Wer bei „Lappöhrche“ an ein kleines, flauschiges Kaninchen denkt, liegt vollkommen falsch. Wenn der Kölsche ein Lappöhrche macht, dann verdient er sich ein paar Euros nebenbei. Und „nebenbei“ ist hier wörtlich zu verstehen: Selbstverständlich soll das Finanzamt nichts von dem Lappöhrche erfahren.
Adam Wrede hilft nicht weiter
Ausnahmsweise hilft in diesem Fall der Blick in den Wrede nur bedingt weiter. Dort wird das Lappöhrche wie folgt erklärt:
„Verniedlichung zu Lappohr (langes Ohr). Flickstück oder Lederstück in halbrunder, länglich runder, einem Ohr oder Öhrchen ähnlicher Form, wie es Schuster beim Ausbessern des Schuhwerks gebrauchen, übertragen auf solche Flickarbeit oder Kleinarbeit, verallgemeinert als Kleinigkeit. Die … Ableitung von französisch „labour“ ist Unsinn.“
Deutliche Worte des Sprachpapstes. Allerdings wird dieses Wort heute nicht mehr in dem Sinne von „Kleinigkeit“ verwendet. Dies hat meine beliebte Thekenumfrage eindeutig festgestellt. Alle kennen das Lappöhrche, aber angeblich macht es keiner. Zumindest bei meiner kleinen Umfrage wollte sich keiner offen outen: „Wehe du schreibst, dass deine Thekenkumpels Geld nebenbei machen!“
Beim Lappöhrche geht es um Schwarzarbeit
Tatsächlich geht es beim Lappöhrche um glasklare Schwarzarbeit. Und wenn man sich die Statistik ansieht, ist das erheblich: Gemäß dem Statistik-Portal „statista“ wird für das Jahr 2023 ein Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland in Höhe von rund 433 Milliarden Euro prognostiziert. Das sind immerhin satte 10% der gesamten Wirtschaftsleistung.
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Stadt Köln belief sich im Jahr 2020 auf rund 62,7 Milliarden Euro. Wenn man davon ausgeht, dass auch Köln den Schwarzarbeitsanteil von 10% erreicht, macht das 6,2 Milliarden Euro. Nur in Köln!
Der Kölsche Klüngel hilft
Wenn man sich kennt, ist es natürlich wesentlich einfacher, nebenbei Geschäfte abzuwickeln. Der „Kölsche Klüngel“ lässt grüßen. So ist es auch kein Zufall, dass die Höhner in ihrem Lied „He triff sich Jott un de Welt“ über den Kölner Gürzenich, Köln wichtigsten Veranstaltungssaal, singen:
En dir wed jefiert, jedanz un jelaach
un su manch Lappührche jemaat.
Und jedem ist klar: Wer bei der der alljährlichen Prinzenproklamation im Gürzenich ohne ein kleines Geschäft (nebenbei) zu machen aus dem Saal geht, hat den Sinn dieser Veranstaltung nicht begriffen.
Vielfältige Übersetzung
Während bei so vielen kölschen Wörtern oft eine eindeutige Übersetzung nicht möglich ist, verhält es sich bei dem Lappöhrche genau anders. Hier kursieren fast unendlich viele Übersetzungen wie „sehr ausgedehnte Nachbarschaftshilfe“, „jet nevenbei verdiene“ oder „Ein nicht immer ganz transparenter Nebenverdienst.“
Die schönste Übersetzung aber kommt von Harald van Bonn. Der Betreiber der sehenswerten Website „Kölsche Musik“ bezeichnet das Lappöhrche als
„Die Negierung eines Unterschieds
zwischen Netto und Brutto.“
Sehr schön gesagt!
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