Der kölsche Knast Teil V: Die JVA Ossendorf

Ein Teil der 1,3 Kilometer langen Gefängnismauer der JVA Ossendorf, Bild: Knöchel, Franz-Josef / CC-BY-SA-4.0
Ein Teil der 1,3 Kilometer langen Gefängnismauer der JVA Ossendorf, Bild: Knöchel, Franz-Josef / CC-BY-SA-4.0

1969 war es soweit: Der legendäre Klingelpütz in der Kölner Innenstadt wurde geschlossen und in Ossendorf die neue, damals sehr moderne,  Justizvollzugsanstalt (JVA) eröffnet: Bei etwa gleicher Anzahl von Haftplätzen (ca. 1.100) fast hat die JVA Ossendorf eine etwa 10fach größere Grundfläche als der alte Klingelpütz in der Innenstadt. Und: Es gibt fast ausschließlich Einzelzellen.

Prominenz in der JVA Ossendorf

Im Laufe der Zeit haben etliche durchaus prominente Häftlinge in der JVA Ossendorf eingesessen, darunter:

  • Iwan Herstatt, der mit der Herstatt-Bank im Jahr 1974 eine spektakuläre Bankenpleite zu verantworten hatte.
"Kanzlerspion" Günter Guillaume und Kanzler Willy Brandt bei einem Parteitag zwischen 1970 und 1974 in Düsseldorf, Bild: Pelz, CC BY-SA 3.0
„Kanzlerspion“ Günter Guillaume und Kanzler Willy Brandt bei einem Parteitag zwischen 1970 und 1974 in Düsseldorf, Bild: Pelz, CC BY-SA 3.0
  • Der „Kanzlerspion“ Günter Guillaume, der für die DDR im Bundeskanzleramt spionierte und im April 1974 enttarnt wurde.
Ulrike Meinhof wird in der JVA Köln-Ossendorf mit Gewalt bei einer Gegenüberstellung Zeugen vorgeführt (1973), Bild: Bundesarchiv / Presse- und Informationsamt der Bundesregierung / CC-BY-SA 3.0
Ulrike Meinhof wird in der JVA Köln-Ossendorf mit Gewalt bei einer Gegenüberstellung Zeugen vorgeführt (1973), Bild: Bundesarchiv / Presse- und Informationsamt der Bundesregierung / CC-BY-SA 3.0
  • Die RAF-Terroristen Ulrike Meinhof, Gudrun Ensslin, Andreas Baader, Holger Meins, Jan-Carl Raspe waren in Ossendorf inhaftiert, bevor sie 1974 nach Stuttgart-Stammheim verlegt wurden.
  • Von November 2011 bis März 2013 war Beate Zschäpe, Angeklagte im NSU-Prozess, in Ossendorf inhaftiert.
  • Auch die Kölner Unterweltgröße Anton „Lange Tünn“ Claaßen hat zweieinhalb Jahre im Klingelpütz gesessen.
  • Aktuell (Stand September 2021) sitzt auch der als Reemtsma-Entführer bekannt gewordene Thomas Drach in Ossendorf in Haft.

Mehr als nur „Verwahrung“ 

Häftlinge in Ossendorf haben die Möglichkeit, einen Schulabschluss einen Schulabschluss (Hauptschule, Mittlere Reife oder Fachabitur) nachzuholen oder eine Berufsausbildung abzuschließen. Aktuell stehen 73 Ausbildungsplätze zur Verfügung, ausgebildet wird in den folgenden Berufen:

  • Friseurhandwerk
  • Schneiderhandwerk 
  • Bürokommunikation 
  • Textilreinigung.

Geschichte wiederholt sich: JVA Ossendorf soll abgerissen werden

Genau wie auch der Klingelpütz in den 1960er Jahren ist mittlerweile auch die JVA Ossendorf in die Jahre gekommen. Es schimmelt in den Zellen, der Brandschutz ist veraltet und auch die Elektrik entspricht nicht mehr dem Stand der Technik. Außerdem sind die Zellen zu klein: Das Gesetz schreibt mindestens 10,5 Quadratmeter vor – die Einzelzellen in Ossendorf sind mit 8,5 Quadratmeter zu klein.

Besuchereingang der JVA Ossendorf, Bild: A. Savin / CC BY-SA 3.0
Besuchereingang der JVA Ossendorf, Bild: A. Savin / CC BY-SA 3.0

Nach ersten Planungen sollte der Spatenstich für den Neubau bereits 2020 erfolgen. Tatsächlich verzögert sich der Baubeginn, weil zunächst die Ausweichquartiere für die Häftlinge in Willich und Münster fertig sein sollten. Allerdings haben massive Anwohnerproteste in Münster dazu geführt, dass dort bis jetzt noch nicht gebaut werden konnte. Dies hat für die JVA Ossendorf zur Folge, dass sich auch dieser Bau um mehrere Jahre verzögert.

So bleibt den Kölnern der „neue Klingelpütz“ noch länger erhalten. Und egal, wie es auch immer mit dem kölschen Knast weitergeht: Für Kölner Spitzbuben gehörte eine Zeit im Klingelpütz – egal ob in Ossendorf oder im alten Klingelpütz in der Innenstadt – einfach zur Ganovenehre:

„Ein richtiger Kölscher aus dem Milieu,
der musste mal im Klingelpütz gewesen sein.
Das musste sein, um mitsprechen zu können.“
Hans-Jürgen „de Duv“ Kuhl, Geldfälscher


Die Geschichte und Geschichten zum Kölschen Knast 


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Kölsche Originale: Der Maler Bock – mehr Lebemann als Künstler

Heinrich Peter Bock, besser bekannt als "Maler Bock". Bitte beachten: Der Sporn am Stiefel weist ihn als Dragoner aus, auch wenn seine Dienstzeit nur wenige Wochen dauerte. Bild: Adolph Wallraf (1880)
Heinrich Peter Bock, besser bekannt als „Maler Bock“. Bitte beachten: Der Sporn am Stiefel weist ihn als Dragoner aus, auch wenn seine Dienstzeit nur wenige Wochen dauerte. Bild: Adolph Wallraf (1880)

Eines ist sicher: Gemalt hat der Maler Bock nie. Der nach eigenem Empfinden kunstsinnige Lebemann Heinrich Peter Bock hatte bereits in ganz jungen Jahren für die Kunst geschwärmt. Und sich auch als Künstler und Intellektueller selbst als Bohémien inszeniert. Doch als er im Alter von etwa 50 Jahren gebeten wurde, als selbsternannter großer Künstler die Wandmalereien in der Abtei Brauweiler zu restaurieren, lehnte er mit den Worten „Spätere Geschlechter werden sagen, welch vorzüglicher Restaurator hat diesen schlechten, primitiven Malereien so vorzüglich restauriert!“ entrüstet ab.

Geboren am 30. Juli 1822 sollte der hochgewachsene Heinrich Peter nach dem Willen seines Vaters Metzger werden. Doch Knochen sägen und Würste kochen war nicht nach dem Willen des selbsternannten Kunstexperten, der von einem Zeitgenossen wie folgt beschreiben wurde. „Eine Kunstnatur mit langen Haaren, wallend bis auf die Schultern, mit ledernem Käpplein aus dem vorigen Jahrhundert, mit einem Rocke, dessen Schnitt aus der Zeit vor der Restauration zu sein scheint. Sein Gilet1Weste dagegen ist höchst dandymäßig, weite Pluderhosen gestalten ihn zum Türken …“.

Extrem kurze militärische Karriere

Klar, dass so ein Typ nicht zu den preußischen Dragonern passt. Warum Bock sich mit 19 Jahren ausgerechnet dieser berittenen Infanterie angeschlossen hat, lässt sich heute nicht mehr klären. Aber klar ist, dass seine militärische Karriere bereits nach wenigen Wochen ihr unrühmliches Ende fand. Die Preußen befürchteten, so Reinhold Louis2„Kölsche Originale“, Greven Verlag 1985 dass „Dragoner Bock die ganze Schwadron närrisch machen würde, sollte er noch länger bleiben“. Was Bock aber trotz dieser sehr kurzen Dienstzeit nicht davon abhielt, für den Rest seines Lebens einen Sporn am Stiefel zu tragen, welcher ihn als ehemaligen Dragoner kennzeichnet.

Einen echten festen Wohnsitz hatte Bock nicht. Sein bevorzugtes Domizil war ein alter, nicht mehr genutzter eisernen Dampfkessel in Bayenthal, welchen er als „sein Hotel“ bezeichnete und sich wahrscheinlich fühlte wie der Philosoph Diogenes in seiner Tonne. Bei gutem Wetter hingegen machte er sich in den Bögen der damals noch nicht abgerissenen Stadtmauer gemütlich.

Der Maler Bock in der Bierdeckel-Serie "Kölsche Originale", Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Der Maler Bock in der Bierdeckel-Serie „Kölsche Originale“, Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer

Wechselhafter Erfolg bei den Damen

Zunächst hatte der mittellose Bock wenig Erfolg, eine Frau an sich zu binden. Lang hing ihm nach, dass einmal eine Frau, die er in ein von einem Gönner überlassenes Haus mitnahm, auf das Dach floh und um Hilfe rief. Und das puddelrüh.

Auch mit den Marktfrauen auf den Alter Markt gab es regelmäßig Streit. Als eines Tages eine der Marktfrauen ihn ein kleines Stückchen Käse schenken wollte, wahrscheinlich um ihn endlich loszuwerden, zeterte Bock „Sie elende Person wagen es, einem Künstler einen solchen Bettel anzubieten!“ Gleichzeitig griff er nach dem Geschenk: „Doch her damit – Großmut gegen geringe Leute war stets mein Prinzip.“

Legendär waren seine Auftritte zu den Namenstagen ausgewählter Damen, bevorzugt Wirtinnen. Als Kavalier alter Schule pflegte er, mit einem Strauß selbstgepflückter Blumen und gestelzter Sprache zu gratulieren, um die anschließende Einladung zu Wein, Bier und Essen dankend anzunehmen. Sobald er satt war, schnappte er sich die ursprünglich geschenkten Blumen und verabschiedete er sich mit den Worten „Schöne Frau, ich wiederhole meinen Glückwunsch, ich muß aber noch einer anderen Dame zum Geburtstag gratulieren.“ Kurios: Die Wirtinnen erwarteten zu den Namenstagen regelrecht seinen Besuch – er war wie ein Maskottchen für die Damen.

Fake News zum Tode Bocks

Michael Wasserfuhr von den Kölschgängern schreibt, dass ein solcher Typ nicht so recht in das preußische Köln passt.3Michal Wasserfuhr: Der Maler Bock, https://koelschgaenger.net/maler-bock-2/ So wurde der große Künstler unfreiwillig aber nicht ganz unwillig (es war Winter!) in die Arbeitsanstalt Brauweiler einquartiert. Dass er dort mit einem anderen Original, dem Fleuten-Arnöldchen, zusammenarbeiten musste, gefiel Bock so nicht, weil das Arnöldche bei der Ansprache des Künstlers das respektlose “Du“ verwendete.

Während er in Brauweiler festsitzt, vermissen in Köln nicht nur die Wirtinnen den Maler Bock. Und dann machen auch noch „Fake-News“ über den Tod von Heinrich Peter Bock die Runde. Den Kölnern ist schnell klar, dass hier etwas nicht stimmen kann, wird doch auch sein Testament veröffentlicht. Der auf seinem Landgut in Brauweiler verstorbene „Professor Bock“ soll viele Tausend Taler für wohltätige Zwecke vermacht haben. Geld, welches der stadtbekannte Maler Bock selbstverständlich nie hatte.

„Meine Kunst – mein Genie, das vergisst die Nachwelt nie!“

Doch Bock überlebt seinen vermeintlichen Todestag um mehrere Jahre. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten stirbt der Maler Bock tatsächlich am 3. Dezember 1878 in einer Irrenanstalt in Düren und wird auch dort im Rahmen eines Armenbegräbnisses beigesetzt. Keiner in Düren ahnt, dass dort ein echtes Kölsches Original in einem schmucklosen, anonymen Grab ruht.

In Köln wird sein Tod im Karneval des Jahres 1879 verarbeitet. So lautete es in dem Karnevalslied „De Zünfte em Zog“ von Peter Prior:

„Zoletz trick dann de Künstlerschar,
doher met Glanz und Praach.
Dä Größte fählt, hä mäht sich rar,
es jenseits unger Daach!
Dat wor im selgen he vergunnt,
un doch met Stolz Bock sage kunnt:
„Meine Kunst – mein Genie,
das vergisst die Nachwelt nie!“

Besondere Ehre für einen Lebemann: Das Maler-Bock-Gäßchen im Schatten der Severinsbrücke, Bild: Uli Kievernagel
Besondere Ehre für einen Lebemann: Das Maler-Bock-Gäßchen im Schatten der Severinsbrücke, Bild: Uli Kievernagel

Ehrung durch eine Straße

Und tatsächlich wurde der Maler Bock bis heute nicht vergessen. Dafür sorgt auch eine Ehrung der Stadt Köln: Das Maler-Bock-Gäßchen in der Südstadt.

So wurde dem, „der nie einen Pfennig Steuer entrichtet hat, der in keinem ihrer Adreßbücher verzeichnet ist, weil er nie und nirgendwo amtlich gemeldet war, eine späte Ehrung zuteil“, so Reinhold Louis4„Kölsche Originale“, Greven Verlag 1985.


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


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