Die Simultanhalle – ein dauerhaftes Provisorium

Die Simultanhalle in Volkhoven, Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0
Die Simultanhalle in Volkhoven, Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0

Nichts ist in Kölle so beständig wie die vielen Provisorien: Die „Blaue Mülltüte“, auch bekannt als Musical-Dome, sollte drei Jahre bestehen. Aktuell steht das hässliche Ding bereits seit 1996 neben dem Dom. Und auch die „Sackgassen-U-Bahn Linie 17“ wird uns wohl auch noch viele weitere Jahre erhalten bleiben.

Selbstverständlich können wir auf die beiden oben genannten Provisorien gerne verzichten. Aber es gibt auch besondere Dinge, die eigentlich nur auf Zeit angelegt waren, die aber trotzdem erhalten bleiben sollten. Dazu gehört zum Beispiel die Seilbahn, die eigentlich nur für die Bundesgartenschau 1957 ihre Runden drehen sollte, und auch unbedingt die Simultanhalle.

Ein „Architektur-Dummy“

Wenn man vor der Simultanhalle steht erkennt man sofort die Ähnlichkeit. „Hä?“ denkt sich der Kölsche „Dat süht jo uss wie dat Museum.“ Und damit hat er recht. Die Simultanhalle in Volkhoven sieht tatsächlich aus wie das Museum Ludwig. Nur in klein.

Das Museum Ludwig, Bild: Raimond Spekking
Unverkennbar: Die „große Schwester“ der Simultanhalle: Das Museum Ludwig, Bild: Raimond Spekking

Errichtet als Testbau im Jahr 1979 hatte dieses Gebäude den einzigen Zweck, als Modell für das große Museum Ludwig zu dienen. Mit der für ein Museum neuen Variante eines Sheddachs waren neue Herausforderungen zur Lichtführung verbunden. Bevor viel Geld in die „echte“ Konstruktion in der Innenstadt gesteckt werden sollte, wollte man die Praktikabilität dieser speziellen Dachkonstruktion in kleinem Maßstab testen. Und da man ein solches Testobjekt zur Verfügung hatte, konnte man auch gleich verschiedene Fassadenvarianten, Wand- und Bodenbeläge testen.

Gut zu erkennen: Testflächen von verschiedenen Fassadenvarianten an der Simultanhalle, Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0
Gut zu erkennen: Testflächen von verschiedenen Fassadenvarianten an der Simultanhalle, Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0

Ungewöhnlich ist dieses Vorgehen bei großen Bauvorhaben nicht. Doch während üblicherweise nur Teile von Dächern, Mauern oder Fassaden zum Test errichtet werden, baute man in Volkhoven direkt ein ganzes Haus. In der städtischen Verwaltung bürgerte sich für das Provisorium schnell der Begriff „Simultanhalle“ ein.

Ein Ort der Kultur im Norden Kölns

Mit dem Bau der Simultanhalle war der Abriss im Jahr 1983 fest eingeplant. Wenn da nicht die Künstlerin Eva Jansková den ganz besonderen Wert dieses Bauwerks entdeckt hätte. Um Fakten zu schaffen organisierte sie Ausstellungen in dieser Halle. Durchaus eine Besonderheit in der nicht durch Kunst geprägten nördlichen Peripherie Kölns. Dies wurde auch von der Stadtverwaltung erkannt, die 1984 die Trägerschaft über die Simultanhalle übernahm.

Die spektakulärste Ausstellung in der Simultanhalle fand am 6. September 1986 statt: Während in der Innenstadt das große Museum Ludwig mit Gala-Konzert, Lasershow und Feuerwerk am Rhein eröffnet wurde, fand in Volkhoven die Eröffnung des „Klaus Peter Schnüttger-Webs-Museum“ statt – ein Gag des Künstlers Ulrich Tillman. Dieses fiktive Museum schließt gleich am nächsten Tag „wegen der enormen Folgekosten“ wieder, doch die Aktion hat den gewünschten Erfolg, und die Simultanhalle wird überregional bekannt.

Schließung wegen statischer Bedenken

Bis 2017 läuft der Ausstellungsbetrieb in der zunehmend baufälliger werdenden Halle, dann schließt die Stadt das Gebäude wegen statischer Bedenken. Erstaunlich ist, dass das Provisorium überhaupt so lange durchgehalten hat. Damit der Kulturbetrieb nicht völlig zum Erliegen kommt, organisieren Künstler und ein Förderverein Ausstellungen auf dem Gelände rund um die Halle.

Eine Sanierung wurde mit 200.000 Euro veranschlagt. Die Stadt will das Geld nicht aufbringen, weil das Provisorium weder eine besondere Bedeutung für die Baugeschichte oder Stadtgeschichte habe, so die Stadt. Gleichzeitig erkennt aber das Kulturamt die Bedeutung der Simultanhalle als Ort für Kunst und Kultur an und fördert den Betrieb durch Zuschüsse.

Der Charme des Provisorischen oder eine moderne Infrastruktur?

Der Plan der Stadt ist es, das gesamte Gelände in Erbpacht an einen Investor zu vergeben. Dabei soll ein niedriger Erbbauzins, gekoppelt mit strengen Vorgaben, das Areal als Kunstort zu erhalten, um den weiteren Kulturbetrieb sicherstellen. Allerdings ohne ausdrücklich den Erhalt der Simultanhalle festzuschreiben. Stattdessen soll eine neue, moderne Halle entstehen.

Dies ist nicht im Interesse des Fördervereins, der eine Petition zur Rettung der Simultanhalle veröffentlicht hat. Abzuwarten bleibt, ob sich ein Investor findet, der beide Welten vereint: Den Charme des Provisorischen der Simultanhalle bei gleichzeitiger Schaffung einer modernen Infrastruktur.

Die Chancen stehen aktuell nicht schlecht: Im Bündnisvertrag vom 8. März 2021 des neuen Kölner Mehrheitsbündnisses aus CDU, GRÜNE und VOLT steht ausdrücklich „Für den Erhalt der Simultanhalle werden wir uns einsetzen.“1(Seite 84, Zeile 2716 des Bündnisvertrags).

Aber bis zu einer endgültigen Entscheidung läuft noch viel Wasser den Rhein herunter. Merke: Provisorien leben in Köln immer viel länger als geplant.


Gedenktafel zum Attentat in Volkhoven am 11. Juni 1964, Bild: Raimond Spekking
Gedenktafel zum Attentat in Volkhoven am 11. Juni 1964, Bild: Raimond Spekking

Das Attentat von Volkhoven

Die Simultanhalle steht auf dem Schulhof der Volksschule Volkhoven. Am  11. Juni 1964 stürmte ein 42jähriger Mann, bewaffnet mit einer Lanze und einem selbstgebauten Flammenwerfer, diese Schule und tötete acht Schulkinder und zwei Lehrerinnen. Das Ehrengrab von Ursula Kuhr, einer der beiden getöteten Lehrerinnen, befindet sich auf dem Südfriedhof.


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Ein paar Fragen an Ronald Füllbrandt – 24 Stunden am Tag ein „Kölschgänger“

Der Kölschgänger Ronald Füllbrandt (1961 - 2021), Bild: www.koelschgaenger.de
Der Kölschgänger Ronald Füllbrandt (1961 – 2021), Bild: www.koelschgaenger.net

Es gibt unendlich viele Menschen, die sich mit Köln beschäftigen. Eine kreative Truppe ragt allerdings heraus: Die Kölschgänger. Die Kölschgänger sagen über sich selbst, dass sie Geschichte und Geschichten über unsere Stadt und ihre Menschen schreiben. Tatsächlich aber bieten die Kölschgänger noch viel mehr: Spannende Details zu unserer Stadt, mit viel Liebe geschrieben und immer sehr gut recherchiert. Übrigens alles aus Spaß an d´r Freud – die Kölschgänger haben keinerlei kommerzielles Interesse.  

Dahinter steht eine kleine Truppe von Menschen, deren Kopf und Antreiber Ronald Füllbrandt war. Ich durfte Ronald kennenlernen. Er hatte etwas ansteckendes Positives – et hät Freud jemaht, mit ihm über Gott und die Welt und ganz besonders über Kölle zu sprechen. Ronald brachte ein beeindruckendes Wissen über unsere Stadt mit – alles persönlich „erlaufen“ auf seinen Spaziergängen durch die Stadt und anschließend sauber recherchiert und pointiert aufgeschrieben.

Die Kölschgänger bieten spannende Details zu unserer Stadt, mit viel Liebe geschrieben und immer sehr gut recherchiert.
Die Kölschgänger bieten spannende Details zu unserer Stadt, mit viel Liebe geschrieben und immer sehr gut recherchiert.

Eine letzte Ehre

Am 3. April 2021 ist Ronald vollkommen überraschend gestorben. Ronald, Jahrgang 1961, war ´ne echte kölsche Jung und hatte mit seinen Kölschgängern noch so viel vor. Um Ronald auch beim Köln-Lotsen die letzte Ehre zu erweisen, haben mir die Kölschgänger erlaubt, ein kurzes Interview mit ihm hier zu veröffentlichen, welches aus dem April 2020 stammt und bereits auf der Seite der Kölschgänger veröffentlicht wurde.
Dafür ein großes DANKE.

Und wenn dä Ronald vom Himmelspötzje op uns luurt, denk hä bestemmp: 
Maht wigger! Et jitt noch su vill övver Kölle ze verzälle.


11 Fragen an Ronald Füllbrandt

Wie bist du zu Kölschgänger gekommen?

Aus Heimweh. Ich wohnte damals nicht in Köln, schaute immer wieder im Netz nach Kölner Seiten. Leider stellte ich fest, es gab nur sehr wenig über unsere Stadtgeschichte zu lesen. Und was macht man, wenn man eine grobe Vorstellung hat, wie so eine Seite aussehen sollte und es sie nicht gibt? Richtig, man baut sie selber auf. Gesagt, getan. Mittlerweile gibt es Kölschgänger rund 3 Jahre. Etwa 370 (dreihundertsiebzig !!!!) Beiträge sind erschienen und ein Ende ist nicht in Sicht. Und, ganz nebenbei bin ich auch ein wenig stolz auf das Erreichte. Knapp 11.000 Follower sind eine klare Ansage. So in etwa war der Plan.1Diese Angaben stammen aus dem April 2020. Bis heute, Stand April 2021, haben die  Kölschgänger über 600 Beiträge veröffentlicht und mehr als 12.700 Follower bei Facebook.

Wie schaffst du es, einmal die Woche einen neuen Beitrag zu schreiben?

Einen? Oftmals sind es ja zwei, da ich die Serie „Kölschgänger zwischendurch“ ebenfalls schreibe und hin und wieder auch noch ein Interview einstreue. Unsere Homepage pflege ich auch. Kölschgänger ist halt „mein Kind“ und ich hänge mit meinem ganzen Herzen an dieser Seite. Köln ist meine Heimat, diese Stadt und ihre wunderbar verrückten Menschen geben mir sehr viel und wer nimmt, der sollte auch zurückgeben. Mit dieser Seite versuche ich meinen Teil beizutragen, damit unsere Stadtgeschichte, die Legenden und selbst der kleinste Brunnen nicht untergehen, sondern das Wissen weitergegeben wird, und das möglichst verständlich und unterhaltsam.

Hat sich dein Leben verändert, seitdem du für Kölschgänger schreibst?

Auf jeden Fall. Es ist Lebensinhalt geworden. Bei Kölschgänger hat jeder so seine Art zu schreiben und zu recherchieren. Ich liebe es, durch die Stadt zu streifen, genau hinzuschauen und gerade die „Kleinigkeiten“ sind mein Steckenpferd. Wer kennt schon jedes Veedel (und die Veedel in den Veedeln). Ich lerne die Stadt immer besser kennen, komme in Ecken, die ich wohl sonst nie gesehen hätte. Jede Geschichte ist ein Erlebnis, will entdeckt werden, jedes Gefühl gelebt werden. Böse Zungen behaupten, ich stehe mit den Gedanken an Kölschgänger auf, lebe es den ganzen Tag und gehe mit den Gedanken an Kölschgänger schlafen. Na ja, ganz so schlimm ist es nicht…oder?

Bist du auch an anderer Stelle im Netz oder im richtigen Leben zu finden?

Eigentlich nicht. Früher habe ich mich um Wildkräuter gekümmert, auch einige kleine Bücher geschrieben, aber das ist lange her. Ich gehöre sicherlich nicht zu den Leuten, die ohne Handy nicht leben können. Oft genug stelle ich unterwegs fest, Handy vergessen, Mist. Wie komme ich jetzt an die Fotos, die ich brauche? Ich fürchte, ohne Kölschgänger hätte ich kein Facebook und den anderen Kram. Es ist Mittel zum Zweck für mich. Nicht mehr.

Was verbindet dich mit Köln?

Heimat. Ich bin viel „rumgekommen“ in meinem Leben. Aber wie singen die Klüngelköpp so schön „… irgendwann packe ich ein und komme heim.“. Letztes Jahr war es soweit. Und ja, in einigen Beiträgen wird es bei mir sehr persönlich, dann reise ich in die Vergangenheit. Der Worringer Bahnhof, morgens um 5, mein Hauptbahnhof – das sind diese ganz persönlichen Momente, da kann es passieren, dass ich beim Schreiben eine Träne vergieße und es sehr tief geht. Dann weiß ich, endlich zohus.

Welcher Ort gefällt dir in Köln am besten?

Mein neues Veedel. Niehl. Ich bin glücklich hier. Super aufgenommen worden, hier gibt es alles, was man braucht. Ich bin in 2 Minuten im Nordpark, in 5 Minuten an der Bahn, in einer Viertelstunde am Rhein (der hier in Niehl einfach wunderschön ist) und in 10 Minuten mit der Bahn in der City, oder in knapp 30 wenn ich laufe. Und, was gaaanz wichtig ist: Ich genieße von meiner Wohnung aus den Blick auf den Dom.

Hast du ein Lieblingslokal?

Ja, ganz klar. Das Gaffel im Linkewitz. Mein zweites Wohnzimmer, im Sommer auch gerne auf der Terrasse. Lecker Kölsch, den Rhein im Blick, nette Menschen um mich herum und die Inhaber Kalle und Karo sind einfach herzlich. Ansonsten trinke ich gerne mal einen Kaffee am Wallrafplatz im Funkhaus-Cafe.

Wer ist für dich eine „echte“ kölsche Persönlichkeit?

Jeder, der sich als Kölner fühlt, Weltoffenheit lebt und sich für unsere Stadtgeschichte interessiert. Es kommt nicht darauf an, ob die Person „weltbekannt in Köln“ ist, herzlich und offen muss sie sein und gerne auch etwas „kölnpatriotisch chaotisch“.

Wo würdest du leben wollen, wenn nicht in Köln?

Nirgends, hier kriegt mich keiner mehr weg.

Wenn du einen Tag Oberbürgermeister wärst, was würdest du ändern?

Meinen Mitarbeitern erklären, dass wir Dienstleister sind, dass es nicht schadet, freundlich zu seinem Gegenüber zu sein und seine Sorgen und Probleme ernst zu nehmen.

Und was mir ganz besonders auf den Sa… geht, dieser Bau-Wahn. Unsere Architekten sollten sich mal anschauen, wie schön es früher aussah. Heute werden nur noch hässliche Klötze gebaut. Schrecklich. Nachhaltigkeit ist auch so ein Thema, bei dem ich aus der Hose springen könnte. Haltet lieber die alten Sachen in Ehren und in Ordnung. Egal ob Stadtmauer, Brunnen etc., ein Trauerspiel.

Was ist für dich das kölsche Jeföhl?

Kein Fernweh zu kennen. Bauchweh zu bekommen, wenn ich ein paar Tage weg muss. Im Veedel ein Kölsch zu trinken, den Leuten zuzuhören, feststellen, dass wir bekloppt sind und Köln ein Dorf ist.

Und was noch?

Ein ganz herzliches Dankeschön an meine verrückten Mitstreiter, die meinen Traum mit leben, mich und meine verrückten Ideen ertragen, unsagbar viel Arbeit in dieses Projekt stecken ohne jemals einen Euro Lohn zu sehen für ihre Mühe. Ohne euch wäre dieses Projekt nicht möglich gewesen. Dankeschön dafür.


Diese Menschen haben bisher meine Fragen beantwortet: 


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Hummerich: Das Millionen-Grab auf dem Südfriedhof

Die Grabstätte Hummerich - einst ein echtes "Millionen-Grab", Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0
Die Grabstätte Hummerich – einst ein echtes „Millionen-Grab“, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0

Der Melatenfriedhof hat seine bekannte „Millionenallee“ – hier befinden sich die Gräber der kölschen (Geld-)Prominenz. Und auch auf dem Südfriedhof ist eine solche Millionenallee zu finden. Hier fanden viele reiche Kölner ihre letzte Ruhe, denn immerhin gehört das noble Viertel Marienburg zum Beerdigungsbezirk des Südfriedhofs. Tatsächlich aber trägt die Millionenallee auf dem Südfriedhof ihren Namen  mit vollem Recht, denn hier war einst ein millionenschwerer Schatz versteckt.

Bomben zerstören die Stadt – Amerikaner marschieren von Westen aus Richtung Rhein

Es ist September 1944. Der Krieg hat tiefe Wunden in der Stadt hinterlassen. Bombenangriffe haben Wohnungen verwüstet, die meisten Kölner haben ihre in vielen Teilen unbewohnbare Stadt bereits verlassen. Das VII. US-Korps überschritt am 12. September 1944 die deutsche Grenze, bereits zwei Tage später wurden Teile von Aachen eingenommen.

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild:
U.S. Department of Defense

Selbst der NSDAP-Gauleitung war klar, dass die Truppen auf dem weiteren Vormarsch sind und nur noch wenig Zeit bleibt, bis die großen Städte im Westen des Reichs, darunter auch Köln, eingenommen werden. Daher wurde befohlen, die Wertgegenstände der Stadt, insbesondere das vorhandene Bargeld und Wertpapiere, sicher in einer anderen Stadt unterzubringen.

Geniales Versteck auf dem Friedhof

Von dieser Idee hält der Kämmerer der Stadt Köln, Oskar Türk, wenig. Seit 1936 ist für die Finanzen der Stadt verantwortlich. Türk bringt das städtische Geld in Sicherheit, aber anders, als es die Gauleitung vorsieht: Er will das Geld sicher verstecken – in einem Grab.

Die Wahl fällt auf die repräsentative Grabstätte der Familie Hummerich auf dem Südfriedhof, ganz nah am Haupteingang. In der Nacht vom 13. auf den 14. September 1944 ist es dann so weit: In einer echten „Nacht-und-Nebel-Aktion“ werden insgesamt 230 Mio. Reichsmark und Wertpapiere im Wert von etwa 70 Mio. Reichsmark zum Südfriedhof geschafft. Nur drei Männer sind eingeweiht: Kämmerer Türk und zwei Sparkassendirektoren. Sie heben den Deckel der Hummerich-Gruft an und verstauen den Millionenschatz in der darunter liegenden Grabkammer. Die drei Männer vereinbaren striktes Stillschweigen. Erst nach Kriegsende sollte das Geheimnis gelüftet werden.

In den folgenden Monaten kann sich Oskar Türk bei unauffälligen Spaziergängen auf dem Südfriedhof davon überzeugen, dass das Hummerich-Grab unangetastet ist – die Kölner Stadtfinanzen sind sicher untergebracht.

Schatz war verschwunden

Nach dem Krieg forschten die amerikanischen und britischen Besatzer auch nach dem Verbleib der Wertgegenstände der Stadt. Und Türk führte sie zum Hummerich-Grab auf dem Südfriedhof. Doch das Grab war leer, der Millionenschatz verschwunden. „Die Stadtverwaltung hatte das Geld schon herausgeholt“, erklärte Türk in einem Interview des Kölner Stadt-Anzeigers.

Und so saß die Stadt Köln in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf einem Millionenschatz. Fraglich ist allerdings, welchen Wert dieser Schatz tatsächlich noch hatte. Dem reinen Nennwert1Dem auf den Geldscheinen aufgedruckten Werten. nach waren es tatsächlich Millionenwerte, allerdings war die echte Kaufkraft erheblich geringer. Nur zum Vergleich: Eine Zigarette kostete 1946 auf dem Schwarzmarkt bis zu 10 Reichsmark, ein Pfund Butter zwischen 150 und 250 Reichsmark, Kaffee wurde für mehr als 2.000 Reichsmark je Pfund gehandelt.

Aber immerhin kann man heute noch von einer „echten“ Millionenallee auf dem Südfriedhof sprechen.


Tatsächlich haben viele Menschen gegen Ende des Kriegs Geld Wertpapiere und sonstige Wertgegenstände versteckt: Vergraben im Garten, eingemauert im Keller, im Dachgebälk versteckt etc. Angeblich wurden auch Friedhöfe als Versteck genutzt. Allerdings will offensichtlich niemand darüber reden – es finden sich kaum belastbare Belege dafür, dass Geld oder ähnliches in Gräbern versteckt wurde.


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Kölsche Wörter: Et Knützje. Oder doch eher Krüstje, Kaascht oder Köschje?

Ganz viele Knützjer. Oder wie nennt ihr das? Bild: Sabine Schulte/Pixabay
Ganz viele Knützjer. Oder wie nennt ihr das? Bild: Sabine Schulte/Pixabay

Natürlich gibt es in Deutschland das „Deutsche Brotinstitut“. Und selbstverständlich führt dieses Institut das „Deutsche Brotregister“ – wir Deutschen sind halt bestens organisiert! Dieses Register verzeichnet aktuell über 3.000 unterschiedliche Brotsorten. Lieblingsbrote der Deutschen sind Mischbrote auf Basis einer Mischung aus Weizen- und Roggenmehlen. Ungefähr ein Drittel aller Brote fällt unter diese Sorte. Vollkornbrote liegen fast abgeschlagen bei gerade mal 10% aller verkauften Brote.

Alles hat ein Ende – nur das Brot hat zwei

Was aber alle Brote gemeinsam haben sind die zwei Enden. Und damit geht das Drama los: Wie heißen diese beiden Enden? Diese Frage ist nicht trivial, kann sie doch zu erheblichen Missverständnissen führen. So hat meine Frau große Augen gemacht, als ich beim gemeinsamen Essen klargestellt habe, dass ich das Knützje bekomme. Für mich war das eindeutig: Ich bekomme das „Randstück“ – ein Begriff, den ich zu diesem Zeitpunkt nicht kannte. Das Ende vom Brot ist das Knützje. Fertig. „Ah – du willst das Knäppchen. Sag das doch gleich.“ so  meine Frau. Und da war sie: Die rheinische Sprachbarriere.

Meine Frau kommt vom Niederrhein, Und dort nennt man das Knützje offensichtlich Knäppchen. Seltsame Sprache.

Fast ebenso viele Bezeichnungen wie Brotsorten

Wenn man sich näher damit beschäftigt, stellt man fest, dass es für das „Randstück“ fast ebenso viele Bezeichnungen wie Brotsorten in Deutschland gibt. Von A wie „Agang“ bis Z wie „Zipfel“ gibt es hunderte unterschiedliche Begriffe.

Und weil dem so ist, hat es das Knützje oder Knäppchen sogar bis in die Wissenschaft geschafft: Im „Atlas der Alltagssprache“, einem Projekt der Universitäten Salzburg und Lüttich, wird die Verwendung des Wortes für das Brotrandstück in den unterschiedlichen Regionen systematisch untersucht.

Die regionale Verteilung des Wortes für "et Knützje" im "Atlas der Umgangssprache", Quelle: www.atlas-alltagssprache.de
Die regionale Verteilung des Wortes für „et Knützje“ im „Atlas der Umgangssprache“, Quelle: www.atlas-alltagssprache.de

Knippchen, Knoosch, Knust, Knützje

Bei uns im Rheinland werden vorwiegend Begriffe mit „Kn“ verwendet: Knäppchen, Knäppken, Knippchen, Knoosch, Knust, Knützje, Knuuz. Wörter mit „Kn“ bezeichnen oft rundliche Gegenstände, wie zum Beispiel bei Knolle, Knospe oder Knoten. Eine mögliche Herkunft ist das mittelniederdeutsche Wort „knuust“ für Knolle – also etwas rundes. So ist auch heute noch das niederländische Wort für Faust „knuist“.

Langweiliger „echter“ Begriff

Ich habe übrigens beim Bäcker nachgefragt, wie denn der „echte“ Begriff für et Knützje ist. Das Ergebnis: Anschnitt. Wie langweilig. Dann doch lieber die schönen umgangsprachlichen Begriffe wie Awendel, Bäätsch, Baggerla, Boppes, Giggl, Gnaerzla, Gnaisle, Gnäusle, Gniesle, Gnuscht, Kantn, Käppele, Kärschtche, Kierschtche, Kipfchen, Knaischen, Knaisje, Knärtel, Knärtzje, Knärz, Knarzel, Knärzelche, Knärzje, Knäusje, Knäusli, Knecks, Kneidele, Kneischen, Kneisje, Kneisle, Kneppel, Knerzl, Knieschen, Knieschen, Kniesje, Kniestchen, Knippche, Knörbl, Knork, Knorst, Knörzchen, Knorze, Knörzje, Knörzl, Knörzle, Knübbele, Knübberle, Knüstchen, Knussel, Knuusä, Köbberla, Koebbla, Köpple, Körschtche, Köschken, Kreschtche, Krischtche, Kruscht, Kübbele, Küppchen, Küppel, Küppele, Kurscht, Kürschtsche, Rampfterla, Ranfdl, Ranft, Ranka, Ränkel, Rankerl, Rankerla, Rempftchen, Rendala, Renftchen, Rengele, Renkerl, Riebel, Riebele, Riefdla, Rieftle, Roiftle, Rungsen, Schäbbelchen, Schäbbelsche, Scherzl, Stazzla, Sterzl, Sterzl, Storzl …

Oder einfach Knützje. Wie es auch richtig ist.


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