Peco Bauwens – Fußballfunktionär im NS-Regime und auch nach 1945

Peter Joseph „Peco“ Bauwens, hier im Jahr 1928, Bild: gemeinfrei
Peter Joseph „Peco“ Bauwens, hier im Jahr 1928, Bild: gemeinfrei

Es war am 6. Juli 1954, zwei Tage nach Endspiel der Fußball WM in Bern. Nicht wenige halten dieses Fußballspiel für den eigentlichen „Gründungstag“ der Bundesrepublik Deutschland. Der Titelgewinn löste damals ein „Wir-sind-wieder-wer“-Gefühl aus.

Und im Überschwang dieser Gefühle hielt Peter Joseph „Peco“ Bauwens, erster Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), im Münchener Löwenbräukeller eine Rede.1In diesem Lokal fanden auch von 1940 bis 1943 Versammlungen der NSDAP anlässlich des Jahrestages des Hitlerputsches von 1923 statt. Der Tonfall der Rede erinnerte den Redakteur des Bayerischen Rundfunks Wolf Posselt fatal an das so gerade einmal vor neun Jahren  grandios gescheiterte „1000-Jährige Reich“ .

Peco Bauwens wörtlich:2Ein Transkript der Rede ist hier verfügbar: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/45594/ssoar-hsr-trans-2015-27-blecking-Die_Rede_des_Fuball-Bund_Prasidenten.pdf?sequence=1

„ … und da haben die Jungens es wirklich gezeigt, was ein gesunder Deutscher, der treu zu seinem Land steht, zu leisten vermag. Sie haben in dem Land des Tells daran gedacht „ans Vaterland, ans Teure schliess Dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen und hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft. …“3Bauwens zitiert hier Schiller, Wilhelm Tell

„… dieser Repräsentanz besten Deutschtums im Ausland …“

„ … ausnahmsweise vom Führerprinzip im guten Sinne des Wortes …“.

Das war dann auch dem Bayerischen Rundfunk zu viel. Die Live-Übertragung der Rede wurde nach wenigen Minuten mit dem Hinweis, dass die Sendezeit verstrichen sei, schlichtweg abgebrochen. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Bauwens Auftritt als „Entgleiste Rede“, und auch Bundespräsident Theodor Heuss missbilligte öffentlich die Aussagen Bauwens.

„Ein zuverlässiger Sekundant des Regimes“

Dass ausgerechnet Bauwens sich nationalsozialistischer Terminologie bediente, hätte aber niemand verwundern dürfen. Das Bauwens-Familienunternehmen profitierte von lukrativen Bauaufträgen des NS-Unrechtsregimes und betrieb ein Zwangsarbeiterlager.4ZDF History: „Das dunkle Erbe“, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x-history/das-dunkle-erbe–nazis-im-deutschen-fussball-100.html, abgerufen am 06.07.2024 Peco Bauwens erwies sich stets „.. als ein zuverlässiger Sekundant des Regimes.“5Björn Thomann, „Peco Bauwens, Ehrenpräsident des Deutschen Fußball Bundes (1886-1963)“ Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peco-bauwens-/DE-2086/lido/57c575e63f36a2.92887888. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP währte allerdings nur ein Jahr. Bauwens wurde wegen seiner jüdischen Frau Elise Bauwens, geborene Gidion, wieder aus der Partei ausgeschlossen.

Todesanzeige von Elise Bauwens in der Kölnischen Zeitung vom 17. September 1940
Todesanzeige von Elise Bauwens in der Kölnischen Zeitung vom 17. September 1940

Elise Bauwens beging am 16. September 1940 Selbstmord. Björn Thomann weist in seinem Artikel „Peco Bauwens, Ehrenpräsident des Deutschen Fußball Bundes (1886-1963)“ auf die ungeklärten Umstände dieses Suizids hin:

„Am 16.9.1940 be­ging Elise Bau­wens Selbst­mord, die Hin­ter­grün­de wer­fen noch im­mer Fra­gen auf. Zwei­fels­oh­ne sah sie sich durch das na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Re­gime ei­nem star­ken psy­chi­schen Druck aus­ge­setzt. Pe­co Bau­wens ver­wies nach 1945 stets auf den Sui­zid sei­ner Ehe­frau, um sich selbst als ein Op­fer des „Drit­ten Rei­ches“ dar­zu­stel­len und sei­nen Kri­ti­kern ent­ge­gen­zu­tre­ten, die ihm ei­ne zu ge­rin­ge Dis­tanz zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus at­tes­tier­ten.“6Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peco-bauwens-/DE-2086/lido/57c575e63f36a2.92887888

Den Selbstmord seiner Frau führte Peco Bauwens nach dem Krieg immer wieder an, um sich als ein Op­fer des Regimes dar­zu­stel­len. Auch in einem Brief im Herbst 1945 an FIFA Präsident Jules Rimet betont Bauwens seine Rolle als Gegner des NS-Regimes:

„Wäre ich nicht der schlechteste Mensch der Welt, wenn ich auch nur die kleinsten Handlangerdienste für diejenigen getätigt hätte, die meine Frau auf dem Gewissen haben?“

Tatsächlich kann bezweifelt werden, dass Bauwens, dem zahlreiche außereheliche Affären nachgesagt wurden, stark um seine Frau getrauert hat. Sein bereits 1948 verstorbener Sohn Pe­ter-Franz sah die Ursache für den Freitod seiner Mutter auch weniger in den Repressalien der Nationalsozialisten als mehr im Verhalten des Vaters. „Er hat Mutter auf dem Gewissen.“ so Peter Franz Bauwens.7Arthur Heinrich: „Eine saubere Geschichte“, DIE ZEIT vom 16.03.2006 Nr.12, https://www.zeit.de/2006/12/A-Bauwens/komplettansicht, abgerufen am 09.07.2024

Im Mai 1951 hei­ra­te­te Peco Bauwens die Witwe Jo­han­na Eleo­no­re Schult­heiss.

„Proletensport Fußball“ in der Kindheit

Geboren wurde Peter Joseph „Peco“ Bauwens am Heiligabend 1886 in Köln. Sein Vater war der erfolgreiche Bauunternehmer Peter Bauwens. Im Alter von zehn Jahren wurde „Peco“ bei einem Unfall mit einer Kutsche schwer verletzt, es drohte die Amputation des linken Beins. Zur Genesung sollte der Junge Sport treiben. Fußball erwies sich als ideal.

Dass ausgerechnet der Spross einer Oberschichten-Familie den „Proletensport“ Fußball betrieb, war außergewöhnlich. Immer wieder betonte Bauwens, dass er, von immerhin 600 Schülern in seiner Schule, der einzige war, der of­fi­zi­ell Fuß­ball spie­len durfte.

Nach bestandenem Abitur studiert Bauwens zunächst Rechtswissenschaften in Berlin, anschließend in Bonn. Für die von ihm behauptete Promotion in Leipzig zum „Doktor der Rechte“ gibt es keine Belege, weder im Universitätsmatrikel, noch in der Hörerliste oder im Promotionsbuch der Juristischen Fakultät. Und auch im „Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums“ sucht man die Dissertation des Peter Joseph Bauwens vergeblich.

Aktiver Fußballer und erfolgreicher Schiedsrichter

Nachweisbar sind hingegen seine Erfolge als Fußballer. Der Stürmer spielte für den VfL Köln 1899. Am 16. Mai 1910 lief Bauwens für die deutsche Nationalmannschaft auf. Die 0:3 Niederlage gegen Belgien sollte sein einziges Länderspiel als aktiver Fußballer bleiben.

Bauwens bei den Olympischen Spielen in 1928 in Amsterdam, Fotograf unbekannt
Bauwens (ganz rechts) bei den Olympischen Spielen in 1928 in Amsterdam, Fotograf unbekannt

Erfolgreicher war seine Karriere als Schiedsrichter. In den Jahren zwischen 1920 und 1930 war Bauwens einer der besten deutschen Schiedsrichter. Bauwens leitete 82 Länderspiele, darunter auch das Finale des Olym­pi­schen Fuß­ball­tur­niers 1936 in Ber­lin.

Das „Endspiel ohne Ende“

Durchaus kurios war das von ihm geleitete Spiel End­spiel um die Deut­sche Meis­ter­schaft 1921/22 zwi­schen dem HSV und dem 1. FC Nürn­berg: Das Spiel dauerte insgesamt satte 294 Minuten.

Ein Elfmeterschießen war damals noch nicht vorgesehen. Die Regeln sahen bei Gleichstand eine Verlängerung von 2 x 15 Minuten vor. Sollte es danach immer noch unentschieden stehen, gab es eine weitere Verlängerung von 15 Minuten. Und danach noch eine Verlängerung. Und danach noch eine Verlängerung – solange, bis es einen Sieger gab. Eventuell also auch unendlich.

Die Zeitung "Wochenbild" (Ausgabe Nr. 25/1922) zum „Endspiel ohne Ende“
Die Zeitung „Wochenbild“ (Ausgabe Nr. 25/1922) zum „Endspiel ohne Ende“

Als es zwischen den Hamburgern und den Nürnbergern am 18. Juni 1922 in der 189 Minute (!) immer noch unentschieden stand, pfiff Schiedsrichter Peco Bauwens das Spiel wegen der einbrechenden Dunkelheit ab. Etwa sieben Wochen später gab es ein Wiederholungsspiel. Doch auch dieses ging in die Verlängerung. In dieser Verlängerung waren die Nürnberger nur noch zu sieben Mann auf dem Platz: Zwei Spieler hatten die Rote Karte gesehen, zwei Spieler schieden verletzt aus.

Da das Regelwerk aber vorschrieb, dass jede Mannschaft mit mindestens acht Mann auf dem Platz zu stehen hatte8Damals gab es noch keine Auswechslungen, die Startformation musste das Spiel zu Ende spielen. pfiff Bauwens das Spiel ab und wertete es eigenmächtig als Sieg für den HSV. Diese Entscheidung wurde später kassiert – die Saison 1921/22 wird in den DFB-Statistiken „ohne Meister“ geführt.

Peco Bauwens als Unternehmer

Bauwens trat 1913 in das elterliche Bauunternehmen ein. Dieses wurde, nach dem Tod seines Vaters, von seinen beiden älteren Brüdern Camillus und Jean Bauwens geleitet. Peco Bauwens übernahm die Verantwortung der „Ostabteilung“ mit Nie­der­las­sun­gen unter anderem in Kö­nigs­berg und Po­sen.

In der Chronik des Unternehmens9https://www.bauwens.de/chronik, abgerufen am 10. Juli 2024 wird die Geschichte des Unternehmens in sechs Blöcken unterteilt. Der Block „1873 bis 1929“ wird vom Unternehmen selbst wie folgt beschrieben:

„Die Anfangszeit nach der Gründung ist geprägt von rascher Expansion, die sich über das gesamte ehemalige deutsche Reichsgebiet erstreckt.“

Die beiden älteren Brüder melden sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zum Militärdienst10Arthur Heinrich: „Eine saubere Geschichte“, DIE ZEIT vom 16.03.2006 Nr.12, https://www.zeit.de/2006/12/A-Bauwens/komplettansicht, abgerufen am 09.07.2024, Peco Bauwens leitet die Firma alleine.

In dieser Phase, insbesondere in der Zeit von 1914 bis 1918, baute das Unternehmen vorrangig stra­te­gisch be­deu­ten­de Ver­tei­di­gungs­anlagen. Später, in den 1920er Jah­ren, spezialisierte sich das Bauunternehmen auf Großprojekte, wie zum Beispiel den Bau der Au­to­bahn­stre­cke Köln-Bonn oder die neuen Ford-Werke in Köln-Merkenich.

Die Ford-Werke in der Zeitung "Der Mittag", Ausgabe Nr. 134 vom 11. Juni 1931
Die Ford-Werke in der Zeitung „Der Mittag“, Ausgabe Nr. 134 vom 11. Juni 1931

Der nächste Block der Firmenchronik fasst die Jahre von 1930 bis 1979 zusammen, eine durchaus bemerkenswerte Auswahl der Zeitspanne. In der Firmenchronik dazu lautet es:

„Trotz der Widrigkeiten, die von allen einen großen Willen zum Neubeginn erfordern, entwickelt sich Bauwens zielstrebig weiter.“

Ein Hinweis, dass in den Kriegsjahren Zwangsarbeiter im Unternehmen beschäftigt wurden, fehlt. Auf Nachfrage der Macher der Dokumentation „ZDF History: „Das dunkle Erbe – Nazis im deutschen Fußball“11ZDF History: „Das dunkle Erbe“, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x-history/das-dunkle-erbe–nazis-im-deutschen-fussball-100.html, abgerufen am 06.07.2024 antwortet das Unternehmen:

„Der Firma Bauwens liegen aus den 40er Jahren keine eigenen Akten vor, die Hinweise geben, dass die Firma Bauwens Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Es gibt jedoch andere Quellenangaben, die darstellen, dass bei der Firma Bauwens möglicherweise acht oder gar die von ihnen benannten 100 Personen zwangsbeschäftigt waren.“

Heute12Stand: 10. Juli 2024 ist das Unternehmen Bauwens mit 490 Mitarbeitern an sechs Standorten in Deutschland tätig. Die Website weist stolz auf „3,3 Mrd. € anteilig betreutes Projektentwicklungsvolumen inkl. Joint Ventures zum 31.03.2024“ hin.13Unternehmenswebsite
Bauwens GmbH & Co. KG, https://www.bauwens.de/ueber-uns, abgerufen am 10. Juli 2024

Erfolgreich als Funktionär

Noch während seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter verfolgte Peco Bauwens eine Karriere als Fußballfunktionär. Finanziell war er durch das Bauunternehmen abgesichert. Der DFB schreibt in seinem Nachruf „Der selbstbewusste Mann lebte für den Sport, aber nie vom Sport, der ihm aber zu einer gewissen Popularität verhalf.“14Peco Bauwens – Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort“, https://www.dfb.de/index.php?id=1000653, abgerufen am 7. Juli 2024

Peco Bauwens (in der Mitte, mit Mantel.) beglückwünscht 1936 den Meister in der Bezirksklasse SV Beuel, Bild: Archiv SV 06 Beuel
Peco Bauwens (in der Mitte, mit Mantel.) beglückwünscht 1936 den Meister in der Bezirksklasse SV Beuel, Bild: Archiv SV 06 Beuel

Schon 1932 wurde er in das Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der FI­FA ge­wählt. Sein Ziel war, dem DFB, damals die größte Sportorganisation der Welt, in dieser Organisation ein größeres Gewicht zu Ungunsten der kleineren Verbände zu verschaffen. Gleichzeitig versuchte er, noch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, die WM 1942 nach Deutschland zu holen. Beides vergeblich. Stattdessen wurde er selber im Mai 1945 aus dem Exe­ku­tiv­ko­mi­tee der FI­FA ausgeschlossen. Sein Protest dagegen blieb erfolglos.

Ganz anders seine Karriere beim DFB: Von 1950 bis 1962 war Peco Bauwens Präsident des DFB. Unter seiner Führung wurde der DFB bereits im September 1950 wieder Mitglied der FIFA. Der völlig überraschende Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 war somit auch ein Triumph für Peco Bauwens.

„Fußball ist kein Frauensport“

Unter seiner Führung wurde der Frauenfußball verboten. In einer Erklärung des DFB zum Thema Frauenfußball vom 30. Juli 1955 lautet es:

„Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“

Den Vereinen wurde verboten, Damenfußballabteilungen aufzubauen oder Plätze zur Verfügung zu stellen. Peco Bauwens bezog auch unmissverständlich Stellung gegen den Frauenfußball: „Fußball ist kein Frauensport. Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen.“15Michael Bulla: Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland. Norderstedt 2009

Zum Glück hatte Bauwens hier Unrecht: Die DFB-Frauen sollten 2003 und 2007 die Weltmeisterschaft und 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005, 2009 und 2013 die Europameisterschaft gewinnen. Und waren damit erfolgreicher als die Herrennationalmannschaft. 

Die Bauwens-Familiengrabstätte auf Melaten. Hier wurde auch Peco Bauwens erste Frau Elise bestattet. Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Die Bauwens-Familiengrabstätte auf Melaten. Hier wurde auch Peco Bauwens erste Frau Elise bestattet. Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Grab auf Melaten

Bauwens gab 1962 sein Amt als DFB-Präsident auf und wurde direkt zum Ehrenpräsidenten gewählt. Am 17. November 1963 starb Peco Bauwens. Er wurde in der Familiengrabstätte auf Melaten beigesetzt. Seine Sargträger waren Mitglieder der Weltmeisterschaft von 1954, unter anderem Horst Eckel, To­ni Tu­rek und Fritz Wal­ter.

Im Nachruf des DFB16„Peco Bauwens – Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort“, https://www.dfb.de/index.php?id=1000653, abgerufen am 7. Juli 2024 auf den Ehrenpräsidenten lautet es

„ … gehört somit zu jenen Funktionären, die sowohl unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft als auch nach 1945 exponierte Ämter im Fußball ausübten.“

Somit bringt es auch der DFB auf den Punkt: Peco Bauwens war vor und nach dem Krieg in verantwortlicher Position. Dass es sich bei dieser Person um einen Verfolgten des Nazi-Regimes handelte, ist schwer zu glauben.

Umstrittene Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf

Im März 1967 wurde eine kleine Straße im Sportpark Müngersdorf nach Peco Bauwens benannt. Heute führt diese Straße zu verschiedenen Einrichtungen der Sporthochschule.

Die Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf, Bild: Uli Kievernagel
Die Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf, Bild: Uli Kievernagel

In der Sitzung vom 28. August 202317 Sitzung Bezirksvertretung 3 (Lindenthal)TOP 8.1.5 Ö: Überprüfung von Straßennamen auf nationalsozialistischen Vergangenheit hat die Bezirksvertretung Lindenthal auf Antrag aller Fraktionen und Einzelmandatsträger – mit Ausnahme der AfD – eine Überprüfung von Straßennamen auf nationalsozialistische Vergangenheit beschlossen. Zu diesem Prüfauftrag gehört auch die Peco-Bauwens-Allee.

Das Ergebnis dieser Überprüfung steht noch aus.


In eigener Sache

Ich habe diesen Artikel im Juli 2024 und noch einmal im August 2024 der Pressestelle der Bauwens GmbH & Co. KG vorgelegt. Der Artikel wurde zwar abgerufen, es erfolgte aber keine Reaktion. 


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In Köln geboren und gestorben: Peter Kürten – der „Vampir von Düsseldorf“

Polizeiaufnahme des Serienmörders Peter Kürten, Bild: Bundesarchiv, Bild 102-11502 / CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Polizeiaufnahme des Serienmörders Peter Kürten, Bild: Bundesarchiv, Bild 102-11502 / CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Stets makellos gekleidet, in der Tasche immer ein feines Tuch, um jederzeit die Schuhe polieren zu können, ausgesprochen freundlich – ein Typ, über den Nachbarn immer sagen „aber er hat doch immer so freundlich gegrüßt“.

Peter Kürten spielte tagsüber den netten und unauffälligen Menschen. Nachts jedoch verwandelte er sich in einen perversen Serienmörder, der mindestens neun Menschen ermordete und es bei rund 40 weiteren Menschen versuchte.

In Mülheim geboren

Peter Kürten wurde am 26. Mai 1883 im damals noch von Köln unabhängigem Mülheim geboren. Sein Vater, ein gewalttätiger Alkoholiker, schlug regelmäßig die Mutter sowie die zwölf Geschwister von Peter Kürten und missbrauchte nachweislich eine Tochter sexuell, wofür er später zu einer 15monatigen Zuchthausstrafe verurteilt wurde.  

In früher Kindheit traten beim späteren Serienmörder Kürten bereits erste abartige Neigungen auf: Mit Vorliebe verbrachte er seine Freizeit bei einem Abdecker. Nach eigener Aussage hatte Kürten schon damals seine Lust am Töten gespürt. So will er angeblich als Kind zwei andere Kinder in den Rhein gestoßen haben, um diesen beim Ertrinken zuzusehen. Es ist jedoch unklar, ob diese Aussage der Wahrheit entspricht. Gesichert ist aber, dass Kürten bereits im Alter von neun Jahre mehrere Brände gelegt hatte.

Polizeibekannt durch Unterschlagungen, Diebstähle und auch Körperverletzungen

Im Jahr 1894 zog die Familie nach Düsseldorf um. Peter Kürten begann im Jahr 1897 eine Lehre in der Gießerei, in der auch sein Vater beschäftigt war. Kürten war bereits durch verschiedene Unterschlagungen, Diebstähle und auch Körperverletzungen polizeibekannt und wurde 1899 zu seiner ersten Haftstrafe verurteilt.

Nach seiner Entlassung ging der 16jährige Kürten eine Beziehung mit einer wesentlich älteren Frau ein und zog zu ihr und deren 16-jähriger Tochter in eine Wohnung in Düsseldorf. Diese durchaus seltsame Kombination wurde noch dadurch getoppt, dass die speziellen sexuellen Praktiken von Kürten und der älteren Frau – er würgte und schlug die Frau mit ihrem Einverständnis – die Nachbarn alarmierte. Trotz anschließender Trennung brach Kürten später in die Wohnung ein, was eine weitere Haftstrafe zur Folge hatte.

Erster nachgewiesener Mord im Jahr 1913

Danach lebte Kürten von Einbrüchen, Handtaschenraub oder Unterschlagungen. Insgesamt saß er mehr als 20 Jahre im Gefängnis. Glück für ihn: Weil er auch verschiedene Haftstrafen während des Ersten Weltkriegs verbüßte, entging er der Einberufung.

Peter Kürtens erstes Opfer: Die neunjährige Christine Klein, Fotograf unbekannt
Peter Kürtens erstes Opfer: Die neunjährige Christine Klein, Fotograf unbekannt

Bereits vorher, am 25. Mai 1913, kann ihm der erste Mord eindeutig nachgewiesen werden. Er brach in die Wohnung des Mülheimer Gastwirts Klein in der Wolfstraße (heute Keupstraße) ein und schnitt der schlafenden neunjährigen Tochter Christine die Kehle durch.

Besonders abartig: In den darauffolgenden Tagen war er regelmäßig in der Gaststätte und genoss die Schilderungen des Mordes. Da er am Tatort bewusst oder fahrlässig sein blutbeschmiertes Taschentuch mit den Initialen „P.K.“ zurückgelassen hatte, wurde zunächst der Vater des Kindes, Peter Klein und später der Onkel des Kindes, verdächtigt. Nur auf Peter Kürten fiel keinerlei Verdacht.

Nach weiteren Gewalttaten, Brandstiftungen und Haftstrafen lebte Kürten ab 1921 in Thüringen. Dort heiratete er im August 1923 Auguste Scharf.
Auch hier beweist er wieder seine durchaus seltsame Art: Seine Ehefrau war wegen Totschlags vorbestraft. Und Kürten war durchaus stolz, eine Frau mit dieser Vorgeschichte zu heiraten. Sie wusste bereits vor der Hochzeit, dass Kürten weder treu noch unbescholten war. Allerdings war ihr nicht klar, dass sie einen Mörder heiratete. Im Jahr 1925 zog das Paar nach Düsseldorf.

Eine nie zuvor dagewesene Mordserie

Hier gab sich Peter Kürten als der galante, zuvorkommende Ehemann. Doch sobald sich die Gelegenheit ergab, wurde er zur gewalttätigen Bestie. Etliche Vergewaltigungen und Mordversuche gehen auf sein Konto. Seine Frau deckte ihn dabei sogar noch, indem sie in persönlichen Gesprächen einige der Opfer davon abhielt, eine Anzeige zu erstatten. So blieben seine Überfälle auf Frauen unerkannt. Allerdings wurde er mehrfach wegen Nötigung und Bedrohung zu Haftstrafen verurteilt.

Völlig außer Kontrolle gerät Kürten in den Jahren 1929 und 1930. Acht brutale Morde und mehr als 20 Mordversuche werden ihm später in diesem Zeitraum nachgewiesen. Bei der Wahl seiner Tatwerkzeuge ist er wenig zimperlich: Er nutzt Scheren, Messer und auch einen Hammer. Und immer sind die Taten extrem blutig. Angeblich saugt Kürten auch einigen Opfern das Blut aus. So wird er von den Medien als „Vampir von Düsseldorf“ bezeichnet.

Ein Polizeibild der von Kürten für seine Morde verwendeten Schere, Bild: Polizei Düsseldorf 1929 via Wikimedia Commons
Ein Polizeibild der von Kürten für seine Morde verwendeten Schere, Bild: Polizei Düsseldorf 1929 via Wikimedia Commons

In späteren Vernehmungen äußerte Kürten: „Ich hatte eigentlich dauernd die Stimmung, Sie werden es Drang nennen, zum Umbringen. Ich wollte das Blut der Opfer rauschen hören. Wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte, hätte ich ganze Massen umgebracht. Jeden Abend, wenn meine Frau Spätdienst hatte, bin ich herumgestreift nach einem Opfer.“ Ein weiteres Opfer ist ein Schwan, dem Kürten tatsächlich das Blut aussaugt.

„Helft den Düsseldorfer Massenmörder unschädlich zu machen!“

Die Polizei ermittelte erfolglos in alle Richtungen. Es wurde ein erstes Täterprofil angefertigt – das erste Täterprofil der deutschen Kriminalgeschichte. Zusätzlich wurden Broschüren verteilt, und tatsächlich geriet Kürten auch kurzzeitig ins Visier der Polizei.

Da aber die Nachbarn versichern, dass der nette, adrette Herr Kürten niemals ein perverser Serienmörder sein könnte, verläuft auch diese Spur im Sand. Aus heutiger Sicht unglaublich, da Kürten wohl im Glauben, dass er nie gefasst werden könnte, der Polizei Briefe schrieb, in welcher er Verstecke der Leichen exakt mithilfe von selbstgezeichneten Karten beschrieb. Auch mischte er sich regemäßig an den Tatorten unter die Schaulustigen und sprach sogar die ermittelnden Polizisten an.

Erschwerend kam hinzu, dass sich der geisteskranke Johann Stausberg als Mörder bei verschiedenen, von Kürten begannen Taten, bezichtigte. Für die Polizei galten diese Taten somit als aufgeklärt.

Ein Artikel im Kriminal-Magazin über Peter Kürten, Bild: Christianus Velox, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Ein Artikel im Kriminal-Magazin über Peter Kürten, Bild: Christianus Velox, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

15.000 Mark Belohnung

Währenddessen bereitet sich in der Düsseldorfer Bevölkerung eine wahre Hysterie aus. Polizei und private Bürgerwehren richten nächtliche Patrouillen ein, es wird eine Belohnung von 15.000 Mark1Ein extrem hoher Betrag. 1929 betrug das durchschnittliche Jahreseinkommen etwa 2.500 Mark., für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung des Täters führen. Zwar gehen Tausende von Hinweisen ein, doch erst ein Zufall führt zur Ergreifung Kürtens.

Maria Butlies ist dem Mörder entkommen und beschreibt den Täter in einem Brief an eine Freundin. Dieser Brief wird jedoch falsch zugestellt und landet schließlich bei der Polizei. Die eindeutigen Hinweise von Butlies führen die Polizei zu Peter Kürten.

Doch anstatt den Mörder direkt zu verhaften, begeht die Polizei einen Fehler. Kürten erhält per Post eine Vorladung zur Vernehmung. So gewarnt kann der Gesuchte fliehen.

Daher wird seine Frau vernommen, die im Verhör der Polizei gesteht, dass Kürten ihr von den Taten erzählt hatte. Sie hatte ihm daraufhin einen gemeinsamen Suizid vorgeschlagen, doch er lehnte ab. Allerdings war sie mit ihm ein paar Tage später vor der Düsseldorfer Rochuskirche verabredet.

Bei diesem Treffen wird Kürten verhaftet. Zwei Opfer identifizieren ihn eindeutig, danach war der Serienmörder geständig.

Maria Hahn und Elisabeth Dörrie, Opfer von Peter Kürten
Maria Hahn und Elisabeth Dörrie, Opfer von Peter Kürten

Kürten wird neun Mal zum Tode verurteilt

Im folgenden Prozess brüstet sich Peter Kürten  mit seinen Taten. Er genoss die große Beachtung des Prozesses regelrecht und schilderte detailliert die einzelnen Taten.

Seine Erklärung „Manche meiner Opfer haben es mir sehr leicht gemacht. Sie waren sofort bereit, mit mir zu gehen, wenn ich sie auch in das tiefste Dunkel führte.“ erzürnte den Vorsitzenden Richter Rose dermaßen, dass sich dieser nicht mehr zurückhalten konnte: „Schenken Sie sich solche Geschichten. Sie verscherzen sich sonst so manches, das kann ich Ihnen offen sagen.“

Kürten wurde am 22. April 1931 neun Mal zum Tode verurteilt, zusätzlich erhält er eine 15jährige Zuchthausstrafe. Kürten richtete noch erfolglos ein Gnadengesuch an die preußische Regierung. Am 2. Juli 1931 wird Peter Kürten im Kölner Klingelpütz mit dem Fallbeil hingerichtet.

Historische Aufnahme des Klingelpütz, undatiert, vermutlich 1900-1930, Bild: gemeinfrei.
Historische Aufnahme des Klingelpütz, undatiert, vermutlich 1900-1930, Bild: gemeinfrei.

Die Leiche von Peter Kürten wird anschließend untersucht und ohne den Kopf bestattet. Sein Verhalten war so verstörend, dass Ärzte glaubten, sein Gehirn müsse sich physisch von dem eines durchschnittlichen Menschen unterscheiden. Sein Kopf wurde in zwei Hälften geteilt, um an das Gehirn zu gelangen. Doch die Untersuchung des Gehirns nach kranklhaften Veränderungen blieb ohne Ergebnis.

Der Kopf des Mörders gelangte nach dem Zweiten Weltkrieg über Umwege in die Vereinigten Staaten und wird heute im Museum „Ripley’s Believe It or Not!“ in Wisconsin ausgestellt. Dort kann man den geöffneten Schädel noch heute in einer Vitrine sehen.

Peter Kürtens letzte Worte vor seiner Hinrichtung am 2. Juli 1931 waren:

„Sag, wenn mein Kopf abgeschlagen wurde, bin ich dann noch in der Lage zu hören, wie das Blut aus meinem Hals strömt? Das wäre eine große Freude.“


Darstellung von Peter Lorre in der Rolle des M auf einem Wandgemälde, Bild: Andreas Bohnenstengel, CC BY 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Darstellung von Peter Lorre in der Rolle des M auf einem Wandgemälde, Bild: Andreas Bohnenstengel, CC BY 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Vorbild für „M – eine Stadt sucht einen Mörder“

Der Fall des Peter Kürten inspirierte Regisseur Fritz Lang zu seinem ersten Tonfilm „M – eine Stadt sucht einen Mörder.“ mit Peter Lorre in der Hauptrolle.

In diesem Krimi aus dem Jahr 1931 geht es um einem Kindermörder, dessen Morde zu Angst bei Eltern und zu Misstrauen unter den Einwohnern führen. Gleichzeitig jagen auch die Kriminellen der Stadt den Mörder. Das Lexikon des Internationen Films schreibt dazu: 

„Langs erster Tonfilm gehört zu den Meisterwerken des deutschen Vorkriegskinos. Verweise auf das gesellschaftliche Klima der Weimarer Republik am Vorabend des Nationalsozialismus sind augenfällig: Obrigkeit und Unterwelt erscheinen als gleichartige Organisationen, die den ‚Abartigen‘ im Namen des ‚gesunden Volksempfindens‘ gemeinsam zur Strecke bringen. Langs sarkastische Schilderungen von Menschenjagd und Massenhysterie sowie Peter Lorres geniale Interpretation des Mörders als Täter und Opfer zugleich wurden von den Nationalsozialisten später nicht ohne Grund als subversiv empfunden.“


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„Unglückspfarrer“ begeht Doppelmord auf den Poller Wiesen

Die Kölnische Zeitung vom 20. September 1803 berichtete von der Tat: "Selten hat ... eine Sache so viel Gerede, so viel Abscheu und Grausen erregt ..."
Die Kölnische Zeitung vom 20. September 1803 berichtete von der Tat: „Selten hat … eine Sache so viel Gerede, so viel Abscheu und Grausen erregt …“
Podcast, True Crime Köln, Peter Joseph Schäffer
Im März 2025 haben Frank und Uli im Podcast „True Crime Köln“ die Geschichte von Peter Joseph Schäffer erzählt.

Am 29. Dezember 1803 fiel das Fallbeil und beendete das Leben von Peter Joseph Schäffer. Er wurde für den Doppelmord an den Schwestern Barbara und Katharina Ritter verurteilt und hingerichtet. Dieser Doppelmord im Jahr 1803 auf den Poller Wiesen hatte alles, was die Skandalpresse liebt: Geldgier, verbotene Liebe, Lügen, ein mörderischer Geistlicher und sehr viel Blut. Kein Wunder, dass dieser Kriminalfall auch unter dem Titel „Ein Vampyr im Priestergewand“ in die Kriminalgeschichte einging.

Hintergrund war der tiefe Fall des seinerzeit prominenten Pastors Peter Joseph Schäffer, der als Pfarrer in St. Maria in der Kupfergasse tätig war. Schäffer, ein respektierter Geistlicher, dessen Predigten sogar gedruckt wurden, hatte heimtückisch zwei Frauen umgebracht. Eine solche Konstellation führte Anfang des 19. Jahrhunderts zu großer Aufregung, und die Presse veröffentlichte eigens Sonderauflagen, um über den Fortschritt der Ermittlungen zu informieren.

Ein Mann aus bescheidenen Verhältnissen

Peter Joseph Schäffer wurde am 25. Juli 1766 in Ahrweiler geboren und wuchs in bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater war Gerichtsschreiber und trotz des äußerst kargen Auskommens der Familie wurde dem Sohn Peter Joseph bis zum 13. Lebensjahr der Schulbesuch ermöglicht – alles andere als eine Selbstverständlichkeit in der damaligen Zeit. Nach dem Schulabschluss setzte er seine Ausbildung bei den Minoriten in Sinzig fort und studierte anschließend in Köln und Bonn Theologie und Philosophie. Im Jahr 1792 wurde er in Straßburg zum Priester geweiht und war als Pfarrer in Uffholz und Sennheim, in der Nähe von Colmar, tätig.

Auffällig waren die jeweils sehr kurzen Dienstzeiten Schäffers in den Pfarreien. Gerüchten zufolge hatte der junge Pastor bereits damals erhebliche finanzielle Schwierigkeiten. Damit ging es ihm aber immer noch wesentlich besserer als seiner Schwester. Diese wohnte bereits in Köln, während Schäffer noch im Elsass tätig war. Sie wurde verurteilt „ein öffentliches Bordell gehalten, und ihre eigene Tochter den Männern zur Befriedigung sinnlicher Lüste hergegeben zu haben“. Das (vergleichsweise milde) Urteil: Ein Jahr Zuchthaus. Bei den Schäffers handelte es sich offensichtlich um eine ganz besondere Familie.

Schäffer lernt späteren Förderer im Gefängnis kennen

1794 nahmen die Franzosen das Elsass ein. Im revolutionären Frankreich Ende des 18. Jahrhundert wurden christliche Riten unter den Jakobinern verboten und viele Geistliche inhaftiert. So ging es auch Peter Joseph Schäffer, der in Besancon ins Gefängnis gesteckt wurde.

Marc-Antoine Berdolet, der Bischof von Aachen, förderte Peter Joseph Schäffer, Bild: Aegidius Johann Peter Joseph Scheuren (1774-1844), Public domain, via Wikimedia Commons
Marc-Antoine Berdolet, der Bischof von Aachen, förderte Peter Joseph Schäffer, Bild: Aegidius Johann Peter Joseph Scheuren (1774-1844), Public domain, via Wikimedia Commons

Dort lernte er den ebenfalls in Haft befindlichen Marc-Antoine Berdolet kennen. Eine Bekanntschaft, die sich später als äußerst nützlich erweisen würde, weil Berdolet im Jahr 1802 Bischof von Aachen wurde und seinen ehemaligen Mithäftling Schäffer stark förderte. So sorgte Berdolet dafür, dass Schäffer 1803 als Pfarrer in der St. Maria-Kirche in der Kupfergasse eingesetzt wurde.

Geheimer Ehevertrag des Pfarrers

Hätte Berdolet von dem Geheimnis im Leben Schäffers gewusst, hätte er ihn mit Sicherheit nicht gefördert. Denn in den Pfarrhäusern in Uffholtz und Sennheim im Elsass lebten gemeinsam mit dem Pastor die Schwestern Barbara und Katharina Ritter unter einem Dach.

Auch wenn Haushälterinnen in katholischen Pfarrhaushalten nicht unüblich waren und heute noch sind, handelte es sich hier um eine ganz besondere Konstellation. Barbara Ritter war 20 Jahre älter als Schäffer, ihre Schwester Katharina war ungefähr im gleichen Alter wie der Pfarrer. Beide waren vermögend und überließen dem ständig klammen Schäffer ihr Geld und versorgten gleichzeitig auch noch den Haushalt. Was sie sonst noch im zölibatären Haushalts Schäffers so versorgten, ist den Quellen nicht zu entnehmen.

Die beiden Frauen, die immerhin Schäffers aufwändigen Lebensstil finanzierten, begehrten auf und verlangten von dem Pfarrer eine Absicherung. So kam es zu einem geheimen Ehevertrag zwischen Barbara Ritter und Peter Joseph Schäffer. Dieser Vertrag regelte exakt, wie Schäffer für seine geheime Ehefrau und deren Schwester zu sorgen hatte. Ein äußerst süffisanter und für Schäffer extrem riskanter Vertrag: Sollte jemals bekannt werden, dass er als katholischer Geistlicher eine (geheime) Ehe eingegangen ist, wäre seine Karriere erledigt.

Karriereschritt in Köln

So nutzte Schäffer auch die erste Chance, den beiden Schwester zu entkommen und folgte der Berufung durch die Förderung seines alten Freundes Berdolet. Dieser verfügte mittlerweile als Bischof von Aachen über erheblichen Einfluss und sorgte dafür, dass Schäffer in St. Maria in der Kupfergasse tätig werden konnte.

Für Schäffer nicht nur ein willkommener Karriereschritt, er wurde immerhin Pfarrer im „Hillije Kölle“, sondern auch die Gelegenheit, vor den ihm lästig gewordenen Schwestern Barbara und Katharina zu fliehen. Gleichzeitig entkam er auch der Pflicht, das von den Schwestern geliehene Geld zurückzuzahlen und dem Risiko, dass der geheime Ehevertrag doch noch auffliegen würde. Meinte er.

Doch er hatte die Rechnung ohne die beiden Schwestern gemacht. Bereits wenig später tauchen die beiden in Köln auf. Sie hatten ihr Haus im Elsass verkauft und wollten wieder bei und mit Schäffer leben.

Der junge Pastor war wenig begeistert und „parkte“ die beiden zunächst in einem Gasthof bevor er sie, wie bereits zuvor im Elsass, in seinem Pfarrhaus versteckte.

Schäffer plant Mord

Das Arrangement schien zunächst zu funktionieren. Nie sah man Schäffer zusammen mit den beiden Damen. Doch diese waren verständlicherweise unzufrieden mit der Situation und begehrten auf.

Ihre Drohung: Sie würden die ganze Geschichte mit der geheimen Ehe öffentlich machen und den Bischof informieren. Außerdem wollten sie das Geld, welches sie Schäffer geliehen hatten, zurück. Für Schäffer stand seine ganze Karriere, sein ganzes Leben auf dem Spiel. Seine Furcht, alles zu verlieren, war übermächtig. Für den Pfarrer eine ausweglose Situation. In den späteren Verhören gab er zu Protokoll:

Aus dem Verhör Peter Joseph Schäffer, Doppelmord an den Poller Wiesen

Der „verzweifelte Entschluss“ war der Mord an den beiden Schwestern. Ganze zwei Monate plante er, wie er diese Tat umsetzen könnte.

Brutaler Doppelmord am Rhein

Am 6. September 1803 war es soweit. Schäffer gaukelte den Frauen vor, mit ihnen nach Bonn zu fahren, um Möbel für einen gemeinsamen Haushalt zu kaufen. Die drei setzten sich in eine Postkutsche. Dabei war Schäffer bemüht, den Anschein zu erwecken, nichts mit den beiden Damen zu tun zu haben und nur zufällig in der gleichen Kutsche zu sitzen.

Er nutzte die fehlende Ortskenntnis der Schwestern aus, und die Reisegesellschaft fuhr statt nach Bonn nur bis Wesseling und setzte mit der Fähre über den Rhein. Von dort aus ging es zurück nach Köln, bis zu den Poller Wiesen. Dort lockte er die Frauen in ein uneinsichtiges Gelände und gab vor, seine Uhr verloren zu haben. Barbara und Katharina Ritter sollten helfen, diese wiederzufinden.

Frauen „mit abgeschnittenen Hälsen“

Im dichten Gebüsch schlug er zunächst Barbara mit einem Knüppel mehrfach auf den Kopf, um ihr danach die Kehle durchzuschneiden. Die jüngere Katharina versuchte noch zu fliehen. Doch Schäffer holte sie ein, und ihr widerfuhr das gleiche Schicksal wie Barbara.

Illustration der grausamen Tat, Bild: Temmes „Criminal-Bibliothek“, um 1875
Illustration der grausamen Tat, Bild: Temmes „Criminal-Bibliothek“, um 1875

Es muss ein grauenhaftes Bild gewesen sein. Später sollte es lauten, an den Poller Wiesen wären Frauen „mit abgeschnittenen Hälsen“ gefunden worden. Schäffer versuchte noch, die Leichen in den Rhein zu werfen, schaffte dies aber nicht. Er entsorgte nur das Messer, wusch sich im Wasser des Flusses das Blut sorgfältig ab und ging zu Fuß nach Hause.

Erfolgreiche Fahndung

Am anderen Tag wurden die beiden Leichname von Passanten entdeckt. Doch niemand kannte die beiden Frauen, die von der Öffentlichkeit versteckt im Pfarrhaus gelebt hatten. So entschied sich die Polizei dazu, die beiden Leichen öffentlich auszustellen.

Die Taktik der Fahnder ging tatsächlich auf, denn es meldete sich ein Mitreisender aus der Postkutsche, der die beiden Frauen wiedererkannte. Dieser Zeuge gab zu Protokoll: „Der Mann gehörte offensichtlich zu den Frauen, wollte aber den Eindruck erwecken, diese nicht zu kennen.“ Ferner berichtete der Zeuge, dass es sich um einen Geistlichen gehandelt habe. Er konnte diesen Mann auch beschreiben. Mit diesen Informationen war es für die Polizei einfach, auf den Pastor von St. Maria in der Kupfergasse zu schließen. Wenige Tage später wurde Schäffer festgenommen.

Schäffer verwickelt sich in Widersprüche

Am 16. September 1803 kam es zur ersten Vernehmung. Schäffer gab an, tatsächlich mit den beiden Damen in der Postkutsche gesessen zu haben, er würde diese aber nicht kennen. Er hätte die Postkutsche in Wesseling verlassen, um nach Köln zurückzureisen. Doch seine Verteidigung hält nicht lange stand, denn der Schiffer der Rheinfähre erinnerte sich daran, dass Schäffer gemeinsam mit den beiden Frauen übergesetzt hatte.

Der Geistliche versuchte den Polizisten die nächste Lügengeschichte aufzutischen: Er habe mit den Frauen nach Bonn-Pützchen fahren wollen, man hätte aber unterwegs wegen einer Feier in Deutz den Weg dorthin genommen. In Poll wären die drei von Räubern überfallen worden. Diese Räuber hätten die Schwestern getötet, er hätte fliehen können. Verständlich, dass auch diese Geschichte nicht glaubhaft erscheint. Schäffer wurde am 17. September 1803 in Haft genommen.

Geständnis mit der Hoffnung auf Begnadigung

Einen Tag später gesteht Schäffer die Tat und gibt ein Geständnis mit allen blutigen Einzelheiten ab. Sein Kalkül: Sein Status als Geistlicher würde ihn vor der Strafverfolgung schützen. Wie sich später herausstellte, war dies eine fatal falsche Einschätzung.

Als er Ende Oktober in ein Gefängnis nach Aachen verlegt wurde, gab es ein sehr großes Interesse an dem Fall. Auf den Straßen „drängten sich mehrere Tausende hinzu. Man sah Gesichter bleich werden, man sah Thränen fließen“. Der „Unglückspfarrer“ hatte eine unrühmliche Prominenz erreicht.

In dem Aachener Gefängnis verfasste Schäffer eine Biographie. In dem Vorwort dazu lautet es:

Aus dem Vorwort der Autobiographie Peter Joseph Schäffers, Doppelmord an den Poller Wiesen

Immer noch fühlt sich der selbstverliebte Pfarrer als Opfer und geht fest von einer Begnadigung aus – wer würde schon einen Priester verurteilen? Neben der Biographie verfasst Schäffer im Gefängnis auch Gedichte, er beschreibt insgesamt 60 Bögen Papier.

Der Priester wird zum Tod verurteilt

Am 17. November 1803 beginnt in Aachen die Verhandlung. Sehr zum Erstaunen des Gerichts widerruft Schäffer sein Geständnis und hält eine Rede voller Pathos, in welcher er eine völlig neue Version des Tathergangs schildert.

Die neue, ebenfalls wenig glaubwürdige Version basierte auf der bereits bekannten Geschichte, dass tatsächlich Räuber die drei Reisenden überfallen und die beiden Schwestern getötet hätten. Neu war aber, dass einer der Räuber, von Reue getrieben, seine Taten bei Schäffer gebeichtet hätte. Um das Beichtgeheimnis zu wahren, hätte Schäffer sich als Täter dargestellt, weil er als Priester ja nicht verurteilt werden würde.

Wenig überraschend folgte das Gericht den Ausführungen nicht und verurteilte Schäffer zum Tod. Der Verurteilte versuchte noch vergeblich, eine Beschwerde bei einem übergeordneten Gericht in Paris einzureichen, doch diese wurde postwendend abgelehnt.

Schäffer wird in Aachen hingerichtet, Illustration auf einem Flugblatt, Verfasser unbekannt
Schäffer wird in Aachen hingerichtet, Illustration auf einem Flugblatt, Verfasser unbekannt

Peter Joseph Schäffer wurde am 29. Dezember 1803 in Aachen mit der Guillotine hingerichtet. Seine letzten Worte, bevor das Fallbeil fiel, waren:

„Ich bin der erste Priester, der so eine schreckliche That begieng,
ich hoffe, dass ich auch der letzte seyn werde“.


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Agrippina – Sex, Intrigen und Mord

Agrippina - Kölns Stadtgründerin, Bild: Uli Kievernagel
Agrippina – Kölns Stadtgründerin, Bild: Uli Kievernagel

Podcast Agrippina Folge 3

Wer glaubt, Intrigen, Morde und Sex an Königs- und Kaiserhöfen wären alles nur Erfindungen der Fantasy-Literatur, sollte sich unbedingt mal mit der Kölner Stadtgeschichte beschäftigen: Die Geschichte um unsere Stadtgründerin Agrippina bietet alle Zutaten für ein eigenes Epos mit Mord, Inzest und jeder Menge Intrigen.

Fakt ist, dass Agrippina – mehr oder weniger – ein kölsches Mädchen ist. Immerhin wurde sie in Köln geboren. Ihr Vater Germanicus war Heerführer der riesigen Armee, die die schmähliche Niederlage der Römer in der Varus-Schlacht rächen sollte. Just als diese Armee im Oppidum Ubiorum, dem späteren Köln, stationiert war, wurde Agrippina im Jahr 15 oder 16 n. Chr geboren. Über ihre Jugend ist nichts bekannt.

Ihr Bruder war der berüchtigte Kaiser Caligula, der Agrippina und ihre beiden Schwestern wie Göttinnen verehren lies. Doch das Glück währte nicht lange. Agrippina war in eine Verschwörung gegen ihren Bruder verstrickt und entging dem Tod nur durch die Verbannung auf die Insel Ponza im Tyrrhenischen Meer. Wie gut für Agrippina, dass Caligula selber im Jahr 41 n. Chr. ermordet wurde – so konnte sie zurück in die „upper class Gesellschaft“ Roms.

Die ehemalige Hauptverwaltung der Agrippina-Versicherung mit einer lebensgroßen Statue, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Die ehemalige Hauptverwaltung der Agrippina-Versicherung mit einer lebensgroßen Statue, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Entbrannt in völligem Verlangen nach Schreckensherrschaft

Ihr Plan, über verschiedene einflussreiche Ehemänner ihre Stellung in der römischen Gesellschaft zu festigen, ging ordentlich schief: In erster Ehe heiratete sie einen Politiker, der selber wegen Inzestes mit seiner Schwester angeklagt wurde. Aus dieser Ehe entstammt ihr einziges Kind: Lucius Domitius Ahenobarbus, besser bekannt als Nero.

Auch ihr zweiter Ehemann stand ihrem Aufstieg im Weg – er starb an einer Pilzvergiftung. Durch das (wohl durch Agrippina selbst beschleunigte) Ableben ihres zweiten Mannes war sie frei für ihre dritte Ehe: Im Alter von 33 Jahren heiratete sie den 25 Jahre älteren Kaiser Claudius. Eigens für diese Ehe wurde ein Gesetz zur Ehe zwischen Verwandten geändert, denn immerhin war Claudius ihr Onkel.

Jetzt war Agrippina fast am Ziel: Sie sorgte dafür, dass Claudius ihr den Titel einer römischen Kaiserin verlieh und gleichzeitig ihren Sohn Nero adoptierte. Um ihre Macht zu festigen, ging Agrippina über Leichen, der römische Historiker Tacitus beschrieb Agrippina als „entbrannt in völligem Verlangen nach Schreckensherrschaft“.

Köln wird zu Colonia Claudia Ara Agrippinensium

In dieser Zeit verlieh sie auch ihrem Geburtsort am Rhein den Titel einer römischen Kolonie. Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) entstand, daraus erwuchs das heutige Köln. Sicher ist:  Nur durch die Rechte einer Colonia, einer römischen Kolonie, konnte Köln wachsen und sich zu einer der wichtigsten Städte im Römischen Reich entwickeln. Die Kölner verklären diese Entscheidung gerne als Agrippinas Liebeserklärung an ihren Geburtsort. Tatsächlich wollte sie damit aber vermutlich nur ihre Geburt im „Barbarenland“ verschleiern und ihre Macht festigen – immerhin ist die Bennenung einer römischen Kolonie nach einer Frau einzigartig. 

Nero, Sohn von Agrippina und Kaiser, Bild: Bibi Saint-Pol
Nero, Sohn von Agrippina und Kaiser, Bild: Bibi Saint-Pol

Nero wird Kaiser und lässt seine Mutter umbringen

Doch Agrippina war noch nicht am Ziel angekommen: Sie wollte unbedingt ihren Sohn Nero auf den Kaiserthron bringen. Unglücklich war nur, dass ihr Ehemann Kaiser Claudius selber einen Sohn aus einer früheren Ehe hatte, welcher als Nachfolger vorgesehen war. Erneut sorgte ein Pilzgericht für die Lösung. Claudius starb an einer Vergiftung und Nero konnte Kaiser werden. Der römischen Gesellschaft gefiel dieses Arrangement nicht, hinter ihrem Rücken wurden Nero und seiner Mutter „inzestuöser Verkehr“ unterstellt.

Nero selber war aus ähnlichem Holz geschnitzt wie seine Mutter. Er empfand Agrippina zunehmend als Rivalin um die Macht. Zunächst verstieß er sie vom Kaiserhof, danach schlugen etliche Mordanschläge, als Unfälle getarnt, fehl und schließlich ließ Nero seine eigene Mutter 59 n. Chr. umbringen.

Da kann man feststellen: Echt schwierige Familienverhältnisse! 


Die Jungfrau im Kölner Dreigestirn. Das Ornat erinnert an Agrippina, Bild: Festkomitee Kölner Karneval/Coelln Coleuer
Die Jungfrau im Kölner Dreigestirn. Das Ornat erinnert an Agrippina, Bild: Festkomitee Kölner Karneval/Coelln Coleuer

Agrippina wird jedes Jahr auf das neue geehrt: Die Jungfrau im Kölner Dreigestirn steht für die Uneinnehmbarkeit der Stadt. Das römisch anmutende Gewand erinnert an die Stadtgründerin.


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Erzbischof Anno II. – ne janz fiese Möpp!

Anno II. mit seinen Stiftungen, ganz oben die Benediktinerabtei Siegburg, Bild: Public domain,
Anno II. mit seinen Stiftungen, ganz oben die Benediktinerabtei Siegburg, Bild: Public domain,

Egal, ob sie nun Woelki, Meissner, Ruprecht, Hildolf oder Anno hießen: Mit den jeweiligen Erzbischöfen hatten die Kölschen fast durchweg ihre Probleme. Eine Ausnahme stellte dabei der von den Kölnern noch heute verehrte Josef Kardinal Frings dar.

Ein ganz besonders fieser Vertreter in dieser Reihe der dunklen Gestalten war aber Anno II. Wobei selbst das noch umstritten ist – so soll es Fans des Bischofs geben, die ihn als fromm und freigiebig gegenüber den Armen bezeichnen.

Geboren in Schwaben

Geboren um 1010 wuchs Anno im tiefsten Schwaben, etwa 30 Kilometer entfernt von Ulm, auf. Obwohl er nur aus niederem Adel stammte, hatte er  recht gute Chancen auf den sozialen Aufstieg. Sein Bruder sollte später Erzbischof von Magdeburg werden, sein Neffe Bischof von Halberstadt – alles mit tatkräftiger Hilfe von Anno. Und er war entfernt mit Rainald von Dassel verwandt – immerhin der Bischof, der die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln brachte.

Anno schlug zunächst die klassische Laufbahn eines Adligen seiner Zeit ein: Eine Ritterausbildung mit Reiten und Fechten. Doch diese Karriere erlebte einen heftigen Bruch. Sein Onkel, ein Geistlicher in Bamberg, überredete ihn im Jahr 1021 in die Bamberger Stiftsschule St. Stephan einzutreten. Der Beginn eines bemerkenswerten Aufstiegs in der Kirche.

Anno studierte unter anderem in Paderborn und baute sich ein beeindruckendes Netzwerk auf. So wurde er von Kai­ser Hein­rich III. im Jahr 1046 an den kaiserlichen Hof berufen und 1054 zum Propst Stif­tes St. Si­mon und Ju­das in Goslar ernannt. Bereits zwei Jahre später kam der entscheidende Karriereschritt: Am 11.02.1056 starb Hermann II., Erzbischof von Köln. Anno wurde sein Nachfolger auf dem mächtigen Bischofsstuhl in Köln.

Kölner enttäuscht

Die Kölner waren mit diesem Bischof nicht einverstanden: Der Schwabe Anno war für sie ein „Fremder“. Die Patrizierfamilien rümpften über ihn die Nase:  Ein Bischof, der nicht dem Hochadel entstammt. Diese Skepsis war dem Erzbischof egal – er begann unmittelbar nach Amtsantritt seine Machtposition zu festigen.

Er drängte den Pfalz­gra­fen Hein­rich (nicht mit dem Kaiser Heinrich zu verwechseln!) zurück, nahm dessen Familie den be­fes­tig­ten Sieg­berg ab­ und gründete dort das Kloster Siegburg. Somit war ein wichtiger Konkurrent um die Macht am Rhein ausgeschaltet.

Der Staatsstreich von Kaiserswerth

Kaiser Heinrich III. starb 1056, sein Sohn Heinrich IV. war zu diesem Zeitpunkt erst sechs Jahre alt. Somit war der wichtigste Herrscherthron verwaist. Zwar übernahm Kaiserin Agnes, die Witwe Heinrichs III., die Regentschaft für Ihren Sohn, konnte sich aber in den machtpolitischen Ränken der Fürsten und Bischöfe nicht durchsetzen.

Anno II. setzte sich an die Spitze der Gegner von Agnes. So kam es zum „Staatsstreich von Kaiserswerth“. Kaiserin Agnes und der damals erst 12 Jahre alte Heinrich IV. waren auf dem Weg nach Nimwegen. Anno rüstete ein prächtiges Schiff aus und überredete den jungen Thronerben auf der Kaiserpfalz Kaiserswerth zu einer Besichtigung des Schiffs. Kaum war Heinrich IV. auf dem Schiff, legte dieses  plötzlich ab. Anno entführte den jungen Kaiser. Dieser versuchte zwar noch zu fliehen und sprang ins Wasser – doch vergebens. Er wurde aus dem Rhein gefischt und nach Köln gebracht.

Dort wurde Anno nicht nur Lehrer des jungen Thronfolgers, sondern auch sein Vormund. Kaiserin Agnes zog sich auf ein Kloster im Piemont zurück und Anno führte gemeinsam mit Erzbischof Siegfried I. von Mainz und Erzbischof Adalbert von Bremen faktisch die Regierungsgeschäfte.

Auch am Kölner Rathaus findet sich eine Figur von Anno II. (rechte Seite des Bildes), Bild: Raimond Spekking
Auch am Kölner Rathaus findet sich eine Figur von Anno II. (rechte Seite des Bildes), Bild: Raimond Spekking

Anno flieht durch das „Annoloch“

Kölns Bürger wurden immer unzufriedener mit dem selbstherrlichen und strengen Anno. Als dieser dann im Jahr 1074 im Hafen das Schiff eines Kaufmanns beschlagnahmen ließ, um dem Bischof von Münster eine Heimfahrtgelegenheit zu bieten, war das Maß voll: Die Bürger rebellierten gegen den ungeliebten Bischof.

Anno verschanzte sich und der tobende Mob tötete einen harmlosen Kleriker, den man für Anno hielt. Der Bischof hingegen konnte den aufgebrachten Bürgern entkommen. Dafür nutze er das „Annoloch“ – eine kleine Lücke in der römischen Stadtmauer. Anno brachte sich so vor den mordlustigen Kölnern in Sicherheit. Allerdings konnte der machthungrige Anno diese Schmach nicht ungesühnt stehen lassen.

Schon ein paar Tage später kam er mit schwer bewaffneten Truppen zurück und belagerte die Stadt. Die Kölner erkannten die Übermacht der Belagerer und öffneten die Stadttore. Der Bischof fackelte nicht lange und sprach grausame Strafen für die Aufrührer aus: Etliche Kölner wurden geblendet.1Dabei wird ein rotglühendes Stück Eisen, in der Regel ein Schwert, vor die Augen einer Verurteilten gehalten. Durch die Hitze wird die Netzhaut zerstört und die geblendete Person erblindet. Andere belegte er mit dem Kirchenbann. Viele der so nahezu rechtslosen Menschen wurden Opfer von Lynchjustiz. Ungefähr 600 Kaufleute verließen die Stadt und Köln war, so ein zeitgenössischer Bericht, „fast völlig verödet und schauriges Schweigen herrschte auf den leeren Straßen.“  

Anno zieht sich aus Köln zurück

Verständlich, dass sich Anno in Köln nicht mehr sicher fühlte. Er zog sich auf den Siegberg, der später zur Abtei Siegburg werden sollte, zurück. Er verfügte auch, dass er dort begraben werden wollte.

Anno starb am 4. Dezember 1075 in Köln. Sein Leichnam wurde in einer aufwändigen Pro­zes­si­on zu al­len Köl­ner Stifts- und Klos­ter­kir­chen ge­tra­gen und dort jeweils drei Tage auf­ge­bahrt. Seine letzte Ruhe hat er, entsprechend seines Wunschs, in der Abteikirche Michaelsberg gefunden. Noch heute steht der prächtige Annoschrein, geschaffen von Nikolaus von Verdun, der immerhin auch den Dreikönigenschrein im Kölner Dom erschaffen hat, dort in einer Seitenkapelle.

Der Annoschrein in der Abteikirche Michaelsberg, Bild: Amekrümel, CC BY-SA 3.0
Der Annoschrein in der Abteikirche Michaelsberg, Bild: Amekrümel, CC BY-SA 3.0

Kaum zu glauben, dass schnell nach seinem Tod eine regelrechte „Annoverehrung“ stattgefunden hat. So wurde er 1183 heilig gesprochen. Einer seiner Nachfolger auf dem Bischofsstuhl in Köln, Joseph Kardinal Höffner, sagte im Jahr 1975 über Anno „Anno war oft unbeherrscht, heftig, unbequem und unbeugsam, nicht selten bis zum Starrsinn. Er war ein Mann voller Spannungen und Widersprüche.“

Und jetzt werfen wir wieder ein Blick auf unseren aktuellen Bischof. „Starrsinn“, „unbeugsam“, „Widersprüche“ kommen einem sehr bekannt vor, wenn man an Kardinal Rainer Maria Woelki denkt.

Vielleicht sollten wir Kölner mal wieder einen Aufstand wagen und diesen unseligen Kirchenmann in die Wüste schicken.   


Bläck Fööss: Feschers Köbes

Die Bläck Fööss haben mit „Feschers Köbes“ dem Aufstand gegen Anno ein Gesicht gegeben. Das Lied handelt von dem fiktiven Charakter Jakob – auf Kölsch: Köbes – dessen Schiff Anno beschlagnahmen wollte und der, zumindest im Lied, zum Anführer der Aufständischen wurde. Zur Strafe wurde er von Annos Schergen geblendet.

De Fescher’s lävten em hellije Kölle
et wor’en Familich vun ech kölscher Art.
Mer schreff de Zick su kootvör Elfhundert
et Levve trof se hatt.

D’r Vatter dat wor d’r Fescher’s Bätes
hatt drei stolze Scheffe, wor Handelshär.
Hä fuhr vun Kölle bes Engeland un Holland,
sing Fuhre tonneschwer.

Singe ältste Son dat wor d’r Köbes,
für dä hatt dä Bätes e Frachscheff jebaut.
Domet wor dä Köbes en Holland jewäse
beim Keetje, dat wor sing Braut.

Hä wor jung un stolz, hatt e Hätz,
standhaff un nit bang,
hä wor ’ne kölsche Fetz.

Hä wor jrad doheim, do braat im d’r Stadtvogt
vum Erzbischof Anno e Schrieve vorbei.
Si Frachscheff sollt d’r Köbes im jewe,
su einfach, als wör nix dobei.

D’r Köbes saat: Su lang wie ich levve
kritt ehr et nit, dozo hat ehr kei Räch.
Un die Kölsche, die dovun hote, die saaten:
D’r Köbes dä hät Räch.

D’r Erzbischof Anno sprung faß us dem Wöbche,
hä bröllte: He driev d’r Düvel si Spill.
Hä dät vun d’r Kanzel janz Kölle usschänge,
dat wor dann denne Kölsche zo vill.

Em Nu hatt sich dat wie e Für römjesproche,
Kölle dä Kölsche heeß jetz die Parol.
Erus met däm Kradeföösch us Schwobe
schmießt en vum Bischofsstohl.

Doch als se de Dür vum Dom objebroche,
do wor dä Anno allt längs durch de Kood.
Hä hatt sich durch e Pözje verkroche,
die Kölsche, die kochten vor Wot.

Se däten ehr Wot an denne usloße
die jrad op Besök beim Anno jewäs.
D’r Fescher’s Köbes, dä wollt‘ se beruhije
un reef laut: Höt op met dam Dreß.

Hä wor jung un stolz, hatt e Hätz,
standhaff un nit bang,
hä wor ’ne kölsche Fetz.

D’r Köbes, dä die Kölsche jefoht hatt,
dä wod jetz en janz Kölle jefiert.
Doch üwer Naach, do kom d’r Anno
met Söldner anmarschiert.

Hä wollt zwar verjewe, doch sing Soldate
han einfach koote fuffzehn jemaat,
se han och dä Köbes zesammejeschlage
un han in dann en Kette jelat.

Sing Mamm die jing beim Anno dann bedde
un sat: Leeve Föösch, verschont minge Jung.
Ehr kritt unser Scheff un all unser Jrosche
doch jewt mer minge Jung.

Denn hä is jung un stolz, hätt e Hätz,
standhaff un nit bang,
hä is ’ne kölsche Fetz.

De Anklach wod vürjelese
un dann passeete wat keiner verstund,
se däten däm Köbes et Augeleech nemme,
en letzte Tron em Aug‘ im stund.

Dem Papp un d’r Mamm es et Hätz faß jebroche,
ehr Siel wod ze Stein vör Troor un vör Ping,
blotrut stund de Sonn üwer Kölle,
d’r Köbes, dä kunnt se nit sin.

Hä wor jung un stolz, hatt e Hätz,
standhaff un nit bang,
hä wor ’ne kölsche Fetz.


Seite 1 des Annoliedes in der Edition von Martin Opitz, Danzig 1639, Bild: Hochschule Augsburg
Seite 1 des Annoliedes in der Edition von Martin Opitz, Danzig 1639, Bild: Hochschule Augsburg

Das Annolied

Im Gegensatz zu dem Lied der Bläck Fööss wird Anno II. im sogenannten „Annolied“ verherrlicht. In 878 Versen wird sein Leben und Wirken gepriesen. Verfasser war des zwischen 1077 und 1081 entstanden Werks war wahrscheinlich ein Mönch im Kloster Siegburg.

Wer des frühmittelhochdeutschen mächtig ist, kann sich den kompletten Text auf der Website der Hochschule Augsburg ansehen.


Anno 1074 - Der Aufstand gegen den Kölner Erzbischof, Bild: Bastei-Lübbe
Anno 1074 – Der Aufstand gegen den Kölner Erzbischof, Bild: Bastei-Lübbe

Historischer Roman: Anno 1074.
Der Aufstand gegen den Kölner Erzbischof.  

Bei Bastei-Lübbe gibt es auch den passenden Roman von Jörg Kastner zum Aufstand gegen Anno.  (‎ Bastei Lübbe, ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3404141395, nur noch im Antiquariat erhältlich)

DANKE an meinen treuen Leser Chrisi aus der Eifel für diesen Hinweis.


Eine Geschichte der Stadt Köln - Akteure 1. Kölner Podcast-Tag am 24.11.2023
 

Podcast „Eine Geschichte der Stadt Köln“

Willem Fromm, der Kopf hinter dem Podcast „Eine Geschichte der Stadt Köln“ hat Anno eine komplette Folge gewidmet: „Anno II. von Köln: Der Augenausstecher, der Köln erblühen ließ“

Willem über Anno: „In der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts herrschte Anno II. über die Stadt Köln. Mit einer regen Bautätigkeit in der Stadt ist er bis heute im Stadtbild verewigt. Auch Kunst, Kultur und Handel blühten unter seiner Herrschaft auf. Und die Verehrung des Heiligen Georg verschaffte Anno hier am Rhein eine nie dagewesene Größe.“


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