Die Standortmitte – gefährdetes Kunstwerk an der A 555

50 Meter hoch, knallrot lackiert ragt die Skulptur Standortmitte in den Himmel, Bild: Initiative RESPEKT
50 Meter hoch, knallrot lackiert ragt die Skulptur Standortmitte in den Himmel, Bild: Initiative RESPEKT

Jeder kölsche Autofahrer kennt die rote Stele mitten im Verteilerkreis: 50 Meter hoch, weithin sichtbar, ragt die rot lackierte Skulptur in den Himmel. In Bonn, am dortigen Endpunkt der Autobahn 555, reckt sich eine identische Stele in den Himmel.

Exakt 22 Kilometer trennen die beiden Stelen – doch bilden diese identischen Skulpturen eine Einheit, welche die Städte Köln und Bonn verbindet. Der Name dieses Kunstwerks lautet „Standortmitte“.  Geschaffen wurde es vom Kölner Künstler Lutz Fritsch, der zwar zwei eigenständige Stelen entworfen hat, diese aber untrennbar verbunden sieht:

„Durch das Wissen um den jeweils anderen Teil der Skulptur erlebt man räumliche Distanz als Nähe, empfindet die Souveränität des einzelnen Ortes und erkennt doch die Zusammengehörigkeit.“

Die A 555 verbindet die Domstadt und die Beethovenstadt

Die kurze A 555 ist die direkte Verbindung zwischen Köln und Bonn. Die älteste deutsche Autobahn wurde 1932 von Konrad Adenauer eingeweiht. Sie beginnt in Köln am „Bonner Verteiler“ und endet ebenfalls in einem Kreisverkehr im Bonner Norden.

Wie zwei Stecknadeln verbinden die beiden Stelen Köln und Bonn, Skizze: Lutz Fritsch.
Wie zwei Stecknadeln verbinden die beiden Stelen Köln und Bonn, Skizze: Lutz Fritsch.

Die beiden Stelen am Anfang und Ende der Autobahn wirken wie zwei Stecknadeln, die die beiden Rheinmetropolen Köln und Bonn verbinden. Michael Kohler schreibt dazu im Kölner Stadt-Anzeiger „So verbindet die beiden rheinischen Städte nicht nur der Asphalt, sondern auch ein unsichtbares Band der Kunst.“ 1Plädoyer für die bedrohte „Standortmitte“, Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. Januar 2025  

Lutz Fritsch hat die Standortmitte entworfen, die Finanzierung sichergestellt und auch die gesamte Ausführung übernommen. Im Gegenzug haben die Städte Köln und Bonn dem Künstler das Urheberrecht vertraglich zugesichert und damit die Skulptur und die sie umgebenden Verteilerkreise zu rechtlich geschützten Kunstwerken erhoben.

In Bonn findet sich die Skulptur Standortmitte am Potsdamer Platz, Bild: Hans-Dieter Weber, CC-BY 4.0
In Bonn findet sich die Skulptur Standortmitte am Potsdamer Platz, Bild: Hans-Dieter Weber, CC-BY 4.0

Trasse der Stadtbahn bedroht Kunstwerk

Doch dieses Kunstwerk ist in akuter in Gefahr: Die Stadt plant, mitten durch den Verteiler eine Trasse zur Verlängerung der Stadtbahnlinie 5 zu bauen. Diese Trasse würde unmittelbar an der Stele vorbeiführen. Nicht nur für Lutz Fritsch ist klar, dass damit der ursprünglich zugesicherte Gesamteindruck zerstört würde.

Visualisierung der von der Stadt geplanten Trassenführung unmittelbar an der Stele vorbei, Bild: Agentur 923b
Visualisierung der von der Stadt geplanten Trassenführung unmittelbar an der Stele vorbei, Bild: Agentur 923b

Ascan Egerer, der Verkehrsdezernent der Stadt, sieht dies völlig anders und auch keine Notwendigkeit für eine Umplanung, die Fritsch angeregt hat. Der Künstler hatte, zusammen mit Experten der Technischen Hochschule Köln, vorgeschlagen, die Trasse für die Stadtbahn an ein geplantes Parkhaus an der Bonner Straße zu verlegen und die Trassenführung in einer weiten Kurve an dem Kunstwerk vorbeizuführen. Damit wäre, so Fritsch, nicht nur das Kunstwerk gerettet, sondern auch der Umstieg vom öffentlichen Nahverkehr auf das Auto sicherer und bequemer.

Der Vorschag von Lutz Fritsch sieht vor, die Bahntrasse in einer weiten Kurve an dem Kunstwerk vorbeizuführen. Entwurf: Lutz Fritsch Montage: Kai Baedorf/Jan Rothstein
Der Vorschag von Lutz Fritsch sieht vor, die Bahntrasse in einer weiten Kurve an dem Kunstwerk vorbeizuführen. Entwurf: Lutz Fritsch Montage: Kai Baedorf/Jan Rothstein

Kein Geld und keine Zeit für Umplanung

Die Stadt Köln nennt zwar „planerische Lösungen vorstellbar“, lehnt  jedoch eine generelle Umplanung der Bahntrasse kategorisch ab. Weil, so Verkehrsdezernent Ascan Egerer, dann das gesamte Bauvorhaben vollständig neu geplant und genehmigt werden müsste. Und eine solche neue Planung würde schlichtweg zu viel Zeit und Geld kosten.

Andere Lösungen, wie zum Beispiel einen Tunnel, scheiden aus. Der Verteilerkreis liegt in einem Wasserschutzgebiet, welches eine unterirdisch verlaufende Alternativen unmöglich macht.

Und die Stadt zieht auch noch weitere Argumente gegen eine neue Planung heran. Die „Standortmitte“ stehe nationalen und internationalen Klimaschutzzielen im Weg, so die Stadt in einem Gutachten. Also bleibt es bei der Planung „ab und durch“ – und das Kunstwerk Standortmitte würde seine besondere Wirkung verlieren.

Engagement nicht erwünscht – Kunstbeirat tritt geschlossen zurück

Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Stadt das Kunstwerk bei der Planung schlichtweg übersehen hat. Das hat auch den Kunstbeirat auf den Plan gerufen. Der Kunstbeirat ist ein vom Rat der Stadt Köln bestelltes ständiges Gutachtergremium. Er berät in allen Fragen von Kunst im öffentlichen Raum.

In der Geschäftsordnung des Kunstbeirates lautet es:

„Der Kunstbeirat berät als ständiges Gutachter-Gremium den Rat und seine Ausschüsse sowie die Bezirksvertretungen in allen Fragen von Kunst im öffentlichen Raum. Er soll die Verwendung öffentlicher Mittel nach künstlerischen Gesichtspunkten ermöglichen, indem er über die in vielen Fällen bestehenden konkurrierenden ästhetischen Wertungen einzelner Kunstwerke und über das Spannungsverhältnis zwischen einem Kunstwerk und seinem öffentlichen Umfeld informiert.“

Ständige Mitglieder des Kunstbeirates mit Stimmrecht sind acht sachkundige Bürger/innen. Weitere Mitglieder sind, allerdings nur mit beratender Stimme, der jeweilige Dezernent für Kunst und Kultur und der Dezernent für Planen und Bauen.

Selbstverständlich hat der Kunstbeirat auch eine Stellungnahme zur „Standortmitte“ verfasst. Doch diese Stellungnahme wurde nicht beachtet.  Der Kunstbeirat wurde auch in die Beratungen nicht einbezogen. Diese Ignoranz hat am 21. November 2024 zu einem Eklat geführt: Alle acht stimmberechtigten Mitglieder traten geschlossen zurück. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme lautet es:

„Der Kunstbeirat ist keine selbstgeschaffene Interessenvertretung der Kunstszene, wie in Politik und Verwaltung mitunter angenommen wird. Die diesem Gremium vom Stadtrat selbst zugewiesene Funktion zu beraten und ggf. Empfehlungen zu anstehenden Entscheidungen auszusprechen, wurde in den letzten zehn Jahren nur teilweise oder gar nicht genutzt und in den jeweiligen Beschlüssen oftmals ignoriert. In vielen Fällen wurde der Kunstbeirat – entgegen der bestehenden Geschäftsordnung – weder befragt noch gehört. Seine (oft ungefragt verfassten) Stellungnahmen zu unterschiedlichen Themen blieben immer wieder unbeachtet”

Der Kunstwissenschaftler und Autor Kay von Keitz ist der Sprecher der des Kunstbeirates. Er moniert zu Recht, dass der Kunstbeirat zwar vom Rat der Stadt eingesetzt ist, aber von den Spitzen in Politik und Verwaltung schlichtweg ignoriert werde.

Diese Nichtbeachtung des Beirats im Fall des Kunstwerks „Standortmitte“ ist aber kein Einzelfall. Kay von Keitz weist darauf hin, dass fast alle Vorschläge, Empfehlungen und auch selbst­ständig entwickelten Konzepte der acht Fachleute ständig ignoriert wurden. Mit dem Rücktritt aller acht stimmberechtigten Mitglieder ist der Kunstbeirat nicht mehr beschlussfähig.2Stand: 14.03.2025

Weitere Entwicklung bleibt spannend

Am 25. März 2025 tagt der Ausschuss „Kunst und Kultur“. In einer Anfrage vom 14. März 2025 hat die SPD-Fraktion im Rat darum gebeten, folgende Anfrage auf die Tagesordnung zu setzen:

„Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass die stimmberechtigten Mitglieder des Kunstbeirats geschlossen zurückgetreten sind. In ihrer Stellungnahme begründen sie diesen Schritt mit der fortgesetzten Missachtung ihrer fachlichen Expertise sowie der Dysfunktionalität des Gremiums. Bereits die vorhergehende Generation des Kunstbeirats hatte ähnliche Kritik geäußert und auf Reformbedarf hingewiesen. Vor diesem Hintergrund bittet die SPD-Fraktion um die Beantwortung der folgenden Fragen:

  1. Welche Gespräche hat die Verwaltung in den letzten Jahren mit dem Kunstbeirat geführt, um die kritisierten Missstände zu adressieren, und welche konkreten Maßnahmen wurden ergriffen, um die Arbeitsfähigkeit des Gremiums zu verbessern?
  2. Welche Schritte unternimmt die Verwaltung, um das durch den Rücktritt der stimmberechtigten Mitglieder entstandene Vakuum zeitnah zu füllen?
  3. Gibt es bereits Überlegungen oder Pläne zur strukturellen oder inhaltlichen Neuausrichtung des Kunstbeirats?
  4. Wie bewertet die Verwaltung die in der Rücktrittserklärung geäußerte Kritik?
  5. Welche Konsequenzen zieht die Verwaltung aus dem Rücktritt der stimmberechtigten Mitglieder für die künftige Einbindung fachlicher Expertise im Bereich Kunst im öffentlichen Raum?

Die Antworten darauf soll es in der Sitzung am 25. März 2025 geben. Fraglich ist tatsächlich, ob sich noch Persönlichkeiten finden, die ehrenamtlich in einem Gremium mitarbeiten, welches regelmäßig übergangen wird.

Die Kulturinitiative RESPEKT, Logo von Birgit Mager und Steffen Missmahl
Die Kulturinitiative RESPEKT, Logo von Birgit Mager und Steffen Missmahl

RESPEKT – eine Kulturinitiative für Köln

Der Künstler Lutz Fritsch lässt sich mittlerweile von Yasmin Mahmoudi, Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, vertreten. Aber auch die Stadtgesellschaft macht mobil. So hat sich die Initiative RESPEKT gegründet. Zu den Initiatoren gehören unter anderem

  • Birgit Mager, Design-Professorin der TU Köln,
  • Bruno Wenn, Vorsitzender des Kölner Kulturrats,
  • Jochen Heufelder, Kurator,
  • Peter Pauls, Vorsitzender Kölner Presseclub,
  • Barbara Hosmann, Vorstand der Freunde der Artothek Köln und
  • Ulrich S. Soénius, Historiker und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs.
Ulrich S. Soénius, Sprecher der Kulturinitiative REPEKT und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Ulrich S. Soénius, Sprecher der Kulturinitiative REPEKT und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Soénius verurteilt die Planung der Stadt deutlich: „Moderne Stadtplanung achtet historische Strukturen, hält sich an Verträge und vermeidet Betonungetüme, die auf Jahrzehnte hinaus das Stadtbild verschandeln. Alles dies beachten die Brückenplaner und Verantwortlichen in der Stadt mit den vorgelegten Plänen am Verteilerkreis nicht.“

RESPEKT ist kämpferisch

Nach eigener Aussage wünscht sich die Initiative mehr Respekt. „Allein der Sachzwang regiert. Standortmitte ist für uns ein herausragendes Beispiel für die vielen Respektlosigkeiten in der Stadt Köln. Wir wünschen dieser Stadt, an der wir alle hängen, mehr Respekt. Für andere und damit für sich selbst.“

„RESPEKT – eine Kulturinitiative für Köln“ lädt alle Interessierten ein, sich für eine Stadt einzusetzen, in der ein Wort gilt, ein Vertrag respektiert wird und in der verantwortungsvoll mit der Entwicklung einer respektvollen Zukunft umgegangen wird.

Das klingt wunderbar – aber aktuell leider nicht nach Köln.


Film zur „Standortmitte“ am 30. März 2025 (11.30 Uhr) im Odeon Kino

Der Film beobachtet die komplizierte und teilweise spektakuläre Herstellung der riesigen Stelen, in der schwerer Stahlbau auf exklusive Feinmechanik trifft. In Zusammenarbeit mit Firmen aus der Region betritt Fritsch auch in technischer Hinsicht Neuland – es darf nichts Geringeres entstehen als das perfekte Rohr. Gleichzeitig gibt der Film einen Einblick in die künstlerische Konzeption des Projektes Standortmitte und die Innenwelt des Künstlers Lutz Fritsch. 

Nach der Aufführung wird Künstler Lutz Fritsch im Gespräch mit dem Autor des Films Gerhard Schick und Initiatoren der Kulturinitiative RESPEKT über das Projekt und den aktuellen Status sprechen.

Tickets gibt es direkt beim Odeon Kino.


„Ich engagiere mich, weil mir die Kultur in Köln und ein respektvoller Umgang mit ihren Künstler*innen und deren Kunstwerken am Herzen liegt und dies auch in den städtischen Planungen erkennbar sein muss“.
Barbara Hosmann, Vorstand Freunde der artothek Köln

RESPEKT sucht Mitstreiter

Alle Informationen zur Kulturinitiative RESPEKT sind auf der Website, auf Instagramm und auf LinkedIn zu finden.


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Die riesige Eistüte am Neumarkt – „Wat soll dä Quatsch?“

Neumarkt-Galerie, Köln mit Skulptur Dropped Cone - Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Bild: Raimond Spekking
Neumarkt-Galerie, Köln mit Skulptur „Dropped Cone“ von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Bild: Raimond Spekking

Kölns größte Eistüte befindet sich am Neumarkt. Mehr als zwölf Meter hoch ragt das riesige Objekt in den Himmel. Satte drei Tonnen, oder umgerechnet so schwer wie 37.500 Eisbällchen, wiegt das Kunstwerk „Dropped Cone“ von Claes Oldenburg (1929 – 2022) am Gebäude der Neumarktgalerie.  

„Wat soll dä Quatsch?“

Touristen rätseln und auch Einheimische fragen sich „Wat soll dä Quatsch?“. Und damit hat Oldenburg sein Ziel erreicht. Er selbst hat die Bedeutungslosigkeit seiner Kunst zum Konzept erklärt: „Die Bedeutung darin wird zweifelhaft und uneinheitlich bleiben – und genau so sollte es sein.“ Und so formte Oldenburg reichlich Alltagsgegenstände – immer in XXL-Varianten. Etwa eine riesige Spitzhacke, einen gigantischen Lippenstift, einen Stecker in der Größe einer Garage oder die gigantische Kölner Eistüte.

Oldenburg-Skulptur "Spitzhacke", Bild: Cherubino, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Oldenburg-Skulptur „Spitzhacke“, Bild: Cherubino, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Mit seinen Kolossalobjekten wurde der 1929 in Stockholm geborene und am 18. Juli 2022 in New York verstorbene Oldenburg neben Roy Lichtenstein und Andy Warhol zu einem der bedeutendsten Vertreter der Pop Art.

Oldenburg-Skulptur "Plantoir", Bild: Manuelvbotelho, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Oldenburg-Skulptur „Plantoir“, Bild: Manuelvbotelho, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Vielfältige Interpretationen der Kölner Eistüte

Die Kölner Eistüte wurde im März 2001 auf dem Gebäude der Neumarkt Galerie, ein Einkaufszentrum direkt am Neumarkt, installiert. Die Betreiber der Neumarkt Galerie zahlten auch die Kosten in Höhe von 3 Mio. DM für dieses Kunstwerk. 

Ganz im Sinne von Oldenburg wurde seit dem Tag der Installation munter interpretiert, was denn die Bedeutung der Skulptur sein könnte. So wurde das schmilzende Eis schnell als Symbol der „Vergänglichkeit des Konsums“ ausgelegt.

Sogenannte "Niederländer" für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee. Am linken Bildrand ist das Holzgestell zu erkennen, welches die Anlegestellen der Ober- und Niederländer trennt, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Köln als eine „Stadt der Kirchtürme“ zu bezeichnen ist nicht ganz von der Hand zu weisen, hier ein Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531

Eine andere Sichtweise wird auf Oldenburgs Kollegin und Ehefrau Coosje van Bruggen (1942 – 2009) zurückgeführt. Oldenburg und seine Frau hatten sich Postkarten von Köln zeigen lassen und Coosje van Bruggen hatte angemerkt, dass Köln offensichtlich eine Stadt der Kirchtürme sei. Und somit wurde der Eistüte eine fast schon sakrale Aussage angedichtet, weil diese an die Kirchtürme der Kölner Skyline erinnern würde. Und diese Interpreation ist auch mein Favorit – als eine Huldigung ans „Hillije Kölle“ in der Geschmacksrichtung Vanille. Unbestätigten Aussagen zufolge waren urspünglich sogar zwei Eishörnchen geplant, die an die beiden Türme des Doms erinnern sollten.

Noch einen Schritt weiter geht die Auslegung, dass mit diesem „Kirchturm aus Eis“ die Neumarktgalerie mit ihren Geschäften zum „Tempel des Konsums“ uminterpretiert wird.

Die Künstler selber wiesen auch darauf hin, dass im Namen der Skulptur „Dropped Cone“ sogar Buchstaben des Stadtnamens „Cologne“ zu finden sind. 

Der legendäre Domkran als Vorbild

Volker Hein hat recht: Der Domkran muss die Vorlage für Oldenbourgs Plastik "Dropped Cone" gewesen sein. Bild: Auszug aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531 (links), Foto von Volker Hein (rechts)
Volker Hein hat recht: Der Domkran muss die Vorlage für Oldenbourgs Plastik „Dropped Cone“ gewesen sein. Bild: Auszug aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531 (links), Foto von Volker Hein (rechts)

Die vielleicht schönste Interpretation stammt vom Schauspieler und Stadtführer Volker Hein: Er hat erkannt, dass das Eishörnchen von Claes Oldenbourg fast exakt dem Domkran entspricht.

Dieser hölzerne Drehkran wurde im 14. Jahrhundert auf dem Südturm des Kölner Doms installiert und war zwar nur etwa 50 Jahre lang im Einsatz, prägte  aber als Wahrzeichen das Kölner Stadtbild bis zu seinem Abbau im Jahr 1868. Und die Ähnlichkkeit zwischen Eishörnchen und Domkran ist tatsächlich erstaunlich. 

Ganz einfach: Köln bietet zu wenig Platz für Kunst!

Auch wenn es reichlich Spekulationen über die Aussage des Kunstwerks gibt ist der Hintergrund für die Platzierung der Skulptur eindeutig.

Oldenburg dazu: „Da wir den genauen Standort für das Werk frei wählen konnten, suchten wir nach einem Platz im Freien und entschieden uns, unsere Skulptur auf dem Dach des Einkaufszentrums zu platzieren, da die Straßen in Köln so überfüllt sind.“

Und wer den verkehrsumtosten Neumarkt und die beengten Kölner Verhältnisse kennt, kann dem weltberühmten Künstler nur beipflichten.


Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking
Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking

Rund um den Neumarkt gibt es viel zu erkunden!

Am Neumarkt steht nicht nur die riesige Eistüte von Claes Oldenburg, sondern auch die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac. Etwas versetzt hinter der Neumarktgalerie, in der Richmodstraße, findet sich der Richmodisturm mit den beiden sagenumwobenen Päädsköpp. Auf der Südseite des Platzes steht ein Gebäude mit bewegter Geschichte: Das Bing-Haus. Und zu Geschäftszeiten lohnt sich ein Abstecher in die benachbarte Schalterhalle der Kreissparkasse – dort gab es 4711 kostenlos.


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Bläck Fööss – Zeitreise durch mehr als 50 Jahre kölsche Musikgeschichte

Die Bläck Föös in ihrer aktuellen (Anfang 2025) Besetzung, Bild: Kay-Uwe Fischer
Die Bläck Föös in ihrer aktuellen (Anfang 2025) Besetzung, Bild: Kay-Uwe Fischer


In den 1970er Jahren war der Sitzungskarneval sehr angestaubt. Langweilige Sitzungen mit nichtssagender Musik, Abendgarderobe und eher steifen als  lustigen Karnevalisten waren die Regel.

Und dann kamen auf einmal ein paar langhaarige Jungs auf die Bühne, am Anfang noch met bläcke Fööss1barfuß, mit Gitarre und Schlagzeug und fingen an, kölsche Lieder zu spielen, wo vorher noch eher festlich hochdeutsche Lieder vorgetragen wurden.

Die Bläck Fööss in den 1970er Jahren, Bild: Bläck Fööss
Die Bläck Fööss in den 1970er Jahren, Bild: Bläck Fööss

Der Versuch der etablierten, offiziellen Kappenträger, diese Band einfach zu ignorieren, ging gehörig daneben.2Ein Muster übrigens, was sich etwa 30 Jahre später bei Brings wiederholen sollte. Die Menschen wollten genau diese Musik hören. 

Das war die Geburtsstunde einer kölschen Erfolgsgeschichte:
Die Bläck Fööss eroberten die Bühnen.

Examen an der „Akademie för uns kölsche Sproch“

Wie so viele aus den Jahrgängen ab etwa Mitte 1960 sind auch Jörg Hauschild und Ekkehard „Ekki“ Hoffmann mit der Musik der Fööss aufgewachsen. Und als die beiden dann ihr Examen an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ gemacht haben, wurde aus einer Idee Realität: Ihre Abschlussarbeit an der Akademie haben beide zusammen über die “Mutter aller kölschen Bands” – die Bläck Fööss – geschrieben.

Ekkehard „Ekki“ Hoffmann (links) und Jörg Hauschild mit ihrer Diplomarbeit über dei Bläck Fööss, Bild: Ekki Hoffmann
Ekkehard „Ekki“ Hoffmann (links) und Jörg Hauschild mit ihrer Diplomarbeit über dei Bläck Fööss, Bild: Ekki Hoffmann

Die beiden haben sich äußerst akribisch in die Geschichte der Fööss eingearbeitet und auch mit den Musikern aus der Band direkt gesprochen.

Einzigartig ist, dass diese Arbeit die erste Diplomarbeit an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ ist, die bilingual erscheint: Auf Kölsch und Hochdeutsch. Ein absolutes Novum in der Geschichte der Akademie.

Diplomarbeit hier zum Download

Ich freue mich SEHR, dass die beiden mir erlaubt haben, diese sehr lesenswerte Diplomarbeit hier zum Download anzubieten.

Die Diplomarbeit von Jörg Hauschild & Ekkehard Hoffmann: "Heimatflimmern Bläck Fööss - Zeitreise durch mehr als 50 Jahre Musikgeschichte", Quelle: Hauschild & Hoffmann
Die Diplomarbeit von Jörg Hauschild & Ekkehard Hoffmann: „Heimatflimmern
Bläck Fööss – Zeitreise durch mehr als 50 Jahre Musikgeschichte“, Quelle: Hauschild & Hoffmann (Der Download startet bei klick auf die Darstellung.)

Interview mit den Bläck Fööss-Experten

Frank und ich durften mit den beiden sprechen. Gemeinsam haben wir eine Zeitreise zu 50 Jahren Bläck Fööss unternommen.

Die beiden Bläck Fööss-Experten Ekki und Jörg bei der Podcast-Aufnahme, Bild: Uli Kievernagel
Die beiden Bläck Fööss-Experten Ekki und Jörg bei der Podcast-Aufnahme, Bild: Uli Kievernagel

Teil I: Die Anfänge bis 1994

Wir haben über die Anfänge mit Graham Bonney und dem „Rievkooche-Walzer“ gesprochen, über das durchaus zwiespältige Gefühl der Fööss zum Karneval und über den ersten großen Umbruch mit dem Ausstieg von Tommy Engel im Jahr 1994.

Teil II: Die Geschichte der Fööss von den 1990ern bis heute

Im zweiten Teil geht es um die Meilensteine der Bandgeschichte und den langsamen Ausstieg der Ur-Fööss aus der Band. Außerdem wagen die beiden Fööss-Experten einen Blick in die Zukunft.


Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ haben auch Ekki Hoffmann und Jörg Hauschild den „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.

  1. Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du wohnen? Und warum gerade dort?

Ekki: Kopenhagen, die Dänen haben uns viel voraus

Jörg: Da, wo ich jetzt wohne, in Bergisch Gladbach – Schildgen

  1. Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?

Ekki: Toleranz

Jörg: Hätzlich un bodenständich

  1. Was würdest du morgen in unserer Stadt ändern?

Ekki: Autofreie Innenstadt

Jörg: Die zielgerichtete Zusammenarbeit

  1. Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.

Ekki: Die Oper wird nie fertig / Entscheidungs-/Umsetzungsstau / Parken in zweiter Reihe ohne Konsequenzen

Jörg: Häh?

  1. Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln?

Ekki: Rheinufer mit Blick auf den Dom

Das Millowitsch-Denkmal. Einfach mal neben Willi Platz nehmen, Bild: Ruth Rudolph / pixelio.de
Willi Millowitsch hat Ekki und auch Jörg inspiriert, hier das Millowitsch-Denkmal. Bild: Ruth Rudolph / pixelio.de
  1. Welche KölnerInnen haben dich beeinflusst / beeindruckt?

Ekki: Willy Millowitsch, Wolfgang Overath

Jörg: Jupp Menth, Willi Millowitsch und Wolfgang Niedecken

Wolfgang Niedecken mit Background-Sängerin Karen Schweitzer-Faust bei einem BAP-Konzert in der Sporthalle (1991) , Bild: Achim Scheidemann
Wolfgang Niedecken, hier mit Sängerin Karen Schweitzer-Faust, hat Jörg beinflusst. Bild: Achim Scheidemann
  1. Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?

Ekki: Mit netten Menschen Karneval feiern

Jörg: Fasteloovend fiere

  1. Wat hät für dich noch immer jood jejange?

Ekki: Trotz allem kritischen liebe ich diese Stadt

Jörg: Meiner Berufung nachgehen, ich arbeite in der touristischen IT und bin ein Schützenjunge

  1. Wo drüber laachs de dich kapott?

Ekki: Über die Sicht von außen auf Köln

Jörg: Alberner Humor und immer Situationskomik

  1. Dein Kölsche Lieblingskneipe?

Ekki: In der Jugend das Piranha

Jörg: Et Höttche oder Max Stark

  1. Dein Lieblingskölsch?

Ekki: Sünner Malz

Jörg: Ratet mal (siehe oben)3Sowohl im Max Stark als auch im Höttche wird Päffgen-Kölsch ausgeschenkt.

Halve Hahn, Bild: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)
Ekkis Lieblingsgericht: Ne Halve Hahn, Bild: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)
  1. Was ist dein kölsches Lieblingsgericht?

Ekki: Halver Hahn

Jörg: Himmel un Ääd

  1. Dein Lieblingsschimpfwort auf Kölsch?

Ekki: Lällbeck

Jörg: Sackjeseech … da gibt es auch ein  schönes Lied zu

  1. Bitte vervollständige den Satz: Köln ist …

Ekki: … Heimat

Jörg: … e Jeföhl


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Ein paar Fragen an Philipp Godart: „Ein Kölle Alaaf“

Philipp Godart - moderne Popmusik op kölsche Art. Bild: Philipp Godart
Philipp Godart – moderne Popmusik op kölsche Art. Bild: Philipp Godart

 

Er wird als der „kölsche Ed Sheeran“ bezeichnet: Der Musiker und Produzent Philipp Godart. Er steht bereits seit seinem elften Lebensjahr auf der Bühne und ist auch seit ein paar Jahren im kölschen Fastelovend unterwegs.

Damit der Imi auch die richtigen kölschen Worte trifft, hat er bei der Akademie för uns kölsche Sproch studiert und schreibt seine Songs heute im perfekten Kölsch. Pünktlich zum 11.11.2020 erschien seine erster kölscher Song „Iwig“. Es folgten unter anderem “Et bliev esu” und „Su wie Jana“.

„Ein Kölle Alaaf”

In der Session 2024/25 hat er gleich zwei neue Lieder veröffentlicht „Souvenir“ und „Ein Kölle Alaaf”. In diesem Song stecken zahlreiche kölsche Hits – eine kleine Zeitreise durch den Kölner Karneval. So lautet es:

Katrin, Meyers Kättche, un dat Leev Marie
Dann Bye Bye my love, su wie met dir wor et nie
MIr sin eins, echte Fründe, mir han de Musik bestellt
Mer fiere et Levve, em jeilste Land der Welt
 

Beginn der Karnevalskarriere bei der KAJUJA

Wie für so viele Künstler im Karneval begann es auch für Philipp bei einem Vorstellabend. Diese Vorstellabende finden vor Beginn der Karnevalszeit statt. Dort präsentieren sich Musiker, Redner und Tanzgruppen vor den Literaten.1Literaten sind die heimliche Macht im Sitzungskarneval. Ein Literat stellt das Programm der Sitzungen zusammen und bucht die Redner, Bands und Tanzgruppen. Und danach hoffen die Künstler auf viele, viele Buchungen.

Philipp Godart durfte sich 2019 beim Vorstellabend der KAJUJA2Die KAJUJA Köln wurde bereits 1949 gegründet und ist eine Karnevalistenvereinigung, die aktiven Bühnen-Nachwuchs für den Kölner Karneval ausbildet. präsentieren. Danach ging es für ihn auf Kölns Bühnen richtig los.

Flexibilität gefordert

Heute spielt er weit über 50 Auftritte in der Session – Tendenz steigend. Der Anspruch und Stresslevel für die Künstler auf den Sitzungsbühnen ist hoch: In der Regel haben die Tontechniker etwa 30 Sekunden Zeit, die Technik auf der Bühne aufzubauen, bevor der Sitzungspräsident den jeweiligen Künstler aufruft. 

Und dann gilt es in ungefähr 20 Minuten abzuliefern. Egal, ob Seniorensitzung in Sürth oder Mädchensitzung in Mauenheim um 23 Uhr. Phlipp Godart hat deswegen kein fixes Programm: „Man muss sich auf die jeweilige Situation einstellen. Spätestens nach 22 Uhr entfallen lange Ansprachen auf der Bühne – da geht es sofort zu Sache.“ 

Studio „Wunderland“ und Label „schanzenART“

Phlipp Godart lebt von der Musik – nicht nur im Karneval. In seinem eigenem Studio „Wunderland“ bietet er von Songwriting über Aufnahme und Produktion bis zu Vocalcoaching das komplette Programm für alle Künstler. 

Veröffentlichungen der Songs können auch auf Wunsch über sein eigenes Label schanzenART erfolgen. Das „Kölner Musiklabel für kölsche Musik und deutsche Popmusik“ ist auf den den digitalen Vertrieb spezialisiert. Die Zeiten haben sich verändert, und Musik wird heute völlig anders produziert und konsumiert als noch in den 2000er Jahren. Diese Veränderung ist in den Tonstudios und bei den Künstler:innen angekommen, bei den Fans sowieso. Leider aber noch nicht bei den Musiklabels und den Wegen des überwiegend digitalen Vertriebes.“ so Phillipp über sein Label. Für ihn stehen die Selbstbestimmung der Künstler und Vertragsmodelle auf Augenhöhe im Mittelpunkt. 

Ehrenamtliches Engagement „Pänz-Große-Pause“ 

Philipp Godart will das kölsche Brauchtum auch den nächsten Generationen nahe bringen. So ist er, zusammen mit den Bands Kempes Finest, Lupo und ALUIS, Teil des Projekts „Pänz-Große-Pause“.

Die beteiligten Künstler besuchen ehrenamtlich ausgewählte Schulen und feiern mit den Kindern den kölschen Karneval. Philipps Schwerpunkt liegt in diesem Projekt auf den Förderschulen.

Das Kölner Kinderdreigestirn 2025: Kinderprinz Ole I., Kinderbauer Anton, Kinderjungfrau Philippa, Bild: Festkomitee Kölner Karneval
Das Kölner Kinderdreigestirn 2025: Kinderprinz Ole I., Kinderbauer Anton, Kinderjungfrau Philippa, Bild: Festkomitee Kölner Karneval

Ein Lied für das Kölner Kinderdreigestirn

Im Jahr 2025 gab es den „kölschen Ritterschlag“ für Philipp Godart. Er hat das Sessionslied: „FasteLOVEnd“ für das Kinderdreigestirn geschrieben. Bei jedem Auftritt präsentieren die drei Pänz dieses Lied.

Eingesungen wurde das Lied gemeinsam mit dem integrativen Chor „Belve-Pänz“ der Förderschule Belvederstraße.

 

Das ganze Interview im Podcast – mit LIVE-Musik! 

In unserem Interview im Podcast spricht Philipp über seinen Werdegang im Karneval, er spielt LIVE seine neuen Lieder „Souvenir“ und „Ein Kölle Alaaf”. Außerdem erzählt er äußerst interessante Details aus der kölschen Musikszene. Reinhören lohnt sich! 


 

Philipp Godart

Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ hat auch Philipp Godart zu meinen „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.

Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du leben? Und warum gerade dort?

Als echte kölsche Imi natürlich nirgendwo anders. Aber wenn ich müsste, dann hätte ich zwei Orte zur Auswahl: Zum einen Berlin, denn da leben meine Mutter und mein Bruder, und ich bin sehr oft dort. Und zum anderen London. Diese Stadt wäre eine Alternative – aber London ist ja noch teurer als Köln.

Wo ist dein Lieblingsplatz in Kölle?

Zollstock. Eindeutig. Ich bin meinem Veedel wirklich sehr verbunden, und da ist es auch wirklich nett – für manche vielleicht erst auf den zweiten Blick. In Zollstock gibt es einen kleinen netten Park, da bin ich eigentlich täglich um ein Runde zu drehen.

Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Philipp fühlkt sich Zollstock sehr verbunden, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Und ich bin sehr gerne bei mir im Tonstudio in Mülheim. Das ist ein sehr kreativer Ort. In Mülheim gibt es einen sehr schönen kleinen Streifen am Rhein, da kann man richtig schön in Ruhe spazieren – das ist ja nicht überall am Rhein so gegeben.

Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?

Das ist in jedem Fall Optimismus: „Et hät noch immer jood jejange“. Selbst wenn ich mal einen Rückschlag erlebe ,bin ich nur zehn Minuten niedergeschlagen –  dann kommt schon wieder irgendwas Positives .

Welche Kölner haben dich beeinflusst?

Das sind – wenn man die Musik betrachtet – einige. Und manche davon sind sogar sogar Kollegen geworden. So finde es zum Beispiel toll, was die Höhner so alles gemacht haben. Henning Krautmacher hat mich definitiv beeinflusst. Wir haben mittlerweile ein sehr enges Verhältnis, er ist so etwas wie ein Mentor für mich.

Aber ich danke auch Leuten wie Karl Berbuer, Fritz Weber oder Willi Ostermann dafür, dass sie vor vielen Jahren auf den Bühnen als Solisten waren wo ich jetzt wieder als Solist hin möchte.

Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?

Weiberfastnacht ist der Höhepunkt. Dann geht es für uns Musiker gefühlt 24 Stunden rund. Auch am Freitag und am Samstag wird noch gearbeitet. Am Sonntag bin ich bei den Schul- und Veedelszöch dabei. Rosenmontag habe ich frei, da werde ich von einer Tribüne aus den Zug sehen.

Dienstag bin ich mit der Europaschule beim Zollstocker Dienstagszug dabei. Ein Ehrenamt und ein sehr großer Spaß, ordentlich Rabatz mit den Pänz zu machen.

Und was zwischen Aschermittwoch und Weiberfastnacht?

Schlafen! Wir Karnevalisten sind ein bisschen wie Bären nur umgekehrt: Wir haben einen langen Sommerschlaf und im Winter werden wieder aktiv.

Im Ernst: Nach Aschermittwoch gönne ich mir wie alle Karnevalisten ein paar Tage Urlaub. Und dann geht es direkt schon wieder ins Studio. Ich schreibe und produziere ja nicht nur für mich, sondern für mehrere Künstler in Köln und in ganz Deutschland. Und im April geht es dann auch schon wieder mit meinen eigenen Konzerten los.

Rievkooche, Klaus Steves / pixelio.de
Rievkooche, für Philipp mit Apfemus und Schwarzbrot, Bild: Klaus Steves / pixelio.de

Dein kölsches Lieblingsessen?

Eindeutig Rievkooche. Gerne mit Apfelmus und Schwarzbrot.

Wat hät für dich noch immer jood jejange?

Im Prinzip alles. Denn: Am Ende ist alles auch immer nur halb so schlimm. Wobei: Im Hinblick auf die Wahlergebnisse der AfD im Osten fällt mir diese Aussage dann doch etwas schwer. Deswegen unbedingt am 23. Februar wählen gehen!

Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.

Oh – das ja fast schon eine Fangfrage! Ich finde, man sollte Köln auf jeden Fall verlassen, wenn die AfD hier weit über 40%  holt. Das wäre eine absolute Vollkatastrophe und  ein absolut legitimer Grund, hier wegzugehen. Deswegen: Geht schön alle am 23. Februar wählen! Grund Nummer zwei wäre die KVB. Das lässt durchaus zu wünschen übrig, das bekommen andere Städte definitiv besser hin. Ein dritter Grund fällt mir echt nicht ein.

Worüber laachste dich kapott?

Bestimmt nicht über Camping! Denn meine Schwiegereltern sind fanatische Camper, das ist wie eine Religion.

Worüber ich aber sehr lachen kann, sind einige Kollegen hier in Köln. Ganz toll finde ich zum Beispiel Martin Schopps, Volker Weininger oder den „Tuppes vom Land“, einen der letzten Vertreter der traditionellen Reim-Rede. Aber auch Marc Metzger ist sensationell lustig.

Dein Lieblingsschimpfwort auf Kölsch?

Der Schmecklecker. Der hat es sogar in eine Songtext von mir geschafft.

Bitte vervollständige den Satz: Köln ist …

Köln ist eine Stadt, die auf den ersten Blick nicht verliebt macht – aber auf den zweiten Blick definitiv.


Ein Kölle Alaaf

Musik und Text: Philipp Godart und Jörg Bracht
 
Met Heimwieh noh Kölle, wenn et sin muss zo Foß
För die Ahl e paar Blömcher, en unserem Veedel Zohus
Mir wore Pirate als Pänz dofür jitt et kein Wood
Hück steiht de Welt still, denn et jeiht widder loss
 
Su lang mer all noch am Lääve sin
ne kölsche Jung steck in jedem drin
mh mh
 
Du bes die Stadt, du bes jeck
wenn’t Trömmelche jeiht
dann stonn mir parat
 
Viva Colonia, Alaaf
jo Minsche wie mir
Us der Stadt Met K
Die singe immer
 
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
mir singe immer
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
 
Katrin, Meyers Kättche, un dat Leev Marie
Dann Bye Bye my love, su wie met dir wor et nie
MIr sin eins, echte Fründe, mir han de Musik bestellt
Mer fiere et Levve, em jeilste Land der Welt
 
Su lang beim Lommi et Leech noch brennt
un jeder Jeck noch die Leeder kennt
mh mh
 
Du bes die Stadt, du bes jeck
wenn’t Trömmelche jeiht
dann stonn mir parat
 
Viva Colonia, Alaaf
jo Minsche wie mir
Us der Stadt Met K
Die singe immer
 
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
mir singe immer
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
 
Du bes die Stadt, du bes jeck
wenn’t Trömmelche jeiht
dann stonn mir parat
 
Viva Colonia, Alaaf
jo Minsche wie mir
Us der Stadt Met K
Die singe immer
 
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
mir singe immer
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
 
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf
mir singe immer
oh oh oh oh oh oh oh
ein Kölle Alaaf

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Der Kölner Krippenweg und die Krippe in einem zerstörten Krankenwagen

Der völlig zerstörte Krankenwagen aus der Ukraine. Im Vordergrund die Krippe. Bild: Uli Kievernagel
Der völlig zerstörte Krankenwagen aus der Ukraine. Im Vordergrund die Krippe. Bild: Uli Kievernagel

Es ist ein Ort der absoluten Gegensätze: Auf der einen Seite ein zerschossener, zerstörter Krankenwagen. Mit zahlreichen Einschusslöchern. Der zerstörte Krankenwagen als Symbol des Krieges, der Zerstörung und des Todes.

Auf der anderen Seite eine Krippe. Eine Krippe, über die Stadtsuperintendent Dr. Bernhard Seiger sagt: „In der Heiligen Nacht kommt … in Bethlehem ein Kind zur Welt und wird mangels eines Kinderbetts in eine Krippe gelegt. Dieses Kind ist ein jüdisches Kind. Es erlebt die Gefährdung seines Lebens schon als Kind und erfährt als Erwachsener Gewalt und Qual bis zur Tötung. Und doch tritt dieses Kind, genannt Jesus, für Versöhnung und die Würde der Schwachen ein.“1Quelle: Grußwort zum Kölner Krippenweg Die Krippe als Symbol des Friedens, der Hoffnung und des Lebens.

Im Lager des „Blau-Gelben Kreuzes“ kommen diese beiden Symbole zusammen: Ein Symbol des Krieges und ein Symbol des Friedens. Auf engstem Raum. Als Teil des Kölner Krippenwegs.

Der Kölner Krippenweg

Bereits zum 29. Mal lädt der Kölner Krippenweg ein, ausgewählte Krippen kennenzulernen. Die Organisatoren wählen die teilnehmenden Krippen sorgfältig aus. Caroline Maria Weber ist die Vorsitzende der Krippenfreunde Region Köln e.V. und beschreibt die Zusammenstellung des Krippenwegs wie folgt: “Die Auswahl der Krippen erfolgt nicht nach dem Zufallsprinzip, sondern nach Kriterien der künstlerischen und inhaltlichen Qualität. Wir schaffen Bezüge zu Köln und seinen internationalen Partnerstädten. … Wir zeigen Werke der Krippenkunst aus Privatsammlungen wie eine zierliche böhmische Krippe oder eine Winzerkrippe von der Ahr.“2Quelle: Grußwort zum Kölner Krippenweg

Zu diesen ganz besonderen Krippen zählt auch die Hänneschen-Krippe auf dem Neumarkt, die Krippenlandschaft aus LEGO in St. Johann Baptist oder die lebenden Tiere in der Krippe des Lindenthaler Tierparks. Als Ort der Gegensätze fällt aber die Krippe am zerschossenen Krankenwagen des Blau-Gelben Kreuzes ganz besonders auf.

Logo Blau-Gelbes Kreuz e.V.

Das Blau Gelbe Kreuz

Der Verein „Blau-Gelbes Kreuz“ ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Köln. Der Verein existiert bereits seit 2014 und fördert die Entwicklung einer freien, demokratischen Ukraine. Seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine leistet das Blau Gelbe Kreuz Hilfe für die Opfer des Krieges.

In einem großen Lager in Raderberg (Marktstraße 27, 50968 Köln) werden Sachspenden entgegengenommen und zur Weiterverteilung in der Ukraine vorbereitet.

Zwei tote Männer, eine verschleppte Frau

Im März 2022 war die Besatzung des ausgestellten Krankenwagens auf dem Weg zu einem Hilfseinsatz in der Nähe des Dorfes Tsyrkuny im Gebiet Charkiw unterwegs. Dieses Gebiet ist auch heute noch stark umkämpft. Die Besatzung des Krankenwagens versuchte, verletzte Menschen zu retten. Doch ein russisches Militärfahrzeug rammte den Wagen. Das Fahrzeug wurde völlig zerstört.

Der zerschossene und von einem russischen Militärfahrzeug gerammte Krankenwagen, Bild: Uli Kievernagel
Der zerschossene und von einem russischen Militärfahrzeug gerammte Krankenwagen, Bild: Uli Kievernagel

Der Fahrer des Krankenwagens, Serhii, geb. 1982, und der Sanitäter, Oleksandr, geb. 1986, wurden an Ort und Stelle erschossen. Die ebenfalls zur Besatzung gehörende Ärztin Viktoria wurde verschleppt, über ihr weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Drei Monate Überlebensdauer eines Krankenwagens

Dieser Angriff auf einen Rettungswagen ist kein Einzelfall. Das russische Militär macht gezielt Jagd auf Rettungsfahrzeuge. Ziel ist der blanke Terror, die Erzeugung von Angst und die Demoralisierung der Ukrainer.

Rettungswagen in den kriegsnahen Gebieten der Ukraine haben eine durchschnittliche Überlebensdauer von gerade drei Monaten. Speziell diese Fahrzeuge werden regelmäßig zu Todesfallen.

Die Krippe der der Künstlerin Olya Kravchenko aus Lwiw. Bild: Uli Kievernagel
Die Krippe der der Künstlerin Olya Kravchenko aus Lwiw. Bild: Uli Kievernagel

Im krassen Gegensatz zu dem zerschossenen Fahrzeug steht direkt daneben eine zeitgenössische Krippe im modernen Ikonenstil der Künstlerin Olya Kravchenko aus Lwiw.

„Weihnachten ist nicht der Lichtschalter, den du anknipst und plötzlich ist alles nur noch sonnig.“

Peter Otten, Pastoralreferent aus St. Agnes, ist regelmäßig im Radio zu hören. Er ist Teil des Teams „Kirche im WDR“. Er hat die ganz spezielle Krippe des Blau-Gelben Kreuzes gesehen und zum zentralen Bestandteil seiner Gedanken zum Jahresende gemacht. Unter dem Titel „Nicht aufgeben“ meint Peter Otten:

„Ausgerechnet dort, im völlig zertrümmerten Krankenwagen, steht eine Krippe, die aus der Ukraine nach Deutschland gebracht worden ist. Ich sehe sie, bin erschüttert und mir wird klar: Weihnachten bedeutet nicht, dass der Wahnsinn von Gewalt endet. Dass erschossene Sanitäter und Ärzte wieder lebendig werden. Weihnachten bedeutet auch nicht, dass überall unschuldige Menschen aus den Gefängnissen entlassen werden und kein Kind mehr Hunger leidet. Weihnachten ist nicht der Lichtschalter, den du anknipst und plötzlich ist alles nur noch sonnig.“ 

Doch trotz Tod, Krieg und Verzweiflung rät Peter Otten:

Nicht aufgeben!  
Weihnachten ist ein Fest der Hoffnung.
Es ist doch besser, wenn Menschen einander kein Fluch sind,
sondern ein Segen.


 

Kreppche loore mit dem KöbesColonius

Der Stadtführer Guido Hoffmann bietet als „KöbesColonius“ auch eine spezielle Krippenführung  an. Darüber haben wir auch in unserem Podcast ausgiebig mit ihm gesprochen. 


Logo Blau-Gelbes Kreuz e.V.

Spenden für das Blau-Gelbe Kreuz

Alle Informationen zu möglichen Spenden an das Blau-Gelbe Kreuz finden sich auf der Website


Kölner Krippenweg 2024/25, Bild: Krippenfreunde Region Köln e. V.
Kölner Krippenweg 2024/25, Bild: Krippenfreunde Region Köln e. V.

Alle Informationen zum Kölner Krippenweg inklusive einem ausführlichem Begleitheft zum Download finden sich auf der Website des Kölner Krippenwegs.


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Weltweit größter Gitarrendiebstahl im Jahr 2007 in Köln – 30.000 Euro Finderlohn!

Drei der 56 gestohlenen Gitarren, Bild: Music Store
Drei der 56 gestohlenen Gitarren, Bild: Music Store

Heute vor 17 Jahren, in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember 2007, gab es den weltweit größten Gitarrendiebstahl: 56 hochwertige Gitarren waren weg – und bis heute ist keine einzige davon wieder aufgetaucht. Bestohlen wurde der Music Store, einer der größten deutschen Musikalienhändler.

Fender Indian Telecaster | Seriennummer: 1of2 (02/13/03), Bild: Music Store
Fender Indian Telecaster | Seriennummer: 1of2 (02/13/03), Bild: Music Store

400.000 Euro Schaden

Die gestohlenen Gitarren hatten einen Gesamtwert von 400.000 Euro. „Der finanzielle Verlust schmerzt schon, doch ebenso schwer wiegt der ideelle.“ so der so der Music Store Geschäftsführer Michael Sauer.

Die Instrumente wurden in sehr geringen Stückzahlen aus ganz besonders wertvollen Holzsorten hergestellt. Einige der Gitarren sind sogar Einzelstücke. Sauer hält einen Weiterverkauf der Gitarren für extrem schwierig. „Die Instrumente sind nummeriert, wir beobachten die Szene und sehen, wo die Gitarren angeboten werden.“

Gibson CS LP Signature Zakk Wylde Aged Bulls Eye | Seriennummer: ZW A 042, Bild: Music Store
Gibson CS LP Signature Zakk Wylde Aged Bulls Eye | Seriennummer: ZW A 042, Bild: Music Store

In der Tatnacht kletterten die Täter über die Dächer der verwinkelten Nebengebäube. So konnten sie an eine Dachluke herankommen. Diese Art und Weise eine Einbruchs hatte der Music Store nicht bedacht. Die Einbrecher hätten auch keine Chance gehabt, über die Eingangstür in den Laden zu gelangen, da diese per Video überwacht wurde. Außerdem war der Aufzug, der bis in den 5. Stock hochfuhr, nachts immer abgeschaltet. Somit war die Möglichkeit, über das Dach einzubrechen, die einzig mögliche Variante. Unglücklich für den Music Store: Nur die Ladenlokale, die sich im Erdgeschoss befanden, waren gegen Einbruch versichert.

Bis heute1Stand 1. Dezember 2024 ist keine der Gitarren wieder aufgetaucht, wie Michael Sauer berichtet. Er vermutet einen Auftragseinbruch: „Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Auftragseinbruch gehandelt hat, denn einige ebenfalls sehr teure Gitarren wurden nicht mitgenommen.“

Gibson Alvin Lee Signature ES-335 Cherry | Seriennummer: CS 51449, Bild: Music Store
Gibson Alvin Lee Signature ES-335 Cherry | Seriennummer: CS 51449, Bild: Music Store

Europas meistbesuchter Musikerladen

Wenn man über die Zoobrücke an der Messe vorbei in Richtung A 3 fährt, fällt das markante Gebäude des Music Store sofort auf. Auf etwa 5.500 Quadratmetern bietet der meistbesuchte Musikerladen Europas alles, was das Musikerherz begehrt: Von einer Triangel für 1,90 Euro bis zu einem Konzertflügel von Schimmel für 172.800 Euro werden hier Rocker, Jazzer und auch klassische Musiker fündig.

Seit 2010 ist die Firmenzentrale des Music Store in Köln-Kalk, Bild: Raimond Spekking
Seit 2010 ist die Firmenzentrale des Music Store in Köln-Kalk, Bild: Raimond Spekking

Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1972 an der Bonner Straße in Köln, 1985 erfolgte der Umzug in die Budengasse, mitten in das Herz der Stadt. Dort wurden nacheinander umliegende Ladenlokale übernommen. Doch die verwinkelte Kölner Altstadt bot keine weiteren Expansionsmöglichkeiten. Daher zog der Music Store im Jahr 2010 in das riesige Gebäude an der Istanbulstraße in Kalk, fast direkt am Kalkberg.

30.000 Euro Belohnung

Seit dem Diebstahl der Gitarren im Jahr 2007, noch in dem Ladenlokal an der Budengasse, ist keine der Gitarren wieder aufgetaucht, es gibt auch keine heiße Spur.

Doch der Music Store gibt auch nach 17 Jahren nicht auf. Für die Wiederbeschaffung zahlt das Unternehmen nach wie vor eine Belohnung von 30.000 Euro, falls jemand alle Gitarren wiederbeschafft. Führen die Hinweise nur zu einem Teil der Gitarren, wird die Belohnung entsprechend anteilig ausgezahlt.

Und es wäre doch schön, wenn diese tollen Gitarren wieder gespielt werden könnten, statt in irgendeinem Keller zu verstauben.
Alle Hinweise bitte direkt an den Music Store. 


Weitere Exemplare der gestohlenen Gitarren (Auswahl)

Gibson CS Ltd. Run '67 Jimi Hendrix Flying V | Seriennummer: Jimi217, Bild: Music Store
Gibson CS Ltd. Run ’67 Jimi Hendrix Flying V | Seriennummer: Jimi217, Bild: Music Store
Gretsch CS Victory Song Guitar G6120 | Seriennummer: CF409, Bild: Music Store
Gretsch CS Victory Song Guitar G6120 | Seriennummer: CF409, Bild: Music Store

CS Eddie Van Halen Frankenstein Replica | Seriennummer: XN87649, Bild: Music Store

CS Eddie Van Halen Frankenstein Replica | Seriennummer: XN87649, Bild: Music Store

Fender CS Barbed Wire Esquire RW | Seriennummer: CF230 (03/12/05), Bild: Music Store
Fender CS Barbed Wire Esquire RW | Seriennummer: CF230 (03/12/05), Bild: Music Store
Fender CS LTD '68 Pink Paisley Strat | Seriennummer: R32266, Bild: Music Store
Fender CS LTD ’68 Pink Paisley Strat | Seriennummer: R32266, Bild: Music Store

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Ghosttrain – der etwas andere Geisterzug am Heumarkt

Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel
Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel

Um gleich die Erwartungen zu dämpfen: NEIN – es geht nicht um „den“ Geisterzug. Sondern um einen ganz anderen Geisterzug: Den Ghosttrain. Dieser Ghosttrain ist auch nicht nur an Karnevalssamstag unterwegs, sondern täglich. Nur leider  kann man ihn nicht sehen. Nur hören. Und sich wundern.

Nächster Zug: Bitte Zugbeschilderung beachten

Haltestelle Heumarkt, jeden Tag, irgendwann zwischen 20 Uhr und 0 Uhr: Die in Köln bestens bekannte Stimme der KVB kündigt einen Zug an: „Nächster Zug: Bitte Zugbeschilderung beachten.“ Auf der Anzeigentafel erscheint „Sonderzug! Bitte nicht einsteigen“.

Und dann rattert eine durchaus flotte Bahn durch die Haltestelle. Zumindest hört man diese Bahn. Zu sehen ist nichts. Garnichts. Nach zehn Sekunden ist der Spuk vorbei. Und man fragt sich: Was war das denn?

Lautsprecher an!  So hört sich der Ghosttrain an:

Kunstprojekt Ghost Train

Es handelt sich dabei um ein Kunstprojekt des Wiener Künstlers Werner Reiterer (*1964). Dabei fährt ein Geisterzug durch die Haltstelle, lediglich angekündigt durch eine Durchsage und das Geräusch des Zugs.

Dafür wurde zunächst mit 28 Mikrofonen das Geräusch einer durchfahrenden Bahn aufgenommen. Dann wurden  28 Lautsprecher an der Bordsteinunterkante des Bahnsteiges montiert, die für den wartenden Fahrgast unsichtbar sind.

Und täglich, irgendwann zwischen 20 Uhr und 0 Uhr ist es dann soweit: Die Ankündigung ertönt und der Zug fährt durch. Zumindest akustisch. Zu sehen ist nichts. Besonders trickreich: Es gibt keinen festen Fahrplan für den Ghosttrain. Die Fahrt wird von einem Zufallsgenerator ausgelöst. Es ist lediglich technisch sichergestellt, dass der Ghosttrain nur fährt, wenn sich kein anderer Zug in der Haltstellle befindet. Genau dieses „irritierende Moment“ ist erwünscht.

Spiegelung der flüchtigen Mobilität

Dieser Ghosttrain soll, so der Künstler, die flüchtige Mobilität spiegeln. Reiterer spricht hier von einem „Platzebo“, einem Kunstwort aus „Platz“ und „Placebo“. Dieser Platzebo soll einen realen Platz mit einer vermeintlich tatsächlich existierenden, neuen Realität manipulieren.

Dabei ist es dem Künstler wichtig, dass nicht der von ihm bewusst gesetzte Platzebo das Thema ist, sondern der Prozess, der durch ihn ausgelöst wird: Das darüber Sprechen und die daraus resultierende Entwicklung von Gerüchten sollen der eigentliche Effekt sein. Damit sich dieser Effekt nicht abnutzt, fährt der Ghosttrain nur einmal jeden Abend – zu einer vom Zufall bestimmten Zeit. Werner Reiterer dazu:

„Jemand der also das Glück haben sollte, die Arbeit in kurzer Zeit mehrmals zu erleben, sollte unbedingt mit Lotto-Spielen anfangen.“

Die attraktive und riesige Zwischenebene der Haltstelle Heumarkt. Gut zu erkennen: Falls es jemals eine Ost-West-U-Bahn geben sollte, sind die Bahnsteige bereits vorbereitet, Bild: Uli Kievernagel
Die attraktive und riesige Zwischenebene der Haltstelle Heumarkt. Gut zu erkennen: Falls es jemals eine Ost-West-U-Bahn geben sollte, sind die Bahnsteige bereits vorbereitet, Bild: Uli Kievernagel

Stationen sollen zum Anziehungspunkt werden

Die Installation Ghosttrain ist Teil eines Wettbewerbs der Kölner Verkehrs Betriebe zur Gestaltung der Haltestellen der neuen Nord-Süd-Bahn. Das dafür bereitgestellte Budget wurde vom Rat auf 1,75 Millionen Euro festgesetzt. Der KVB-Vorstand verspricht sich von den Kunstwerken: „Die hochwertigen und spannenden Entwürfe der ausgewählten namhaften Künstler lassen erwarten, dass die Stationen nicht nur zum Ein-, Um- und Aussteigen genutzt werden. Vielmehr ist anzunehmen, dass sie auch zu einem Anziehungspunkt für Menschen werden, die ein Interesse an Kunst haben und die Kunstwerke im Untergrund betrachten möchten.

Weitere Kunstwerke der neuen Nord-Süd-Bahn sind die großformatigen Wandmalereien am Chlodwigplatz, eine künstlerische Darstellung des Schriftzugs WANDGESTALTUNGNORDSÜDSTADTBAHNKÖLN in der Station Rathaus sowie die Live-Übertragung von Bildern der Halsbandsittiche und der Alexandersittiche am Breslauer Platz und die „Kölner Köpfe“ am Apellhofplatz.

Dank dieser Kunstwerke ist Köln zumindest im Untergrund sehenswert.


Falls ihr sehen wollt, wie es aussieht, wenn man den Ghosttrain zwar hört aber nicht sehen kann, schaut euch dieses Video von Ralph Sterck (ehemaliger Vorsitzender der FDP-Ratsfraktion im Rat der Stadt Köln) an.


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Kölsche Tön & ihre Geschichte: „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“

Plakat zum Lied
Plakat zum Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ von Willi Ostermann, Bild: Willi Ostermann-Gesellschaft

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m  „Ahle Kohberg“ gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Köln, Ende der 1920er, Anfang der 1930 Jahre: Seit der Jahrhundertwende hatte sich die Einwohnerzahl der Domstadt, auch durch zahlreiche Eingemeindungen, fast verdoppelt. Statt wie um das Jahr 1900 noch etwa 470.000 Menschen, lebten im Jahr 1930 rund 740.000 Menschen in der Stadt. 

Die ehemals gemütliche, übersichtliche Stadt entwickelt sich zur Großstadt. Die viel gepriesene kölsche Gemütlichkeit blieb vielerorts auf der Strecke – die Kölschen erkannten ihre eigene Stadt nicht mehr.

Dieses Gefühl nimmt Willi Ostermann in seinem Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ auf. Er besingt das Unverständnis gegenüber den Neuerungen und sehnt sich nach den alten Zeiten zurück, als Köln noch behaglicher und überschaubarer war, als man sich noch kannte. So lautet es in dem Lied

„Dä fremde Krom, et es doch ze beduure,
als ahle Kölsche schöddelt mer d’r Kopp.“
1Der fremde Kram, man kann es nur bedauern, als alter Kölner schüttelt man den Kopf.

Und alles mündet in dem Refrain, dass die alten Zeiten besser waren:

„Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“

Die Kölner Revuesängerin Grete Fluss (1892 -1964), Bild: Kölner Karneval (koelner-karneval.de)
Die Kölner Revuesängerin Grete Fluss (1892 -1964), Bild: Kölner Karneval (koelner-karneval.de)

Revue „Die Fastelovendsprinzessin“

Ostermann hatte dieses Lied speziell für die Revue „Die Fastelovendsprinzessin“ geschrieben, die Uraufführung war 1930 in den Vorgängerräumen der Sartory-Säle.

Die Hauptrolle spielte die legendäre Kölner Sängerin Grete Fluss (1892-1964), von den Kölnern nur liebevoll „et Flusse Griet“ genannt. Heute ist Grete Fluss in Vergessenheit geraten. Dabei galt sie in den 1930er Jahren als eine der wichtigsten Vertreterinnen des kölschen Karnevals. In den damals äußerst beliebten Kar­ne­vals­re­vu­en trat sie als „Kü­chen­fee“, „Schutz­wei­b“ oder „Blitz­mä­del“ auf.

Die Ursprungsversion des Lieds hatte nur zwei Strophen und wurde als Duett gesungen, die dritte Strophe fügte Ostermann erst später hinzu. Außerdem änderte er die ersten Zeilen des Lieds. In der Ursprungsversion lauteten diese:

Wie wor ze Kölle doch he noch vür Johre,
op manche Aat un Wies et Levve nett,
2Wie war in Köln doch hier vor Jahren auf manche Art und Weise das Leben nett.

In der heute bekannten Fassung beginnt das Lied mit den Zeilen

Wie hat doch Köln sing Eigenaat verlore,
wie wor et Levve he am Rhing su nett.
3Wie hat doch Köln seine Eigenart verloren, wie war das Leben hier am Rhein so nett

"Der Mittag" berichtet in der Ausgabe vom 4. Februar 1930ß über die Revue "Die Fastelovendsprinzessin"
„Der Mittag“ berichtet in der Ausgabe vom 4. Februar 1930 über die Revue „Die Fastelovendsprinzessin“

Jede Generation regt sich über die Musik der jeweils nachfolgenden Generationen auf

Viele der von Ostermann in diesem Lied besungenen Aspekte kommen uns heute seltsam bekannt vor: Jede Generation regt sich über die Musik und die Tänze der jeweils nachfolgenden Generationen auf. Und verklärt auch die Zeit, in der man selber noch jung war.

Eine Zeile in dem Lied lautet „… deit mer sich nur de Dänz vun hück beluure …“4Sieht man die Tänze von heute … und eine andere Zeile „Wä hatt dann fröher jet vun Jazz und Steppe, jet vun däm huhmoderne Blues jekannt?“5Wer hat den früher etwas von dem Jazz und Steppen, etwas von dem doch so hochmodernen Blues gekannt?“ So wie sich Ostermann hier über den Blues und Jazz aufregt, sollten sich nachfolgende Generationen über Rock ’n‘ Roll, Hardrock oder Techno aufregen. Alles zu seiner Zeit.

Der „Ahle Kohberg“

Ostermann besingt auch dä „Ahle Kohberg“. Dabei handelte es sich nicht um die heute bekannte Gaststätte „Em Ahle Kohberg“ im rechtsrheinischen Merheim, sondern um das Ballhaus „Em ahle Kohberg“.

Der
Der „Ahle Kohberg“ als „Maurischer Tempelsaal“, Bild: Kunstanstalt Ludwig Meister

Dieser bekannte und renommierte Tanzsaal lag in der Straße „Vor den Siebenburgen“, etwa dort, wo heute das Humboldt-Gymnasium steht. Auf alten Postkarten wird der „Ahle Kohberg“ auch als „Maurischer Tempelsaal“ bezeichnet. Vermutlich wurde er, ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend, umgebaut.

„Pitter un et Appolonia“

Wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Für die besungenen „Pitter un et Appolonia“ gab es auch reale Vorbilder. Cornel Wachter, Urgestein des Severinsveedels, berichtet, dass das ehemalige „Löscheck“ auf der Merowingerstraße eine Stammkneipe von Ostermann war.  Der Name der Kneipe passte perfekt, denn direkt gegenüber war die Feuerwache Vondelstraße.6Dort befindet sich heute das COMEDIA Theater.

Die beiden Wirtsleute des Löschecks waren dä Pitter und et Appolonia. Und dann kam es, so Cornel Wachter, zu einem Tauschgeschäft: Ostermann verewigte die beiden Wirtsleute in seinem Lied, dafür warfen diese die nicht bezahlten Deckel in den Papierkorb. Wachter: „Das war quasi ein Tauschgeschäft.“  

Das "Filos'" auf der Merowingerstraße ist heute eine Institution der Südstadt. Vorher war hier das "Lösch-Eck". Willi Ostermann verewigte die beiden Wirtsleute Peter und Apollonia in seinem Lied "Och wat wor das fröher schön doch in Colonia". Bild: Filos
Das „Filos'“ auf der Merowingerstraße ist heute eine Institution der Südstadt. Vorher war hier das „Lösch-Eck“. Willi Ostermann verewigte die beiden Wirtsleute Peter und Apollonia in seinem Lied „Och wat wor das fröher schön doch in Colonia“. Bild: Filos

„Schleß“ bedeutet Heißhunger

Die dritte Strophe beschreibt, dass das Tanzvergnügen von so großer Bedeutung war, dass man lieber sein Geld vertanzte und deswegen „Schleß“ hatte. „Schleß“ bedeutet Heißhunger, ist also die Steigerung von normalem Hunger.

Die Kavaliere leete mit sich handele,
wann mer als Mädche Schleß un Kohldamp hatt,
trok hä e Dösje met jebrannte Mandele,
die wohte dann jelötsch, bes dat mer satt.
7Die Kavaliere lassen mit sich handeln,
wenn man als Mädchen Heißhunger und Kohldampf hatte,
zog er ein Döschen mit gebrannten Mandeln,
die wurden dann gelutscht, bis dass man satt war.

Tatsächlich dienten die gebrannte Mandeln, die gelutscht wurden, als Ersatz für ein echtes Essen.

Lagerarbeiter oder Soldat?

Bis heute herrscht Uneinigkeit, ob es sich bei dem im Lied besungenen „Kommis“ um einen Soldaten oder um einen „Kommissionierer“, also einen Lagerarbeiter, handelt:

Met sechs mol zweiunzwanzig bare Penninge,
dat wor d’r Wocheluhn vun nem Kommis.
Dä wood verdanz, mer fohlt sich wie de Künninge,8Die sechsmal zweiundzwanzig baren Pfennige, das war der Wochenlohn von einem Kommis. Der wurde vertanzt, man fühlte sich wie die Könige. 

Der Kölner Brauchtumsforscher Reinhold Louis (1940 – 2024) war der Meinung, bei dem „Kommis“ handelte es sich um einen Lagerarbeiter. Der Fehler wäre auf eine falsche Interpretation des Illustrators Willi Key (1900 – 1973) zurückzuführen. Und tatsächlich: Auf dem Plakat zur „Fastelovendsprinzessin“ sieht man einen Mann in Uniform, der mit einer Frau in einem Kleid Arm in Arm die Straße entlang schlendert.

Plakat zum Lied
Plakat zum Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ von Willi Ostermann, Bild: Willi Ostermann-Gesellschaft

Aber ob es sich nun um einen Soldaten oder Lagerarbeiter handelte, ist auch völlig unerheblich: Das Lied „Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ beschreibt das Gefühl jeder Generation, dass früher alles besser war.

Auch wenn dabei oft vieles verklärt wird. Selbst von Willi Ostermann.


Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia

von Willi Ostermann (1930)

Wie wor ze Kölle doch he noch vür Johre,
op manche Aat un Wies et Levve nett,
hück es mer selver sich nit rääch em Klore,
ovv mer ne Fimmel oder keine hät.
Dä fremde Krom, et es doch ze beduure,
als ahle Kölsche schöddelt mer d’r Kopp,
deit mer sich nur de Dänz vun hück beluure,
stüß einem jedes Mol de Heimat op.

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Wä hatt dann fröher jet vun »Jazz« und »Steppe«,
jet vun däm huhmoderne »Blues« jekannt?
Die »Blus«, die mir jekannt, dren soch mer höppe
et Bill em Walzertempo lans d’r Wand.
»Ich küsse ihre Hand«, wie hück se kruffe,
dat hätt mer fröher ze sage sich geneet,
do heeß et einfach, »liehn mer ens ding Schluffe,
ich ben zom nächste Schottisch engascheet«.

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Met sechs mol zweiunzwanzig bare Penninge,
dat wor d’r Wocheluhn vun nem Kommis,
dä wood verdanz, mer fohlt sich wie de Künninge,
de Zech bezahlten meischtendeils et Liss.
Die Kavaliere leete mit sich handele,
wann mer als Mädche Schleß un Kohldamp hatt,
trok hä e Dösje met jebrannte Mandele,
die wohte dann jelötsch, bes dat mer satt.

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.


Hochdeutsche Übersetzung:
Ach was war das früher schön in Colonia

Was hat doch Köln seine Eigenart verloren,
wie war das Leben hier am Rhein so nett.
Man ist sich selber nicht mehr recht im Klaren,
ob man ’nen Fimmel oder keinen hat.

Der fremde Kram, es ist doch zu bedauern,
als alter Kölner schüttelt man den Kopf.
Besieht man sich bloß die Tänze von heute,
stößt einem jedes Mal die Heimat auf:

Ach wie war das früher schön doch in Colonia,
Wenn Franz mit Agnes zum alten Kohberg ging,
Wenn Peter Arm in Arm mit Appolonia
still vergnügt auf dem Heimweg an zu knutschen fing!

Wer hat denn früher etwas vom Jazz und Steppen,
etwas von dem hochmodernen ‚Blues‘ gekannt?
Die Bluse, die wir gekannt, drin sah man hüpfen
Sybille im Walzertempo entlang der Wand.

Ich küsse Ihre Hand, wie heute sie kriechen,
das hat man früher zu sagen sich geniert.
Da hieß es einfach: „Leih mir mal deine Pantoffeln,
ich bin zum nächsten Schottisch-Walzer engagiert.“

Ach wie war das früher schön doch in Colonia,
Wenn Franz mit Agnes zum alten Kohberg ging,
Wenn Peter Arm in Arm mit Appolonia
still vergnügt auf dem Heimweg an zu knutschen fing!

Die sechsmal zweiundzwanzig bare Pfennige,
das war ein Wochenlohn von einem Soldaten.
Der wurde vertanzt, man fühlte sich wie die Könige.
Die Zeche bezahlte dann meistens Lisa.

Die Kavaliere lassen mit sich handeln,
wenn man als Mädchen Hunger und Kohldampf hatte,
zog er ein Döschen mit gebrannten Mandeln,
die wurden dann gelutscht, bis dass man satt.

Ach wie war das früher schön doch in Colonia,
Wenn Franz mit Agnes zum alten Kohberg ging,
Wenn Peter Arm in Arm mit Appolonia
still vergnügt auf dem Heimweg an zu knutschen fing!


Weitere Ostermann Lieder in der Rubrik „Kölsche Tön“

Eine Biographie Willi Ostermanns gibt es hier:
Er trifft dat kölsche Hätz: Willi Ostermann


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Köln ist Stiftungshauptstadt in NRW

Eine Auswahl der über 500 Kölner Stiftungen
Eine Auswahl der über 500 Kölner Stiftungen

Stiftungen fördern kulturelle Bildung oder die Denkmalpflege, es geht um den Zugang zur Musik für Grundschulkinder, interkulturelle Verständigung, therapeutisches Reiten oder auch den Karneval. Sie unterstützen die Erhaltung der Kölner Grünanlagen, Selbstbestimmung im Alter oder auch die Vermittlung US-amerikanischer Comic-Kultur und vieles mehr.

Von den Stiftungen in und um Köln profitieren jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen. Etwa 300 Millionen Euro im Jahr werden von diesen gemeinnützigen Stiftungen1Im Gegensatz zu den „Gemeinnützigen Stiftungen“, die in diesem Artikel betrachtet werden, dienen „Privatnützige Stiftungen“ überwiegend dem Interesse eines abgeschlossenen Personenkreises. Dies können zum Beispiel Mitarbeitern eines bestimmten Unternehmens oder Mitglieder einer Familie sein. für die vielfältigen Projekte ausgeschüttet.

Beispiel: Imhoff Stiftung

Alleine 22 Millionen Euro hat seit 2001 die Imhoff Stiftung für gemeinnützige Zwecke ausgeschüttet. Diese Stiftung wurde im Dezember 2000 von Hans Imhoff gegründet. Imhoff hatte den Stollwerck-Konzern verkauft und wollte seiner Heimatstadt Köln zusätzlich zum Schokoladenmuseum etwas Gutes tun. Bis zu seinem Tod führte er die Stiftung, heute ist seine Tochter Susanne Imhoff Vorsitzende des Stiftungsvorstandes.

Susanne Imhoff (rechts) in einer Podiumdiskussion mit (von links) Angela Maas. Moderatorin, Barbara Schön, Fundraiserin des Kölner Vereins Himmel & Ääd, Dr. Ingo Dahm, Gründer des Start-Up-Investors capacura, Bild: Kölner Stiftungen e.V.
Susanne Imhoff (rechts) in einer Podiumdiskussion mit (von links) Angela Maas. Moderatorin, Barbara Schön, Fundraiserin des Kölner Vereins Himmel & Ääd, Dr. Ingo Dahm, Gründer des Start-Up-Investors capacura, Bild: Kölner Stiftungen e.V.

Der Clou: Das Museumsgebäude des Schokoladenmuseums gehört der Imhoff Stiftung. Die Mieteinnahmen werden genutzt, um Projekte im Sinne von Hans Imhoff in Köln zu unterstützen, wie etwa Kultur für Menschen mit Demenz, dem Ausbau des EL-DE-Hauses oder „Der Elfte Elf“, ein Theaterprojekt für Kinder.

Stiftungen gehören sich selbst

Regelmäßig wird Susanne Imhoff vorgehalten, dass Stiftungen ja nur dafür da wären, Steuern zu sparen. „Ja – eine Stiftung spart tatsächlich Steuern.“ entgegnet sie dann. „Aber das Geld ist einem damit ja auch aus der Hand genommen. Der Stifter oder seine Familie kommen nie wieder an das Stiftungskapital und die daraus erwirtschafteten Erträge heran.“

Das besondere an einer solchen gemeinnützigen Stiftung ist, dass eine Stiftung weder aus Mitgliedern besteht noch existieren Gesellschafter. Eine Stiftung hat somit auch keinen Eigentümer, sondern gehört sich selbst.

Susanne Imhoff vergleicht eine Stiftung mit einem Apfelbaum: „Ich stifte Geld für einen Apfelbaum. Jedes Jahr trägt dieser Baum neue Früchte, die allen zugute kommen. Die Verantwortlichen der Stiftung sind dabei die Gärtner, die dafür sorgen, dass dieser Baum auch regelmäßig reichlich Früchte trägt.“

Beeindruckende Zahlen: Die Leistungen der Stiftungen in & um Köln kommen jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen zugute. Bild: Kölner Stiftungen e.V.
Beeindruckende Zahlen: Die Leistungen der Stiftungen in & um Köln kommen jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen zugute. Bild: Kölner Stiftungen e.V.

Köln ist die Hauptstadt der Stiftungen

Die Imhoff-Stiftung ist eine der etwa 500 Stiftungen in Köln, die sich der Förderung des Gemeinwohls verschrieben haben. Zählt man das Umland hinzu, steigt die Zahl der Stiftungen auf ca. 1.150. Viele dieser Stiftungen sind Mitglieder des Vereins „Kölner Stiftungen e.V.“ Der Vorsitzende des Vereins Dr. Ulrich Soénius ist stolz: „Von der Anzahl her ist Köln die Hauptstadt der Stiftungen in NRW.“

Seit 2006 feiern die Stiftungen alle drei Jahre den Kölner Stiftungstag. Zum 7. Kölner Stiftungstag hatte im Oktober 2024 Oberbürgermeisterin Henriette Reker ins Rathaus eingeladen.

Die Bedeutung der Stiftungen kann nicht hoch genug einschätzt werden, so Henriette Reker: „Ohne das Stiften wäre unsere Stadt nicht nur ärmer, sondern in dieser Form überhaupt nicht denkbar.“ Reker machte auch deutlich, dass in Zeiter knapper Kassen nicht jede gesellschaftliche Aufgabe vom Staat übernommen werden könne.

Der Verein Kölner Stiftungen e.V. lädt alle drei Jahre zum "Kölner Stiftertag" ein.
Der Verein Kölner Stiftungen e.V. lädt alle drei Jahre zum „Kölner Stiftungstag“ ein.

Poetry-Slam zu Stiftungsprojekten

Höhepunkt des Stiftungstags war ein Poetry-Slam. Die Slam-Poeten Luca Swieter, Nils Frenzel und Katinka Buddenkotte stellten jeweils drei Projekte vor. Bei diesem „Dichterwettstreit“ ging es darum, mit geschliffenen Worten für ausgewählte Stiftungsprojekte zu werben, der Sieger wurde per Applaus vom Publikum gewählt.

Gewonnen hat Luca Swieter. Sie stellte unter anderem das Projekt „KalkKunst“ vor. Und stiftete auch gleich ihr Preisgeld in Höhe von 1.500 Euro diesem Projekt. Und Sie hat mir erlaubt, ihren Text hier zu veröffentlichen. Ein großes DANKE an Luca und viel Vergnügen bei der Lektüre.


Luca Swieter stellte die Projekte KalkKunst, Eselsohr und Zukunftsquartier Wahn auf dem Stiftertag vor. Bild: Kölner Stiftungen e.V.
Luca Swieter stellte die Projekte KalkKunst, Eselsohr und Zukunftsquartier Wahn auf dem Stiftungstag vor. Bild: Kölner Stiftungen e.V.

Kölner Stiftungstag

Von Luca Swieter

Stiftungsprojekte:

  • KalkKunst
  • Eselsohr 
  • Zukunftsquartier Wahn

Das Möglichkeitsspektrum in einer Stadt ist sehr breit. Man kann die Liebe seines Lebens kennenlernen, seine Träume verwirklichen, man kann aber auch nachts in einer Kneipe seine Jacke und mit Pech einen kleinen Finger verlieren, wenn man ganz ungünstig in ein zerbrochenes Kölsch Glas greift. Man kann dermaßen über seine Möglichkeiten nachgrübeln, dass man auf der Rückfahrt die Haltestelle verpasst und die einzige Möglichkeit dann wäre, umzukehren oder bis ans Ende seiner Tage auf einem Parkplatz in Weidenpesch zu leben. Vielleicht hat man sich auch nie von der Kneipe wegbewegt, weil der gesamten Stadtverkehr durch einen Bombenfund lahmgelegt wurde. In der Zwischenzeit hat man die Liebe seines Lebens wieder verloren, muss seine Träume begraben, aber entdeckt seine Jacke mitsamt kleinem Finger plötzlich auf Kleinanzeigen. Oder in einem der Zu Verschenken Kartons, die an der Straße stehen. Zumindest passiert mir das gerade, als ich im Morgengrauen unter dem orchestralen Taubengurren die Straße in Richtung Zuhause langlaufe.

Neben dem Zu Verschenken Karton steht ein Bücherschrank. Dort entdecke ich ein Buch über Drogenaufklärung, das mir meine Mutter damals verboten hat, aus Angst, dass man mich so gut über Drogen aufklärt, dass ich drogenabhängig werde.

Bücherschränke sind die intimsten Tauschbörsen, die ich mir vorstellen kann. All die Eselsohren, ein freundlicher Vermerk für alle Nachleser*innen, ein Knick für die Ewigkeit. All diese Flecken, von denen ich unter keinen Umständen wissen möchte, woher sie stammen. All die rührenden Widmungen gänzlich Unbekannter, all das Erstaunen darüber, was für absurde Dinge manche Menschen als Lesezeichen benutzen und in ihren Büchern vergessen, vielen Dank für die Kreditkarte an der Stelle. Diese unvorhergesehenen Kombinationen alle in einem Schrank, nie kamen sich „Bier brauen für Dummies“ und Tolstoi so nah.

Eine Person nähert sich dem Schrank von der anderen Seite und stellt ein Buch in eins der Regalbretter. Über die Bücherreihen hinweg treffen sich kurz unsere Blicke bevor sie sich beschämt abwendet und mit großen Schritten entfernt. Ich gehe um den Schrank herum, neugierig, welche reichhaltige Gabe dem Bücherschrank dieses Mal dargeboten wurde: „Gesund mit Eigenurin“ lese ich, während die Person gerade in eine Gasse verschwindet. Mittlerweile rennt sie sehr schnell und sieht dabei äußerst vital aus, von daher scheint es zu funktionieren.

Luca Swieter hat den Poetry-Slam des Stiftertages gewonnen, Bild: Fabian Stürtz
Luca Swieter hat den Poetry-Slam des Kölner Stiftungstags gewonnen, Bild: Fabian Stürtz

Ein Bücherschrank ist ein Solidarsystem im Kleinen, ein Solidarsystem aus Seiten, ein Geben und Nehmen, wobei ich zugeben muss, dass ich immer viel genommen und nur gegeben habe, was ich selber scheiße fand. Jetzt schäme ich mich dafür. Ich eile nach Hause, packe alle meine Lieblingsbücher in einen Rucksack und folge den Spuren der Schränke wie Brotkrumen, von einer Seite auf die andere.

Meine Stadt hat zwei Hälften. Eine davon wird schmerzlich oft übersehen. Ich habe von Leuten in Köln gehört, die von Leuten in Köln gehört haben, die denken das einzige Mülheim, das es gibt, liegt im Ruhrgebiet. Ich habe von Leuten in Köln gehört, die von Leuten in Köln gehört haben, die sagen das Mülheim hierzustadte wird mit zwei h geschrieben und Kalk sei das, was sie überdosiert im Leitungswasser trinken.

Gerade greife ich nach dem nächsten Buch in meinem Rucksack, um es im Bücherschrank einzusortieren, als ich plötzlich merke, dass in diesem Viertel irgendwas anders ist. Ich sehe Kunstwerke in Schaufenstern, Cafés, Installationen in Parks, pulsierende Farbflecken auf Hauptstraßen, Gassen und Hinterhöfen, da liest, bewegt und spielt etwas, da ist ein Aufbegehren gegen die oftmals subtile Geringschätzung der anderen Seite, da ist die herzliche Solidarität, die ich von hier kenne.

Kunst im öffentlichen Raum ist so wie ich mir Kinder machen und sie glücklich aufwachsen sehen vorstelle. Das ist, jemandem Freiheit, Zuspruch und Vertrauen zu schenken und in all den Ergebnissen Schönheit, Freude und Trost zu finden. Und mein Gott, manchmal guckt man sich was an und denkt sich: Okay ich weiß jetzt auch nicht ob das ein überfahrener Hund oder die Oma sein soll, aber ich häng das jetzt trotzdem mal an den Kühlschrank. Und das ist doch auch das Schöne daran. Was hier passiert, begeistert mich!

„Der Zugang zu Kunst darf nicht vom Geld abhängig sein! Man sollte Kunst und die Leute, die sie schaffen, nicht vor Barrieren und verschlossene Türen stellen, sollte sie nicht ausschließlich vor Champagner und Austern platzieren, sondern bitteschön vor Kaffee aus dem Pappbecher und Apfeltaschen von Backwerk.“, skandiere ich mit erhobener Faust und da kackt mir eine Taube öffentlich und künstlerisch auf die Jacke und ich merke, es ist Zeit, weiterzuziehen. Ich nehme eine Bahn und grübele so dermaßen intensiv über Möglichkeiten nach, dass ich meine Haltestelle verpasse und als ich aussteige weiß ich plötzlich nicht mehr, wo ich bin. „Porz Wahn“ verkündet ein Wegweiser.

Es gibt Ecken, die werden schmerzlich oft übersehen. Da entsprach es lange der Wahrheit, dass das Gras woanders grüner ist, zumindest wenn man es am Süden auf der anderen Seite misst. Vielen Dinge im Leben sind wir eben so ausgeliefert. Zum Beispiel, in welche Umstände wir geboren werden. Wenn du etwas in deinem Viertel ändern könntest, was wäre das? Ich würde sagen, der erste wichtige Schritt ist, genau das überhaupt mal gefragt zu werden.

Ein wichtiger Schritt ist die Mitbestimmung, die das Fundament dafür bildet, Räume zu ergründen, Probleme zu bearbeiten und einen guten Plan zu machen, bevor man sich in das Auenland Kölns verwandelt. Porz Wahn, ihr könntet das neue belgische Viertel werden. Aber ihr wollt es nicht. Und das ist auch gut so. Spart euch den Aperol Spritz für 15 Euro und die vegane glutenfreie Pizza für 30 Euro. Man merkt mal, wie wenig Probleme ein Stadtteil hat, wenn in einer Straße gerade das fünfte Yoga Studio eröffnet.

Denn an diesem Ort sehe ich mehr Potential für gelebte Utopien als fünf Yoga Studios sich jemals aus der Energie ihres geballten Shavasanas ziehen könnten. Und wenn die ganzen Hipster aus Ehrenfeld irgendwann alle nach Porz Wahn ziehen wollen, dann lasst sie nicht rein!!

Aber wenn hier der erste Bücherschrank Hass- und Lieblingsbücher beherbergt, ein zu Verschenken Karton meine durchnässten Kleider aufbewahrt, wenn der öffentliche Kunstspaziergang fest datiert ist, dann wird das ein Grund zum Feiern.

Ich greife tief in meinen Rucksack und hole das Buch „Gesund durch Eigenurin“ hervor. Ich vergrabe es als Grundstein und Taufgeschenk für diese neue Welt, auf dass das, was kommt, fruchtbar und segensreich werde. Auf dem Rückweg konzentriere ich mich ganz fest darauf, meine Haltestelle nicht zu verpassen aber ich verliere mich dann doch in Möglichkeiten, nämlich darin, dass all das, was mir auf meinem heutigen Streifzug begegnet ist, einmal welche waren und zu Realitäten gemacht werden konnten. Sie brauchten lediglich solche, die ihr Potential erkannten. Solche, die bereit waren, zu glauben und zu geben und solche, die nah genug dran sind um die Notwendigkeiten zu sehen und sie umzusetzen.

Es gehört sich nicht, Texte mit Plattitüden zu beenden, es sei denn sie sind wahr: Ich glaube daran, dass diese Dinge das Leben in der Stadt für die Menschen besser machen. Ich glaube, dass nicht über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden werden sollte, sondern vor Ort und gemeinsam. Und dass man in einer Zeit, in der es beunruhigend starke Kräfte gibt, die die kulturelle Vielfalt bedrohen, daran besonders festhalten muss. Mit Entschlossenheit, Kreativität und allen verbliebenen Fingern.


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Der „Ruhende Verkehr“

Der "Ruhende Verkehr" von Wolf Vostell auf dem Hohenzollernring, Bild: VollwertBIT / CC BY-SA
Der „Ruhende Verkehr“ von Wolf Vostell auf dem Hohenzollernring, Bild: VollwertBIT / CC BY-SA

„Autogerechte Städte“ waren Anfang der 1960er Jahre das Maß aller Dinge. Die Stadtarchitektur vieler deutschen Städte war vollständig an den Interessen des motorisierten Individualverkehrs orientiert. Ein wesentlicher Wegbereiter dieser Idee war der Architekt Hans Bernhard Reichow, der 1959 das Buch „Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos“ veröffentlicht hat.

Man kann also sagen, dass Reichow auch ein Teil der Verantwortung dafür trägt, dass die Stadtplanung unserer Stadt maßgeblich an den Bedürfnissen der Autofahrer ausgerichtet ist. Ein berüchtigtes Beispiel dafür ist der Bau der Nord-Süd-Fahrt, welche nach zehnjähriger Bauzeit 1974 fertiggestellt wurde.

Der ruhende Verkehr nervt

In Köln sind etwa 550.000 Kraftfahrzeuge zugelassen, darunter etwa 476.000 PKWs 1zusätzlich 33.000 LKWs und 38.000 Motorräder, Quelle: Stadt Köln. Und diese vielen Autos müssen auch irgendwo abgestellt werden. In der Fachsprache ist das der „ruhende Verkehr“. Und dieser ruhende Verkehr nervt:

  • Alles ist zugeparkt, Gehwege werden zu Schneisen zwischen den Autos, Fahrradfahrer zu Slalom-Fahrern.
  • Die Feuerwehr hat regelmäßig Probleme, an im Parkverbot geparkten Autos vorbeizukommen.
  • Und wenn man selber Teil des ruhenden Verkehrs werden will, dreht man ewig lang seine Runden um den Block bei der Suche nach einem Parkplatz.

Alles nicht neu! Den Ärger um den „ruhenden Verkehr“ gibt es bereits seit Ewigkeiten.

Ein einbetonierter Opel Kapitän

Den kreativsten Umgang damit zeigte der Künstler Wolf Vostell (* 14. Oktober 1932, † 3. April 1998). Vostell war Maler, Bildhauer und Happeningkünstler. Ein wesentliches Merkmal seiner Werke war das Einbetonieren. Und so staunten die Kölner nicht schlecht, als Vostell am 4. Oktober 1969 mit seinem Opel Kapitän auf der Domstraße vorfuhr und das Auto mit laufendem Motor und angeschaltetem Radio einbetonierte.

Einen solchen Opel Kapitän (Modell P 2,6 / Baujahr 1960) betonierte Vostell ein, Bild: Guido Radig / CC BY
Einen solchen Opel Kapitän (Modell P 2,6 / Baujahr 1960) betonierte Vostell ein, Bild: Guido Radig / CC BY

Ein großer Betonmischer kippte tonnenweise Frischbeton in die vorbereite Verschalung über das Auto. Ein Dokumentarfilm zeigt diese Aktion und auch die Aufregung der Passanten.

Ein Mann, mit hörbar kölschen Einschlag in der Stimme, meint in dem Film dazu: „Ich würde sagen, grober Unfug ist noch zu glimpflich ausgedrückt. Stell dir vor, dass würde jeder machen, der ein paar Mark in der Tasche hat … wie es in einem Jahr in Köln aussähe.“ Vostell hatte sein Ziel erreicht: Der „Ruhende Verkehr“, so der Name des Kunstwerks, war mit einem Schlag mitten in der Diskussion.

Doch der Künstler hatte die Rechnung ohne die Stadt Köln gemacht. Die zweckentfremdete Nutzung von Parkraum wurde von Ordnungsamt geahndet und das tonnenschwere Kunstwerk nach etwa drei Wochen in der Domstraße auf den Neumarkt verfrachtet. Dort sollte ein (nie realisierter) Skulpturenpark aufgebaut werden. Doch die Reise des einbetonierten Autos war noch lange nicht vorbei. Der Betonklotz, der rudimentär die ursprünglichen Form des einbetonierten Autos zeigt, wurde in Paris und in Berlin ausgestellt.

Mittelstreifen statt regulärer Parkplatz

Mittlerweile steht der „Ruhende Verkehr“ auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings. Ein äußerst schlechter Platz, denn Vostell wollte ausdrücklich einen Parkplatz besetzen. „Das eingefrorene Auto“, so Vostell, „mitten zwischen anderen, noch verkehrstüchtigen Autos.“. Doch jetzt umflutet der Verkehr den Betonklotz.

Aber im März 2022 ist Bewegung in diese Diskussion gekommen. Die Bezirksvertretung Innenstadt hat auf Initiative der Grünen-Fraktion beschlossen, die Plastik auf eine Parkplatz unweit des aktuellen Standorts zu versetzen. Genau, wie Vostell es mit dem „Ruhenden Verkehr“ ausdrücken wollte.  Doch seit Dezember 2023 ist klar, dass das Kunstwerk an seinem Standort mitten auf den Ringen verbleiben wird: Der geplante Parkplatz auf der Hahnstraße sei schlicht zu schmal.

Ävver mer sin in Kölle. Also mal abwarten …


Vostell Plastik "Concrete Traffic" in einem Parkhaus der Universität Chicago, Bild: University of Chicago
Vostell Plastik „Concrete Traffic“ in einem Parkhaus der Universität Chicago, Bild: University of Chicago

Besser platziert ist die Vostell-Plastik „Concrete Traffic“ auf dem Campus der University of Chicago. Ein einbetonierter Cadillac steht dort seit 2016 auf einer regulären Parkfläche in einem öffentlichen Parkhaus.


Hommage "Ruhender Verkehr" (Wolf Vostell), eine einbetonierte Mercedes A-Klasse von Cornel Wachter, Bild: Leonce49 / CC BY-SA 2.0
Hommage „Ruhender Verkehr“ (Wolf Vostell), eine einbetonierte Mercedes A-Klasse von Cornel Wachter, Bild: Leonce49 / CC BY-SA 2.0

Der Kölner Künstler Cornel Wachter betonierte – als Hommage an Vostell – 2007 seine Mercedes A-Klasse ein. Dieses Werk steht heute vor dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn.


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