Die Corona-Krise hat uns alle fest um Griff. Weder der EffZeh noch Fortuna Köln spielen, alle Theater haben zu, Konzerte werden abgsagt. Das öffentliche Leben kommt zum Stillstand. Selbst unser geliebtes Kölsch sollen wir nicht mehr in unserer Stamkneipe sondern lieber alleine zu Hause trinken.
Da bekommt der Kölsche schnell „et ärme Dier“. Wortwörtlich übersetzt bedeutet das „Das arme Tier haben.“. Eigentlich kein wirklich sinnvoller Satz. Der Kölsche jedoch versteht direkt, was damit gemeint ist: Eine allgemein trübsinnige Stimmung. Gepaart mit etwas Melancholie und Traurigkeit.
Et ärme Dier tritt mit oder ohne konkreten Auslöser auf
Es gibt weder eine Erklärung, wo diese Redewendung herkommt noch welches Tier denn nun genau mitleidenswert ist. Klar ist nur, dass et ärme Dier nicht unbedingt einen konkreten Auslöser haben muss. So kann zwar eine Krankheit oder Umstände wie ein gerade erlebtes Unglück zum ärme Dier führen: „Däm Jupp singe Onkel ist dut. Dä Jupp hät jetz schwer et ärme Dier.“ (Übersetzung: Josefs Onkel ist gestorben, der Josef ist jetzt ganz traurig.). In diesem Fall ist es ein besonders gravierender Fall von Traurigkeit, weil dä Jupp ja schwer et ärme Dier hat.
Aber dat ärme Dier kann auch völlig ohne nachvollziehbaren Anlass auftreten. Dann handelt es sich eher um Weltschmerz und der Trübsinn wie ins diesem Fall: „Dat Billa kütt nit mieh uss däm Huus eruss. Et hät wohl et ärme Dier.“ (Übersetzung: Sibylle verlässt das Haus nicht mehr. Sie hat wohl eine melancholische Phase.).
Muuzich oder jömelisch sind ähnliche Gemütszustände
Bei uns zu Hause wurde für eine allgemeines Stimmungstief auch der Begriff jömelisch verwendet. Bei meiner üblichen Theken-Umfrage in meiner Stammkneipe war dieser Begriff aber nicht geläufig. Gängige Umschreibungen waren hier trorich (traurig) oder muuzich (mürrisch).
Besonders schön ist der Ausspruch des kölschen Musikers Gerd Köster „Lackier dat ärme Dier vür d`r Düür.“ Wortwörtlich bedeuet das „Lackier dein armes Tier vor der Tür“ und bedeutet: Lass deine schlechte Laune draußen, die hat hier nix zu suchen.
Alle Fälle vom ärme Dier sind aber immer von einer echten Depression zu unterscheiden. So weit geht et ärme Dier dann nicht. Irgendwann scheint wieder die Sonne un däm Jupp un dä Billa geht es dann auch besser. Corona ist dann Geschichte und die Kneipen sind wieder voll.
So ist das ärme Dier eher nur ein zeitweilige Erscheinung. Was für ein Glück!
Meine Nachbarin Juliane Poloczek hatte wegen der aktuellen Corona-Krise schwer et ärme Dier. Am 20. März 2020 hat sie ihre Gedanken in dieses Gedicht gepackt:
Et ärme Dier
(Juliane Poloczek)
Wesst ihr, wat dat es, et ärme Dier?
Dat hat ich hück. Doch! Jläuvt et mir.
Jeschlofe hat ich och ald schlääch.
Wie ich opstunnt, wor mir janix rääch.
Aan einem Stöck hät ich kriesche könne.
Dä Zostand dunn ich keinem jönne.
De janze Zick wor ich muuzisch bloß
Un hat för övverhaup nix Los‘.
Ich wollt nit erus, un dat wor joot!
Denn em Momang, do hält mr uns koot.
Mir Ahle, mir sollen nit mieh erus.
Dr janze Daach soll mr blieve ze Hus.
Hück fung ich dat richtisch, do passten et mir.
Denn hück hat ich wirklich et ärme Dier.
Ein großes DANKE an Juliane, dass ich ihr Gedicht hier veröffentlichen darf. Ein anderes (fröhlicheres) Gedicht von Juliane hatte ich bereits Weihnachten veröffentlicht.
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