bestehende Nachbarschaft einfügen wird.


Gerade mal 900 Meter Luftlinie entfernt befindet sich das alte WERAG-Funkhaus aus den 1920ern. Weniger als 300 Meter stadteinwärts findet ihr die sehenswerte Siedlung Wilhemsruh.


Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Das Areal der Deutschen Welle ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


Das verlassene Gebäude der Welle hatte vor dem Abriss immer wieder Abenteuerer animiert, dort herumzuklettern. Das spektakulärste Video dazu stammt von Bennet Encke

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Besonders sehenswert sind auch die Drohnenaufnahmen vom Abriss des Aufzugsturms. 

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Ein großes DANKE an das Bauwens-Team, besonders an Christina Hansen. Die Fachleute des Unternehmens haben mich mit Informationen rund um den Bau versorgt und auch das Bild der zukünftigen Wohnbebauung zur Verfügung gestellt.


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