Robert Pferdmenges – erfolgreicher Bänker und „Strippenzieher“ für Adenauer

Robert Pferdmenges hält die Rede als Alterspäsident bei der konstituierenden Sitzung des 4. Deutschen Bundestages am 17 Oktober 1961, Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F011609-0006, Rolf Unterberg, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Robert Pferdmenges hält die Rede als Alterspäsident bei der konstituierenden Sitzung des 4. Deutschen Bundestages am 17 Oktober 1961, Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F011609-0006, Rolf Unterberg, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Die beiden kannten sich bereits mehr als 42 Jahre, als Adenauer dem Bankier Robert Pferdmenges das „Du“ anbot. Das war an Adenauers 85. Geburtstag. Zu diesem Zeitpunkt war Pferdmenges auch bereits 81 Jahre alt. So wurde Robert Pferdmenges zum einzigen Menschen, der auf „Du und Du“ mit dem Kanzler war. Daher gilt der Bankier Pferdmenges bei Historikern als einziger wirklicher Freund des in persönlichen Dingen eher unterkühlten ersten deutschen Bundeskanzlers.  

Erfolgreicher Bänker – Friedrich Engels als (angeheirateten) Onkel  

Geboren wurde Robert Pferdmenges am 27. März 1880 in Mönchengladbach als zweites von neun Kindern des Textilunternehmers Wilhelm Albert Pferdmenges und seiner Frau Helene. Nach Abitur und Banklehre machte er Karriere bei verschiedenen Banken mit Positionen in Antwerpen und London. Im Jahr 1919 zog er mit seine Frau Dora und den beiden Kinder nach Köln und wurde Vorstand der A. Schaaffhausen’scher Bankverein Actiengesellschaft.

Kurios: Sein (angeheirateter) Onkel war ein gewisser Friedrich Engels aus Wuppertal. Pferdmenges dazu: „Es ist nicht wahr, daß ich ihn je gesehen hätte. Aber es stimmt, daß es in unseren Familien ein geflügeltes Wort gab, das immer dann drohend angewandt wurde, wenn jemand über die bürgerlichen Stränge schlug: “Du wirst noch wie Onkel Friedrich.‘1DER SPIEGEL 5/1954 vom 26.01.1954. Diese Gefahr bestand beim Bankier Pferdmenges eher nicht.

1931 wechselte Pferdmenges die Position: Vom bisher angestellten Manager verschiedener Bankhäuser zum Teilhaber des Kölner Bankhaus Sal. Oppenheim jr. & Cie. Dort war er bis 1953 persönlich haftender Gesellschafter.

Pferdmenges – die „graue Eminenz“ Adenauers

Konrad Adenauer hatte dem erfolgreichen Manager viel zu verdanken: Obwohl keine eindeutigen Beweise vorliegen, gehen Historiker davon aus, dass es Robert Pferdmenges war, der Adenauer, welcher 1930 nahezu sein gesamtes Vermögen durch Fehlspekulation am Aktienmarkt verloren hatte, finanziell rettete.

Und auch die CDU profitierte von den Fähigkeiten des Strippenziehers Pferdmenges. Denn der Mann mit den besten Kontakten in die Industrie und Wirtschaft organisierte die notwendigen Spenden, ohne die die Kassen der CDU in den aufreibenden Wahlkämpfen der 1950er Jahre leer geblieben wären.

Gleichzeitig war er in der gerade neu gegründeten CDU der Mann, der den bürgerlich-evangelischen Flügel repräsentierte, während Adenauer als Katholik eher in der Tradition der Zentrumspartei stand. Daher drängte Adenauer den Protestanten Pferdmenges zu einer Kandidatur bei der ersten Bundestagswahl: 

Brief von Adenauer an Pferdmenges am vom 1. Juli 1949, Quelle: Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, 12.02/3
Brief von Adenauer an Pferdmenges am vom 1. Juli 1949, Quelle: Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, 12.02/3

Nur eine einzige Rede im Bundestag – und diese auch nur gezwungenermaßen

Pferdmenges gab dem Drängen Adenauers nach und war von 1950 bis zu seinem Tode im Jahr 1962 Mitglied des Bundestags. Allerdings war nicht der Plenarsaal und das Rednerpult sein eigentliches Arbeitsgebiet. Viel mehr agierte er im Hintergrund und diente Adenauer als „machtvoller, finanzkapitalistischer Drahtzieher der Politik in jenen Jahren“2Der SPIEGEL: Adenauers Mann für die Moneten, 05.11.2006

Seine in zwölf Jahren einzige Rede im Parlament hielt Pferdmenges auch eher unfreiwillig: Als Alterspräsident eröffnete er Mitte Oktober 1961 die vierte Legislaturperiode. Allerdings war er nicht der klassische „Hinterbänkler“, sondern ein Machtmensch, der genau wusste, welche Strippen im richtigen Moment zu ziehen sind.

Die Pferdmengesstraße in Marienburg erinnert an Robert Pferdmenges, Bild: Uli Kievernagel
Die Pferdmengesstraße in Marienburg erinnert an Robert Pferdmenges, Bild: Uli Kievernagel

Pferdmenges fungiert als Platzhalter für die Oppenheim-Familie

Als die nationalsozialistischen Machthaber die Familie Oppenheim im Jahr 1938 wegen derer jüdischen Wurzeln aus der Bank drängten, stell­te sich Pferd­men­ges vor die Fa­mi­lie und rettete das Bankhaus, indem er es zwar formell übernahm, die Fa­mi­lie Op­pen­heim blieb aber im Hintergrund Haupt­ei­gen­tü­mer. So fungierte er von 1938 bis 1947 als Platzhalter für die Eigentümerfamilie. Damit war auch eine Namensänderung verbunden. Aus Sal. Oppenheim wurde Pferd­men­ges & Co.. Für die Nationalsozialisten galt die Bank somit als „ari­siert“. Im Jahr 1947 konnte die Familie Oppenheim die Bank wieder übernehmen und unter der ursprünglichen Bezeichnung Sal. Oppenheim jr. & Cie. die Geschäfte wieder aufnehmen.

Dies führte später zu dem Vorwurf, Pferdmenges wäre ein „Nazi-Bänker“ gewesen. Es ist davon auszugehen, dass diese Vorwürfe haltlos sind. Tatsächlich wurde Pferdmenges nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 im Zusammenhang mit der Fahndung nach seinem Geschäftspartner Waldemar von Oppenheim sogar fest­ge­nom­men. Gegen ihn wurde ein Berufsverbot verhängt und er wurde auf sei­nem Gut in der Mark Bran­den­burg un­ter Haus­ar­rest ge­stellt.

Nach dem Krieg wurde Robert Pferdmenges von den Alliierten als „politisch einwandfrei“ beurteilt und auch ein eigens eingerichteter Untersuchungsausschuss der Kölner Stadtverordnetenversammlung bestätigte dies. Auch die Familie Oppenheim betonte, dass Pferdmenges durch die Zurverfügungstellung seines Namens das Bankhaus gerettet hatte.

Mandate in 27 (!) Aufsichtsräten 

Pferdmenges kehrte im Sommer 1945 nach Köln zurück und wurde bereits im September 1946 zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer ernannt. Der Netzwerker im Hintergrund führte erfolgreich die Bankgeschäfte des Bankhauses Oppenheim und sammelte Aufsichtsposten wie andere Menschen Briefmarken. So war er ab 1954 in 27 Aufsichtsräten vertreten.

Darunter waren Unternehmen wie Felten & Guilleaume, die Klöckner-Werke AG, die Nordstern Versicherung, Bahlsens Keksfabrik in Hannover oder auch die Zuckerfabrik von Pfeifer & Langen.

Robert Pferdmenges und Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag (Mai 1960), Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F008112-0015 / Egon Steiner, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Robert Pferdmenges und Konrad Adenauer im Deutschen Bundestag (Mai 1960), Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F008112-0015 / Egon Steiner, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Jahrzehntelange Freundschaft mit Adenauer

Verständlich, dass der streitlustige Adenauer den eher ausgleichenden Bänker eng an seiner Seite wissen wollte. So half der Vermittler Pferdmenges dem Kanzler nicht nur, die Mitbestimmung in der Montanindustrie im bürgerlichen Lager durchzusetzen, sondern auch die großen Spannungen zwischen Adenauer und seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard auszugleichen. Es ist davon auszugehen, dass ohne den Vermittler Robert Pferdmenges die Regierung im dritten (1957 – 1961) und vierten (1961 – 1963) Kabinett Adenauers zerbrochen wäre. Deshalb ist es zu verstehen, dass ausgerechnet ein protestantischer Bänker zum einzigen Duz-Freund Adenauer wurde.

Robert Pferdmenges verstarb am 28. September 1962 im Alter von 82 Jahren in seiner Wahlheimat Köln. Sein Grab befindet sich auf dem evangelischen Friedhof in Mönchengladbach. Bei der Trauerfeier in der Kölner IHK3am 3. Oktober 1962 betonte Adenauer seine äußerst enge Verbindung zu seinem (vermutlich einzigen echten) Freund:

 „Wir haben uns zunächst in Köln nach dem ersten Weltkrieg kennengelernt. Wir sind uns bald nahe gekommen und schlossen Freundschaft, die jahrzehntelang bis jetzt gedauert hat, und niemals in ihrer Harmonie getrübt war, eine Freundschaft, die durch alle Zeiten und Wechselfälle des Lebens gewahrt wurde von ihm und von mir.“


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Der Rathausturm – Ausdruck kölschen Selbstbewusstseins

Der Rathausturm in Köln vom Alter Markt aus, Bild: Ansgar Koreng

Podcast Rathausturm, 29
 

Kein anderes Bauwerk in Köln repräsentiert das Selbstverständnis der Kölner so gut wie der mächtige Rathausturm. Vor dem Bau wurde die Skyline der Stadt ausschließlich durch die vielen Kirchtürme geprägt.

Mit der Fertigstellung des Rathausturms im Jahr 1414 wurde der erhabene Turm zum Symbol dafür, dass „Köln eine Stadt der Bürger ist und von Bürgern regiert wird“.1Dr. Ulrich Soénius im Grußwort zur Kölsch-Diplom-Arbeit von Heribert und Laura Günther mit dem Titel „Der Rathausturm in Köln“, Köln 2019 Somit ist der Rathausturm auch ein sichtbares Zeichen der Emanzipation von der Kirche.

Ältestes Rathaus Deutschlands

Die ältesten Urkunden, die ein Rathaus in Köln belegen, stammen aus dem Jahr 1135 und 1152. Dort wurde ein Haus erwähnt, in dem die Bürger zusammenkommen: „domus in quam cives conveniunt“.

Auch die Lage dieses Hauses lässt durch ein Dokument aus dem Jahr 1149 bestimmen: Dieses Haus lag im Judenviertel der Stadt: „domus inter judeos sita“ – exakt der Standort des heutigen Kölner Rathauses. Vermutlich hat es sich dabei um einen Bau im romanischen Stil mit zwei Geschossen gehandelt. In den Jahren 1328 bis 1330 wurde dieser romanische Bau massiv umgebaut, unter anderem entstand auch der repräsentative Hansasaal.

Das Kölner Rathaus, hier auf einem Kupferstich um etwa 1655, Bild: Künstler unbekannt, via Wikimedia Commons
Das Kölner Rathaus, hier auf einem Kupferstich um etwa 1655, Bild: Künstler unbekannt, via Wikimedia Commons

Der „Verbundbrief“ sichert Kaufleuten und Handwerker Teilhabe an der Macht

Köln war im 15. Jahrhundert eine der bedeutendsten und fortschrittlichsten  Städte Europas mit etwa 35.000 bis 40.000 Einwohnern. Der „Verbundbrief“,  eine Art „Verfassung “ der Stadt, wurde im Jahr 1396 verabschiedet. Über ein kompliziertes System erzwangen sich Kaufleuten und Handwerker erstmals Plätze im Stadtrat und somit eine Teilhabe an der Macht.

Dieses wachsende Selbstverständnis der Bürgerschaft sollte auch deutlich nach außen gezeigt werden. Daher wurde am 19. August 1406 beschlossen, einen repräsentativen und gleichzeitig auch funktionalen Rathausturm direkt am bereits bestehenden Rathaus zu errichten. Der Turm wurde in den Jahren 1407 bis 1414 von den Kölner Zünften errichtet. Ein beeindruckender Bau mit 61 Metern Höhe.

Neben der reinen Repräsentation erfüllte der Rathausturm aber auch praktische Funktionen:

  • Ganz oben war die Wachstube des Feuerwächters. Der große Höhe ermöglichte einen guten Blick über die Stadt, Feuer konnten rechtzeitig erkannt werden und mit einer „Feuerglocke“ wurde die Bevölkerung gewarnt.
  • Ganz unten gab es den „Keller zu der Steden Weynen“ – ein Weinkeller.
  • Im ersten Obergeschoß befand sich die Ratskammer.
  • In den Geschossen darüber gab es eine „Kammer zo der Stede Reyschap“. Hier wurde Waffen gelagert.
  • Zusätzlich gab es auch ein „Gevolwe zo der Stede Privilegien“ (Archiv) zur sicheren Lagerung der städtischen Urkunden.

Neben der Feuerglocke wurde auch noch die Ratsglocke aufgehangen. Mit dieser Glocke wurden Sitzungen des Stadtrates einberufen und deren Entscheidungen wurden mit einem Schlag dieser Glocke rechtskräftig.

Der zum größten Teil zerstörte Rathausturm im Jahr 1945, Fotograf: unbekannt
Der zum größten Teil zerstörte Rathausturm im Jahr 1945, Fotograf: unbekannt

Massive Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg – Wiederaufbau initiiert durch Bernhard Günther

Das Rathaus sowie der Rathausturm wurden im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Vom Rathausturm stand gerade noch ein Drittel. Es gab sogar Überlegungen, den Turm gänzlich abzureißen und neu aufzubauen.

Dass es zu dem Wiederaufbau kam, ist maßgeblich Bernhard Günther (1906 – 1981) zu verdanken. Günther war Inhaber der Elektrofirma Günther, Präsident der Kölner Handwerkskammer, Stadtverordneter in Köln und von 1949 bis 1965 Mitglied des Deutschen Bundestags.

Der umtriebige Elektromeister Günther war glühender Verfechter des zügigen Wiederaufbaus des Rathausturms. Bei der ersten Vollversammlung am 21. August 1948 der Handwerkskammer erinnerte Bernhard Günther an die alte Zunft-Tradition: „… das Handwerk möge überlegen, ob wir … den renovierten Rathausturm der Stadt Köln zum Geschenk machen können.“ Sein Appell war erfolgreich, einstimmig gab die Vollversammlung ihre Zustimmung zu dem Vorhaben.

Gründung der „Bauhütte Rathausturm“

Bernhard Günther setzte den Wiederaufbau auch ganz praktisch um: Unter seiner Federführung wurde am 24. April 1950 der Bauhütte Rathausturm e.V. gegründet – mit ihm als Vorstand. Konrad Adenauer wurde Schirmherr.

Grundsteinurkunde für den Neubau des Rathausturmes (Kopie Stadtarchiv)
Grundsteinurkunde für den Neubau des Rathausturmes (Kopie Stadtarchiv)

Die Grundsteinlegung zum Wiederaufbau war am 26. Mai 1950. Der Grundstein erhielt die Inschrift

1407 – 1414 von den Zünften erbaut
1943 – 1945 im Bombenhagel zerschlagen
1950 vom Kölner Handwerk wiedererrichtet.

Geschichte wiederholt sich: So wurde der Rathausturm, nach der Errichtung durch die Zünfte Anfang des 15. Jahrhunderts, im 20. Jahrhundert von den Kölnern Handwerkern gerettet. Bis in das Jahr 1975 wurde an dem Rathausturm gebaut und das Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut.

Der Platzjabbeck streckt die Zunge raus

Der Rathausturm verfügt auch über eine Uhr und den „Platzjabbek“. Dies ist eine geschnitzte Fratzen-Figur gleich unter dem Zifferblatt der Uhr, welche jeweils zur vollen Stunde den Mund öffnet und die Zunge rausstreckt. Die Figur ist bereits seit dem 15. Jahrhundert am Rathaus zu finden. Aber erst seit 1913 kann der Platzjabbeck auch die Zunge rausstrecken.

Der Platzjabbeck am Rathausturm in Köln, Bild: Raimond Spekking
Der Platzjabbeck am Rathausturm in Köln, Bild: Raimond Spekking

So ergibt sich schnell die Interpretation, dass diese Figur den Stadtrat verspotten sollte. Naheliegend, aber falsch. Denn im Jahr 1445 hat der Rat diese Figur selbst in Auftrag gegeben und auch die Rechnung dafür bezahlt. Und das mit Sicherheit nicht, um sich selbst zu verspotten.

Tatsächlich steht der Platzjabbeck dafür, dass die stolzen Kölner Bürger genau wissen, wann sie „das Maul aufmachen“ und zuschnappen müssen. Dies geht auf eine Legende Karls des Großen zurück.2Der Sage nach soll Karl der Große seine drei Söhne aufgefordert haben, den Mund weit zu öffnen. Der erste Sohn weigerte sich, die anderen beiden folgten dem Wunsch ihres Vaters. Karl legte ihnen ein Stück Apfel in den Mund und übergab ihnen so einen Teil seines Reiches, während der erste Sohn leer ausging.
Die Moral von der Geschichte: Wer also zur rechten Zeit den Mund öffnet und zuschnappt, gewinnt Macht und Einfluss.

Diese Darstellung ist also eine bildliche Darstellung des (leider oft übersteigerten) kölschen Selbstbewusstseins.


Glockenspiel und Figurenprogramm

Für das Auge gibt es das Figurenprogramm des Rathausturms – 124 Persönlichkeiten der Kölner Stadtgeschichte. Für das Ohr sorgt das Glockenspiel vom Rathausturm. Mehr dazu in den folgenden Wochen.


Laura und Heribert Laura Günther: „Der Rathausturm in Köln“, Diplomarbeit, vorgelegt an der "Akademie för uns kölsche Sproch" (2019)
Laura und Heribert Laura Günther: „Der Rathausturm in Köln“, Diplomarbeit, vorgelegt an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ (2019)

Ein großes DANKE an Laura und Heribert Laura Günther. Die beiden haben mir für diesen Artikel ein Exemplar ihrer Diplomarbeit mit dem Titel „Der Rathausturm in Köln“ zur Verfügung gestellt, welche sie 2019 im Rahmen ihres Studiums an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ vorgelegt hatten.


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Kölner Brücken: Die Mülheimer Schiffbrücke – anfällige Verbindung über den Rhein

Ein Schiff passiert die geöffnete Mülheimer Schiffbrücke, Bildquelle: unbekannt, Public Domain, via Wikimedia Commons
Ein Schiff passiert die geöffnete Mülheimer Schiffbrücke, Bildquelle: unbekannt, Public Domain, via Wikimedia Commons

Für die Mülheimer kam am 18. Mai 1888 eine große Erleichterung: Endlich konnten sie ohne Fähre von Mülheim nach Köln. Möglich machte dies eine neu eröffnete Pontonbrücke. Die aus Holz gefertigte Brücke lag auf 40 schwimmenden Nachen und verband das rechtsrheinische, damals noch eigenständige, Mülheim mit dem heutigen Köln-Riehl. Diese Brücke darf nicht mit einer ähnlichen Schiffbrücke verwechselt werden, welche das linksrheinische Martinsviertel mit Deutz verband.


Steckbrief Mülheimer Schiffbrücke

  • Breite: 12 m
  • Baubeginn: 1885
  • Eröffnung: 18. Mai 1888
  • Einstellung des Betriebs: 20. Juni 1927 

Schiffe und Hochwasser erschweren Betrieb

So bequem die Brücke auch war, hatte sie doch einen großen Haken: Für die Durchfahrt der Schiffe auf dem Rhein musste die Brücke geöffnet werden. Dafür wurde der Mittelteil abgekoppelt, um den Schiffen die Passage zu ermöglichen. Da dies, so der Riehler Stadthistoriker Joachim Brokmeier, bis zu 30 Mal täglich geschah, war ein ordnungsgemäßer Betrieb kaum möglich. 1 Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022

Das zweite große Problem war der Wasserstand des Rheins. So musste bei Niedrigwasser und insbesondere Hochwasser der Betrieb der Brücke gesperrt werden. Und dann waren noch die Schiffe auf dem Rhein selber, welche zu einer Gefahr für die Brücke wurden. Bereits am Tag der Eröffnung rammte ein Schiff die schwimmende Brückenkonstruktion und beschädigte zwei Nachen so schwer, dass diese ersetzt werden mussten. Eine weitere große Gefahr für die Holzkonstruktion war Feuer. Deshalb war das Rauchen auf der Brücke streng untersagt.

Gebraucht gekauft – Refinanzierung durch Brückenmaut

Ursprünglich war diese Brücke in Mainz in Betrieb. Um die ungeliebte Rheinfähre durch die Schiffbrücke abzulösen, kaufte die Stadt Mülheim den Mainzern die schwimmende Brücke ab. Und griff Anfang 1888 dafür tief in die Tasche: Inklusive Transportkosten, den notwendigen Baumaßnahmen zur Verankerung der Einzelelemente und der Errichtung der Zufahrtsrampen belief sich die Investition auf rund 250.000 Mark. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverdienst eines Arbeiters lag in dieser Zeit bei etwa 660 Mark.

Ab dem 1.Januar 1915 wurde das Brückengeld für die Mülheimer Schiffbrücke von vier auf zwei Pfennig für Fußgänger reduziert, Bild: Sammlung Brokmeier
Ab dem 1.Januar 1915 wurde das Brückengeld für die Mülheimer Schiffbrücke von vier auf zwei Pfennig für Fußgänger reduziert, Bild: Sammlung Brokmeier

Dieses Geld musste irgendwie wieder eingespielt werden. Daher musste jeder, der die Brücke passieren wollte, eine Brückenmaut entrichten: Vier Pfennig für Fußgänger2Anfang 1915 wurde das Brückengeld auf 2 Pfennig reduziert, drei Pfennig für Kleinvieh, für die Passage eines Esels oder Rinds wurden zehn Pfennig fällig und Kutschen wurden mit 60 Pfennig zur Kasse gebeten. Diese Kosten schreckten aber nicht ab – die Brücke wurde rege genutzt. Allein im Jahr 1910 wurden 755.000 Fußgänger und 100.000 Karren oder Wagen gezählt.

Starke Beschädigung durch Eisgang

Erst ab 1920 wurde kein Brückengeld mehre erhoben. Allerdings war die Schiffbrücke auch bereits schwer in die Jahre gekommen. Am 27. Dezember 1926 hatte starker Eisgang auf dem Rhein die Schiffbrücke schwer beschädigt. Historiker Brokmeier dazu: „Einige Pontons wurden abgetrieben und kamen erst mit einigen Besatzungsmitgliedern führungslos in Merkenich an Land.“3Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022

Der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke wurde am 20. Juni 1927 wird eingestellt und es wurde "Brücken-Abschied" gefeiert, Bild: Sammlung Brokmeier
Der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke wurde am 20. Juni 1927 wird eingestellt und es wurde „Brücken-Abschied“ gefeiert, Bild: Sammlung Brokmeier

Neubau einer Brücke

Im Zuge der Eingemeindungsverhandlungen zwischen Mülheim und der Stadt Köln hatte sich die Stadt Köln im Jahr 1914 dazu verpflichtet, eine feste Brücke zu errichten. Gleichzeitig war die altersschwache Schiffbrücke nicht mehr in der Lage, dem stark wachsenden Verkehr im beginnenden 20. Jahrhundert gerecht zu werden. So wurde am 20. Juni 1927 der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke eingestellt.

Am 13. Oktober 1929 eröffnete die erste Mülheimer Brücke – die damals mit einer Spannweite von 315 m die größte aller selbstverankerten Hängebrücken war. Die Zeit der anfälligen Schwimmbrücken war vorbei.

Aber dafür haben wir heute ganz andere Probleme mit den Kölner Brücken.


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


Riehl - eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier
Riehl – eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier

Riehler Geschichten

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“ und hat mir Fotos für für diesen Beitrag zur zur Verfügung gestellt. Brokmeier ist ein Experte für Köln-Riehl und hat auch bereits mehrere Bücher  über diesen Stadtteil veröffentlicht.


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„Jet an de Föß han“ – man ist wohlhabend!

Wer hier wohnt, hät jet an de Föß! Bild: Rolf Heinrich, Köln, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Wer hier wohnt, hät jet an de Föß! Bild: Rolf Heinrich, Köln, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Der Kölsche schaut, oft verbunden mit ein wenig Neid, auf die, die „jet an de Föß han“. Und Menschen, die kein Kölsch sprechen, wundern sich. Denn die wörtliche Übersetzung führt zunächst in die Irre: „Jet an de Föß han“ kann man mit „Etwas an den Füßen haben“ übersetzen. Und sofort denkt manch einer an den Orthopäden, an Hühneraugen oder gar an Fußpilz. Alles völlig falsch!

Wer jet an de Föß hät: Vielleicht reich, mindestens wohlhabend

„Minsche met jet an de Föß“ sind schlichtweg wohlhabend. So ist die folgende Aussage für den Kölschen ganz einfach nachvollziehbar: „Die uss dä Marienburg und däm Hahnwald han jet an de Föß.“1Die aus Marienburg und Hahnwald sind reich. Und ganz einfach lässt sich nachweisen, dass die Bewohner der Nobelviertel Marienburg und Hahnwald über durchschnittlich mehr Geld als die übrigen Kölner verfügen.

Diese kölsche Redewendung lässt sich aber auch umkehren: So „han die uss Höhenberg oder Vingst nix an de Föß.“ Und jeder versteht, dass dort weniger Geld zu Hause ist.

Herkunft: Schuhwerk

Bleibt die Frage, wieso ausgerechnet das, was man an den Füßen trägt, als Indikator für Reichtum dienen soll. Dies erklärt sich, wenn man in der Zeit zurückreist. Damals konnten sich nur reiche Menschen richtig gute Schuhe leisten. Alle anderen nutzten eher unbequeme Schuhe aus Holz oder sehr einfaches Schuhwerk aus robustem Leder, welches um den Fuß gewickelt wurde und mit Hilfe eines Riemens zusammengebunden wurde. 

Noch bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts besaßen die meisten Menschen nur zwei Paar Schuhe: Ein abgewetztes Paar für den Alltag und ein besseres, welches nur an Sonntagen angezogen wurde. So wurde beim Blick auf die Füße und das daran befindliche Schuhwerk schnell klar, ob der Träger „jet an de Föß hät“ oder eben nicht.

Der Träger dieses (rekonstruierten) Schuhs aus dem Mittelalter hatte mit Sicherheit "jet an Föß", Bild: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der Träger dieses (rekonstruierten) Schuhs aus dem Mittelalter hatte mit Sicherheit „jet an Föß“, Bild: Wolfgang Sauber, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

„wohlbetucht“ – Kleider machen Leute!

Überhaupt wurden die Standesunterschiede an der Kleidung festgemacht. Das hat sich bis heute kaum geändert, denn sonst würde wohl kaum ein Mann stolz sein Krokodil auf dem Lacoste-Shirt oder nur wenige Damen selbstbewusst ihre Gucci-Handtasche tragen. Diese Menschen sind – früher wie heute – schlichtweg „wohlbetucht“, wobei mit „Tuch“ die „guten Tücher“ der Kleidung gemeint sind.

Wer richtig jet an de Föß hät ist „steinreich“

Und dann sagt man Menschen, die „richtig jet an de Föß han“ auch nach, dass sie steinreich sind. Diese Formulierung entstammt der mittelalterlichen Wohnsituation. In dieser Zeit lebten die meisten Menschen in Holzhäusern oder einfachen Lehmhütten. Häuser aus Stein konnten sich nur sehr reiche Menschen leisten – und diese waren dann „steinreich“.

Bläcke Fööss

Wenn man nix an de Föß hät, kann es einem gehen wie den Bläck Fööss bei einem ihrer ersten Auftritte im Gürzenich: Als die langhaarigen Musiker mit bläcke Föß2nackten Füßen, Jeans und Verstärker in der Hand im ehrwürdigen Gürzenich auftreten wollten, hielt man sie zunächst für protestierende Hippies und verweigerte den Zutritt.

Die hatte jo uch nix an de Föß!


Fruchtbarer Ackerboden: Dä Buur hät jet an de Föß! Bild: Thomas, Pixabay
Fruchtbarer Ackerboden: Dä Buur hät jet an de Föß! Bild: Thomas, Pixabay

Kostbarer Ackerboden „an de Föß“

 
Karin Burianski hat mir noch folgende Erklärung zu „jet an de Föß“ gegeben: 
De Buure-Mädche un Jungs – meist us de Eifel- leefen natürlich mit blecke Föß op ihre Feldere eröm. An manschen Föß bleev rude Erde kleven, dat wor en Zeichen für Löß-oder erzhaltigen Boden und bedeutete: Die Buuren hatten ne janz kostbare Bodden. Mädche un Jungs mit „rude Lehmklumpe an dr Föß hatten also „jet an dr Föß“ un woren en jode Partie! 
Diese Erklärung han isch vun minger Mutter als Kind jesaat bekumme.

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