Und wieder heulen die Sirenen: Fliegeralarm in Köln. Es ist der 30. Oktober 1944, etwa 20.30 Uhr. Die fast schon regelmäßigen Angriffe auf die Stadt zermürben die Menschen. Und doch sucht eine Gruppe von feiernden Menschen so etwas wie Normalität in der grausamen Zeit des Kriegs und feiert eine Hochzeit. Eine Feier mit etwa 100 Menschen in einer Gaststätte in Lindenthal, mittendrin das frisch vermählte Brautpaar.
Doch der Fliegeralarm beendet die Feier vorzeitig. Die gesamte Gesellschaft sucht einen Schutzraum auf dem nahe gelegenen Friedhof Melaten auf. Bei diesem Schutzraum handelt es sich nicht um einen vollständig gesicherten und entsprechend geschützten Bunker, sondern nur um einen Deckungsgraben, so Robert Schwienbacher vom Kölner Institut für Festungsarchitektur1Quelle: Kölner-Stadt Anzeigers vom 26. November 2015. Schwienbacher: „Streng genommen handelt es sich nicht um einen Bunker sondern um einen Deckungsgraben, der Schutz vor Trümmern, Splittern Gaseinwirkung und der Druckwelle bieten sollte.“ Dies wird der Hochzeitgesellschaft zum Verhängnis. Die im Volksmund genannten „Angströhren“ waren einfacher und kostengünstiger herzustellen – aber auch wesentlich unsicherer als echte Luftschutzbunker. Eine der Schwachstellen dieser Bauwerke ist der Luftschacht. Und genau an dieser Stelle schlägt eine Fliegerbombe ein. Die Menschen in dem Bunker haben keine Chance. Die ungeheure Druckwelle der Bombe dringt nahezu ungehindert in die „Angströhre“ ein und zerfetzt sofort die Lungen der Menschen. Keiner der Schutzsuchenden überlebt diesen Tag.
Die Generalprobe zum jüngsten Gericht
Der Angriff vom 30. Oktober 1944 ist einer der verheerendsten Fliegerangriffe auf Köln. Innerhalb von weniger als zwei Stunden laden etwa 1.000 Bomber ihre tödliche Fracht ab. 200.000 Brandbomben und mehr als 4.000 Sprengbomben verwüsten vorwiegend die westlichen Stadtteile, weil sich die Bomber an der Aachener Straße orientieren. 554 Menschen sterben in dieser Nacht.
Auch das St. Elisabeth-Krankenhaus (Hohenlind) wird schwer getroffen. Ein Pater aus dem Krankenhaus sprach in dieser Nacht von der „Generalprobe zum jüngsten Gericht“. In den folgenden Tagen kommen die Kölner kaum noch nach, Tote und Verletzte zu zählen. Der Historiker Martin Rüther berichtet, dass die Leichen auf Müllwagen abtransportiert wurden.2 Martin Rüther: Köln im Zweiten Weltkrieg. Alltag und Erfahrungen zwischen 1939 und 1945. Darstellungen – Bilder – Quellen. Emons Verlag, Köln, 2005
20.000 tote Kölner durch Luftangriffe
Die noch folgenden Luftangriffe trafen eine fast menschenleere Stadt: Nur noch etwa 40.000 Menschen lebten zur „Stunde Null“ am 8. Mai 1945 in Köln. Vor dem Krieg, im Jahr 1939, gab es noch mehr als 760.000 Einwohner. Insgesamt fordern die 262 Luftangriffe auf Köln 20.000 Tote.
Zu diesen Toten gehören auch die in der „Angströhre“ auf Melaten Gestorbenen der Hochzeitgesellschaft. Allerdings verliert sich ihre Spur, es gibt kein Gemeinschaftsgrab und keine Aufzeichnungen dazu. Um die Erinnerung wachzuhalten, hat der Kölner Stadtkonservator Ralf Beines zum 50. Jahrestag im Jahr 1994 eine Plakette an dem noch existierenden, aber total verfallenen, Schutzraum anbringen lassen. Der Journalist Tim von Lindenau hat den Bunker besichtigt und ein beeindruckendes Video dazu veröffentlicht.
Bereits am 29. Juni 1943 gab es den verheerenden „Peter-und-Paul-Angriff“ auf Köln.