Viele Bahnhaltestellen in Köln sind Angsträume und machen uns „bang“, Bild: Chris06, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Es sind Zeiten, da kann man tatsächlich ängstlich in die Zukunft schauen. Die verschiedenen Krisen in der Welt geben sich gerade die Klinke in die Hand. Kein Wunder, dass nicht nur den Kölschen „bang“ wird. Dieses Wort beschreibt schlichtweg die Angst.
Wie immer lohnt sich ein Blick in den „Wrede“.1Adam Wrede: „Neuer kölnischer Sprachschatz“ Dort wird „bang“ als „Angst einflößend“ bezeichnet. Dabei kann einem bang wegen einer Sache sein „Et es mer bang, et künnt scheif jon.“2Ich bin ängstlich, dass etwas schiefgehen könnte. oder zum Beispiel einer Person sein: „Ich ben jet bang för dä Schäng.“ In diesem Fall ist man ängstlich, dass dem Schäng etwas passieren könnte.
Umgekehrt ist es auch möglich, eben nicht bang zu sein und Zuversicht auszudrücken. Wenn der Kölsche sagt: „Doför maachen ich mich nit bang.“ oder „Dä liet sich nit bang maache.“ ist alles gut, denn eine Situation macht ihm oder einer anderen Person eben keine Angst.
Et kann einem angs un bang wäde.
Auch Menschen außerhalb Kölns kennen dieses Wort in dem Zusammenhang „Da kann einem angst und bange werden.“ Auf Kölsch: „Et kann einem angs un bang wäde.“
Dabei ist „bang“ eigentlich aus „be-ange“ entstanden. Im Mittelhochdeutschen bedeutet bang „beengt. Seinen Einzug in die Schriftsprache hat dieses Wort Luther und seiner Bibelübersetzung zu verdanken. So lautet es im „Buch Jeremia“ (Kapitel 50):
„Wenn der König zu Babel ihr Gerücht hören wird, so werden ihm die Fäuste entsinken; ihm wird so angst und bange werden wie einer Frau in Kindsnöten.“
„Bangmacher“ versuchen, uns Angst zu machen
Heute gibt es unzählige Gelegenheiten, dass es (nicht nur) dem Kölschen bang wird. „Bangmacher“ sind Menschen, die durch ihre Aussagen Angst und Furcht erregen – leider ein oft genutztes Mittel rechtsgerichteter Populisten.
Wenn Höcke, Weidel & Co. von der „Überfremdung“ sprechen und uns Angst vor Migration und Asyl damit machen wollen, handelt es sich dabei um „Bangmacher“. Wir müssen nur aufpassen, dass wir den braunen Demagogen bei solchen Versuchen nicht auf den Leim gehen. Denn dann werden wir zu „Bangedresser“, damit ist ein Feigling oder Angsthase gemeint.
Jürgen Becker ist optimistisch: „Das ruckelt sich schon alles zurecht.“ Bild: Brunswyk, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Die kölsche Zuversicht: „Et hätt noch immer jot jejange.“
Im Paragraph 3 des „Kölschen Grundgesetz“ findet sich das Gegenteil von „bang weede“. Dort lautet es: „Et hätt noch immer jot jejange.“ Das ist der typisch kölsche Optimismus. Eine Zuversicht, dass sich immer alles findet. Oder um es mit dem kölschen Kabarettisten Jürgen Becker zu sagen. Mer bruche nit bang zu weede denn:
Eine Million Liebesschlösser auf der Hohenzollernbrücke als Ausdruck der Liebe – doch es gibt kein kölsches Wort für die Liebe, Bild: NoName_13, Pixabay
„Für alles jitt et e Woot, nur für die Liebe nit.“1Für alles gibt es ein Wort, nur für die Liebe nicht.
ist ein Songtitel der kölschen Band Lupo. In diesem Lied wird eingängig erklärt, dass es in der kölschen Sprache für viele hochdeutsche Wörter spezielle eigene kölsche Wörter gibt. So nennt der Kölner
ABER: Es gibt tatsächlich kein spezielles kölsches Wort für die Liebe. Und das ist äußerst erstaunlich.
Warum gibt es in der kölschen Sprache kein Wort für die Liebe?
Für den Satz „Ich liebe Dich.“ gibt es tatsächlich keine kölsche Übersetzung. Mangels eigener kölscher Worte für die Liebe nutzt der Kölner hilfsweise Umschreibungen. Das klingt dann ungefähr so: „Isch han dich jän“ oder „Ich maach dich“.
Nur am Rande: Der Kölner hat zwar kein eigenes Wort für die Liebe, dafür aber ein eigenes Wort für ein (außereheliches) Verhältnis: „Fisternöllchen“. Und das lässt eindeutige Rückschlüsse auf das kölsche Gemüt zu!
Der Kölner liebt das Flirtspiel, will sich aber nicht festlgen, so der Psychologe Stephan Grünewald. Bild: Raimond Spekking
Endgültiges Bekenntnis fällt dem Kölner schwer
Stephan Grünewald ist ein bekannter Psychologe und Gründer des renommierten rheingold-Instituts. Er meint, die Kölner hätten deswegen ein Problem mit dem Begriff „Liebe“, weil sie sich mit einem so endgültigen Bekenntnis sehr schwer tun. Grünewald sagt: „Der Kölner liebt das Flirtspiel: Bützen ja, aber bitte nicht festlegen! Lieber gekonnt alles offen halten, sonst kommt man wieder in die Bredouille.“2Stephan Grünewald im Kölner Express vom 10. August 2011
Ein anderer echter Experte für die kölsche Sprache und auch das kölsche Gemüt war der im Jahr 2011 verstorbene Komponist Hans Knipp. Er hat so wunderschöne Lieder wie „Mer losse d’r Dom en Kölle“, „Ene Besuch im Zoo“ oder „Unsere Stammbaum“ geschrieben. Und auch „Ming etzte Fründin“. Der Mann kannte sich also mit der Liebe aus.
Hans Knipp erklärt, dass der kölschen Sprache das Pathos fehlt, Bild: Musikverlage Hans Gerig KG
Auch er wurde gefragt: Herr Knipp, wieso gibt es kein kölsches Wort für Liebe? Seine Antwort: „Die kölsche Sprache ist herzlich, aber ihr fehlt das Pathos. Dadurch gibt es aber auch in den Liedern diese gewisse Schnulzigkeit nicht, die man sonst in Schlagern findet.“3Hans Knipp im Kölner Express vom 10. August 2011
Das Wort „Leevde“ ist in Vergessenheit geraten – eine Spurensuche
Der kölsche „Sprach-Papst“ Adam Wrede4Neuer Kölnischer Wortschatz, Greven Verlag Köln 1976 übersetzt „Liebe“ tatsächlich mit „Leev“ oder „Leevde“ und führt auch die kölschen Sprichwörter „Kahl Häng, wärm Leev.“5„Kalte Hände, warme Liebe.“ oder „Hät einer nit Leev noch Juns, dann helfe nit Red noch Kuns.“6„Hat einer keine Liebe und keine Gunst, dann helfen weder Rede noch Kunst.“ auf,.
Wrede weist aber ausdrücklich darauf hin, dass dieser Begriff nur noch selten gebraucht wird und meist durch „jän han“ umschrieben wird.
Rolly Brings bei einem Auftritt in Köln-Ehrenfeld (2007), Bild: Elke Wetzig (Elya), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Kölsche Sprache kennt keine abstrakten Begriffe
Rolly Brings ist ein kölscher Autor und Liedermacher und wurde 2022 mit dem Karl-Küpper-Preis geehrt. Er hat das Lukasevangelium auf Kölsch übersetzt – man kann ihn also als echten Kölsch-Experten bezeichnen. Rolly Brings begründet das Verschwinden des Worts „Leevde“ damit, dass man in der Domstadt lieber Bilder und Beschreibungen wie „Ich han dich zum fresse jän.“ nutzt. Er führt das darauf zurück, dass die kölsche Sprache keine abstrakten Begriffe kennt.
Schlägt man den Begriff „abstrakt“ nach, erfährt man, dass dies den „induktiven Denkprozess des erforderlichen Weglassens von Einzelheiten und des Überführens auf etwas Allgemeineres oder Einfacheres“7Quelle: Wikipedia, https://de.wikipedia.org/wiki/Abstraktion bezeichnet. Aha!
Einfacher formuliert: Mit Abstraktion wird nichts Gegenständliches bezeichnet. Und „Liebe“ ist eindeutig nicht „gegenständlich“. Demnach werden in der kölschen Sprache Begriffe eher „handfest“ und weniger abstrakt verwendet.
Und damit wird klar: „Für alles jitt et e Woot, nur für die Liebe nit.“
Die Bläck Fööss singen ein wunderschönes Lied über Familienfeste:
Wenn sich de Famillich triff kütt nur von allem et Bess op de Desch. Dann wed jesonge, jeschwaad un jelaach. Dat jit en herrlich, herrlich, herrlich – Dat jit en herrlich lange Naach.
Und wenn sich eine kölsche Familich trifft, dann kommen die Bestemo, der Besteva, dä Bap und dä Ühm zusammen. Doch wer ist wer? Wie sind die kölschen Bezeichnungen für die verschiedenen Verwandten?
Fangen wir mit den älteren Herrschaften an:
Bestemo – die Oma
Bestemo kommt von „Beste Moder“. Im Hänneschen gibt es die Figur der Bestemo. Sie ist eine herzensgute alte Frau, die jedoch ihre Liebe regelmäßig durch Gekeife ausdrückt. Der Besteva hat regelmäßig unter ihr zu leiden.
Besteva – der Opa
Der Begriff „Besteva“ für den Opa stammt von „Bester Vader“. Auch diese Figur gibt es im Hänneschen. Der Besteva ist dort ein gutmütiger, ruhiger Opa mit einer Schwäche für das Kartenspiel und Kölsch. Er steht unter der Fuchtel der Bestemo.
Dä Ühm – der Onkel
Ühm (oder auch Ohm) ist abgeleitet von Oheim. Dieser Begriff meint ursprünglich nicht jeden Onkel, sondern nur den Bruder der eigenen Mutter, also den Onkel mütterlicherseits. Diese Verwandtschaftsbeziehung hatte früher eine ganz besondere Bedeutung: Der Bruder übernahm die Vormundschaft über ledige oder verwitwete Frauen.
Die Möhn – die Tante
Der Begriff wird heute oft als „Ahl Möhn“ abschätzig für ältere Frauen verwendet. Im Karneval gibt es, je weiter man in Richtung Eifel oder Niederrhein kommt, jede Menge Frauenkarnevalsvereine, die sich selbst „Möhne“ nennen und auch Veranstaltungen, wie z.B. der Möhneball. Übrigens ist „Möhnebier“ Malzbier, da es als Frauenbier gilt.
Dieser Begriff meint schlichtweg „Kinder“. Früher war dieser Begriff eher negativ belegt, doch diese Bedeutung ist im Laufe der Zeit verschwunden. Mehr dazu gibt es hier: Wo mer jeit un steit nur Pänz, Pänz, Pänz
Dä Broder – der Bruder
Okay – das ist einfach. Schwieriger wird es bei der Schwester.
Die Söster – die Schwester
Im kölschen Karneval gab es sogar die (zwischenzeitlich aufgelöste) Band „Sösterhätz“. Gegründet (na klar) von zwei Schwestern.
Wolfgang Niedecken mit Background-Sängerin Karen Schweitzer-Faust bei einem BAP-Konzert in der Sporthalle (1991) , Bild: Achim Scheidemann
Dä Papp oder Bap – der Vater
Das wohl berühmteste Denkmal für einen Bap hat Wolfgang Niedecken mit seiner Band BAP für seinen Vater gesetzt.
Die Mamm – die Mutter
Das Herz der Familie. Und auch die Ernährerin, nicht zuletzt, wenn Sie Rievkooche macht. In dem passenden Lied der Bläck Fööss lautet es: „Mamm, Mamm, schnapp d’r de Pann, Fuffzehn Stück pack op d’r Mann.“
Willi Ostermann: Wenn du eine Schwiegermutter hast, Loblied auf die Schwiegermutter, 1928, Bild: Willi Ostermann Gesellschaft Köln
Schwiejermo / Schwiejermoder / Schwijersch – die Schwiegermutter
Schwiegermüter genießen – insbesondere bei den Witzen der Büttenrednern im Karneval – einen zweifelhaften Ruf. Dabei wusste bereits Willi Ostermann, warum Schwiegermütter eigentlich unendlich wichtig sind:
Willi Ostermann: Wenn du eine Schwiegermutter hast,
Loblied auf die Schwiegermutter, 1928
Wenn du eine Schwiegermutter hast, dann betrachte sie als süße Last. Denn wo kämen all die Mädchen her, gäb‘ es keine Schwiegermütter, Schwiegermütter, Schwiegermütter, gäb‘ es keine Schwiegermütter Schwiegermütter mehr
Schweijerva / Schwiejervader / Schjwiejervatter – der Schwiegervater
Anders als die Schwiegermutter ist der Schwiegervater nur äußerst selten Opfer von Witzen.
Schwoger / Schwöjer – der Schwager
Im „Kölsche Beiere-Leed“ von Jakob Packenius (1851-1903) lautet es:
Dume, Finger, Elleboge,
nemm mi Schwester,
weeschte minge Schwojer.
Die Schwägerin ist die Schwiejersch oder auch Schwöjersch.
Broderschtochter – Nichte / Broderschson – Neffe
Der Broder ist der Bruder, folglich sind dessen Kinder Nichten und Neffen. Offen bleibt die die Frage nach den Kindern einer Schwester, die auch Neffen und Nichten sind.
Ein Thekenschaaf im „Brauhaus Krüzge“ vor 1907, Bild: Edmund Renard †1932, Public domain, via Wikimedia Commons
Nein – Wolle gibt es im „Thekenschaaf“ nicht. Und auch essen kann man es nicht. Aber man findet es da, wo et jet zo süffele und zo müffele gibt: In einem Kölner Brauhaus.
Manche Menschen nennen das Thekenschaaf auch „Kontörchen“ oder „Beichtstuhl“ – doch hier werden ganz bestimmt keine Sünden vergeben! Das Thekenschaaf ist der Sitz- und Arbeitsplatz des Gastwirts und gehört, genau wie ein frischgezapftes Kölsch, die Fooderkaat und der Köbes zu einem echtem kölschen Brauhaus.
Ein solches Thekenschaaf ist ein kleines Büro, aus dem früher die Geschäfte des Brauhauses geführt wurden. Aber dort wurde nicht nur das Geld gezählt, sondern auch den Köbessen und den Gästen genau auf die Finger geschaut.
Das Thekenschaaf in der Schreckenskammer, Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Wortherkunft: „Verschließbarer Schrank“
Um den Begriff „Thekenschaaf“ zu erklären, lohnt sich wie immer ein Blick in den Wrede. Dort lautet es:
„… Schaaf, ein Behälter, in dem notwendige Dinge wie Lebensmittel, Kleidungsstücke u. dgl. aufbewahrt u. bereit gehalten werden, ist seit dem Mittelalter allmählich zu der Bedeutung verschließbarer Schrank entwickelt…“
Und wenn man sich ein Thekenschaaf genau ansieht, hat es tatsächlich die Anmutung eines Schranks, allerdings mit Fenstern und einem oder zwei Sitzplätzen. Und diese Fenster sind äußerst wichtig, denn der Wirt muss von diesem Arbeitsplatz aus alles im Blick behalten. Deshalb war das Thekenschaaf früher auch genau zwischen der „Schwemme“, dem Stehplatzbereich, und der eigentlichen Gaststube platziert.
Der typische Grundriss einer kölschen Gaststätte ab dem 17. Jahrhundert. Das Thekenschaaf ist genau zwischen Schwemme und Gaststube platziert. Bild: gemeinfrei
Genau zwischen Schwemme und Gaststube platziert
Es ist kein exaktes Datum bekannt, wann das erste Thekenschaaf eingebaut wurde. Allerdings sind solche „Kontörchen“ (vom französischen „comptoir“ = „Zahltisch“) ab dem 17. Jahrhundert bekannt. Denn der typische Grundriss einer der zahlreichen kölschen Hausbrauereien zeigt, dass die „Schwemme“, der reine Schankbereich, und die eigentliche Gaststube getrennt waren.
Diese strikte Trennung war erforderlich, da es bestimmten Personengruppen verboten war, die Gaststube zu betreten. Zu diesen unerwünschten Personen gehörten unter anderem:
der Henker und seine Knechte,
die Abdecker und auch
die Stadtsoldaten.
Diese Personen durften sich nur im Hausflur der Gastwirtschaften aufhalten und mussten dort ihr Bier im Stehen trinken. Zwar wurden mit dem Einmarsch der Franzosen im Jahr 1794 diese Verbote aufgehoben, faktisch setzte sich aber fort, dass je nach „Klasse“ die Gaststube oder die Schwemme aufgesucht wurde.
Das Thekenschaaf im „Kölsche Boor“ wird noch als Arbeitsplatz genutzt, Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Der Gastwirt konnte vom Thekenschaaf aus genau die Köbesse und Gäste beobachten. Außerdem wurden von hier aus die Köbesse kontrolliert: Diese erwarben oder bekamen Biermarken, kleine Metallmarken und mussten für jedes servierte Bier eine dieser Marken abgeben. Dies hatte für den Wirt einen doppelten Effekt: Erstens konnte er die Umsätze seiner Köbesse genau prüfen, ein „Lappöhrche“ war so nicht möglich.
Zweitens wurde durch die aufgeschichteten Marken klar, wieviel Bier aus einem Fass bereits ausgeschenkt wurde und wann ein neues Fass angeschlagen werden musste. Daher fand man am Thekenschaaf oft einen Schlitz für diese Biermarken, ähnlich wie bei einem Fahrtkartenschalter.
Sieht aus wie ein Fahrkartenschalter: Das Thekenschaaf in der Malzmühle, Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Wrede schreibt dazu: „Se passe op alles op un mache Häufjer, schichten die Jröschelcher un Märkelcher openander“1„Sie passen auf alles auf und machen Häufchen, schichten Groschen und Markstücke aufeinander“, Eintrag im Wrede zum Begriff „Theke“.
Das Thekenschaaf im Sünner, Bild Gordito1869, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Doch im Thekenschaaf wurde noch mehr aufbewahrt: Hochwertige Spirituosen wurden von dort an die Köbesse ausgegeben, außerdem auch Zigarren, Essig oder Öl. Gleichzeitig wurde im dem winzigen Kontörchen auch alles Mögliche für den täglichen Bedarf aufbewahrt: Essbesteck, Büromaterial, Schlüssel. Zusätzlich war das Thekenschaaf auch oft im wahrsten Sinne des Wortes die „Schaltzentrale“, denn hier wurden Lichtschalter und Sicherungen eingebaut.
Gesellschaftlicher Mittelpunkt
Da das Thekenschaaf ständig besetzt war, konnte es auch zum gesellschaftlichen Mittelpunkt der Gaststätte werden. Oft befanden sich die Stammtische in unmittelbarer Nähe, so war der direkte Gast-Wirt-Kontakt sichergestellt. Der Verband Deutscher Architekten und Ingenieure-Vereine schreibt 1888:
„Dieser so genannten Theke zunächst hatten gemeinlich die Stammgäste, die mancherlei Vorrechte genossen, ihren bestimmten Tisch (der alte Stammgast war stets eine Art Familienmitglied).“2Köln und seine Bauten, Festschrift zur VIII. Wanderversammlung des Verbandes Deutscher Architekten und Ingenieure-Vereine in Köln vom 12. bis 16. August 1888, Köln, 1888, S. 611–612.
Im Thekenschaaf wurden nicht bezahlte Deckel aufgehoben, Beschwerden über unfreundliche Köbesse entgegengenommen oder auch der außer-Haus-Verkauf, zum Beispiel von Pittermännchen, organisiert und abgerechnet.
Das Thekenschaaf in der Gaststääte „Em Krützche“ ist heute ein Mini-Gastraum für zwei Personen. Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Moderne Kassensysteme machen Thekenschaaf überflüssig
Mittlerweile haben elektronische Registrierkassen die ursprünglichen Abläufe im Thekenschaaf überflüssig gemacht. Übrig bleiben diese kleinen Räume als Mini-Büro oder sie werden sogar, wie „Em Krützche“ als kleiner Gastraum genutzt – für gerade mal zwei Personen.
Na dann: Prost!
Auch im Peters-Brauhaus wird das Thekenschaaf heute für Gäste genutzt. Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Er ist der unumstrittene Herr im Brauhaus: Der Köbes! Als Gast ist man geduldet. Mehr nicht. Der Köbes allein entscheidet, ob und wann man sein Kölsch bekommt, denn in einem kölschem Brauhaus bestellt man kein Kölsch: Der Köbes teilt es einem zu.
Dabei gehört der Köbes, genau wie die blankgescheuerten Holztische, die ausgesprochen hohe Lautstärke der Gäste und die kölsche Fooderkaat, zum Inventar eines Brauhauses.
Der Köbes ist die Person, die außerhalb Kölns als „Kellner“ oder „Ober“ bezeichnet wird. Eine Berufsbezeichnung, die der kölsche Köbes nicht gerne hört und Rufe wie „Hallo, Herr Ober“ schlichtweg ignoriert.
Weste, blauer Pullover, Lederschürze – der Köbes ist gut zu erkennen
Der Köbes ist gut erkennen: Die typische Kleidung ist eine Weste, blauer (Woll-)Pullover, Lederschürze und der Geldbeutel aus Leder. In der Hand trägt er den Kölschkranz aus Metall und im Gesicht eine leicht spöttische Miene, die dem Gast direkt signalisiert: Pass op Jung, ich bin hier der Chef!
Ein Köbes im Brauhaus Früh genießt sein Feierabendbier, Bild: Willy Horsch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der ideale Köbes hat übrigens unendlich viele Rolle zu erfüllen: Er ist Geheimnisträger („Verzäll bloss nit minger Frau, dat ich he wor!“), kennt jeden Klaaf uss däm Veedel („Häste jehüürt: Dat Marie kritt alt widder e Kind“) und gibt gerne ungefragt medizinische und sonstige Ratschläge („Dat siebzehnte Kölsch ist jut für die Nieren“).
Gelegentlich überziehen einzelne Köbesse schon mal etwas mit ihrer deftigen und manchmal unverschämt wirkenden Ausdrucksweise. Dann wird es auch dem Urkölschen zu viel. Aber das ist die Ausnahme. Eher spielen die kölschen Köbesse ihre Rolle als Muuzepuckel, so wie mir Toni aus Buchheim berichtete:
Meine Frau und ich sitzen im Peters Brauhaus. Uns schräg gegenüber eine achtköpfige Gruppe von Touristen. Sie sprechen Spanisch.
Irgendwann kommt der Köbes. Er gibt sein Bestes: schaut mürrisch, rotzt seine Worte unverständlich in den Raum und stellt ungefragt Kölsch vor die Gäste. Die gucken fragend, bemühen ihr bestes Englisch und bekommen zum Dank die Speisenkarte auf den Tisch geknallt. Mehrfach geben sie später das Zeichen, bestellen zu wollen. Als sich der Köbes endlich bequemt, verströmt seine ganze Körperhaltung überschäumenden Abscheu. Meine Frau und ich gucken uns an. Sie sagt: „Das geht ja gar nicht. Was sollen die Touristen denn denken?“ Ich will gerade aufstehen und dem Köbes etwas zu seinem unmöglichen Verhalten sagen. Da wechselt dieser übergangslos ins Spanische, erklärt – so vermute ich – was es mit dem Köbes auf sich hat und erntet erleichtertes Lachen der Gäste und ihren donnernden Applaus. Danach ist unsere Stimmung im beschwingten ‚Su jett jitt et nur in Kölle-Modus‘. Das ist so einer der Momente, wo ich einfach nur dankbar bin, im bunten Kölle zu leben.
Herkunft des Begriffs „Köbes“ ist unklar
Die gängige Legende besagt, dass der Name des Köbes von Jakobspilgern stammt. Diese hätten während ihrer oft monatelangen Pilgerreise zwischendurch in den Brauhäusern gearbeitet, um etwas Geld für die Reise zu verdienen. Der Kölner nennt den Jakob „Köbes“, und da die Pilger auf dem Weg zum Heiligen Jakob waren, hatten sie schnell den Spitznamen „Köbes“ bekommen. Allerdings gibt es für diese, zugegeben nette, Legende keine Belege.
Tatsächlich waren die Brauersburschen, die „Brauers-Pooschte“, als Köbes tätig. Diese schufteten tagsüber als Lehrjungen in der Brauerei und verdienten sich abends noch ein paar Mark als Köbes dazu. Wie es von diesen Brauers-Pooschte zum Begriff „Köbes“ kam ist unklar. Vielleicht war einer der Jungs namens Jakob besonders schlagfertig, und so wurde sein Vorname zum gesamten Gattungsbegriff. Aber auch das ist reine Spekulation.
Durstige Gäste warten im „Früh im Veedel“ auf den Köbes, Bild: Gordito1869, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Eins ist sicher: Der Köbes ist älter das Kölsch!
Klar ist aber, dass es den Köbes schon lange vor dem Kölsch gab. In einem Schreinsbuch1Schreinsbücher waren im mittelalterlichen Köln die Vorläufer der heutigen Grundbücher. aus dem 12. Jahrhundert wird ausdrücklich der Bierschenk Burkard erwähnt. Er betrieb eine Gastwirtschaft direkt neben der Kirche St. Maximin. In den historischen Unterlagen wird ausdrücklich „Burkardus dator cervisie“ erwähnt. Dies kann man mit „Burkard, der Bierschenker“ übersetzen. Somit ist Burkard der erste namentlich bekannte Köbes.
Doch wer heute auf Spurensuche geht, wird weder Burkard noch die Kirche finden – auf diesem Gelände steht mittlerweile der Hauptbahnhof.
Heute arbeiten Menschen aus der ganzen Welt als Köbes
Auch wenn es immer wieder lautet „Nä – su ne echte Köbes jitt et hück nit mieh.“ ist das nicht richtig. Es gibt noch die schlagfertigen Typen, die zwar deftig, am Ende auch aber irgendwie charmant, Kölsch servieren. Wer das bezweifelt, sollte unbedingt mal sein Kölsch im Päffgen in der Salzgasse oder in der Schreckenskammer trinken.
Tatsächlich kommen aber heute auch viele der Servicekräfte in den Brauhäusern nicht aus Köln und verstehen nicht immer die typische Sprache der Kölner. Sie sind aber immer bemüht, in die großen Fußstapfen der alten, urkölschen Köbesse zu treten. Und auch hier gilt:
Su simmer all he hinjekumme, mir sprechen hück all dieselve Sproch. Mir han dodurch su vill jewonne. Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.2Bläck Fööss: Unser Stammbaum
Deswegen bleibt es auch bei dem ungeschriebenen Gebot, dem Köbes auch zwischendurch mal ein Kölsch auszugeben. In den meisten Brauhäusern ist es den Köbessen zwar ausdrücklich verboten, während der Arbeit zu trinken, aber wenn keiner in dem Moment hinschaut …
Und wie ist es mit den weiblichen Köbessen?
Ursprünglich waren die Köbesse ausschließlich Männer, weil in der Regel die Brauersburschen das Bier ausschenkten. Allerdings arbeiteten in vielen Gaststätten auch im 19.Jahrhundert schon Kellnerinnen. Ein Umstand, der einige Zeitgenossen doch sehr erregte. Ein gewisser Friedrich Pollads regte sich darüber so sehr auf, dass er 1891 das Bändchen „Das Unwesen der Kellnerinnenwirtschaften in Köln.“ veröffentlichte.
Der Moralapostel Pollads verurteilte die weiblichen Bedienungen als „Animierdamen„, die ihre Gäste finanziell und moralisch in den Untergang führen würden. Dass – falls an dieser sinnlosen Behauptung etwas dran sein sollte – die Männer und auch der reichlich ausgeschenkte Alkohol eine Rolle spielen würde, ließ der Autor mal eben unter den (Bier-)Tisch fallen.
Heute arbeiten Frauen und Männer in diesem Beruf. Und jedem, der immer noch meint, dass die Frauen der Rolle als Köbes nicht gewachsen seien, möge mal einen Abend im „Vogel“ auf dem Eigelstein verbringen. Die dortigen weiblichen Köbesse zeigen jedem Gast seine Grenzen in Punkto Schlagfertigkeit und Trinkfestigkeit auf.
Bargeldloses Prinzip: Der Köbes macht für jedes Kölsch einen Strich, Bild: Uli Kievernagel
Zum Umgang mit dem Köbes
Ein dringender Hinweis: Bitte niemals versuchen, schlagfertiger als der Köbes zu sein. Das wird erstens nicht gelingen und zweitens könnte der Köbes es anschließend vergessen, weiterhin Kölsch zu servieren. Deshalb gibt es ein paar Regeln, die man bei einem Besuch im Brauhaus beachten sollte:
Noch bevor der Köbes mit dem ersten Kölsch kommt, legt man einen Bierdeckel vor sich auf dem Tisch.
Man ruft den Köbes nicht heran. Er wird schon kommen, sobald alle am Tisch sitzen.
Niemand sollte in einem kölschen Brauhaus Mischgetränke (z.B. Radler oder Kölsch-Cola) bestellen.
Der Köbes wird so lange ungefragt Kölsch bringen, bis man abwinkt oder einen Bierdeckel aufs Glas legt.
Es gilt – während des Trinkens – das bargeldlose Prinzip: Der Köbes macht Striche für jedes Kölsch auf den Bierdeckel.
Am Ende kommt dann doch Bargeld ins Spiel. Jeder zahlt seinen Deckel oder man teilt den gemeinsamen Deckel. In jedem Fall aber gibt man dem Köbes reichlich Trinkgeld!
Ja dann: Prost!
PS Besonders spannend: 1933 gab es ein „Köbes-Rennen“. Mehr dazu demnähx im Köln-Ding der Woche.
Köbes Underground
Weil der Köbes kölsches Kulturgut ist, nennt sich die Hausband der Stunksitzung Köbes Underground. Dabei ist der Name eine doppelte Hommage: Zum einen an den Köbes im Brauhaus, zum anderen erinnert „Underground“ an die Sängerin von Velvet Underground, die 1988 verstorbene Kölnerin Nico Päffgen.
KöbesColonius
Guido Hofmann war tatsächlich mal als Köbes in Köln tätig. Heute führt er als Stadtführer KöbesColonius Menschen aus aller Welt humorvoll und äußerst versiert durch Köln.
Es gibt unzählige Lieder über den Köbes. Das Lied „Der Köbes – Kölsch Zappjungeleed“ beschreibt sehr genau das Verhalten eines typischen Köbes und seinen Umgang mit den Gästen.
Der Köbes (Kölsch Zappjungeleed) (aus: Carnevals – Lieder III. Bändchen, Herausgeber: Johannes Böttger – Selbstverlag)
Dä Köbes eß wie jeder weiß,
Als Zappjung wohlbekannt,
Un wann hä och nit Köbes heiß,
Wed hä doch su genannt.
Un eß de Weetschaff stief voll Lück
Dat mäht bei im nix uhs,
Hä denk bei sich „die Lück han Zick“
Un mäht sich gar nix druhs
Alles klopp dann wie verröck,
Rubbeldibbeldum, rubbeldibbeldum,
Met dem Glas an einem Stöck,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum.
Wann dann der Köbes kütt,
Schreit durchenein die Schwitt:
Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran,
Köbes, schnell ’nen halven Hahn!
Köbes, komm du boore Poosch,
Meinste, ich hät keinen Doosch?
Wann de nit bahl bei mich küß,
Do vun mir kein Drinkgeld kriß!
Wells de nit, dann loß et stonn,
Tränendeer, ich gonn!
Der Köbes kütt vum boore Land
Un kritt kum up de Muul,
Doch hät hä stets en offe Hand,
Eß lans ein Sick jet fuul.
Hä kritt e Kamesol gestrick
Vun Wölle bletzebloo,
Dann weed noh Köllen hä gescheck,
Der Köbes dä eß doh.
An de Spölbütt kütt he dann
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum.
Zapp och ald ens dann un wann,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum.
Wann en de Stuvv hä kütt
Dann schreit de ganze Schwitt:
Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …
Doch wann verledde kaum e Johr
Määt im et Zappe nix,
Der Köbes es dann, dat eß klor,
‚Ne Zappjung nett un fix.
Hä kennt sing Gäß, die hä bedeent,
Un schriev got op der Lei,
Wann einer sich jet ärg dren kneent,
Schriev hä e Glas derbei,
Och, dann weed sich expleziert,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
Wat dä Köbes nit schineet
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum
Doch bei dem Explezeer
Schreit alles glich noh Beer:
Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …
Et Trinke och der Köbes kann,
Dat hätt hä flöck geleet,
Beim Esse stellt hä singe Mann,
Dat weiß wahl jede Weet.
Och rechne kann hä flöck un got,
Hä määt nit vill Buhei,
Grief nor ne Gaß noh Stock un Hot,
Steiht Köbes glich derbei.
Beim Bezahle wie verröck,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
Söhk hä noh’m Fünfpenningstöck,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum
Wann hä et glich nit fingk,
Sitz alles do un gringk:
Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …
Doch ihrlich eß hä, brav un treu,
Un Spare määt im Spaß,
Et Drinkgeld dräht hä nevvenbei
Sich höhsch dann op de Kaß.
Un wann hä dann bei Johren eß,
Kauf hä en Weetschaff sich,
Un all die Stammgäß ganz geweß
Gonn bei de Köbbes glich,
Och, dann sitz hä unschineet,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
En der Thek als kölsche Weet,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum
Wann hä ens Rentner eß,
Schreit met hä ganz geweß:
Der kölsche Smalltalk nennt sich „Klaaf“, Bild: Gerd Altmann auf Pixabay
Wieder mal ein kölsches Wort, welches gleich mehre Bedeutungen hat. Während das „Klaafmul“ oder die „Klaafschnüss“ echte Schimpfwörter sind und sich am besten mit „Schwätzer“ übersetzen lassen, ist der „Klaaf“ als kleine, oft eher belanglose Unterhaltung positiv besetzt.
So wird aus der Begrüßung „Un, wie is et?“ schnell ein Klaaf, also eine nette Plauderei, mit Klatsch und Tratsch über die Nachbarschaft und das Leben im allgemeinem. In dieser Disziplin des Smalltalks sind die Kölschen tatsächlich Weltmeister: Viel reden ohne viel zu auszusagen. Man könnte den Klaaf auch als „beiläufige Konversation ohne Tiefgang“ bezeichnen.
Klaafe: Ein Schwätzchen halten
Wie immer lohnt sich ein Blick in den „Wrede“. Dort wird das Verb „klaafe“ wie folgt definiert:
„Grundbedeutung: den Mund offen halten;
1. allgemein: plaudern, sprechen, mit einem ein Schwätzchen halten“ 2. verräterisch ausschwätzen, verraten, verleumderisch antragen.“
Adam Wrede verwendet den Begriff „klaafe“ also auch im Sinne von denunzieren oder umgangssprachlich „petzen“.
Diese Bedeutung hat „klaafe“ heute allerdings eher verloren, wie meine beliebte Thekenumfrage zeigt. Klar wird beim Klaaf auch mal über jemand hergezogen („Häste alt jehürt – däm Schmitz sing Frau is durchjebrannt.“), aber nie im Sinne von verpetzen, eher im Sinne von tratschen. Folglich definiert Wrede das Substantiv „Klaaf“ als „allgemeines Geschwätz“. Und das zeigt, dass der Klaaf eher harmlos ist.
Eng verwandt mit „kalle“ und „schwade“
Wenn der Kölsche von „kalle“ spricht, ist das zwar ähnlich wie „klaafe“, aber eher allgemeiner. „Kalle“ kann als gemütlich miteinander reden, plaudern. Und dann sind wir auch direkt beim „schwade“, was allerdings eher als „unaufhörlich reden“ negativ besetzt ist.
Der Sessionsorden 2003 der Kölsche Funkentöter: Klaaf und Tratsch auf Kölsche Art“
Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art
Im Jahr 2003 hat es der Klaaf zu echten Ruhm gebracht: Das Motto der damaligen Karnevalsession lautete „Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art“. Und selbstverständlich hatte die Motto-Queen Marie-Luise Nikuta auch sofort das passende Mottolied parat:
Klaaf un Tratsch op kölsche Aat dat es hee zo Hus mer schwaade Kölsch, mer drinke Kölsch, at häld uns en Schuss.
Interessanter als der Refrain sind allerdings die Strophen des Lieds. Dort lautet es unter anderem:
Däm Schmitz sing Frau es durchgebrannt met singem beste Fründ..
Gewonne hät em Lotto dat kniestige Bolze Käth …
Dä Tünn vun gägenüvver hät geerv e riesen Huus …
Et Nies us Neppes hät de drette Schlankheitskur gemaht doch we‘ mer et esu aansüht, et hät fass nix gebraht.
Bei der Motto-Queen wird der Klaaf also zum echten Tratsch – passend zum Motto „Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art“
Der Mottoschal der Session 2003
Es gibt tatsächlich eine „Smalltalk-Seminar“
Die Kunst des „Klaaf“ als belangloser Smalltalk ist dem Kölner irgendwie in die Wiege gelegt. Daher braucht der Kölsche an sich auch nicht solche Tipps wie „Smalltalk lernen: 9 Tipps & 5 Fallstricke“ oder ein „Smalltalk Online Training für deine leichte Konversation“ – der Kölsche hat diese Art der Plauderei schlichtweg intuitiv drauf.
Und manchmal auch etwas zu viel davon.
Aber dann wird aus dem klaafe schnell schwaade.
Echten, unverfälschten kölschen Klaaf gibt es beim Podcast „PODKLAAF“. Karolin Küpper-Popp und Hermann Hertling erklären, wie Kölsch gebraut wird, wer den Dom gebaut hat und beantworten auch die Frage, wo die Heinzelmännchen hin sind. Hee weed bloß kölsch jeschwaadt!
KLAAF – Das kölsche Magazin
Unter dem Titel KLAAF gibt die Akademie för uns kölsche Sproch ein Magazin heraus. KLAAF erscheint zwei Mal im Jahr, und liegt dem von der Stadt Köln herausgegebenem Magazin „KölnerLeben“ bei, das kostenfrei in allen städtischen Einrichtungen ausliegt.
Dieser Witz spiegelt das Selbstverständnis des Kölners wider: Unter der „göttlichen Sprache“ machen wir es schon gar nicht. Dabei ist die kölsche Sprache streng genommen kein Dialekt. Der Unterschied zu anderen Mundarten liegt darin, dass sich die deutschen Dialekte immer an hochdeutsche Texte anlehnten. Das bedeutet, dass vorhandene Texte in Mundart übersetzt wurden. Die kölsche Sprache hatte aber immer ihre eigenen Texte, die bestenfalls zurück ins Hochdeutsche übersetzt wurden und immer noch werden. Somit ist Kölsch eher eine eigenständige Sprache und kein Dialekt.
Der „Rheinische Fächer“ – Grenzen zwischen Sprache, Bier und Karneval tun sich auf
Köln, als ursprünglich römische Stadt, kam etwa Mitte des 5. Jahrhunderts unter fränkische Herrschaft. So wurde das offizielle Latein durch das germanische Fränkische verdrängt, allerdings mit regionalen Unterschieden. So entstand im Rheinland der „Rheinische Fächer“ mit den lokal verschiedenen Ausprägungen des Fränkischen.
Der Rheinische Fächer – Verteilung der Fränkischen Mundarten, Bild: Juschki – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Die am Rhein wohnenden Franken wurden Ripuaren1ripa = Flussufer genannt. In Köln wurde daher Ripuarisch, eine Variante des Fränkischen, gesprochen. Linguistisch gesehen ist Kölsch eine Variante des Ripuarischen.
Eine besondere Beachtung verdient die „Benrather Linie“ (im Bild oben mit „B“ bezeichnet) die auch als „maken-machen“-Linie bezeichnet wird. Genau an dieser Linie scheiden sich nicht nur sprachlich die Geister. Denn Köln liegt südlich, Düsseldorf nördlich von Benrath. Während man in unserer schönen Domstadt bei vielen Wörtern den „ch“-Laut wie in „Kachel“ spricht, wird daraus in dem Dorf weiter nördlich ein „k“-Laut: Das kölsche „Daach“ wird weiter nördlich zum „Daak“ oder der kölsche „Koche“ zum „Kock“.
Ziemlich genau an der Benrather Linie verläuft übrigens auch die Kölsch– und Altbier-Grenze. Und während der Kölsche mit dem korrekten Alaaf Karneval feiert, ruft der Düsseldorfer Helau. Hier wird die Benrather Linie zum Alaaf-Helau-Äquator.
Kölsch wurde über Jahrhunderte nur mündlich überliefert
Ripuarisch wurde über Jahrhunderte nur mündlich überliefert. Adam Wrede, der „Kölsche Sprachpapst“2Verfasser des Standardwerks „Neuer Kölnischer Sprachschatz“ geht davon aus, dass es noch bis zum 12./13. Jahrhundert gedauert hat, bis sich so etwas wie eine schriftliche Stadtsprache entwickelt hat.
Eindrucksvollster Beleg für diese Stadtsprache ist die Reimchronik des Gottfried von Hagen im Jahr 1270 – auch wenn das verwendete Ripuarisch für unsere Ohren heute kaum kölsch klingt. Wenn Gottfried von Hagen zum Beispiel „Häufig gibt es Regen nach Sonnenschein.“ ausdrücken will, schreibt er „ducke komet regen na sunne schine“. Da klingt immerhin so etwas wie „Sunnesching“ durch. Das wiederum versteht der Kölsche.
Nachdruck „Kölnische Reimchronik“ (erschienen 1270) von Gottfried von Hagen
Ab etwa dem frühen 17. Jahrhundert wurde in Köln die niederfränkische Schriftsprache aufgegeben und zunehmend die sich entwickelnde neuhochdeutsche Schriftsprache verwendet. Einhergehend damit ist auch eine Trennung von gesprochener und geschriebener Sprache zu beobachten – die Kölner Mundart nach unserem heutigen Verständnis entsteht.
Umbruch in der Mitte des 19. Jahrhunderts
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Kölsch die Umgangssprache in der Domstadt. In dem Buch „Ausflug nach Köln“ äußerte Johanna Schopenhauer „Verstehen und sprechen muss diese Volkssprache jeder Einwohner von Köln.“
Nicht nur auf der Straße im Alltag wurde Kölsch gesprochen. Auch der „Kölsche Adel“, also alteingessene kölsche Familien, pflegten ihre kölsche Sprache. So soll der reiche Bankier Abraham Schaafhausen, Vater der Rheingräfin Sibylle Mertens-Schaafhausen und immerhin Präsident der Handelskammer, auschließlich kölsch gesprochen haben. Auch bei Verhandlungen am Gericht wurde kölsch gesprochen, genau wie bei Sitzungen des Stadtrats.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat dann plötzlich eine Wende ein. Mit dem Fortschreiten der industriellen Revolution kamen sehr viele Arbeiter nach Köln. Und diese sprachen Kölsch. Dadurch wurde die kölsche Sprache zur Sprache der Arbeiter. Das Bürgertum wiederum wollte sich von den Arbeitern auch mit der Sprache abgrenzen und sprach Hochdeutsch.
Wer echtes Kölsch lernen will, kann sein Kölsch-Diplom an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ machen. Hier können Kölner und Nichtkölner einen Einblick in die kölsche Sprache und Kultur erhalten.
Etwas weniger aufwendig ist mein Tipp: Geht mal in eine kölsche Weetschaff op d´r Eck und stellt euch an die Theke. Spätestens nach dem fünften Kölsch klappt das auch mit der Sprache. Und falls ihr doch nichts verstehen solltet, habt ihr zumindest Spaß gehabt.
Heute werfen wir einen Blick darauf, wie sich Kölsch von der Gossensprache zum Kult entwickelt hat und welche Verdienste insbesondere die Bläck Fööss dabei hatten.
Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts erfasste Köln ein großer wirtschaftlicher Aufschwung. Neue Erfindungen wie zum Beispiel die Gasmotoren von Nicolaus Otto und die Entwicklung Kölns zum Eisenbahnknoten im Westen führten zu einem großen Bevölkerungswachstum.
Lag die Einwohnerzahl zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch bei etwa 40.000 Bürgern, wuchs Köln bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf etwa 375.000 Menschen. Mit dem Zuzug von Menschen aus allen Teilen des Deutschen Reichs bis hin nach Polen ergab sich die Notwendigkeit, eine gemeinsame Sprache zu sprechen. Zudem waren in der Garnisonsstadt Köln unter preußischer Verwaltung etwa 8.000 Soldaten inklusive Familien stationiert. Und die – nach dem Empfinden der Kölner steifen – Preußen sprachen Hochdeutsch. Die Folge: Kölsch verschwand aus dem Alltag.
Auch nach dem 1. Weltkrieg bis in die 1930er Jahre wuchs Köln weiterhin rasant: Die Anzahl der Kölner Bürger stieg bis 1939 auf fast 750.000 Bürger. Mundartsänger wie Willi Ostermann beklagten dann auch „dä fremde Krom“ in der Stadt und das Aussterben der Muttersprache. In dem Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ lautet es:
Dä fremde Krom, et es doch ze beduure, als ahle Kölsche schöddelt mer d’r Kopp
Der zweite Weltkrieg war eine Zäsur. Die fast totale Zerstörung der Stadt führte zu einer Renaissance der Kölschen Sprache. Sprache ist Heimat und Kölsch zu sprechen war identitätsstiftend und gab ein Gefühl von Zusammengehörigkeit in der schweren Nachkriegszeit.
Von der Gossensprache zur Kult
Ab den 1970er war es damit aber vorbei: Kölsch war die Sprache des Proletariats und des kriminellen Milieus. Kölsche Unterweltgrößen wie Schäfers Nas oder Dummse Tünn sprachen Kölsch – in den Familien hingegen wurde Kölsch verpönt. Kein Wunder, dass Peter Brings (Jahrgang 1964) in dem Hit „Kölsche Jung“ singt:
Deutsch Unterricht, dat wor nix för mich denn ming Sprooch die jof et do nit. „Sprech ödentlich“ hät de Mam jesaht di Zeuchniss dat weed keene Hit. … Op d´r Stross han ich ming Sproch jeliehrt.
Renaissance durch die Bläck Fööss
Die Renaissance der kölschen Sprache kam erst mit den Bläck Fööss und ihrem wunderbaren Umgang mit unserer Sprache. Die Musiker machten Kölsch auch außerhalb der Karnevalssäle wieder salonfähig. Die kölsche Band BAP sorgte ab Anfang der 80er Jahre dafür, dass Kölsch als Sprache in der Popkultur bundesweit bekannt wurde. Und mit den neuen Bands wie Kasalla, Cat Ballou, Miljö & Co. wurde Kölsch auch in jüngeren Zielgruppen wieder verstanden und teilweise auch gesprochen.
Kölsch ist in der Domstadt auch im Alltag oft zu sehen, hier die Inschrift an der Kreuzblume am Dom, Bild: Uli Kievernagel
Eine Sprache lebt
Heute wird Kölsch in Köln und Umgebung von – hier sind sich die Sprachforscher sehr uneinig – 250.000 bis 750.000 Menschen gesprochen. Das Problem ist, dass die Unterschiede zwischen „echtem Kölsch“ und dem „Rheinischen Regiolekt“1Ein Regiolekt ist eine Umgangssprache, welche zwischen Basisdialekt und Standardsprache liegt. Das ist dann in unserer Region eher „Rheinisch“ mit dem typisch kölschen Tonfall, was von Außenstehenden für „Kölsch“ gehalten wird. fließend sind.
Sprachpuristen regen sich dabei über die Veränderung der kölschen Sprache auf und versuchen, diesen Prozess anzuhalten. Dabei wird vergessen, dass eine Sprache nur überleben kann, wenn sie auch tatsächlich gesprochen wird. Und somit unterliegt diese ständigen Veränderungen. Eine Sprache ist kein Museum, eine Sprache ist gelebter Alltag.
Daher: Loss se doch schwaade.
Eine Übersicht wunderschöner kölscher Ausdrücke findet ihr hier in meiner Rubrik „Kölsche Wörter“.
Der Kölner Karneval ist bunt und vielfältig. Und sehr speziell. Diese Übersicht der wichtigsten Karnevalsbegriffe soll Einheimischen und Imis helfen, sich im Fastelovend zurechtzufinden.
Alle Teile der Serie „Kölsche Karnevalsbegriffe von A-Z“:
Nur an Karneval wird die Lanxess-Arena zur „Kölnarena“
Lachende Kölnarena
Eine echte Besonderheit im Sitzungskarneval: Hier dürfen Speisen und Getränke selbst mitgebracht werden. Und so schleppen die Jecken hunderte Fässchen, Unmengen Käsewürfel und kiloweise Frikadellen nach Deutz. Deshalb nennt man diese Sitzung auch „Kölns größte Frikadellenbörse“.
Mit rund 10.000 Besuchern bei jeder der bis zu 15 Veranstaltungen pro Session ist die Lachende Kölnarena das Schwergewicht unter den Sitzungen. Und hier treten wirklich ALLE wichtigen Akteure auf. Besonders schön ist der Mini-Rosenmontagszug zu Beginn jeder Sitzung. Hier ziehen Gruppen und Korps aus dem Fastelovend einmal durch das Rund der Arena – mit dem Dreigestirn als Höhepunkt.
Das Karnevalskostüm schlechthin, natürlich immer selbst geschneidert. Kleines Problem: Die vielen Stofflagen sind perfekt für den Straßenkarneval an kalten Tagen. Sobald man damit aber eine Kneipe betritt, in der das Wasser schon an den Wänden herunterläuft, erleidet man in diesem Kostüm trotz intensiver Kölsch-Zufuhr in wenigen Minuten den Hitzetod.
Übrigens: Der echte Lappeclown weiß, dass das Richter-Fenster im Dom eine Hommage an ihn ist.
Ohne Literat gibt es keien Sitzung, er ist der „Programmacher“ wie zum Beispiel Bodo Schmitt, Literat der Pfarrsitzungen in St. Pius, Köln-Zollstock, Bild: Uli Kievernagel
Literat
Die heimliche Macht im Sitzungskarneval. Er wirkt unscheinbar im Hintergrund, zieht aber alle Fäden im organisierten Karneval: der Literat. Er stellt das Programm der Sitzungen zusammen und bucht die Redner, Bands und Tanzgruppen. Die Literaten treffen sich am Literatenstammtisch – von den Kölnern auch „Mafia des Kölner Karnevals“ genannt.
So klingt Karneval! Entstanden in der Session 1999/2000 aus einer Bierlaune heraus. Georg Hinz wollte seine Freunde fit für den Karneval machen, verteilte Liedzettel, spielte ihnen die neuesten Sessionshits vor und ließ dann abstimmen. Das war die Geburtsstunde von Loss mer singe!
Heute gehört das gemeinsame Singen in über 50 Kneipen und Sälen zum Pflichtprogramm für tausende Karnevalisten. An dem genialen Konzept „Mitsingen, Mitfeiern, Mitstimmen, Mitmachen“ hat sich nichts geändert. Und das ist auch gut so.
Kölns unumstittene Motto-Queen: Marie Luise Nikuta, Bild: Raimond Spekking
Motto
Jedes Jahr gibt das Festkomitee ein neues Karnevalsmotto für die kommende Session aus. Dabei gab es auch schon das ein oder andere verunglückte Motto wie „Rosen, Tulpen und Narzissen, das Leben könnte so schön sein“ (1970), „Nix bliev wie et es – aber wir werden das Kind schon schaukeln“ (1997) oder „E Fastelovendsfoßballspill“ (2006).
Unvergessen ist auch eines der Rituale des kölschen Fasteleers: Wenn das Festkomitee am Veilchendienstag das Sessionsmotto für die kommende Session bekannt gab, dauerte es kaum eine Stunde, bis die gut gelaunte Motto-Queen Marie-Luise Nikuta bereits per Telefon im Radio das entsprechende Sessionslied trällerte. So schnell wie die „Motto-Queen“ war sonst niemand.
Muuzemändelcher mit ordentlich Zucker, Bild: siepmanH / pixelio.de
Muuzemandeln
Muuzemandeln, auch Nonnenfürzchen genannt, gehören neben den Mettbrötchen zu den Grundnahrungsmitteln der Fastnacht. Man nehme Mehl, Zucker, Eier, Butter und gemahlene Mandeln. Alles zusammen vermischt und in kleinen Portionen frittiert, ergibt eine leckere Grundlage für einen tollen Karnevalstag. Ein klassisches Rezept gibt es auf der Website des WDR.
Stolz tragen die Jecken ihre ganz besonderen Narrenkappen, Bild: Uli Kievernagel
Narrenkappe
Eigentlich „nur“ die Kopfbedeckung des Jecken. Eigentlich. Tatsächlich ist die Narrenkappe so viel mehr, insbesondere ein Statussymbol und Erkennungsmerkmal.
Es war ausgerechnet ein Preuße, der Generalmajor Baron Czettritz, der am 14. Januar 1827 dem Festordnenden Comité1heute: Festkomitee vorschlug: „daß wir … als Unterscheidungszeichen der Eingeweihten ein kleines buntfarbenes Käppchen während unserer Versammlungen aufsetzen, um diejenigen, die hier unberufen eindringen, erkennen und nach Verdienst abweisen zu können.“
Die Karnevalisten nahmen seinen Vorschlag begeistert auf. Heute hat jede Karnevalsgesellschaft ihre Kappen in jeweils eigener, spezieller Farbkombination. Bei sogenannten „Mützenapellen“ wird peinlich genau darauf geachtet, dass diese auch getragen wird. Bei der Prinzenproklamation ist die korrekt sitzende Narrenkappe tatsächlich das wichtigste Bekleidungsstück.
Kleiner Wermutstropfen für die Kölschen Karnevalisten: Die älteste noch erhaltene Narrenkappe stammt aus dem Jahr 1840 und wurde nicht in Köln sondern in Speyer gefunden.
Übrigens: Die „kleine Schwester“ der Narrenkappe ist das Krätzje.
Ein typischer Nubbel am Eingang einer kölschen Kneipe, Bild: Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)
Nubbel
Wer ist das schuld? Dä Nubbel! Eine sensationelle Erfindung: Eine Strohpuppe wird von außen an der Kneipe angebracht. Und an Karnevalsdienstag verbrannt. Mit der Strohpuppe gehen alle Sünden in Rauch auf und mann kann neu anfangen. Zugegeben: Das ist ganz praktisch! Wir feiern heftig Karneval, schlagen über die Stränge und schuld ist immer nur dä Nubbel.
Die ersten Nubbel wurden im Rheinland ab etwa Anfang des 19. Jahrhunderts verbrannt. Allerdings ist der Begriff „Nubbel“ recht neu und stammt aus den 1950er Jahren. Bis dahin war der Begriff „Zachaies“ geläufig. Gleiches Prinzip, nur anderer Begriff: Eine Figur muss für die Verfehlungen einstehen. Dabei steht der Nubbel jedes Jahr wieder neu auf, er entsteht also aus seiner eigenen Asche.
Einige Veedel haben Abwandlungen des Nubbels erfunden: Auf der Merowinger Straße in der Kölner Südstadt steht der Nubbel nicht für begangenen Sünden, sondern für das letzten Rest Rebellion in uns allen: Rebellion gegen Intoleranz, Rassismus und Hass. Folgerichtig wird die Asche des verbrannten Nubbels in kleine, durchlöcherte Säcke gefüllt und an mit Helium gefüllte Luftballons gebunden. Beim Aufstieg in den Himmel soll dann die Asche des Nubbels auf uns niederrieseln und den Geist der Rebellion anfachen. Deshalb hofft man auch auf Südwind. So kann sich die Asche vor allem über die Nobelviertel Marienburg und Hahnwald verteilen.
Einen ganz anderen Weg geht der Bürgerverein RADERBERG und -THAL im Kölner Süden: Bereits weit vor Karneval verteilt der Verein im ganzen Viertel „Sündenkarten“. Darauf können die Jecken ihre individuellen Sünden eintragen und an die Pinnwand „Beichtstuhl“ in der Veedelskneipe hängen. Am Karnevalsdienstag treffen sich dann in bester Ökumene der evangelische und katholische Pfarrer mit den Jecken. Gemeinsam zitieren, bewerten und vergeben (soweit möglich) die beiden Geistlichen die „schönsten“ Sünden bevor diese verbrannt werden. Gleiches Prinzip wie beim Nubbel: Auch hier ist der Sünder somit befreit von der Sündenlast und kann unbeschwert weiterfeiern.
Die Bedeutung von Statussymbolen im Karneval kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die maßgeschneiderten Uniformen der Traditionskorps wie z.B. der Roten Funken oder auch die prunkvollen Mützen der Präsidenten zeigen, wie eitel viele Karnevalisten sind.
Zu den wichtigsten Statussymbolen aber zählen die Karnevalsorden. Ein nackter, ohne Orden geschmückter, Hals ist im organisierten Karneval fast schon als peinlich zu bezeichnen.
Alle Teile der Serie „Kölsche Karnevalsbegriffe von A-Z“:
Der Kölner Karneval ist bunt und vielfältig. Und sehr speziell. Diese Übersicht der wichtigsten Karnevalsbegriffe soll Einheimischen und Imis helfen, sich im Fastelovend zurechtzufinden.
Alle Teile der Serie „Kölsche Karnevalsbegriffe von A-Z“:
Schaurig, schön, anarchisch: Der Kölner Geisterzug, Bild: Kölner Ähzebär un Ko e.V.
Geisterzug
Die genauen Anfänge des Karnevals lassen sich nicht exakt bestimmen. Eine Herleitung des Karnevals basiert darauf, dass im Frühjahr die Geister, welche im Haus überwinterten, aus dem Haus vertrieben wurden. Anschließend sollten sie dafür sorgen, dass pünktlich zur Aussaat die Erde wieder fruchtbar wird. Daher wurde in der Nacht ein „Geisterzug“ zur Austreibung der Geister veranstaltet. Somit haben die Geisterzüge nicht nur in Köln eine lange Tradition.
Aufgrund des großen Erfolgs des spontanen 1991er-Rosenmontagszochs wurde der Kölner Geisterzug im folgenden Jahr wiederbelebt. Getragen vom Verein „Ähzebär un Ko e.V.“ geht dieser Zug seit 1992 jeweils Karnevalssamstag durch die Stadt. Anders als bei den traditionellen Zügen kann hier jeder Jeck ohne Anmeldung einfach ein Stück oder auch den ganzen Zug mitlaufen. Der Zugweg wird jedes Jahr passend zum Motto neu festgelegt.
Der Gürzenich ist Kölns wichtigster Saal zum Feiern. In „Kölns guter Stube“ wird bereits seit 1822 Karneval gefeiert. Und hier findet auch das „Hochamt des Karnevals“ statt: Die Prinzenproklamation.
Hofburg
What happens in Hofburg stays in Hofburg!
Die Hofburg ist der Wohnsitz des Dreigestirns während der Karnevalszeit. Jeweils Anfang Januar beziehen Prinz, Bauer und Jungfrau mit ihrer Entourage das Hotel, in welchem sie während der Karnevalszeit wohnen. Aktuell ist dies das Dorint am Heumarkt. Vorher war dies 47 Jahre lang das Pullmann Hotel.
Das Dreigestirn mit seinem Gefolge bewohnt zehn Zimmer auf der siebten Etage. Und diese Etage ist tatsächlich die einzige echte Rückzugsmöglichkeit des Dreigestirns. Der Zutritt für alle – außer dem absoluten engsten Kreis- ist streng verboten.
Die Hausband der Immisitzung rockt das Bürgerhaus Stollwerck, Bild: Jassin Eghbal
Immisitzung
Unter dem Motto „Jeder Jeck ist von woanders“ feiern seit 2010 Kölner und Zugezogene aus der ganzen Welt Karneval in einer ganz besonderen Sitzung.
Dabei spielt die Immistzung mit dem Begriff „Imi“: Als „Imi“ werden in Köln alle Zugezogenen oder „unechten“ Kölner bezeichnet. Der Imi versucht also, den Kölner zu imitieren. Zuerst aufgetaucht ist dieser Begriff in dem Lied Sag´ens Blotwoosch von Gerd Jussenhoven:
„Sag ens Blotwoosch, ich garranteeren der, wer nit richtig Blotwoosch sage kann, dat es ´ne Imi, ´ne Imi, ´ne Imi, ´ne imitierte Kölsche ganz gewess. ´ne Imi, ´ne Imi, ´ne imitierte Kölsche ganz gewess.“
Bei der „Immisitzung“ steht das zweite „m“ für „Immigranten“. Dabei ist völlig unerheblich, ob diese aus Bayern, Botswana, Ostfriesland oder Osttimor kommen. Das Ensemble der Immisitzung ist genauso gemischt wie das Publikum im Saal.
Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel
Eine ursprünglich urkölsche Geschichte von verschmähter Liebe. Das Reiterkorps Jan von Werth – eine der renommiertesten Karnevalsgesellschaften in Köln – stellt jedes Jahr an Weiberfastnacht vor der Severinstorburg auf dem Chlodwigplatz die Geschichte von Jan & Griet nach. Diese Aufführung gipfelt in den in Köln weltbekannten Aussprüchen „Jan, wer et hät jewoss.“ und „Griet, wer et hät jedonn.“
Unzählige Jecke am Rosenmontagszug , Bild: ngocchat1014, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Jecke
Der Jeck ist der Narr. Manche Menschen erleben an Karneval eine echte Mutation: Das ganze Jahr über übel gelaunt und sauertöpfisch, aber sobald sie die Mütze ihres Karnevalsvereins stolz auf dem Kopf tragen, werden sie urplötzlich zum Jeck.
Und dann gibt es noch die Frohnaturen, die nicht nur zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch Spaß an d´r Freud haben. Das sind dann die echten Jecken.
Wer laut ruft wird belohnt: Es regnet Kamelle vom Himmel, Bild: Superbass, via Wikimedia Commons
Kamelle
Kamelle ist der Sammelbegriff für alle Arten von Süßigkeiten, die in den verschiedenen Karnevalszügen unters Volk gebracht werden. Merke: Je lauter du am Zugweg rufst, umso besser wird deine Ausbeute sein.
Eher als Stütze denn zum Schießen geeignet: Der Funk ganz rechts stützt sich auf seiner Knabüss ab, Bild: Raimond Spekking
Knabüß
Sie kommen – trotz militärisch aussehender Uniformen – in friedlicher Absicht: Die Roten Funken. Um dies zu unterstreichen, tragen die Funken zwar ein als „Knabüß“ bezeichnetes Gewehr, doch dieses ist selbstverständlich nicht funktionstüchtig. Und im Lauf steckt immer ein rot/weißes Blümchen. „Make love, not war“ op kölsch.
Ein Köbes bei der Arbeit, Bild: Privatbrauerei Gaffel
Köbes
Vielleicht der wichtigste Mann – nicht nur im Karneval: Der Kellner, in Köln „Köbes“ genannt. Er bringt das Kölsch und – anders als in allen Gaststätten der Welt – ist der Köbes der König, nicht der Gast.
10 Liter flüssiges Gold: Ein Kölsch-Fass, Bild: Früh Kölsch
Bestellt doch einfach mal ein obergäriges, helles, gefiltertes, hopfenbetontes, in einer Kölner Stange serviertes und in Köln gebrautes Bier.
Da diese Bestellung spätestens nach dem zehnten Getränk schwerfällt, könnt ihr auch einfach ein Kölsch bestellen. Ist dasselbe.
Stolz präsentiert dieser Jeck sein „Reiterstaffel-Kostüm“, Bild: Uli Kievernagel
Kostüm
Ohne Kostüm geht im Karneval nichts. Es sei denn, man ist zu Besuch auf einer Gala-Sitzung mit dem dezenten Hinweis „Um Abendgarderobe wird gebeten.“ Dann hilft nur: Hinein ins kleine Schwarze oder in den Anzug. Oder nicht hingehen.
Auf allen anderen Veranstaltungen ist erlaubt, was gefällt. Ob als zwei Meter große Biene Maja, Lappenclown – egal. Nur bitte nicht in den unsäglichen Polizei-SWAT-Militär-Kostümen. Dat es Driss!
Ein Kranz Kölsch – sehr praktisch, weil kein Glas herunterfallen kann, Bild: Privatbrauerei Gaffel
Kranz
Wenn ihr mit mehreren Menschen unterwegs seid, bestellt man nie nur ein Kölsch für sich, sondern einen ganzen Kranz. Damit ist das spezielle Kölsch-Tablett gemeint, in welches die Kölsch Stangen exakt und sturzsicher reinpassen.
Profis bestellen übrigens den „Doppelten Kranz“. Dann wird auch der obere Teil des Kranzes mit Kölsch vollgepackt.
Ein begnadeter Krätzchensänger und sehr sympathischer, hilfsbereiter Mensch: Wicky Junggeburth, Bild: Oliver Abels (SBT), CC BY-SA 3.0
Krätzje I: Lied
Fast war das Krätzchen tot! Doch dann kamen begnadete Karnevalisten wie Wicky Junggeburth, Martin Schopps, J.P. Weber oder Philipp Oebel und haben dieser uralten Tradition neues Leben eingehaucht. Und der begnadete Günter Schwanenberg singt nicht nur hervorragend ausgewählte Krätzjer, sondern ordnet diese auch historisch ein und erklärt die Hintergründe.
Das Krätzje ist ähnlich wie der mittelalterliche Bänkelgesang ein minimal instrumentiertes und auf einer einfachen Melodie vorgetragenes Lied, welches immer eine Geschichte erzählt. Adam Wrede1Neuer Kölnischer Wortschatz definiert das Krätzje als „Erzählung eines Streiches, ein Schwank, eine Schnurre, ein heiteres Stücklein, lustiges Verzällche teils harmloser, teils derber Art.“
Ein Krätzchen, hier das Modell der „Blauen Funken“, Bild Raimond Speking
Krätzje II: Mütze
Ein Krätzje auf dem Kopp ist das Erkennungszeichen der Karnevalsvereine. In der Form eines Schiffchens und selbstverständlich in den Farben des Vereins trägt der Karnevalist seine (karnevalistische) Herkunft auf Kopf zur Schau. Bei den organisierten Karnevalisten gerne auch aufwändig bestickt ist das Krätzje die kleine Schwester der großen Karnevalsmütze mit Bommeln und Perlen.
Alle Teile der Serie „Kölsche Karnevalsbegriffe von A-Z“: