Der „Wrede“: Die Schatzkiste der kölschen Sprache

Adam Wrede: Neuer kölnischer Sprachschatz, hier in der 6. Auflage (1978), Bild: Uli Kievernagel
Adam Wrede: Neuer kölnischer Sprachschatz, hier in der 6. Auflage (1978), Bild: Uli Kievernagel

Wer sich mit Köln und unserer Sprache beschäftigt, kommt um ihn nicht drumherum: „Der Wrede“. Gemeint ist das dreibändige Lexikon „Neuer kölnischer Sprachschatz“ von Prof. Dr. Adam Wrede. Seit 1956 wird dieses Standardwerk zur kölschen Sprache regelmäßig neu aufgelegt, aktuell bereits in der 14. Auflage.

Für die Kölner ist es das Buch der Superlative:

  • ein Wörterbuch,
  • mit Fakten zur Stadtgeschichte,
  • eine Auflistung bekannter Originale und historischer Figuren,
  • eine Erklärung der rheinischen Vornamen,
  • ein Verzeichnis von Straßennamen,
  • eine Sammlung der lokalen Bräuche und
  • eine Zusammenstellung kölscher Redewendungen.

Wenig verwunderlich, dass dieses Werk als die „Kölsche Bibel“ bezeichnet wird. Und tatsächlich ist dieses Buch die Referenz, wenn es zu Streitigkeiten über Schreibweise, Deutung oder Herkunft kölscher Wörter kommt.

Als Schatten auf die Person Adam Wrede ist seine Nähe zu den Nationalsozialisten zu sehen. Wrede trat im April 1933 in die NSDAP ein und veröffentliche rassenkundliche Traktate und schrieb auch für den NS-Lehrerbund.

Adam Wrede – aufgewachsen im Kunibertsviertel

Adam Wrede, geboren am 12. April 1875 in Düsseldorf, wuchs im urkölschen Kunibertsviertel auf. Der spätere Professor lernte so bereits als Kind auf der Straße die kölsche Sprache, welche allerdings damals als „Gossensprache“ galt. Er studierte in Bonn und Münster Geschichte, Germanistik, Philologie und Geografie.

Er war Lehrer am Kölner Schiller-Gymnasium, arbeitete aber auch parallel dazu wissenschaftlich und veröffentliche Aufsätze zur Geschichte des Rheinlands. Im Jahr 1905 promovierte er. Seine Dissertation trug den Titel „Die Kölner Bauerbänke.1Bauerbänke waren die wirtschaftlichen und politischen Vertretungen der Bauern, ähnlich der Zünfte und Gaffeln für die Handwerker. Ein Beitrag zur Volkswirtschaftsgeschichte Cölns im Mittelalter“.

Das Kölner Schiller-Gymnasium in Sülz heute, Bild: Raimond Spekking
Das Kölner Schiller-Gymnasium in Sülz heute, Bild: Raimond Spekking

Im Jahr 1921 wurde Wrede Professor an der Kölner Universität. Mehrfach unternahm er Versuche, einen eigenen Lehrstuhl für „Rheinische Volkskunde“ zu errichten. Hier stand ihm aber der Inhaber des Lehrstuhls für Altgermanistik, Friedrich von der Leyen, im Weg, dem dieses Fachgebiet bereits zugeordnet war.

Wrede im Nationalsozialismus

Bereits im April 1933 trat Wrede der NSDAP bei. In der „Geschichte des Schiller-Gymnasiums 1899 – 2015“ schreibt E. Burckhard Schmitz dazu:

“Seine volkskundlichen Arbeiten brachten ihn in der Folgezeit in Kontakt mit völkischen Ideen; nicht von ungefähr stand er Hitler und dem Nationalsozialismus sehr positiv gegenüber und beteiligte sich an rassenkundlichen Traktaten und schrieb für den NS-Lehrerbund. Wrede feierte die Machtergreifung als Wendemarke für eine eigenständige nationalsozialistische deutsche Volkskunde. Im April 1933 trat er der NSDAP bei, sicherlich in einer Mischung von Überzeugung und Opportunismus.“

Im Jahr 1936 veröffentlichte Wrede die Denkschrift  „Deutsche Volkskunde auf germanischer Grundlage. Die nationalsozialistische Erziehungsidee im Schulunterricht“. Wrede selbst schreibt im Vorwort der 1938 erschienenen zweiten Auflage:

„Wichtiger ist zu bemerken, dass die neue Auflage noch mehr als die erste bemüht ist, die nationalsozialistische Auffassung der Volkskunde, die in der Betonung der ureigenen deutschen Volkskräfte und ihrer rassisch-germanischen Grundlagen gipfelt, herauszuarbeiten.“

Wredes Nähe zu den Nationalsozialisten wurde aber nicht in seinem Sinne belohnt – seinen ersehnten Lehrstuhl für Volkskunde sollte er nicht erhalten. Im Jahr 1941 wurde er emeritiert. Auch in der aktuellen Betrachtung seines Werks spielt seine braune Vergangenheit keine Rolle. 

„Neuer kölnischer Sprachschatz“

Kontinuierlich arbeite Wrede weiter an seinem Werk zum „Kölnischen Sprachschatz“. Unterstützung in Form von finanziellen Mitteln für zwei Mitarbeiter erhielt er zunächst von Oberbürgermeister Max Wallraff (Oberbürgermeister von 1907 – 1917) und später von Konrad Adenauer (Oberbürgermeister von 1917 – 1933).

Er unterteilte seine Arbeit Recherchen in den „neuen“ und den „alten“ Sprachschatz. Im ersten Teil wollte er die altkölnische Sprache erforschen, wie sie im 12. bis 18. Jahrhundert gesprochen wurde. Und im zweiten Teil die Mundart im 19. und 20. Jahrhundert. Allerdings wurde er im Zweiten Weltkrieg ausgebombt, und ein groß,er Teil der Manuskripte ging verloren.

Mit den Kriegswirren und den Flüchtlingsbewegungen erkannte Adam Wrede, dass sich nach dem Krieg die Bevölkerungsstruktur der Stadt Köln massiv veränderte und damit auch die Mundart aus dem Alltag mehr und mehr verschwand. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, entschied er sich im Jahr 1949, den ursprünglich als zweiten Teil geplanten „Neuen Kölnischen Wortschatz“ vorzuziehen. Im Mai 1956 erschien die erste Auflage.

„Alter kölnischer Sprachschatz“

Die Veröffentlichung seiner Sammlung zum „Alten Kölnischen Sprachschatz“ sollte Adam Wrede nicht mehr erleben und sein etwa 28.000 Zettel umfassendes Manuskript ging verloren. Irgendwie unglaublich: Tatsächlich wurden diese Sammlung um etwa 1980 im Historischen Archiv eingelagert und geriet in Vergessenheit.

Der Linguist Stefan Winter spürte mit detektivischen Scharfsinn diesen scheinbar vergessenen Schatz auf. Ein großer Bestand von fein säuberlich beschrifteten Schreibheften, gut leserlich mit Schreibschrift beschrieben, wurde dort unter der Signatur „Best. 1377“ archiviert. Und niemand wusste, was sich konkret in diesen Kartons verbarg.

Leider verstarb Winter im Jahr 2006. Und mit dem Einsturz des Stadtarchivs im Jahr 2009 war auch zunächst der Verbleib der Sammlung unklar. Erst im November 2014 teilte das Stadtarchiv auf Anfrage mit, dass „… der Zettelkatalog im „Best. 1377 Adam Wrede“ sich in einem verunordnetem Zustand befindet und noch nicht wieder vollständig vorhanden ist. Eine Ordnung muss erst wiederhergestellt werden, eine Digitalisierung wird aufwendiger sein und wird von daher in absehbarer Zeit nicht stattfinden können.“

Das Grab von Adam Wrede auf dem Kölner Melatenfriedhof, Bild: Egidius~dewiki, CC0, via Wikimedia Commons
Das Grab von Adam Wrede auf dem Kölner Melatenfriedhof, Bild: Egidius~dewiki, CC0, via Wikimedia Commons

Grab auf Melaten

Diese Irrungen und Wirrungen hat Adam Wrede selber nicht mehr mitbekommen. Er verstarb am 21. Dezember 1960 und wurde im Familiengrab auf Melaten bestattet. Mit dem Handbuch „Neuer kölnischer Sprachschatz“ hat er einzigartige Sammlung hinterlassen. Oder, wie es in der Westdeutschen Zeitung hieß:

„Unverzichtbar für alle, die den kölschen Kosmos verstehen möchten.“

Dabei darf aber auch nicht vergesssen werden, dass Wrede eine enge Nähe zu den Nationalsozialisten pflegte und deren Ideen propagierte.  


Adam-Wrede-Straße / 14. Auflage

In Nippes wurde eine Straße nach Adam Wrede benannt. Diese verbindet die Florastraße mit der Inneren Kanalstraße.

Die 14. Auflage des Handbuchs „Neuer kölnischer Sprachschatz“ ist im Juli 2017 erschienen – mit einer Einführung von Wolfgang Niedecken. Der Künstler und Kölschrocker selber sagt (mit einem Augenzwinkern), dass er es nach Möglichkeit vermeiden würde, das Buch aufzuschlagen, weil er sich dann gleich für mindestens eine Stunde „festlesen“ würde.

Adam Wrede "Neuer kölnischer Sprachschatz" mit einem Vorwort von Wolfgang Niedecken, Bild: Greven Verlag
 

Adam Wrede: Neuer kölnischer Sprachschatz
Mit einer Einleitung von Wolfgang Niedecken
1148 Seiten
ISBN 978-3-7743-0677-6
49 Euro, Greven Verlag, Köln


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