Er trifft dat kölsche Hätz: Willi Ostermann

 

Ostermann-Portrait, Detailansicht des Grabsteins, Bild: Elke Wetzig
Ostermann-Portrait, Detailansicht des Grabsteins auf Melaten, Bild: Elke Wetzig

Seine berühmtesten Liedzeilen hat Willi Ostermann nie selber live auf der Bühne gehört:

Wenn ich su an ming Heimat denke
un sin d’r Dom su vör mir ston,
mööch ich direk op Heim an schwenke,
ich mööch zo Foß no Kölle jon.

Das Lied „Heimweh noh Kölle“ ist tatsächlich erst nach dem Tod des „musikalischen Gotts in Köln“, so der Kölner Stadthistoriker Michael-Euler Schmidt, uraufgeführt worden. Und zwar exakt am 10. August 1936. An diesem Tag ist Willi Ostermann beerdigt worden.

Geboren wurde Willi Ostermann am 1. Oktober 1876, auf der Schäl Sick, im damals noch eigenständigem Mülheim. Die Familie zog nach Deutz, wo der  „fussige“ (also rothaarige) Ostermann die Grundschule besuchte. Ostermann soll schon als Kind in der Schule alle Karnevalslieder auswendig gekannt und in herrlicher kölscher Mundart Gedichte verfasst haben. Er lernt in einer Deutzer Druckerei und arbeitet bis ca. 1930 dort. Parallel begann er, mit Gesang und Puppenspiel auf kleinen Bühnen in Köln und im Umland aufzutreten.

Kölsche Lieder für et Hätz. Hochdeutsche für den Geldbeutel

Die Arbeit in der Druckerei war für Ostermann zu langweilig. Viel lieber wollte er seinen Lebensunterhalt auf der Bühne verdienen. Der Durchbruch kam mit dem Lied „Däm Schmitz sing Frau es durchgebrannt.“ Die Geschichte vom verlassenen Ehemann war der Karnevalshit im Jahr 1907. Im nächsten Jahr legte er mit „Wä hätt dat vun d’r Tant gedaach!“ nach.

Das damit verdiente Geld war oft auch schnell wieder weg: Ostermann hatte eine Schwäche für Glücksspiele und Pferdewetten. Daher schrieb er auch hochdeutsche „Rhein-Wein-Lieder“, wie zum Beispiel das „Rheinlandmädel“, „Einmal am Rhein“ oder „Rheinische Lieder, schöne Frau’n beim Wein“ die auch über die Grenzen Kölns erfolgreich waren und Geld in die Kasse brachten. Erstaunlich: Der erfolgreiche Komponist Ostermann konnte zeitlebens keine Noten lesen.  Er sang die Lieder ein, andere schrieben die Noten dazu.

Der Ostermann-Brunnen zeigt die Figuren aus dem Milieu: Die Tant, et Schmitze Billa oder et Stina, Bild: MiriJäm
Der Ostermann-Brunnen zeigt die Figuren aus dem Milieu: Die Tant, et Schmitze Billa un et Stina, Bild: MiriJäm
Nah dran „an dä kleine Lück“

Mit diesen Liedern traf er exakt den Nerv der Kölner zu Beginn der 1930er Jahre. Köln entwickelte sich zur Großstadt, alles veränderte sich. Die Kölner suchten nach ihrer Identität – und Ostermann lieferte die dazu passenden Texte:

Wat hät doch Köln sing Eigenart verlore,
wie wor dat Levven he am Rhing su nett.
Mer es sich selver nit mie rääch em klore,
Ov mer ´ne Fimmel oder keinen hät.
Dä fremde Krom, et es doch zo bedoore.
Als ahle Kölsche schöddelt mer d´r Kopp.
Deiht mer sich bloß die Dänz vun hück beloore,
stüß einem jedesmol de Heimat op.

Und auch seine treffende Beschreibung des Millieus, der einfachen Menschen, war punktgenau. Immer mit einem Augenzwinkern und nie böswillig hat Ostermann menschliche Schwächen besungen. Egal, ob es um et „Et Schmitze Billa“ ging, die unverhofft zu Geld kommt und sich in einer Bonner Nobelgegend eine Villa kauft, aber trotzdem nie ihre proletarische Herkunft ablegen kann. Oder um die „verstoppte Pief“ bei Palms, die die ganze Bude verqualmt.

Dass gerade die Familie Palm eine große Rolle in seinen Liedern spielte, ist kein Zufall. Seine zweite Ehefrau, nach einer ersten, gescheiterten, Ehe war Käte Palm. Ihre Mutter war übrigens außer sich, dass ihr Schwiegersohn ausgerechnet deren Familiennamen „Palm“ verwendete, er möge die Familie im Lied doch einfach „Halm“ nennen. Doch Ostermann war davon nicht abzubringen. Und der Erfolg gab ihm Recht.

Die größte Beerdigung Kölns

Bei einem Gastspiel in Bad Neuenahr im Juli 1936 brach Ostermann zusammen. Er wurde im Krankenhaus behandelt, nach offizieller Aussage am Magen. Der kölsche Klatsch und Tratsch kolportierte aber, dass er an einer Leberzirrhose aufgrund seines übermäßigen Alkoholgenusses litt. Am 6. August 1936 starb der Komponist, vier Tage später stand das Leben in Köln still: Die bis dato größte Beerdigung in Kölns zog bis zu 35.000 Menschen an.

Auf Melaten, am offenen Grab Ostermanns, erklingt dann zum ersten Mal „Heimweh noh Kölle“. Ein Freund hatte das Lied vollendet:

Wenn ich su an ming Heimat denke
un sin d’r Dom su vör mir ston,
mööch ich direk op Heim an schwenke,
ich mööch zo Foß no Kölle jon.

Die kölsche Hymne. Von einem großen Komponisten, der keine Noten lesen konnte.


Ostermann hat in den 1930er Jahren direkt neben dem Bing-Haus am Neumarkt gelebt.


Der WDR hat zum 75. Todestag Ostermanns ein „Zeitzeichen“ veröffentlicht. Besonders schön: Im herrlichen Kölsch mit Knubbeln spricht seine Witwe Käte über ihren Mann.


Es gibt tatsächlich einen Willi-Ostermann-Wanderweg: Von seinem Geburtshaus in Mülheim geht es über Deutz und die Innenstadt bis zu seinem Grab auf Melaten. Bitte Zeit mitbringen, der Weg geht insgesamt über 12 Kilometer. Wer es kompakter mag sollte auf meine Lotsen-Tour Innenstadt mitkommen, dort begegnen wir auch seinen Liedern und den besungen Figuren.


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