Seit 200 Jahren feiern wir den „organisierten Karneval“ wie wir ihn heute kennen. Und schon ganz zu Beginn waren auch auch Jüdinnen und Juden als Künstler oder Funktionäre im Karneval aktiv. Diese Menschen wurden erst gefeiert – später verfolgt. Dazu gehören zum Beispiel Vortragskünstler wie Hans Tobar, Gründer und Präsident des jüdischen Karnevalsvereins „Kleiner Kölner Klub“ Max Salomon oder Fanny Meyer, Puppenspielerin im Hänneschen.
Radikale Attacken mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten
Obwohl die Jüdinnen und Juden mittendrin im Karneval waren, wurden Sie „ … den Dynamiken der Diffamierung, Verhöhnung sowie der Ausgrenzung aus Vereinen“ unterworfen, berichtet Annemone Christians-Bernsee. Mit dem Aufstieg der Nationalsozialisten wurden auch diese Attacken immer radikaler.
Christians-Bernsee ist Kuratorin der Ausstellung „Schalom & Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval“. Mit dieser Ausstellung will das NS- Dokumentationszentrum der Ambivalenz zwischen Integration und Ausgrenzung der Jüdinnen und Juden im Karneval nachspüren. Es werden mehr als 70 jüdische Karnevalistinnen und Karnevalisten vorgestellt.
Eine ehrenvolle Hommage an ehemalige Kölner Bürgerinnen und Bürger
Oberbürgermeisterin Henriette Reker bringt es in Ihrer Ansprache zur Eröffnung der Ausstellung auf den Punkt:
„Karneval ist seit 200 Jahren ein wichtiger Teil Kölns – dazu haben von Anfang an auch Kölner Jüdinnen und Juden beigetragen. Die Ausstellung ‚Schalom & Alaaf‘ hebt die wichtige gesellschaftliche Rolle der jüdischen Karnevalistinnen und Karnevalisten hervor und erzählt ihre größtenteils vergessenen Geschichten. Es ist eine ehrenvolle Hommage an ehemalige Kölner Bürgerinnen und Bürger, von denen einige Publikumslieblinge waren – und die plötzlich aufgrund ihres Glaubens ausgeschlossen und verfolgt wurden.“
Hier drei Beispiele, die zeigen, wie eng Begeisterung, Zugehörigkeit und Entfremdung zusammenliegen.
David Hans Tobar (1888 – 1956)
David Hans Tobar, ursprünglich Rosenboom, wuchs urkölsch im Griechenmarkt-Viertel auf. Erst um 1900, da war er bereits zwölf Jahre alt, änderte die Familie den Familiennamen von Rosenboom in Tobar, dem Mädchennamen seiner Großmutter.
Der Karnevalsjeck Tobar trat bereits als 17-Jähriger bei Karnevalssitzungen auf. Er war aktives Vereinsmitglied der Roten Funken und wurde im November 1922 zum Ehrensenator der Funken ernannt. Allerdings wurde er 1923 aus dem Verein entlassen, da er, wie 70 weitere Mitglieder auch, wegen der grassierenden Hyperinflation die Mitgliedsbeiträge nicht mehr zahlen konnte.
Ab 1924 vebrachte er die Sommermonate auf Norderney und gründete dort die Karnevalsgesellschaft „Zoppejröns“. Auf den von ihm organsierten Veranstaltungen traten auch zahlreiche bekannte Kölner Karnevalisten auf. So war Willi Ostermann mehrfach Gast bei verschiedenen Aufführungen auf Norderney. Im Rheinland bespielte Hans Tobar nicht nur in Köln, sondern auch im weiteren Umland die Karnevalsbühnen. Er trat als Krätzchensänger und Rezitator auf und schrieb auch Programme für den jüdischen Karnevalsverein „Kleiner Kölner Klub“.
Doch nach die Machtergreifung der Nationalsozialisten durfte Hans Tobar nicht mehr im offiziellen Karneval auftreten. Sein Name wurde aus den offiziellen Programmheften gestrichen. So waren ihm nur noch gelegentliche Auftritte auf Norderney und bei Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr und der Kölner jüdischen Gemeinde möglich. In der Session 1937/38 trat Tobar letztmals in Deutschland auf.
Viele Familienmitglieder der Familie Tobar wurden im Holocaust ermordet. Seine Mutter verstarb im Alter von 90 Jahren in Theresienstadt, fünf seiner zehn Geschwistern wurden getötet.
Im Jahr 1939 emigrierte Hans Tobar mit seiner Familie in die USA und arbeitete als Maschinist in einer Fabrik. Aber auch in seiner neuen Heimat blieb er dem Karneval treu und veranstaltete in New York „Rheinische Hans-Tobar-Abende“ – Karneval im Exil. Er starb 1956 in New York.
Max Salomon (1886 – 1970)
Max Salomon stand bereits mit 14 Jahren in der Bütt. Ab 1920 nahm seine Bühnenkarriere als Büttenredner mit seiner Figur die „Kölsche Markfrau“ Fahrt auf.
Als Reaktion auf den aufkommenden Antisemitismus Anfang der 1920er Jahre gründete er gemeinsam mit seinem Bruder Wilhelm, weiteren jüdischen Verwandten, Freunden und Geschäftspartnern im Jahr 1922 den „Kleinen Kölner Klub“ – damals der einzige jüdische Karnevalsverein in Köln.
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 durfte auch Max Salomon nur noch bei Veranstaltungen des Jüdischen Kulturbundes Rhein-Ruhr auftreten. Außerdem musste er Anfang 1935 seine berufliche Tätigkeit als Handelsvertreter aufgeben.
Sein Bruder Wilhelm emigrierte Ende 1935 nach Palästina. Max Salomon flüchtetet im November 1939 in die Vereinigten Staaten. Dort trat er in den frühen 1940er Jahren in speziellen Karnevalsveranstaltungen für Emigranten mit karnevalistischen Programmen auf. Max Salomon starb am 3. März 1970 in Los Angeles.
Fanny Meier (1905 – vermutlich 1943)
Fanny Meier war ein Mädchen aus der Kölner Südstadt. Sie besuchte die Schauspielschule und wurde festes Ensemblemitglied im Hänneschen-Theater. Ihre Rolle war die der Bestemo. Diese Figur ist „en ahl Zang met jroßem Hätz.“
Im Jahr 1933 gab es außer ihr keine weitere jüdische Künstlerin oder jüdischen Künstler am Hänneschen-Theater. Da ihr Vater zwar Jude, ihre Mutter jedoch Katholikin war, wurde sie bei der Stadtverwaltung als „Jüdischer Mischling ersten Grades“, umgangssprachlich als auch „Halbjude“ bekannt, gemeldet. Sie durfte zunächst auch weiter in dem städtischen Puppentheater arbeiten. Allerdings nur bis 1935, dann wurde ihr Vertrag gekündigt. Ein bescheidenes Auskommen sicherte ihr das 1936 neu von Flora Jöhling gegründete Kölner jüdische Marionetten-Theater.
Ab Anfang der 1940er Jahre arbeitete sie, vermutlich als Zwangsarbeiterin, in einer Kölner Kartonagenfabrik. 1942 wurden Fanny und ihr Mann Lothar Heineberg zunächst im „Judenlager“ Köln-Müngersdorf interniert und von dort nach Auschwitz deportiert. Zwar gibt es noch eine Postkarte an ihren Vater aus dem März 1943, doch danach verliert sich die Spur von Fanny Heineberg, geb. Meier. Sie wurde in Auschwitz ermordet. Wie bei vielen anderen Opfer des Nationalsozialismus auch, gibt es keine Grabstätte von ihr.
Im Jahr 2017 baute und benannte das Hänneschen-Theater eine Puppe nach ihr. Die Theater- und Buchautorin Marina Barth hat das Leben von Fanny Meier in ihrem Roman „Lumpenball“ beschrieben.
Informationen zur Ausstellung
„Schalom & Alaaf. Jüdinnen & Juden im Kölner Karneval“
Die Ausstellung ist vom 8. November 2023 bis 31. März 2024 im NS-DOK (Appellhofplatz 23-25, 50667 Köln) zu sehen.
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr Samstag und Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Eintritt:
4,50 Euro/ermäßigt 2 Euro (kostenfrei am 1. Donnerstag im Monat)
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