Die beiden kannten sich bereits mehr als 42 Jahre, als Adenauer dem Bankier Robert Pferdmenges das „Du“ anbot. Das war an Adenauers 85. Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt war Pferdmenges auch bereits 81 Jahre alt. So wurde Robert Pferdmenges zum einzigen Menschen, der auf „Du und Du“ mit dem Kanzler war. Daher gilt der Bankier Pferdmenges bei Historikern als einziger wirklicher Freund des in persönlichen Dingen eher unterkühlten ersten deutschen Bundeskanzlers.
Erfolgreicher Bänker – Friedrich Engels als (angeheirateten) Onkel
Geboren wurde Robert Pferdmenges am 27. März 1880 in Mönchengladbach als zweites von neun Kindern des Textilunternehmers Wilhelm Albert Pferdmenges und seiner Frau Helene. Nach Abitur und Banklehre machte er Karriere bei verschiedenen Banken mit Positionen in Antwerpen und London. Im Jahr 1919 zog er mit seine Frau Dora und den beiden Kinder nach Köln und wurde Vorstand der A. Schaaffhausen’scher Bankverein Actiengesellschaft.
Kurios: Sein (angeheirateter) Onkel war ein gewisser Friedrich Engels aus Wuppertal. Pferdmenges dazu: „Es ist nicht wahr, daß ich ihn je gesehen hätte. Aber es stimmt, daß es in unseren Familien ein geflügeltes Wort gab, das immer dann drohend angewandt wurde, wenn jemand über die bürgerlichen Stränge schlug: “Du wirst noch wie Onkel Friedrich.‘‚1DER SPIEGEL 5/1954 vom 26.01.1954. Diese Gefahr bestand beim Bankier Pferdmenges eher nicht.
1931 wechselte Pferdmenges die Position: Vom bisher angestellten Manager verschiedener Bankhäuser zum Teilhaber des Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. Dort war er bis 1953 persönlich haftender Gesellschafter.
Pferdmenges – die „graue Eminenz“ Adenauers
Konrad Adenauer hatte dem erfolgreichen Manager viel zu verdanken: Obwohl keine eindeutigen Beweise vorliegen, gehen Historiker davon aus, dass es Robert Pferdmenges war, der Adenauer, welcher 1930 nahezu sein gesamtes Vermögen durch Fehlspekulation am Aktienmarkt verloren hatte, finanziell rettete.
Und auch die CDU profitierte von den Fähigkeiten des Strippenziehers Pferdmenges. Denn der Mann mit den besten Kontakten in die Industrie und Wirtschaft organisierte die notwendigen Spenden, ohne die die Kassen der CDU in den aufreibenden Wahlkämpfen der 1950er Jahre leer geblieben wären.
Gleichzeitig war er in der gerade neu gegründeten CDU der Mann, der den bürgerlich-evangelischen Flügel repräsentierte, während Adenauer als Katholik eher in der Tradition der Zentrumspartei stand. Daher drängte Adenauer den Protestanten Pferdmenges zu einer Kandidatur bei der ersten Bundestagswahl:
Nur eine einzige Rede im Bundestag – und diese auch nur gezwungenermaßen
Pferdmenges gab dem Drängen Adenauers nach und war von 1950 bis zu seinem Tode im Jahr 1962 Mitglied des Bundestags. Allerdings war nicht der Plenarsaal und das Rednerpult sein eigentliches Arbeitsgebiet. Viel mehr agierte er im Hintergrund und diente Adenauer als „machtvoller, finanzkapitalistischer Drahtzieher der Politik in jenen Jahren“2Der SPIEGEL: Adenauers Mann für die Moneten, 05.11.2006
Seine in zwölf Jahren einzige Rede im Parlament hielt Pferdmenges auch eher unfreiwillig: Als Alterspräsident eröffnete er Mitte Oktober 1961 die vierte Legislaturperiode. Allerdings war er nicht der klassische „Hinterbänkler“, sondern ein Machtmensch, der genau wusste, welche Strippen im richtigen Moment zu ziehen sind.
Pferdmenges fungiert als Platzhalter für die Oppenheim-Familie
Als die nationalsozialistischen Machthaber die Familie Oppenheim im Jahr 1938 wegen derer jüdischen Wurzeln aus der Bank drängten, stellte sich Pferdmenges vor die Familie und rettete das Bankhaus, indem er es zwar formell übernahm, die Familie Oppenheim blieb aber im Hintergrund Haupteigentümer. So fungierte er von 1938 bis 1947 als Platzhalter für die Eigentümerfamilie. Damit war auch eine Namensänderung verbunden. Aus Sal. Oppenheim wurde Pferdmenges & Co.. Für die Nationalsozialisten galt die Bank somit als „arisiert“. Im Jahr 1947 konnte die Familie Oppenheim die Bank wieder übernehmen und unter der ursprünglichen Bezeichnung Sal. Oppenheim jr. & Cie. die Geschäfte wieder aufnehmen.
Dies führte später zu dem Vorwurf, Pferdmenges wäre ein „Nazi-Bänker“ gewesen. Es ist davon auszugehen, dass diese Vorwürfe haltlos sind. Tatsächlich wurde Pferdmenges nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 im Zusammenhang mit der Fahndung nach seinem Geschäftspartner Waldemar von Oppenheim sogar festgenommen. Gegen ihn wurde ein Berufsverbot verhängt und er wurde auf seinem Gut in der Mark Brandenburg unter Hausarrest gestellt.
Nach dem Krieg wurde Robert Pferdmenges von den Alliierten als „politisch einwandfrei“ beurteilt und auch ein eigens eingerichteter Untersuchungsausschuss der Kölner Stadtverordnetenversammlung bestätigte dies. Auch die Familie Oppenheim betonte, dass Pferdmenges durch die Zurverfügungstellung seines Namens das Bankhaus gerettet hatte.
Mandate in 27 (!) Aufsichtsräten
Pferdmenges kehrte im Sommer 1945 nach Köln zurück und wurde bereits im September 1946 zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer ernannt. Der Netzwerker im Hintergrund führte erfolgreich die Bankgeschäfte des Bankhauses Oppenheim und sammelte Aufsichtsposten wie andere Menschen Briefmarken. So war er ab 1954 in 27 Aufsichtsräten vertreten.
Darunter waren Unternehmen wie Felten & Guilleaume, die Klöckner-Werke AG, die Nordstern Versicherung, Bahlsens Keksfabrik in Hannover oder auch die Zuckerfabrik von Pfeifer & Langen.
Jahrzehntelange Freundschaft mit Adenauer
Verständlich, dass der streitlustige Adenauer den eher ausgleichenden Bänker eng an seiner Seite wissen wollte. So half der Vermittler Pferdmenges dem Kanzler nicht nur, die Mitbestimmung in der Montanindustrie im bürgerlichen Lager durchzusetzen, sondern auch die großen Spannungen zwischen Adenauer und seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard auszugleichen. Es ist davon auszugehen, dass ohne den Vermittler Robert Pferdmenges die Regierung im dritten (1957 – 1961) und vierten (1961 – 1963) Kabinett Adenauers zerbrochen wäre. Deshalb ist es zu verstehen, dass ausgerechnet ein protestantischer Bänker zum einzigen Duz-Freund Adenauer wurde.
Robert Pferdmenges verstarb am 28. September 1962 im Alter von 82 Jahren in seiner Wahlheimat Köln. Sein Grab befindet sich auf dem evangelischen Friedhof in Mönchengladbach. Bei der Trauerfeier in der Kölner IHK3am 3. Oktober 1962 betonte Adenauer seine äußerst enge Verbindung zu seinem (vermutlich einzigen echten) Freund:
„Wir haben uns zunächst in Köln nach dem ersten Weltkrieg kennengelernt. Wir sind uns bald nahe gekommen und schlossen Freundschaft, die jahrzehntelang bis jetzt gedauert hat, und niemals in ihrer Harmonie getrübt war, eine Freundschaft, die durch alle Zeiten und Wechselfälle des Lebens gewahrt wurde von ihm und von mir.“
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