„Autogerechte Städte“ waren Anfang der 1960er Jahre das Maß aller Dinge. Die Stadtarchitektur vieler deutschen Städte war vollständig an den Interessen des motorisierten Individualverkehrs orientiert. Ein wesentlicher Wegbereiter dieser Idee war der Architekt Hans Bernhard Reichow, der 1959 das Buch „Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos“ veröffentlicht hat.
Man kann also sagen, dass Reichow auch ein Teil der Verantwortung dafür trägt, dass die Stadtplanung unserer Stadt maßgeblich an den Bedürfnissen der Autofahrer ausgerichtet ist. Ein berüchtigtes Beispiel dafür ist der Bau der Nord-Süd-Fahrt, welche nach zehnjähriger Bauzeit 1974 fertiggestellt wurde.
Der ruhende Verkehr nervt
In Köln sind etwa 550.000 Kraftfahrzeuge zugelassen, darunter etwa 476.000 PKWs 1zusätzlich 33.000 LKWs und 38.000 Motorräder, Quelle: Stadt Köln. Und diese vielen Autos müssen auch irgendwo abgestellt werden. In der Fachsprache ist das der „ruhende Verkehr“. Und dieser ruhende Verkehr nervt:
Alles ist zugeparkt, Gehwege werden zu Schneisen zwischen den Autos, Fahrradfahrer zu Slalom-Fahrern.
Die Feuerwehr hat regelmäßig Probleme, an im Parkverbot geparkten Autos vorbeizukommen.
Und wenn man selber Teil des ruhenden Verkehrs werden will, dreht man ewig lang seine Runden um den Block bei der Suche nach einem Parkplatz.
Alles nicht neu! Den Ärger um den „ruhenden Verkehr“ gibt es bereits seit Ewigkeiten.
Ein einbetonierter Opel Kapitän
Den kreativsten Umgang damit zeigte der Künstler Wolf Vostell (* 14. Oktober 1932, † 3. April 1998). Vostell war Maler, Bildhauer und Happeningkünstler. Ein wesentliches Merkmal seiner Werke war das Einbetonieren. Und so staunten die Kölner nicht schlecht, als Vostell am 4. Oktober 1969 mit seinem Opel Kapitän auf der Domstraße vorfuhr und das Auto mit laufendem Motor und angeschaltetem Radio einbetonierte.
Ein großer Betonmischer kippte tonnenweise Frischbeton in die vorbereite Verschalung über das Auto. Ein Dokumentarfilm zeigt diese Aktion und auch die Aufregung der Passanten.
Ein Mann, mit hörbar kölschen Einschlag in der Stimme, meint in dem Film dazu: „Ich würde sagen, grober Unfug ist noch zu glimpflich ausgedrückt. Stell dir vor, dass würde jeder machen, der ein paar Mark in der Tasche hat … wie es in einem Jahr in Köln aussähe.“ Vostell hatte sein Ziel erreicht: Der „Ruhende Verkehr“, so der Name des Kunstwerks, war mit einem Schlag mitten in der Diskussion.
Doch der Künstler hatte die Rechnung ohne die Stadt Köln gemacht. Die zweckentfremdete Nutzung von Parkraum wurde von Ordnungsamt geahndet und das tonnenschwere Kunstwerk nach etwa drei Wochen in der Domstraße auf den Neumarkt verfrachtet. Dort sollte ein (nie realisierter) Skulpturenpark aufgebaut werden. Doch die Reise des einbetonierten Autos war noch lange nicht vorbei. Der Betonklotz, der rudimentär die ursprünglichen Form des einbetonierten Autos zeigt, wurde in Paris und in Berlin ausgestellt.
Mittelstreifen statt regulärer Parkplatz
Mittlerweile steht der „Ruhende Verkehr“ auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings. Ein äußerst schlechter Platz, denn Vostell wollte ausdrücklich einen Parkplatz besetzen. „Das eingefrorene Auto“, so Vostell, „mitten zwischen anderen, noch verkehrstüchtigen Autos.“. Doch jetzt umflutet der Verkehr den Betonklotz.
Aber im März 2022 ist Bewegung in diese Diskussion gekommen. Die Bezirksvertretung Innenstadt hat auf Initiative der Grünen-Fraktion beschlossen, die Plastik auf eine Parkplatz unweit des aktuellen Standorts zu versetzen. Genau, wie Vostell es mit dem „Ruhenden Verkehr“ ausdrücken wollte. Doch seit Dezember 2023 ist klar, dass das Kunstwerk an seinem Standort mitten auf den Ringen verbleiben wird: Der geplante Parkplatz auf der Hahnstraße sei schlicht zu schmal.
Ävver mer sin in Kölle. Also mal abwarten …
Besser platziert ist die Vostell-Plastik „Concrete Traffic“ auf dem Campus der University of Chicago. Ein einbetonierter Cadillac steht dort seit 2016 auf einer regulären Parkfläche in einem öffentlichen Parkhaus.
Der Kölner Künstler Cornel Wachter betonierte – als Hommage an Vostell – 2007 seine Mercedes A-Klasse ein. Dieses Werk steht heute vor dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn.
Es ist ein überraschender Anblick: In der Kirche St. Gertrud hängen riesige Kleidungsstücke an Wäscheleinen mitten in der Kirche. Die aus Seidenpapier hergestellten Wäschestücke sind fast transparent und wirken sauber – wie frisch gewaschene Wäsche.
Im Gegensatz zu dieser reinen Wäsche liegen vermoderte Bahnschwellen auf dem Boden. Diese stammen von einer stillgelegten Eifelstrecke und erinnern an die Rolle der Eisenbahnen im Krieg. Ein großes Transparent zeigt eine Trauung. Diese Trauung findet in einem Schützengraben statt – eine unwirkliche Szene.
Die reine, saubere Wäsche ist ein Bild des Friedens
Mit dieser Installation in der „Kunstkirche“ St. Gertrud stellt die Kölner Künstlerin Dr. Christiane Rath zwei komplett gegensätzliche menschliche Kulturleistungen gegenüber: Krieg und Wäsche.
Christiane Rath: „Die reine, saubere Wäsche ist ein Bild des Friedens. Wo Wäsche hängt, wo Reinlichkeit zählt, wo auf Sauberkeit geachtet wird, überall dort herrscht Frieden. Aber leider ist dies in vielen Weltgegenden eine Utopie.“
Projekt st. gertrud: kirche + kultur
Christiane Raths Installation setzt auf die außergewöhnlichen Möglichkeiten des Kirchenraums St. Gertrud. Die riesigen Wäschestücke füllen den Kirchenraum, ein umgewidmeter Beichtstuhl wird zum Startpunkt einer Audio-Reise durch zwölf erdachte Räume.
Für die Errichtung der katholischen Pfarrkirche St. Gertrud wurde der bekannte Architekt Gottfried Böhm (1920 – 2021) mit dem Kölner Architekturpreis ausgezeichnet. Auffällig sind die asymmetrischen Formen des Baus, welche fast vollständig in Beton ausgeführt wurden. Böhm hat auch die gesamte Ausstattung der Kirche entworfen, unter anderem das Taufbecken, den Tabernakel und auch den Altar.
Das Projekt „st. gertrud: kirche + kultur“ nutzt die Möglichkeiten dieses ganz speziellen Kirchenbaus. Immer wieder neue Akteure stellen genau hier Ausstellungen, Theaterprojekte oder Filme vor. So wird der immer noch als Kirche geweihte Bau zu einem Ort der kreativen Diskussion.
Für Christiane Raths Ausstellung ist Frieden das zentrale Thema. Sie schafft es mit nur einem Satz das gesamte komplexe Thema Ihrer Installation zusammenzufassen:
„Jedenfalls brauchen wir saubere Wäsche,
Kriege brauchen wir nicht.“.
KRIEG und WÄSCHE Christiane Rath
Eine Rauminstallation zum Frieden
Kirche St. Gertrud
Krefelder Straße 57
50670 Köln
Vernissage: 7. September 2024, 18 Uhr
Laufzeit: 7. September bis 22. September 2024
Öffnungszeiten:
7. und 8. September 2024 (Tag des Offenen Denkmals)
12 – 19 Uhr (bei der Vernissage länger)
Danach tägl. von 16 – 19 Uhr
Der Eintritt, auch zu allen Veranstaltungen, ist frei.
Programm
7. September 2024, 18.30 Uhr Begrüßung durch Pastoralreferent Peter Otten
14. September 2024 und 22. September 2024, jeweils 16 – 19 Uhr Performance Philipp Sebastian
Der Schauspieler Philipp Sebastian in Soldatenuniform, Bild: Rolf Wengst
Der Schauspieler Philipp Sebastian wird in Soldatenuniform mit der Rauminstallation spontan und unvorhersehbar interagieren und in einer jeweils dreistündigen Performance sowohl proaktiv als auch reaktiv seine persönliche künstlerische Aussage im Kirchenraum umsetzen.
18. September 2024, 18 Uhr Lesung aus „Ein Schiff für den Frieden“
Die Kölner Autorin und Journalistin Christina Bacher wird aus ihrem Buch „Ein Schiff für den Frieden. Das mutige Leben des Rupert Neudeck“ lesen.
Mittags, von etwa 12 Uhr bis 13 Uhr, bei gutem Wetter mit Sonnenschein, ist die Wirkung am stärksten: Das bunte Licht „fällt“ in die Kathedrale, wandert über den Boden und umspielt die massiven Säulen der gigantischen Kathedrale. Das Richter-Fenster im Dom ist vielleicht der Höhepunkt eines Besuchs im Dom. Farbige Lichtpunkte versetzen die Besucher in Erstaunen. Die Kombination aus der majestätischen Kathedrale und dem bunten Licht ist ein echtes Erlebnis.
Meisner: „Eher ein Fenster für eine Moschee“
Unter den Namen „Südquerhausfenster“ kennt kaum einer dieses Kunstwerk. Alle sprechen vom Richter-Fenster. Der Künstler Gerhard Richter (geb. 1932) hat das Fenster entworfen. Und damit zunächst alle vor den Kopf gestoßen.
Der damalige Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, meinte, dass das Fenster „eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus“ passen würde, aber nicht in eine gotische Kathedrale. Seine Abneigung ging so weit, dass er plante, seinen Bischofsstuhl im Dom umsetzen zu lassen, um nicht auf das von ihm so verhasste Fenster blicken zu müssen. Nur durch gutes Zureden vom Dompropst Norbert Feldhoff konnte der sture Meisner von dieser Idee abgebracht werden.
Rekonstruktion der zerstörten Fenster unmöglich
Geistige Urheberin der Idee, Richter das Fenster gestalten zu lassen, war die Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Sie hatte, mit Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 1999, vom Domkapitel den Auftrag bekommen, die Neuverglasung des Domquerhauses in Angriff zu nehmen.
Seit dem zweiten Weltkrieg war dort nur eine Notverglasung angebracht: Helle Scheiben mit Ornamenten, die vielleicht einer etwas in die Jahre gekommenen Kneipe angemessen waren. Aber nicht dem wunderbaren Dom.
Das ursprünglich dort angebrachte Fenster zeigte drei Könige und drei Bischöfe. Dieses Fenster wurde bei den Bombenangriffen auf Köln zerstört und konnte nicht wiederhergestellt werden: Die Vorlage der Abbildung lagerte in Berlin und war dort verbrannt, so dass eine Rekonstruktion unmöglich war. Was sich nachträglich als Glück herausstellen sollte.
Erste Ideen, das Fenster mit Bildern von Märtyrern des 20. Jahrhunderts zu gestalten, erwiesen sich als nur sehr schwer realisierbar: Die ausgewählten Personen, darunter die Nonne Edith Stein und Pater Maximilian Kolbe, trugen schwarze Ordensgewänder. Und eine große Fläche mit schwarzem Glas bezeichnete Schock-Werner als „denkbar unglückliches Ansinnen“. Zudem stellte sich die Frage, wie riesige Portraits in etwa 30 Metern Höhe wirken sollten.
11.263 Farbquadrate
So kam es, dass die Dombaumeisterin bei einem Empfang eher zufällig auf Gerhard Richter stieß. Und ihn bei einem Glas Sekt ungeniert fragte, ob er nicht die Gestaltung des Fensters übernehmen könnte. Richters direkte Antwort: „Ich kann das ja mal probieren. Aber damit das gleich klar ist: Dafür werde ich kein Geld nehmen.“
Und Richter machte sich an die Arbeit. Nach einem halben Jahr präsentierte er die ersten Entwürfe: Der Künstler hatte eine Reproduktion seines Bildes „4096 Farben“ zerschnitten und hinter das Maßwerk der Fenster geklebt. Farbige Quadrate, scheinbar willkürlich hinter einem gotischen Kirchenfenster. Barbara Schock-Werner war fassungslos, das Domkapitel zunächst konsterniert: Farbige Quadrate statt figürliche Darstellungen von Heiligen?
Erst 18 Entwürfe und vier Jahre später waren nicht nur die Dombaumeisterin sondern auch das Domkapitel überzeugt: Das 106 Quadratmeter große Fenster wurde mit insgesamt 11.263 Farbquadraten in Bierdeckelgröße in 72 Farben gestaltet. Die Auswahl der Farben orientierte sich an den Farben, die in bereits bestehenden Fenstern des Doms verwendet wurden.
Die einzelnen Quadrate wurden nach dem Zufallsprinzip angeordnet, wobei Wiederholungen und Spiegelungen von Richter ausdrücklich vorgesehen waren. So spiegeln sich die Bahnen eins und drei, zwei und fünf sowie vier und sechs.
An einigen wenigen Stellen korrigierte Richter die zufällige Verteilung, um eine Gegenständlichkeit zu vermeiden, wie etwa eine durch blaue Quadrate gebildete Ziffer „1“ im unteren Bereich.
Strenge Geometrie
Gerhard Richter arbeitete wie versprochen ohne Honorar, trotzdem mussten die Herstellungskosten von etwa 370.000 Euro aufgebracht werden. Das Domkapitel ging dafür kötten und etwa 1.200 Spender finanzierten das neue Fenster.
Dann ging es an die konkrete Umsetzung und den Einbau des Fensters. Kein leichtes Unterfangen, denn die einzelnen Quadrate mussten exakt zueinander ausgerichtet werden. Sollte auch nur ein kleiner Versatz entstehen, würde das bei der zugrundeliegenden strengen Geometrie sofort auffallen.
Grandiose Wirkung
Bis zur feierlichen Einweihung des Fensters stieg die Spannung in der gesamten Stadt. Die Baustelle war durch eine Plane abgedeckt, nach dem Einbau verhinderte ein schwarzer Vorhang den Blick auf das Fenster.
Als der Vorhang am 25. August 2007 fiel1Kardinal Meiser war bei der feierlichen Einweihung nicht dabei – er hatte sich an diesem Tag eine Dienstreise nach Polen gegönnt., fielen auch Barbara Schock-Werner und Gerhard Richter ganze Felsbrocken vom Herzen. Die Wirkung des Fensters war vom ersten Moment an grandios – und ist es heute noch.
Schock-Werner dazu: „Rund 80 Prozent aller Besucher im Dom finden das Richter-Fenster ganz toll und kommen immer wieder, um zu gucken. Viele Fans kommen sogar zu unterschiedlichen Zeiten, um das Fenster in verschiedenen Lichtsituationen zu erleben.“
Und das solltet ihr auch tun! Am besten mittags zwischen 12 und 13 Uhr, wenn die Sonne genau ins Fenster scheint.
Erinnerung an Karneval?
Böse Zungen behaupten, das Richter-Fenster würde den Kölschen nur deshalb so gut gefallen, weil es sie an ein beliebtes Karnevalskostüm erinnert: `Ne Lappenclown. Ist natürlich Quatsch. Wobei …
Die Band Querbeat hat dem Barbarossplatz ein Lied gewidmet. Der Text passt fast perfekt:
„Guten Morgen Barbarossaplatz Bist du auch noch wach? Hast du auch die letzte Nacht wieder durchgemacht?“
Korrekt müsste es aber heißen „Hast du auch die letzten Jahre wieder durchgemacht?“. Denn so sieht er aus: verbraucht, dreckig, runtergekommen. Eben genau so wie jemand, der jahrzehntelang einfach durchgemacht hat. Der Barbarossaplatz ist, so der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings in einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers 1Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.09.2019„der am meisten vernachlässigste Platz der Stadt“.
Okay, zugegeben: In unserer leider an vielen Stellen hässlichen Stadt gibt es noch eine ganze Reihe anderer Anwärter auf den Titel „Schrecklichster Platz“. Der Ebertplatz ist mit Sicherheit weit vorne, aber auch der Breslauer Platz, der Neumarkt oder die Domplatte sind in den Top Ten. Angeführt wird diese aber eindeutig vom Barbarossaplatz.
Was macht einen Platz aus?
Plätze haben in einer Stadt spezielle Funktionen. Der Stadtplaner Dr. Ulrich Hatzfeld dazu 2 In einem Beitrag zu „Stadt macht Platz – NRW macht Plätze, Dokumentation Landeswettbewerb 2004/05“, https://stadtbaukultur-nrw.de/site/assets/files/1561/stadtmachtplatz2004_dokumentation.pdf: „Plätze als städtebauliche Kunstwerke, als Gegenstand des städtebaulichen Denkmalschutzes, als innerstädtische Freiräume, als Orte der sozialen und ethnischen Integration, als politische Bühnen und vieles mehr.“
Betrachtet man den Barbarossaplatz, versagt dieser in jeglicher Dimension: Kein Kunstwerk, kein Denkmalschutz, definitiv kein Freiraum, von sozialer und ethnischer Integration Lichtjahre entfernt und als politische Bühne unbrauchbar. Barbarossaplatz: Sechs, setzen.
Och, wat wor dat fröher schön.
Tatsächlich was das nicht immer so. Betrachtet man Fotos längst vergangener Zeit, so war der Barbarossaplatz tatsächlich mal schön. Mit einem Springbrunnen in der Mitte, Platz zum Flanieren, Bäumen und schönen Gebäuden.
Der Barbarossaplatz war Teil einer ganzen Reihe von attraktiven Plätzen, die durch den Ausbau der Ringe entstanden sind. Der Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer um das Jahr 1880 schaffte dringend benötigten Platz, um an der Stelle des ehemals freien Schussfelds einen Prachtboulevard zu errichten – die Ringe entstanden. An den Stellen, wo die großen Ausfallstraßen die Ringe kreuzten, wurden Plätze geschaffen. So entstanden unter anderem der Rudolfplatz, der Ebertplatz und auch der Barbarossaplatz.
Dieser wurde am 10. Mai 1883 eingeweiht und benannt nach Friedrich I., einem Stauferkaiser. Gut, dass dieser Kaiser (wegen seines roten Barts „Barbarossa“ genannt) bereits 1190 starb. Ansonsten würde er wohl kaum zulassen, dass sein Name für die Scheußlichkeit von Platz missbraucht wird.
Wachsender Verkehr und Nachkriegsarchitektur
Allerdings sorgte nicht erst die Zerstörung der Stadt im zweiten Weltkrieg und der Wiederaufbau für die Verschandelung des Platzes. Bereits in den 1930er Jahren veränderte sich der Barbarossaplatz. Zugunsten des wachsenden Verkehrs wurde aus der Grünfläche ein Kreisverkehr, Straßenbahnen kreuzten den Platz.
Der Neuaufbau nach dem Krieg gab dem Barbarossaplatz dann den Rest. Ulrich Krings3Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.09.2019 dazu: „Das Konzept der autogerechten Stadt … ist hier ganz brutal zum Tragen gekommen.“ Niemand, so Krings, habe sich um die Randbebauung gekümmert. „Es wimmelt hier nur so von Scheußlichkeiten“. Recht hat er.
Impressionen vom Barbarossplatz
Kein Platz, eher eine große Kreuzung
Heute ist vom Platzcharakter nichts mehr übrig. Der Platz ist eine gigantische große Kreuzung. Immerhin sieben Straßen kreuzen sich hier und vier Stadtbahnen-Linien überqueren den Barbarossplatz. Wer einmal versucht hat, diesen Platz zu Fuß zu überqueren, wird auch im Verkehr von Neapel, Istanbul oder Kairo überleben. Alle Pläne einer Neugestaltung, wie zum Beispiel die Straßenbahn unter die Erde zu legen, wurden aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt.
Kein Wunder, dass es in dem Song von Querbeat auch lautet:
„Die Nacht sieht man uns an, alle Farben im Gesicht Barba so bist du, und so bin ich“
VISUAL UTOPIAS: So schön könnte der Barbarossaplatz aussehen
Wie der Barbarossaplatz ohne Autos aussehen könnte, zeigt der Utopist Jan Kamensky. Seine Überzeugung: Es ist wichtig, zu sehen, was passiert, wenn wir die von Autos dominierten Straßen in menschenfreundliche Orte verwandeln. Deshalb erstellt Kamensky utopische, autofreie Animationen von Plätzen wie zum Beispiel der Karl-Marx-Allee in Berlin, dem Rosenberger Platz in Stuttgart oder der Kohlberger Straße in Wien.
Besonders beeindruckend: Seine Vision des Barbarossaplatzes. So wird in dem Video aus dem hässlichsten Platz Kölns einer der schönsten Plätze der Stadt. Besonders schön ist auch seine Vision der heute durchaus hässlichen Komödienstraße. Tipp: Das Video unbedingt bis zum Ende schauen, hier klatscht sogar der Dom Beifall!
Oase der Ruhe in der (fast unmittelbarer) Nähe: Der Garten der Religionen
Gerade mal 400 Meter Luftlinie vom Barbarossaplatz entfernt liegt einer einem der schönsten und zugleich unbekanntesten Plätze der Domstadt: Der „Garten der Religionen“.
Die „Schönheit Kölns“ in der Stunksitzung
Auch die Stunksitzung legt den Finger in die Wunde: In der Nummer „Der andere Rieu“ aus dem Jahr 2018 wird die (vermeintliche) „Schönheit Kölns“ besungen. (Danke an Marlies für diese Ergänzung! )
Film „Über Barbarossaplatz“
Der WDR hat mit „Über Barbarossaplatz“ dem Platz auch den passenden Film gewidmet. In diesem 2016 gedrehten Film fühlt sich die Psychologin Greta nach dem Selbstmord ihres Mannes mitschudig an dessen Tod.
Caroline Ströbele schreibt dazu in der Zeit Online4Zu hart für die Couch – Über Barbarossaplatz bei Zeit Online, abgerufen am 27. April 2017: „Köln hat die interessanteste Rolle in diesem Film. Die Stadt ist lärmig und aggressiv, keine Spur Kölner Fröhlichkeit. Der Verkehrslärm des titelgebenden Barbarossaplatzes übertönt jedes Gespräch, die Menschen sind brutal, überall wird geschoben und gedrängelt, es ist immer zu voll und zu laut.“
Etwa 25.000 Menschen sehen täglich die Mona Lisa im Louvre. Dafür steht man stundenlang an und zahlt einen hohen Eintritt. Ebenfalls ungefähr 25.000 Menschen steigen täglich am Appellhofplatz in die Bahn. Und sehen nicht nur ein Portrait, sondern gleich 40. Und das völlig kostenlos. Ohne anzustehen.
Seit 1990 gibt es die „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle. Hier kann man dem Schauspieler Willy Millowitsch, der Franziskanerin Schwester Ansgaria, dem Fußballer Pierre Littbarski und 37 weiteren bekannten und unbekannten Kölnerinnen und Kölnern in die Augen sehen.
Stencil – aus Schablonen entstehen Kunstwerke
Urheber dieses Kunstwerks sind die vier Freunde Justus Herrmann, Ralf Jesse, Hans-Peter Dürhager und Andreas Paulun, die sich Ende der 1980er regelmäßig in Ehrenfeld trafen. Bei einem dieser Treffen im Jahr 1988 zeigte Paulun seinen Kumpels ein sogenanntes „Stencil“. Stencil ist der englische Begriff für Schablone. Mit einer solchen Schablone werden Graffitis hergestellt. Stencils stammen ursprünglich aus den 1970er Jahren aus Frankreich und werden dort „pochoir“, nach dem französischen Wort für Schablone, genannt.
Bei dem Stencil wird eine vorgefertigte Schablone auf einen Untergrund gedrückt und die Farbe durchgesprüht. Kombiniert man mehrere Schablonen, entstehen bunte Motive. Und diese können dann beliebig oft und sehr schnell in unterschiedlichen Farben wiederholt dargestellt werden – ideal für illegale Graffitis.
Doch den vier Freunden kam ein anderer Gedanke: Kein eilig nachts gesprühtes Graffiti irgendwo an einer Mauer in der Stadt, sondern geschützt an einem Ort. Nicht der Vergänglichkeit preisgegeben, sondern zeitlos.
Die U-Bahnhaltestelle als idealer Ort
Eine U-Bahnhaltestelle erschien den Künstlern als idealer Ort: Viele Passanten steigen dort täglich ein und aus, die kurze Wartezeit kann dem Kunstwerk gewidmet werden. Heute würde das so nicht mehr funktionieren: Die Menschen nutzen jede noch so kurze Möglichkeit und starren in ihr Smartphone. Daran war 1990, zur Eröffnung des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ an der Haltestelle Appellhofplatz, noch nicht zu denken.
Zusätzlich ist eine U-Bahnhaltestelle nicht der Witterung ausgesetzt. Als idealer Ort für die Stencils wurden die Säulen zwischen den Gleisen ausgemacht: Geschützt, aber trotzdem frei einsehbar.
Auch die Motive waren schnell klar: Menschen aus Köln, prominent oder unbekannt. Dabei ging es dem Künstlerkollektiv nicht darum, „einzelne Menschen hervorzuheben aus der anonymen Masse, sondern mit neuen Mitteln die alte Geschichte von Einzigartigkeit und Vielfalt, von deren gegenseitiger Bedingtheit und ihrer Bedrohung durch Anonymität und Masse neu zu erzählen.“1KölnTakt 2-2019, Zeitungsbeilage der KVB, September 2019
Idealerweise gibt es in der Haltestelle 20 Säulen. Auf jede Säule passen drei Portraits auf die Vorder- und drei auf die Rückseite. Macht insgesamt Platz für 120 Portraits. So konnte jeder der vier Künstler zehn Portraits in dreifacher Ausfertigung anfertigen.
Gezeigt werden die Portraits von 40 Menschen, die in Stadt leben. Prominente und Lück wie ich und du. Und so ist ebenso der Kopf von Alfred Biolek neben dem Portrait von Thomas Kehr, einem Fahrradkurier, zu finden wie auch das Bild der Nonne Schwester Ansgaria, das neben Willy Millowitsch seinen Platz findet. Der Travestiekünstler Fine de Cologne wurde abgebildet, genau wie der Boxer Milorad Jevremovic oder Anja Friehoff, die als „Frau des Augenblicks“ ihren Platz gefunden hat. Abgebildet wurden auch der Imbissbesitzer Adnan, Musiker Jürgen Zeltinger, Philosophieprofessor Günter Schulte und der Kölner Sammler Hermann Götting. Und 29 weitere Menschen.
Auch die KVB-Mitarbeiterin Lydia Prangenberg, geb. Rick, ist ein „Kölner Kopf“. Früher wurde sie oft auf das Portrait angesprochen, heute zeigen ihre Enkel und Urenkel stolz das Bild von Oma oder Uroma ihren Freunden.
Der unbekannte Künstler „Tabot Velud“
Für heutige Verhältnisse nahezu unvorstellbar: KVB und Stadt Köln stimmten der flott skizzierten Idee schnell und unkompliziert zu, als Hauptsponsor wurde Reynolds Tobaccos (Camel, Lucky Strike oder Pall Mall) gewonnen.
Als Künstler hinter dem Kunstwerk wurde „Talbot Velud“ genannt. Dieser Name hat keinerlei Bedeutung. Justus Herrmann dazu „Damit wollten wir nur möglichst viel Nebel verbreiten.“ Das ist bestens gelungen. In einem Artikel der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu den Kunstwerken in der Kölner U-Bahn schreibt die Architektin und Kunsthistorikerin zu den „Kölner Köpfen“: “Ein Schild an der Schmalseite eines der Bahnsteige nennt neben dem Namen des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ und seines Gestalters Tabot Velud auch einen großen Tabakkonzern als Sponsor. Über Velud habe ich sonst nichts weiter in Erfahrung bringen können.“2Barbara Schock-Werner: Kölner U-Bahn-Stationen in der Kritik – Die Kunst in Kölns Untergrund, Kölner Stadt-Anzeiger vom 2.Dezember 2014.
Kunstwerk ist heute „rechtslos“
Heute würde man sich wünschen, dass die Verantwortlichen mal ein paar Eimer Farbe an die Säulen der Haltestelle werfen und insgesamt mal etwas saubermachen würden. Allerdings: Wieso sollte es hier anders sein, wenn doch die ganze Stadt eher knüsselich daherkommt?
Der ursprüngliche Nutzungsvertrag für die Säulen mit den „Kölner Köpfen“ wurde für zehn Jahre unterschrieben und ist bereits im Jahr 2000 ausgelaufen. Seitdem ist das Kunstwerk eigentlich „rechtslos“. Aber das kümmert in Köln keinen Menschen. Auch nicht die seit der Eröffnung des Kunstwerks im Jahr 1990 bereits etwa 300 Millionen Menschen, die dieses mittlerweile gesehen haben.
Da kann noch nicht einmal die Mona Lisa mithalten.
Noch mehr Kunst in der U-Bahn gibt es am Heumarkt. Dort fährt täglich der Ghosttrain durch.
Es wird schon etwas schräg und ungewohnt aussehen: Eine Küche. Mitten in der Stadt. Unter freiem Himmel. Mit Küchenschränken, Kühlschrank, Herd, Tisch und Stühlen. So wie man sie in einer typischen WG erwarten würde: Bunt zusammengewürfelt, groß und gemütlich. Nur eben nicht in einer Wohnung, sondern öffentlich und offen für alle. Ab 7. Juni 2024, 12 Uhr, wird diese Küche auf dem Neusser Platz stehen, direkt vor St. Agnes.
Idee und Umsetzung dieses ungewöhnlichen Projekts stammen von der Künstlerin Christiane Rath. Sie ist eine nur zufällig in Oberhausen geborene und in Düren aufgewachsene Rheinländerin, hat in Bonn Romanistik studiert und auch dort promoviert. Sie lebt seit 1988 in Köln und liebt Köln und die Kölner.
„URBAN – URBAR“
Christiane hat das eher private Thema „Wohnen“ schon öfters öffentlich inszeniert. Zum Beispiel als Managerbüro in der Frankfurter U-Bahn, als Schlafzimmer am Rhein oder als Badezimmer inklusive Badewanne am Rudolfplatz.
Sie hebt damit die Trennung zwischen öffentlichem und privatem Leben auf. Mit ihrer Serie „URBAN – URBAR“ kommen die privaten Seiten des Wohnens in die Öffentlichkeit. Christiane Rath dazu: „Ich will die Möglichkeiten eines Ortes erproben und tiefere Schichten des „Sich heimisch Fühlens“ spürbar für alle machen.“
Die WG-Küche – legendärer Ort von Wein, Spaghetti und Gesang
Und dieses „spürbar machen“ funktioniert am besten in einer Küche. Eine Küche ist weit mehr als nur ein Ort, in dem gekocht wird. Die Psychologin Dr. Alexandra Hildebrandt sieht die Küche als Mittelpunkt einer Wohnung. Hier kommt man zusammen und interagiert: „Gemeinsam zu speisen ist gut für die soziale Gesundheit, denn es werden zwischenmenschliche Beziehungen aufgebaut und verstärkt.“1„Die Küche als Ort des Seins“, https://www.umweltdialog.de/de/verbraucher/leben-und-wohnen/2018/Die-Kueche-als-Ort-des-Seins-gestern-und-heute.php, abgerufen am 27. Mai 2024.
Christiane Rath verlegt genau diesen Ort der Interaktion in den öffentlichen Raum. So steht die Küche auf einem öffentlichem Platz, und jeder ist eingeladen, sich dort niederzulassen.
Der Platz vor St. Agnes ist nicht zufällig gewählt. Christiane Rath hat schon 2023 mit ihrem „Menschennest“ in der Kirche für Aufsehen gesorgt. Daher ist Peter Otten, Pastoralreferent in St. Agnes, auch froh, die Künstlerin wieder für eine Aktion im Veedel gewonnen zu haben. Otten ist begeistert: „Die WG-Küche! Legendärer Ort von Wein und Gesang! Chili und Spaghetti! Diskussionen und Geschrei! Trennung und Amore! Höchste Zeit, wieder eine aufzumachen!“
Menschen kommen einzeln und verabschieden sich gemeinsam
So könnte es sein, dass es ab dem 7. Juni 2024, 12 Uhr, vielleicht auch wieder Pasta und Wein gibt, oder Kaffee und Kuchen, wenn Christiane Rath ihre Küche für alle bis Mittwoch, 12. Juni täglich ab 11 Uhr öffnet. Dabei achtet sie sehr genau auf die Details: Der Kühlschrank und der Herd sind nicht nur Dekoration, sondern funktionieren. Das gemütliche Sofa und der große Tisch laden ein, Teil des Kunstwerks zu werden. Dabei ist es für die Künstlerin von ganz besonderer Bedeutung, dass es keinerlei Hürden gibt. Alle sind eingeladen, niemand muss etwas bezahlen, aber jede*r darf auch gern etwas mitbringen.
Die Erfahrung zeigt, dass die Menschen diese Einladung gerne annehmen: „Ich habe das Konzept bereits 2022 in Frankfurt ausprobiert. Fremde Menschen kamen miteinander ins Gespräch, waren einzeln gekommen und verabschiedeten sich gemeinsam.“ so die Erfahrungen von Christiane Rath, die selber in Frankfurt eine Woche lang Bewohnerin ihrer Küche war und dort mit wechselnden Menschen Essen, Kaffee oder Tee und viele Gesprächsthemen teilte.
Die Besucher gestalten das Programm
Grundsätzlich sind alle eingeladen. Man darf sich selbst etwas mitbringen, um es allein oder mit anderen zu verzehren, vielleicht werden Gedichte vorgelesen oder ein paar Lieder zur Gitarre gesungen – das Programm bleibt offen und überraschend. Wer einfach nur reden möchte, kann dies jederzeit tun oder eine Botschaft auf der Pinnwand hinterlassen.
Christiane Rath freut sich auch schon auf einige fest angekündigte „temporäre Mitbewohner“ zum Tischgespräch:
Zwei Freundinnen von Maria 2.0 schauen am Samstag, 8. Juni, ab 11 Uhr vorbei.
Die Redaktion des Obdachlosenmagazins DRAUSSENSEITER wird am Montag, dem 10. Juni, ab 12 Uhr gemeinsam kochen und dann öffentlich über die nächsten Straßenzeitungsausgaben sprechen.
Und auch ich darf am Dienstag, 11. Juni, von 14 Uhr bis 16 Uhr mit den Menschen jet verzälle und Kaffee trinken. Und ich werde Kuchen mitbringen. Versprochen!
Alle sind eingeladen, neugierig zu sein und Teil der Installation zu sein.
Und wie das in einer WG-Küche so üblich ist, kann es auch passieren, dass man zum Spülen eingeteilt wird.
Die WG-Küche – Eine Wohngemeinschaftsküche im öffentlichen Raum
Zur Deckung der Kosten der Installation der WG-Küche werden 2.000 Euro an Spenden benötigt.
Wer das Projekt unterstützen will, kann dies am einfachsten direkt über die Website www.AgnesKueche.de oder mit einer Überweisung (Konto: KGV Köln-Mitte | IBAN: DE51 3706 0193 0014 8080 00 | Stichwort „WG-Küche Agneskirche“) machen.
Das Ding ist 62 Tonnen schwer, etwa zehn Meter hoch und steht fast mitten auf dem Roncalliplatz am Dom. Doch trotz ihrer Größe geht die „Himmelssäule“ eher unter. Ganz selten fragen Teilnehmer bei Stadtführungen, was es denn mit diesem Monolithen auf sich hat.
Dabei verbirgt sich eine durchaus kuriose Geschichte hinter dem Kunstwerk. Im Mittelpunkt: Der Lions Club und unbezahlte Rechnungen.
Ein sichtbares Zeichen der Lions an einem markanten Platz
Im Jahr 1984 fand eine Versammlung aller deutschen Lions-Clubs in Köln statt. Lions Club International ist eine Institution mit mehr als 1,4 Millionen Mitgliedern, die sich weltweit in fast 50.000 Clubs organisiert haben. Allein für Köln listet die Website des Lions-Club 15 Clubs auf. Unter dem Motto „We Serve“ („Wir dienen“) engagieren sich die Lions bei sozialen und kulturellen Projekten.
Zur Versammlung 1984 in Köln wollten die Lions eine Skulptur stiften, die „ … auf einem markanten Platz im innerstädtischen Bereich aufgestellt werden“ sollte, schrieb der damalige Vorsitzende des rheinischen Lions-Districts Günter Huhn am 19. September 1983 an den Oberbürgermeister der Stadt Köln, Dr. Norbert Burger. [Quelle: Die Zeit Nr. 17/1986].
Mit Sicherheit war es für das Vorhaben hilfreich, dass es sich bei Dr. Norbert Burger ebenfalls um ein Lions-Mitglied handelte. Und für städtische Verhältnisse ging es ungewohnt schnell: Bereits am 7. Oktober 1983 kam es zu einem Vorgespräch mit dem renommierten Künstler Heinz Mack – selbstverständlich auch ein Lions-Mitglied.
Heinz Mack (*geboren am 8. März 1931) ist ein deutscher Bildhauer und Maler und war zusammen mit Otto Piene Mitbegründer der international renommierten Künstlergruppe ZERO. Mack sollte im Auftrag des Lions Club ein Kunstwerk schaffen, welches „als sichtbares Zeichen von uns Lions in die Stadt Köln ausstrahlt.“1Quelle: Die Zeit Nr. 17/1986
Aufstellung fast direkt am Dom
Der gewünschte markante Platz war schnell gefunden: Das Kunstwerk sollte auf dem Roncalli-Platz, fast direkt am Dom, platziert werden. Den Beteiligten war auch klar, dass diese exponierte Lage eine besondere Herausforderung darstellte. Der Künstler Heinz Mack im „LION“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International2Ausgabe vom Januar 2013 dazu:
„Ja, es ist eine künstlerische Provokation gewesen. Die besondere Einladung, etwas unmittelbar vor den Dom zu stellen, war die eigentliche Herausforderung. Der Dom in seiner architektonischen und auch strukturalen Macht hat mich gefordert.“
Diese „künstlerische Provokation“ setzte Mack in der Säule Columne pro Caelo – Himmelssäule – aus Granit um. 10 Meter hoch, 62 Tonnen schwer. Um die Säule laufen waagerecht Rillen, deren Abstände zum Boden immer kleiner werden.
Der Künstler will mit der Himmelssäule einen direkten Bezug zum Dom herstellen: „Der Dom besteht aus tausenden, unzählbar vielen Steinen. Die Stele ist ein einziger Stein, dieser eine steht den vielen gegenüber. Umgekehrt können sich die vielen Steine durch den einen repräsentiert sehen.“ [Heinz Mack im „LION“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International, Ausgabe vom Januar 2013]
„Durch ihre aufwändige Kannelierung,3Kannelierung ist die Auskehlung eines Objektes mit Furchen. die die Säule wie ein Band umschließt und nach unten hin enger wird, könnte man glauben, dass der Monolith unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammensackt. Durch ihre Platzierung gegenüber des Doms geht die Himmelssäule gewissermaßen einen Dialog mit der gigantischen Kirche ein. Zum einen strecken sich beide Gebäude nach oben, dem Himmel entgegen, zum anderen symbolisiert ihre pure steinerne Masse geistiges und geistliches Gewicht.
Eben dieses Gewicht stellte auch jenseitig aller geistigen und geistlichen Symbolik ein Problem dar: So mussten Statiker aufwändig prüfen, ob der ausgewählte Platz die Himmelssäule tragen konnte und ob der Transport der Säule an diesen Platz überhaupt möglich war. Immerhin befindet sich unter dem Roncalliplatz eine Tiefgarage.
Nachdem diese technische Hürde genommen wurde, warb Oberbürgermeister und Lions-Mitglied Dr. Norbert Burger beim Domkapitel und im Rat der Stadt Köln um Verständnis. Mit Erfolg: Am 24. Mai 1984 nahm die Stadt die Schenkung der Lions dankend an.
29 Jahre Unklarheit über Stifter
Grundsätzlich hätte damit alles gut sein können. Doch aus damals unerklärlichen Gründen distanzierte sich der Vorstand der Kölner Lions wenige Stunden vor der feierlichen Übergabe von dem Kunstwerk. Allerdings waren ja bereits Fakten geschaffen worden und die Säule stand, zehn Meter hoch, gut sichtbar auf dem Roncalliplatz.
Die konkreten Hintergründe dafür waren lange nicht bekannt. Erst ein Gespräch mit Chefredakteur Ulrich Stoltenberg, dem Pressesprecher der deutschen Lions, bringt Aufklärung:
„Es ging um 93.500 DM. Das waren die Kosten für den Transport und die Aufstellung der Säule. Heinz Mack hatte die Säule gestiftet, auch das Material war eine Stiftung. Allerdings sollte der Betrag für Transport und Aufstellung von den Kölner Lions alleine aufgebracht werden.“
Doch die Kassen waren leer und der betroffene Kölner Lions Club bestand nur aus 30 Mitgliedern, die dann alleine den Betrag hätten aufbringen müssen, so Pressesprecher Stoltenberg.
Die Lösung war, den Betrag auf viele Schultern zu verteilen. So legten die Lions Deutschland zusammen, der Betrag wurde noch im Jahr 1984 bezahlt. Stoltenberg war auch Initiator einer neuen Plakette, die den Stifter eindeutig benannte.
„Jahrelang gab es eine Unsicherheit in dem Sinne: Die Skulptur hat irgendwas mit uns Lions zu tun. Viele andere haben das auch so empfunden. Da kam schon die Frage auf, ob die Lions wirklich stolz auf dieses Werk sind und sich damit identifizieren können.“4Heinz Mack im „Lion“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International, Ausgabe vom Januar 2013
Kletterer auf der Himmelssäule
Der Granit der Säule ist in jedem Fall beständig. Und auch recht rauh und griffig. Daher nutzen Freeclimber jahrelang die Säule als Kletterobjekt. Der Künstler Mack sieht diese Zweckentfremdung völlig gelassen:
„Wir haben in Köln eine Hochschule für Sport, und die jungen Leute klettern dort mit ihren zehn Fingern hoch, zerstören aber nichts. Dieser Granit hält das aus. In zehn Metern Höhe angekommen, postieren sie sich und lassen Fotos machen. Das ist natürlich eine liebenswerte Geschichte, ich habe überhaupt nichts dagegen einzuwenden.“5Heinz Mack im „Lion“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International , Ausgabe vom Januar 2013
Und damit beschreibt der Hessen geborene Mack liebevoll Artikel 1 des Kölsche Grundgesetzes:
Et es wie et es.
Auch bei einer Himmelssäule.
Er ist mit 24 Tonnen so schwer wie fünf ausgewachsene Elefanten. Und wenn er sich meldet, ist er lauter als eine ganze Herde Elefanten: Die Petersglocke, von den Kölnern liebevoll „Decke Pitter“ genannt, ist die größte Glocke im Dom. Und war bis Ende November 2016 auch die größte freischwingende Glocke der Welt. Diesen Rekord hat der Decke Pitter an eine noch eine Tonne schwerere Glocke in Bukarest verloren.
Vorläufer Kaiserglocke war noch schwerer
Vor dem Decke Pitter hing die „Kaiserglocke“ im Dom. Mit mehr als 27 Tonnen Gewicht war die Kaiserglocke sogar noch 3 Tonnen schwerer als die Petrusglocke. Allerdings hatte die 1874 gegossene Kaiserglocke kein langes Leben: Während des Ersten Weltkriegs wurde sie eingeschmolzen, um aus dem Metall „kriegswichtiges Material“, vorrangig Kanonen, herzustellen.
Aber die Kölner wollten wieder eine neue, große Glocke für den Dom. Doch neben der Finanzierung einer solchen Glocke gab es auch Probleme, überhaupt einen Glockengießer für eine neue Riesenglocke zu finden. Schon beim Guß der „Kaiserglocke“ waren die Giesser verzweifelt, weil der Guss zweimal missglückt war.
Am 31. März 1922, nahm der Glockengießermeister Heinrich Ulrich aus Apolda in Thüringen den Auftrag an. Durch die Inflation war der Preis der Glocke für Gießermeister Ulrich schwer kalkulierbar. Schon der ursprüngliche Betrag bei Auftragserteilung im Jahr 1922 lag bei 60 Millionen Mark. Doch die stetig wachsende Geldentwertung machte eine seriöse Kalkulation in Reichsmark unmöglich. Um überhaupt abgesichert zu sein, verlangte Ulrich zusätzlich 5.000 US-Dollar, die von reichen Kölnern gespendet wurden. Tragisch: Heinrich Ulrich, der Glockengießer, der den Decke Pitter erschaffen hat, erlebte die Einweihung seines Meisterwerks nicht. Er starb im Februar 1924 an einer Grippe.
Guss am 5. Mai 1922
So wurde der „Decke Pitter“ am 5. Mai 1922 im thüringischen Apolda gegossen, Dafür waren mehr als 30 Festmeter Fichtenholz nötig, um das notwendige Metall zu schmelzen. Und dann ging es ganz flott: In weniger als 10 Minuten war die Glocke gegossen. Allerdings dauerte es zwei Wochen, bis das Metall ausgekühlt war.
Es sollte aber noch bis November 1924 dauern, bevor die Glocke ihre Reise nach Köln antreten konnte. Hintergrund war, dass die Franzosen das Ruhrgebiet besetzt hatten. So bestand die Gefahr, dass die Glocke als Reparationsgut von den Franzosen dort beschlagnahmt werden könnte. Daher verbrachte der „Decke Pitter“ zunächst anderthalb Jahre in Apolda und entwickelte sich dort zum Zuschauer-Magneten.
Per Bahn kam die Glocke im November 2024 nach Köln. Das letzte Wegstück bis zum Dom begleiteten tausende begeisterte Kölner.
Angekommen in Köln musste für die 24 Tonnen schwere Glocke der Dachstuhl im Dom verstärkt werden. Und da die 3,20 Meter hohe und 3,22 Meter breite Glocke nicht durch die Türen passte, wurde ein Mittelpfeiler im Hauptportal ausgebaut.
Erste Glockenschläge am Heiligabend 1924
Die ersten Glockenschläge der Petersglocke erklangen am Heiligabend 1924. Allerdings nur drei Mal, dann riss ein Seil, und die Glocke blieb stumm. Es sollte bis Oktober 1925 dauern, bis der Decke Pitter wieder läutete.
Die Inschrift auf der Petersglocke lautet:
St. Peter bin ich genannt
schütze das deutsche Land.
Geboren aus deutschem Leid
ruf ich zur Einigkeit.
Klöppelbruch 2011
Es geschah am Dreikönigstag 2011 morgens um 6:35 Uhr: Beim Läuten der Petersglocke brach der etwa 800 kg schwere Klöppel auseinander. Bis auf die Domplatte war das Krachen des herabfallenden Metalls zu hören.
Hintergrund war die unsachgemäße Aufhängung des Klöppels. Der alte Klöppel war nicht mehr zu retten, deswegen wurde im Oktober 2011 ein neuer Klöppel geschmiedet. Am 2. Dezember 2011 war erstmals wieder der tiefe Klang des Decke Pitter zu hören.
Läuteordnung
Im Juli 2021 titelt der Kölner Express „Schonkur für den Decken Pitter“: Ein Riss in der Glocke, welcher bereits seit den 1950er Jahren bekannt war, machte es erforderlich, den Pitter seltener und jeweils kürzer zu läuten. Damit soll die Langlebigkeit der Glocke gesichert werden.
Der Decke Pitter ist aktuell1Stand 3. Mai 2024 an folgenden Tagen zu hören:
5. Januar, Einläuten Erscheinung des Herrn
19:30 Uhr montags bis samstags, 20:00 Uhr sonntags
6. Januar, Erscheinung des Herrn
9:40 Uhr
Osternacht
22:15 Uhr
Ostersonntag
9:40 Uhr
Vorabend Christi Himmelfahrt
19:30 Uhr
Christi Himmelfahrt
9:40 Uhr
Vorabend Pfingstsonntag
20:00 Uhr
Pfingstsonntag
9:40 Uhr
28. Juni, Einläuten Heiliger Peter und Paul
19:30 Uhr montags bis samstags, 20:00 Uhr sonntags
29. Juni Heiliger Peter und Paul
9:40 Uhr sonntags, 18:10 Uhr montags bis samstags
26. September, Einläuten Weihetag Dom
19:30 Uhr montags bis samstags, 20:00 Uhr sonntags
27. September , Weihetag Dom
9:40 Uhr sonntags, 18:10 Uhr montags bis samstags
7. Dezember, Einläuten Mariä Empfängnis
19:30 Uhr montags bis freitags
8. Dezember, Mariä Empfängnis
18:10 Uhr montags bis freitags, samstags vor dem Hochamt
am 9.12. um 18:10 Uhr, statt am 8.12., wenn der 8.12. ein Sonntag ist
24. Dezember, Weihnachten
19:20 Uhr,
Einläuten des Weihnachtsfestes durch die Kölner Innenstadtkirchen
23:10 Uhr,
Christmette in der Heiligen Nacht
Wenn die Glocke zwischendurch läutet, ist etwas Besonderes passiert: Entweder ist der Papst oder der jeweilige Kölner Erzbischof verstorben. Dann läutet der Decke Pitter 30 Minuten lang und bis zu Beisetzung des Papstes bzw. Erzbischofs täglich um 12 Uhr.
Auch im Vierungsturm des Doms hängen Glocken: Die Angelusglocke, die Wandlungsglocke und die Mettglocke. Bitte beachten: Der Name der Mettglocke hängt nicht mit einem kölschen Lieblingsessen ,sondern mit dem Begriff „Mette“, einem nächtlichen oder frühmorgendlichen Gottesdienst, zusammen.
Seit dem 23. März 2024 haben wir Kölner endlich wieder unser Stadtmuseum. Nachdem das alte Quartier im Zeughaus bereits 2017 wegen eines massiven Wasserschadens aufgegeben werden musste, war das Stadtmuseum ein Museum ohne Heimat. Bis jetzt.
Zwar ist der neue Standort im ehemaligen Kaufhaus Sauer in der Minoritenstraße nur als Interimsstandort vorgesehen – wer aber Köln kennt, dem ist auch klar: Solche Übergangslösungen haben in Kölle immer eine sehr, sehr lange Lebenszeit.
Von der Hahnentorburg über das Zeughaus in das ehemalige Kaufhaus
Die Ausstellung zur kölschen Stadtgeschichte hat bereits eine lange Reise hinter sich: Wie bei so vielen Museen in Köln bildete die umfangreiche Sammlung Ferdinand Franz Wallrafs den Grundstock. Ab 1888 wurde die Stadtgeschichte in der Hahnentorburg ausgestellt und ab 1902 zusätzlich in der Eigelsteintorburg. Da die Aufteilung auf zwei Standorte alles andere als optimal war, erwog man bereits 1912, das Zeughaus als Ausstellungsort zu nutzen. Allerdings machte der Erste Weltkrieg diese Pläne zunichte.
Auch der Plan, die alte Kürassierkaserne der Preußen in Deutz als „Rheinisches Museum“ zu nutzen, musste wegen der Weltwirtschaftskrise verschoben werden. Die Nationalsozialisten erkannten das propagandistische Potenzial eines solches Museums und eröffneten dort am 21. Mai 1936 das „Haus der Rheinischen Heimat“ in Deutz.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam erneut der Gedanke auf, dem Stadtmuseum im Zeughaus eine Heimat zu geben. Doch der Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Gebäudes verzögerte sich. Erst 1958 wurde die Dauerausstellung eröffnet, die dort bis zu dem Wasserschaden im Jahr 2017 gezeigt wurde.
Der schlechte Zustand des Zeughauses machte eine Fortführung der Ausstellung unmöglich. Daher gab es 2018 einen Ratsbeschluss, das ehemalige Modehaus Franz Sauer als Interimsquartier zu nutzen. Doch es sollte noch bis 2024 dauern, bis die Ausstellung dort eröffnet werden konnte.
Eine perfekte Darstellung – mit nur 0,1% aller möglichen Exponante
Der Umzug in das ehemalige Kaufhaus stellte die Kuratoren vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe: Nur 750 Quadratmeter stehen dort für die Dauerausstellung zur Verfügung. Allerdings gibt es etwa 500.000 Ausstellungsstücke, gezeigt werden können davon nur etwa 650 Exponate, weniger als 0,1%.
Diese Aufgaben haben die Kuratoren exzellent gelöst, indem man sich von einer lexikonartigen Darstellung der Stadtgeschichte gelöst hat. Stattdessen wurde, so Stefan Lewejohann, einer der Kuratoren, ein „fragender Ansatz“ gewählt:
„Wir erzählen die Kölner Stadtgeschichte jetzt durch einen fragenden Ansatz. Das heißt, dass wir emotionale Fragen stellen und dadurch episodenhaft die Kölner Stadtgeschichte erklären. Zu diesen Fragen zählt beispielsweise „Was lieben wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“ oder „Worauf haben wir Lust?“.“
Raum der Stadtgeschichte – mit innovativer Technologie
Um aber auch einen Überblick über die Geschichte der Stadt zu bieten, haben die Kuratoren an den Beginn der Ausstellungsrunde den „Raum der Stadtgeschichte“ platziert. Hier werden kurz und kompakt die wichtigsten Entwicklungen der Stadt, von der römischen Kolonie über die Franken zur mittelalterlichen Handelsmetropole, zur kurzen, aber nachhaltigen Besetzung durch die Franzosen und die anschließende Befestigung durch die Preußen, die Gleichschaltung im NS-Unrechtsstaat ab 1933, die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bis hin zur heutigen Medienstadt, in aller Kürze gezeigt.
Kern dieses Ausstellungsteils ist das riesige Stadtmodell. Dieses Modell zeigt Köln im Jahr 1571 und wurde bereits im „alten“ Stadtmuseum viel bewundert.
Doch jetzt gibt es eine aufregende Neuerung: Mittels Augmented-Reality können Besucher direkt im Stadtmodell digital in verschiedene Epochen der Stadtgeschichte eintauchen. So schweben auf einmal über der alten Ansicht der Stadt 120 Sehenswürdigkeiten, die in 13 verschiedene Epochen der Stadtgeschichte erkundet werden können. Und zwischendurch regnet es sogar Kamelle. Zumindest virtuell.
Frageräume als Orte der (Selbst-)Reflexion
Trotz aller virtueller Ausflüge blieb für die Ausstellungsmacher das Problem, auf vergleichsweise kleiner Fläche die Stadtgeschichte lebendig zu machen. Daher hat man sich für einen durchaus unkonventionellen Weg entschieden: Weg von der klassischen Chronologie oder Jahrhundert-Räumen hin zu acht aktuellen Fragen, die die Besucher beschäftigen und emotional berühren. Fragen wie: „Was lieben wir?“, „Worauf hoffen wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“, „Was macht uns wütend?“, „Worauf haben wir Lust?“, „Woran glauben wir?“ und „Was bewegt uns?“ bilden das Grundgerüst der neuen Dauerausstellung.
Dieser völlig neue Ansatz bietet Raum für Raum eine äußerst spannende Zusammenstellung: So werden in dem Raum „Woran glauben wir?“ erwartungsgemäß das christliche, das jüdische und das muslimische Köln vorgestellt. Diesen Religionen werden dann aber andere „Götter“ als Ersatzreligionen gegenübergestellt, zum Beispiel der Fußball. Nicht umsonst bezeichnen viele Fans die Stars ihrer Lieblingsvereine als „Götter“.
Gleich daneben: „Götze Geld“. Gezeigt werden die älteste Münze des Stadtmuseums, der „Triens/Drittel-Goldschilling“ (ca. Ende 6. Jahrhunderts) über die „Kölner Mark“ (aus dem 15. Jahrhundert) bis hin zu Zwei-Euro-Münze mit dem Kölner Dom (aus dem Jahr 2011).
Klüngel, „Lust auf Lust“ und „Heimweh nach Köln“
Der Raum „Was macht uns wütend?“ zeigt, was die wütenden Kämpfe früherer Generationen für Gerechtigkeit gebracht haben: freie und demokratische Wahlen, eine unabhängige Justiz, ein gerechtes Steuersystem, die Abschaffung der Todesstrafe und die Trennung von Kirche und Staat. Wichtigstes Exponat ist hier der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich.
Saftiger wird es im Raum „Worauf haben wir Lust?“. Hier geht es um Sex, Genuss und Freizügigkeit. So wird neben einem speziellen „Stadtplan für Männer“ aus dem Jahr 1972 auch die legendäre und Afri-Cola Werbung mit eher lasziven Nonnen aus dem Jahr 1967 gezeigt.
Im Raum „Was lieben wir?“ gehen die Ausstellungsmacher der besonderen Liebe der Kölner zu ihrer Stadt nach. Diese, oft auch übertriebene, „Heimattümelei“ zeigt sich in den zahllosen Liedern über Dom, Rhing und Sunnesching.
Die Ausstellung nähert sich diesem Thema äußerst reflektiert. Passend zum Lied „Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann wird das Essgeschirr des Kölners Johann Borsari gezeigt, der dieses während seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft mit dem Dom verziert hat.
Modernstes Museum Kölns auf engem Raum
Wahrscheinlich war es gerade die räumliche Enge, welche die Museumsmacher dazu gebracht hat, völlig neue Wege zu gehen. Wenn nur 650 von ca. 500.000 Exponaten gezeigt werden können, sind innovative Wege unumgänglich. Entstanden ist Kölns modernstes Museum. So weist der Direktor des Hauses, Dr. Matthias Hamann, auch ausdrücklich darauf hin:
„Der neue Standort ist nicht nur ein Interim. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum Stadtmuseum der Zukunft.“
Und hier liegt Hamann richtig: Obwohl das Haus als Interim bezeichnet wird, werden wir uns noch viele, viele Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte an der spannenden, modernen Ausstellung erfreuen können.
Wettet jemand dagegen?
Daten und Fakten zum Kölnischen Stadtmuseum
Adresse
Minoritenstr. 13
50667 Köln
Öffnungszeiten
Dienstags: 10:00 bis 20:00 Uhr
Mittwochs bis sonntags: 10:00 bis 17:00 Uhr
Das neueste Exponat der Stadtgeschichte kommt aus meiner Nachbarschaft in Raderberg
Während der Corona-Beschränkungen konnten die Kinder meiner Nachbarschaft nicht miteinander spielen. Stattdessen haben sie sich kleine Briefkästen gebastelt und konnten so zumindest Nachrichten austauschen.
Ich hatte im Jahr 2020 Stefan Lewejohann vom Stadtmuseum auf diese Briefkästen aufmerksam gemacht. Er hat dankend die Schenkung der Kinder angenommen und einige dieser Briefkästen als Dokumente der Zeitgeschichte in den Bestand des Stadtmuseums übernommen. Und einer dieser Briefkästen ist tatsächlich das neueste Exponat im „Raum der Stadtgeschichte“ und hängt jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Verbundbrief oder zum Stadtsiegel. Was für eine Ehre!
Im „Hillige Kölle“ gibt es unendlich viele Erinnerungsstätten an Heilige, wie zum Beispiel den Dreikönigsschrein , die „Goldene Kammer“ in St. Ursula oder die Marienstatue in St. Maria im Kapitol mit Äpfeln zur Erinnerung an den Appel-Jupp.
Doch zu kaum einer Heiligenfigur haben die Kölner eine so enge, fast schon persönliche, Bindung wie zu der Schwarzen Madonna in der Kupfergasse. Wenn meine Oma in der Innenstadt unterwegs war, gehörte ein Besuch dort genauso zum Pflichtprogramm wie das Einkaufen beim „Tietz“, dem heutigen Kaufhof.
Und der Bann der Schwarzen Madonna ist ungebrochen. Das zeigen auch die unendlich vielen Opferkerzen, die dort regelmäßig aufgestellt werden. Dabei wird die Schwarze Madonna bei allen möglichen Anliegen um Hilfe gebeten. So besucht auch traditionell das Kölner Dreigestirn am Karnevalssonntag die Schwarze Madonna, entzündet eine mit Karnevalsmotiven verzierte Kerze und bittet um gutes Wetter und einen erfolgreichen Ablauf des Rosenmontagszugs.
Eine dunkelhäutige Madonna
Die Madonna ist aus Lindenholz gefertigt. Dieses Holz hat eine weißlich/gelbliche bis maximal hellbräunliche Farbe. Der verstorbene Pfarrer an der Kirche St. Maria in der Kupfergasse, Werner Plänker, meinte, die Figur könne „… mit der dunklen Farbe auch das Leid und die Krankheit der Menschen, die zu ihr um Hilfe gefleht haben, angenommen haben.“ Das mag sein, wahrscheinlicher ist aber, dass der Ruß der unendlich vielen Opferkerzen die Figur geschwärzt hat. Immerhin steht die Figur bereits seit 1630 in Köln. Und hat – fast ein Wunder – alle Irrungen und Wirrungen in unserer Stadt bis heute unbeschadet überstanden.
Als dunkelhäutige Marienfigur ist die Schwarze Madonna in der Kupfergasse in guter Gesellschaft. Weltweit werden schwarze Madonnen verehrt, in Deutschland alleine 25 Exemplare. Die bekannteste Herleitung der schwarzen Madonnenfiguren bezieht sich auf das Hohelied Salomos in der Bibel. In dem recht „süffigen“, erotisch aufgeladenen Text lautet es:
„Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein. Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben dich die Mädchen. Zieh mich dir nach, so wollen wir laufen. Der König führte mich in seine Kammern. Wir wollen uns freuen und fröhlich sein über dich; wir preisen deine Liebe mehr als den Wein. Herzlich lieben sie dich. Ich bin braun, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, …“1In anderen Übersetzungen lautet es auch „Ich bin schwarz, aber gar lieblich …“
Anmutige Figur, mit Schmuck überladen
Ein genauer Blick auf die Schwarze Madonna zeigt, dass die Figur sehr anmutig ist. Bernd Imgrund beschreibt die Figur als „Eindrucksvoll, das moderne Gesicht zeugt vom Stolz auf das Kind in ihren Armen, aber auch von tiefer Ruhe und Glaubensfestigkeit.“2Bernd Imgrund: 111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss, emons-Verlag.
Dankbare Gläubige haben die Schwarzen Madonna mit Schmuckstücken beschenkt. Daher ist die Figur heute fast schon überladen, die gut gemeinten Gaben verhindern den ursprünglichen Blick die Figur.
Eine Heilige zum Anfassen
Und für die Kölschen ist und bleibt die Schwarze Madonna ursprünglich, also irgendwie eine Heilige zum Anfassen, die sich allen Anliegen annimmt. Und nur wer die kölschen Befindlichkeiten nicht kennt, ist darüber erstaunt, dass auch die Fans des ruhmreichen 1. FC Köln Opferkerzen aufstellen. Früher sollten diese Opferkerzen für die Meisterschaft sorgen, heute sollen diese wohl eher den drohenden Abstieg verhindern.
Hoffentlich wirkt es.
Bei d’r schwazze Madonna en d’r Kofferjass
Niemand geringeres als der großartige Ludwig Sebus hat der Schwarzen Madonna auch ein musikalisches Denkmal gesetzt. In seinem Lied „Bei d’r schwazze Madonna en d’r Kofferjass“ lautet es
Bei d´r Schwazze Madonna en d´r Kofferjass, brenne Kääze Dag en in un Dag us. Bei d´r Schwazze Madonna mäht manch einer Rass, un keiner jeit heim ohne Trus.
Hochdeutsche Übersetzung:
Bei der Schwarzen Madonna in der Kupfergasse brennen Kerzen tagein und tagaus. Bei der Schwarzen Madonna macht manch einer Rast, und keiner geht heim ohne Trost.