Jetzt steht er da: Balzac. Am Neumarkt. Riesig, schwarz. Mehr als vier Meter hoch und acht Tonnen schwer. Köln ist um ein Kunstwerk im öffentlichen Raum reicher: Die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac befindet sich auf der östlichen Seite des Neumarkts.
Bewegte Geschichte des Kunstwerks
Um es gleich den Kritikern vorwegzunehmen: Die Stadt hat weder für die Skulptur noch für den Sockel etwas bezahlen müssen. Henrik Hanstein, Inhaber des Kunsthauses Lempertz, hat alle Kosten getragen.
Die Statue selber hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der renommierte Bildhauer François-Auguste-René Rodin (1840 – 1917) fertigte bereits 1891 ein lebensgroßes Gipsmodell des Dichters Honoré de Balzac an. Dieses Modell wurde in Paris ausgestellt – und kam überhaupt nicht gut an. Die, so die Kritiker, groteske Darstellung des Schriftstellers Balzac wäre unangemessen. Rodin, mindestens leicht beleidigt, brachte das Gipsmodell in sein Haus in Meudon, einem Vorort von Paris.
Mehr oder minder vergessen lagerte dort das Gipsmodell. Erst 1939, immerhin 22 Jahre nach dem Tod Rodins, wurde die Statue erstmals in Bronze gegossen und in Paris an der Ecke Boulevard du Montparnasse, Boulevard Raspail aufgestellt. Die in Köln aufgestellte Skulptur ist ein Bronzeabdruck des in Paris ausgestellten Originals.
Der Plan, die Skulptur mitten auf dem Neumarkt aufzustellen, wurde schnell verworfen, da damit die nutzbare Fläche des Platzes stark eingeschränkt wäre. So müsste zum Beispiel der Zirkus Roncalli, welcher regelmäßig seine Zelte auf dem Neumarkt aufschlägt, seine Artisten um Balzac drumherum jonglieren lassen. Daher wurde der Bereich am Rand des Platzes gewählt – unmittelbar vor dem Ladenlokal des Stifters.
Problemzone Neumarkt
Andere Städte würden Köln um den Neumarkt beneiden: Ein großer, repräsentativer Platz. Mitten in der Stadt. Top Lage. Und auch verkehrstechnisch perfekt angebunden. Und genau hier liegt das wesentliche Problem: Der Neumarkt ist ein verkehrsumtoster Platz. Bis zu drei Fahrspuren trennen den Platz von den Fußgängerbereichen, der tägliche Stau ist Normalität. Die Aufenthaltsqualität dort ist gleich Null.
Gleichzeitig ist der Neumarkt der Hotspot für Kölns Drogenszene. Es wird gedealt, und man muss sich nicht besonders anstrengen, Junkies zu finden, die sich auf offener Straße eine Nadel in die Vene rammen.
Kurzum: Auf dem Neumarkt hält man sich – wenn überhaupt- nur auf, um auf die Bahn zu warten, oder man versucht, sich diesen Platz auf dem Weihnachtsmarkt mit reichlich Glühwein schönzutrinken.
Aufwertung Neumarkt als Teil des Speer-Masterplans
Die Skulptur ist Teil einer Initiative, den Neumarkt aufzuwerten. Und diese Aufwertung ist wiederum Teil des „Masterplan Innenstadt Köln“, auch bekannt als „Speer-Masterplan“, welcher bereits seit 2009 vorliegt.
Die konkrete Idee im Masterplan zum Neumarkt: Die Nordseite (die Seite, an welcher die Schildergasse einmündet) soll vollständig autofrei werden und zusammen mit der Apostelnstraße eine große Fußgängerzone werden.
Und bis dies irgendwann mal geschieht, kann Balzac dem lauten Treiben und den Staus rund um den Neumarkt zusehen. Und irgendwie war Balzac extrem weitsichtig. Ihm wird dieses Zitat zugeschrieben, welches perfekt seine Sicht auf den Neumarkt und die Aufwertung des Platzes zusammenfasst:
Alle Macht des Menschen besteht
aus einer Mischung von Zeit und Geduld.
Honoré de Balzac (1799-1850)
Die kölsche Übersetzung dazu lautet:
Et kütt wie et kütt.
Umzug der Skulptur 2026
Im Januar 2024 hat die Bezirksvertretung Innenstadt entschieden, dass die Skulptur noch maximal zwei Jahre am Standort stehen bleiben soll. Bin mal gespannt, wie lange Rodin sich das Treiben am Neumarkt noch tatsächlich ansehen wird.
Rund um den Neumarkt gibt es viel zu erkunden!
Am Neumarkt steht nicht nur die riesige Eistüte von Claes Oldenburg, sondern auch die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac. Etwas versetzt hinter der Neumarktgalerie, in der Richmodstraße, findet sich der Richmodisturm mit den beiden sagenumwobenen Päädsköpp. Auf der Südseite des Platzes steht ein Gebäude mit bewegter Geschichte: Das Bing-Haus. Und zu Geschäftszeiten lohnt sich ein Abstecher in die benachbarte Schalterhalle der Kreissparkasse – dort gibt es 4711 kostenlos.
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