Kölsche Originale: Bolze Lott – gewiefte Schmugglerin mit losem Mundwerk

Ein " Cul de Paris", hier auf einem Bild von Renoir, ist ein extrem ausladender Reifrock, welcher sich hervorragend eignet, darunter Schmuggelgut zu verstecken.
Ein „Cul de Paris“, hier auf einem Bild von Renoir, ist ein extrem ausladender Reifrock, welcher sich hervorragend eignet, darunter Schmuggelgut zu verstecken.

 

Es muss ein ganz besonderer Anblick gewesen sein, der sich den Kölner Zöllnern etwa um das Jahr 1850 geboten hat: Eine Frau, kaum noch Zähne im Mund, aber gekleidet nach der neuesten Mode mit einem extrem ausladenden „Cul de Paris“, watschelt schwerfällig über die Deutzer Schiffsbrücke. Dabei verdeckt der ausladende Reifrock mit der starken Überbetonung des Hinterteils nicht nur den Frauenkörper, sondern auch mehrere Pfund Mehl und Speck, welche die Dame unter ihrem Rock versteckt an den Beamten vorbei in das linksrheinische Köln schmuggelt.

Die Zöllner hatten eindeutig Respekt vor dieser ganz besonderen Gestalt, die da über die Brücke kam. Handelte es sich doch um niemand geringeres als Scholastika Steinhausen, geb. Bolz. In Köln besser bekannt als „Bolze Lott“ und der Schrecken eines jeden Zollbeamten. Denn jede Leibesvisitation wird von der Dame lautstark und mit Worten, die selbst einen Bierkutscher rot werden lassen, als Grabscherei bezichtigt und die Zöllner als Föttchesföhler verunglimpft. Dabei wollten die Beamten nur ihrer Aufgabe nachgehen und die im Jahr 1856 neu eingeführte Mehl- und Schlachtsteuer einziehen.

Bolze Lott lebte in einer rauen Welt

Geboren wurde Scholastika Lott (lat. scholastica „die Lernende) am 8. Dezember 1825 in der Kostgasse am (heutigen) Breslauer Platz. Zu Zeiten der Bolze Lott wurde die Straße Kotsgasse (von „kut“ für Innereien) genannt, weil hier Metzger Eingeweide und Abfälle des Schlachtviehs verarbeiteten. Eine raue Gegend, in der sich Bolze Lott aber durch ihr vorlautes Mundwerk durchzusetzen wusste.

Ihr Eheglück – im Jahr 1846 heiratet sie den Rhingroller1Rhingroller waren billige Tagelöhner, die die Rheinschiffe mit reiner Muskelkraft be- und entladen mussten. Johann Friedrich Steinhausen – währte nur sehr kurz. Der bekannte Schläger und Raufbold Steinhausen muss noch während der Flitterwochen ins Gefängnis und stirbt kurz darauf. So ist Bolze Lott bereits mit 22 Jahren Witwe und muss alleine für ihren Lebensunterhalt sorgen.

Karriere als gewiefte Schmugglerin

Als „Käätzemöhn“ verkauft Bolze Lott vor den Kirchen Kerzen an Gläubige – inklusive dem Service, diese Kerzen auch aufzustellen und anzuzünden. Um das Geschäft etwas lukrativer zu machen, „vergisst“ sie regelmäßig, die Kerzen auch tatsächlich in der Kirche  aufzustellen. Als sich das herumspricht, bleiben die Kunden aus.

Wie gut für Bolze Lott, dass ab 1856 zwei Dinge zusammenkommen: Die neue Steuer für Produkte aus dem Rechtsrheinischen und die Mode der ausladenden Röcke. So verdient sie sich als Schmugglerin ihren Lebensunterhalt.

Die listige Lotte wurde so der Albtraum der Zöllner. Denn sie verstand es auch ohne Schmuggelgut unter dem Reifrock, so zu gehen, als ob sie einen Zentner Mehl und ein halbes Schwein darunter verstecken würde. Die dann fälligen Kontrollen der Zöllner konterte die Dame lautstark als unsittliche Berührung. So waren sich die Zöllner nie sicher, ob die als Schmugglerin bekannte Bolze Lott jetzt gerade tatsächlich schmuggelte oder die Zöllner nur aufs Glatteis führen wollte. Die Beamten wurden immer unsicherer: Manche vergebliche Leibesvisitation endete in einer wüsteten Schlägerei, immer aber in üblen Beschimpfungen durch Bolze Lott, die sich vor den herbeieilenden Bürgern, davon viele selber als Schmuggler unterwegs, als unschuldiges Opfer darstellte.  

Et Bolze Lott, Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Et Bolze Lott, Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer

Abschaffung der Steuer beendet Schmuggelei der Bolze Lott

1874 wurde die Mehl – und Schlachtsteuer abgeschafft. Und Bolze Lott musste sich ein neues Betätigungsfeld für ihren Lebensunterhalt suchen. So verkaufte sie in einem Bauchladen Kerzen, Heiligenbildchen und anderes Jedöns vor Kirchen, an Wallfahrtsorten oder auf den umliegenden Kirchweihfesten.

Doch auch hier stand ihr ihr loses Mundwerk oft im Weg. Kunden, die nicht sofort kaufen, sondern zunächst nur schauen wollen, werden übel beschimpft. Auf einer Kirmes beleidigt sie den örtlichen Geistlichen, der ebenfalls nichts für ihren Tand übrig hat, mit den Worten „Paafgott – Raafgott. Düvel. Halt der Sack op!“2„Pfaffengut – Raffgut, Teufel halt den Sack auf!“

Tod mit 76 Jahren im Jahr 1902

Erstaunlich, dass Bolze Lott das stolze Alter von 76 Jahren erreicht. Ihre letzten Jahre verbringt sie in einer Wohnung in der Große Spitzengasse, heute als Tel-Aviv-Straße ein Teil der Nord-Süd-Fahrt. Doch auch im hohen Alter sind ihre Schimpftiraden noch berüchtigt. Als sie einen herumziehenden Kesselflicker beleidigt, entgegnet dieser „Lott, ich krigge alles gefleck, nur ding Schnüß, do kann ich och nix mache.“

Scholastika Steinhausen, geborene Bolz, stirbt am 3. September 1902. Über ihren Tod schreibt der Arzt und Heimatschriftsteller Josef Bayer:

„Ob sie bis hart an der Pforte des Todes ihr wüstes Schimpfen fortgesetzt hat oder ob sie, als Freund Hein sie beim Schopfe nahm, zu guter Letzt doch noch Reu und Leid erweckte, ist nicht bekannt, denn man hat sie an dem genannten Tage entseelt im Bett gefunden.“


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


In einem wunderschönen Kölsch hat Michael Waßerfuhr von den Kölschgängern die Geschichte von Bolze Lott erzählt. Schaut mal rein, lohnt sich!


Der Podcast: Kölsche Originale: Bolze Lott

 

Shownotes

Was für ein Glück, dass der „Cul de Paris“ Mitte des 19. Jahrhunderts modern war. Denn unter dem extrem ausladenden Reifrock konnte die in Köln als „Bolze Lott“ bekannte Schmugglerin Scholastika Lott mehrere Pfund Mehl und Speck vor den Zöllnern verstecken.

Mehr zu dieser Dame mit außergewöhnlich losem Mundwerk und ganz besonderen Schmuggel-Methoden gibt es im heutigen Köln-Ding der Woche.


Text dieser Podcast-Folge

Herzlich Willkommen zu einer neuen Folge von Köln-Ding der Woche.

Der super mega tolle Uli und der weniger unglaublich tolle, unglaublich mega tolle und gut aussehende Frank präsentieren euch heute ein kölsches Original. Ja, das ist nämlich die Bolze Lott.

Und wenn ihr die vorherige Folge über Bolze Lott gehört gabt, da haben wir über Kölsche Schimpfwörter gesprochen. Und die Bolze Lott ist sozusagen die Königin der Kölschen Schimpfwörter. Die hatte, ich will nicht sagen erfunden, aber zur Perfektion getrieben.

Bevor wir zu Bolze Lott selber kommen und ihre doch recht derben Ausdrucksweise, noch mal ganz grundsätzlich zu diesen Kölschere Originalen. Die haben alle was gemeinsam. Ich meine, ihr kennt die wahrscheinlich. Das ist sowas wie zum Beispiel Fleuten-Arnöldsche, Orjels Palm, dä Fressklötsch und so was.

Köln wächst ab 1880 gewaltig

Das sind alles Kölsche gewesen, die so im 18./19 Jahrhundert gelebt haben, tatsächlich als Köln noch überschaubar war. Also wenn wir über das Jahr 1880 reden, hatte Köln etwa 140.000 Einwohner. Und als dann richtig abging mit den Eingemeindungen, hatten wir auf einmal bis 1914 etwa 650.000 Einwohner in der Stadt. Die wurde unüberschaubar. Vorher alles schön klein und kuschelig. Und da hatten die Originale ihren Platz. Danach nicht mehr. Deswegen ist das alles, wenn man diese Originale so abklappert, alles in diesem Zeitraum vor dem großen Wachstum unserer Stadt.

Ja, es ist also heute ungemein schwierig, noch ein Original zu werden oder zumindest ein Original außerhalb des eigenen Veedels zu werden. Das haben jetzt vielleicht eine Handvoll Menschen geschafft, der Hans Süper, die Müllers Aap, auch die Plaat, also Jürgen Zeltinger. Dann wird es wahrscheinlich schon eng, naja, Tommy Engel natürlich.

Was aber schon skurril ist, ist, diese kölschen Originale werden heute so ein bisschen verehrt, vergöttert, weiß ich auch nicht genau. Kein Bierdeckel ohne kölsches Original, kein Kölschglas. Man findet die an verschiedenen Hauswänden angebracht, man findet die in ganz vielen Erzählungen. Und deswegen haben die durchaus ihren Platz. Das als kleine Vorgeschichte zu dem, was uns eigentlich heute erwartet, nämlich eine wilde Geschichte zu Scholastika Lott.

Bolze Lott

Ja, es muss also ein unglaublicher Anblick gewesen sein, als die Kölner Zöllner, sage ich mal, um 1850 herum, eine Frau auf sich zukommen haben sehen, die hatte kaum noch Zähne im Mund. Okay, damals war die Zahnhygiene, jetzt nicht so verbreitet wie heute Die hatten noch keine Boni-Hefte und keine Zahnärzte so richtig. Da ging man noch zum Medikus wahrscheinlich.

Aber sie war nach der neuesten Mode aus Paris gekleidet. Und diese neueste Mode, die hat es im wahrsten Sinne des Wortes in sich. Das war der Cul de Paris. Das ist so ein Rock mit so einer ausgestellten Fott. Also stellt euch vor, ihr habt einen Rock an und da hinten ist irgendwie bei Höhe der Fott wie so ein Fässchen draufgeschnallt. So ungefähr ist ja der Cul de Paris aus. Das war die neueste Mode damals und das war das große Glück für Bolze Lott.

Einführung Mehl- und Fleischsteuer 

Das zweite große Glück für sie war, dass 1856 in Köln die Mehl- und Fleischsteuer eingeführt worden ist. Das galt natürlich nicht außerhalb Kölns. Und die Schäl Sick war eben nicht Köln. Bis 1888, bis dann da drüben alles eingemeindet worden ist, war das nicht Köln. Und deswegen konnte man drüben billig einkaufen und dann nach Köln bringen.

Ja, dann hat Bolze Lott drüben billig gekauft und hat ihren ausladenden Reifrock, den man damals auch Königin-Hintern oder Watte-Hintern genannt hat ausgestopft mit den Sachen, die sie so gekauft hat. Das kennt man jetzt heute vielleicht, haben wir da vielleicht schon beim Film gesehen, wenn irgendwelche Frauen so tun, dass wenn sie schwanger werden, dann machen sie da was für sich, einen Luftballon rein oder wie auch immer.

So und dann ist die über diese Brücke hier watschelt und auf die Zöllner zu. Und was dann passierte war schon bemerkenswert. Die Bolze Lott hatte halt dann tatsächlich unter diesem ausladenden Rock unter Umständen ein paar Kilo Mehl und mehrere Pfund Speck versteckt und ging dann auf die Zöllner zu. Und die wollten die Dame natürlich kontrollieren, um den Zoll einzutreiben. Aber das haben die natürlich nicht ohne die Rechnung mit Bolze Lott gemacht, weil die war damit definitiv nicht einverstanden. Die zog mal richtig vom Leder.

Ja, man muss auch sagen, dass die Zöllner, die standen unter Eid, das waren jetzt nicht alles irgendwelche hergelaufenen Jungs, die den Zugang zu Zülpicher Straße am 11.11 kontrollieren und dann für fünf Euro das Türchen aufmachen, sondern die haben ihren Job wirklich ernst genommen. Also die haben angefangen zu kontrollieren. Was geschah dann, lieber Uli?

Ich will es nicht aussprechen. Ja, Bolze Lott hat die unflätig beschimpft, hat gesagt, das wären Föttchesföhler. Ein wunderschönes Schimpfwort. Wer letztes Mal aufgepasst hat, weiß noch genau, was das ist. Also die würden ihr ja an die Fott gehen, an das Gesäß gehen. Und da muss es ziemlich rüde zur Sache gegangen sein. Das ging dann auch schon bis zu Handgreiflichkeiten.

Schmugglerin

Diese Dame hat dann auch wirklich nichts gescheut, um ihrer Tätigkeit als Schmugglerin nachzugehen. Ja, zumal sie das auch sehr perfide bzw. klug eingefädelt hat. Also hat ist teilweise nichts geschmuggelt und ist über die Brücke. Wenn sie dann kontrolliert wurde, hat sie ein Riesentheater gemacht. Dann waren die schon so ein bisschen verunsichert, weil die haben ja nichts gefunden. Und dann ist sie beim nächsten Mal mit was drüber, dann haben die ja nicht kontrolliert. Also sie hat sich da immer sehr geschickt angestellt, muss man sagen.

Jetzt muss man die Dame natürlich im Zuge ihrer Zeit sehen. Also es hört jetzt alles so an, als wenn das irgendwie eine nur perfide Persönlichkeit gewesen wäre. Scholastika Botz wurde am 8.Dezember 1825 in Köln geboren. Die war natürlich schon ein Kind ihrer Zeit. Und die hatte nicht das allerschönste Leben, muss man dazu sagen.

Geboren in der wunderschönen Kotzgasse. Das war am Breslauer Platz. Also das ist dann später die Kostgasse geworden. Und das war deswegen die Kotzgasse, weil da wurde Kutt verarbeitet. Und das war das Innereien von allen möglichen Tieren. Da haben nämlich die Metzger gesessen damals. Und diese Gegend war alles andere als piekfein. Also das war schon eine ziemlich raue Gegend, wo auch die wilden Menschen gewohnt haben. Und da ist die Scholastika geschult worden.

Ja, da hat sie ihr grobes Mundwerk oder vorlautes Mundwerk auf jeden Fall da verfeinert. Ihr Vater war laut Übermittlung in Rhingroller. Also ein Tagelöhner, der seinen Lohn eher versoff, als dass er das Geld nach Hause gebracht hat.

Dann hat sie im Jahre 1846, glücklich weiß ich nicht, aber zumindest hat sie heiratet und zwar den Tagelöhner Johann Friedrich Steinhausen. Leider Gottes ist Folgendes passiert: Der war auch Tagelöhner, der war auch Ringroller. Und Rhingroller, das waren die Typen, Scheuer-Leute, das waren die Tagelöhner, die die Rheinschiffe be- und entladen haben und zwar nicht mit Kränen oder Gabelstaplern sondern mit purer Muskelkraft. Die Jungs hatten wahrscheinlich viel in de Maue, aber jetzt nicht unbedingt so unwahrscheinlich viel im Kopf.

Ehe nur von sehr kurzer Dauer

Ja, und dieser Friedrich Steinhausen und Bolze Lott haben geheiratet. Aber der war nicht nur Ringroller, sondern der hat auch noch einen anderen Ruf gehabt. Ja, der war ein stadtbekannter Schläger und ist noch während der Flitterwochen ins Gefängnis gekommen und leider Gottes auch kurz darauf gestorben.

Dann hat die mit 21 geheiratet und war mit 22 bereits Witwe und musste irgendwie für den Lebensunterhalt sorgen. Und das war für eine Frau in der damaligen Zeit nicht leicht. Wir reden jetzt über die Zeit um 1850.

Das war nicht besonders einfach und eine Gelegenheit für sie, um am Geld ranzukommen, war das als Kääze Möhn. Kääze Möhne haben Kirchen Kerzen an Gläubige verkauft, inklusive dem Service, dass sie selber in der Kirche anstecken würden. Also als Ersatz dafür, dass ich nicht selber in die Kirche gehe, zahlst man ihr das Geld, sie steckt die Kääz an und du bist von allen Sünden befreit.

Es gab nur ein kleinen Makel an dem Geschäftsmodell von ihr. Sie hat ab und an mal vergessen, das auch wirklich zu machen und hat dann ihre Kerzen, sag ich mal, doppelt, dreifach und vierfach verkauft. Das hat sich dann natürlich irgendwann mal rumgesprochen und dann blieben die Kunden aus. So und was hat sie dann gemacht?

Dann kam Gott sei Dank 1856 diese besagte Steuer für Produkte, die außerhalb der Stadt Köln produziert worden sind. Und das war diese Fleisch, Mehl und sonst was Steuer. Und das war ihre Chance, im Geld zu verdienen. Ja, dann hat sie die Zöllner mehr oder minder veräppelt und hat geschmuggelt oder auch nicht. Auf jeden Fall immer mit ziemlich viel Schreierei. Und deshalb war sie stadtbekannt als sehr, sehr loses Mundwerk.

Arbeit als Hausiererin

1874 wurde diese Mehl- und Schlachtsteuer dann abgeschafft und sozusagen hatte Bolze Lott auf einmal kein Betätigungsfeld und kein Lebensunterhalt mehr. Das war dann schon ein Problem für sie. Sie hat dann als nächstes versucht, wie so eine Art Hausierer mit einem Bauchladen irgendwelche Kääze und Bildchen von Heiligen und sonstiges Gedöns zu verkaufen. So ist dann zu diesen verschiedenen Wallfahrtsorten Sankt Ursula und auch hier am Rhein gezogen und hat dann da versucht, so die eine oder andere Mark zu machen.

Nun ist das ein bisschen schwierig. Wenn du aus der Kotzgasse kommst und mit dem Mundwerk aufgewachsen bist und Heiligenbildchen verkaufst, das passt nicht so unbedingt zusammen. Ja, also die hat auch dort auf den Kirmessen und vor den Kirchen die Kunden beleidigt, wenn sie denn dann nichts kaufen wollten.

Unter anderem hat sie mal einen Geistlichen wohl beleidigt, der ihren Tant, also für ihren Kram, nichts übrig hatte. Mit den Worten Paffjott, Raffjott, Düvel, Halt der Sack ob. Das heißt, also ich würde das jetzt mal so frei übersetzen, Pfaffe, du raffgieriger Teufel, halt den Sack auf.

76 Jahre alt geworden

Erstaunlich, dass diese Frau mit diesem Lebenswandel und mit den ganzen Umständen tatsächlich 76 Jahre alt geworden ist. Das hätte man eigentlich nicht gedacht. Damit war die weit über dem Durchschnitt ihrer Zeit. Ja, also nicht nur, dass sie in heutiger Zeit natürlich, sag ich mal, bei Google Bewertungen zu Kundenzufriedenheit, sag ich mal, relativ niedrig abschneiden würde. Aber sie ist wirklich 76 Jahre alt geworden. Das ist schon wirklich bemerkenswert.

Und sie ist im Jahre 1902 gestorben. Trotzdem hat sie auch bis zum hohen Alter ihre Schnüss, also doch ihr loses Mundwerk beibehalten. Da gibt es die schöne Geschichte noch, dass da Kesselflicker unterwegs waren. Das waren die Typen, die halt irgendwelche Kessel gelötet haben, wenn die dann leck gegangen sind. Das waren auch nicht gerade Typen, die um die Worte verlegen waren.

Aber bei der Lott kam einer von diesen Kesselflickern an und sagte dann zu ihr, Lott, ich kriege in alles jefleck, nur ding Schnüss, doch kann ich auch nix mieh machen. Ja, was auch frei übersetzt, so viel heißt, Lott, ich bekomme alles repariert, nur dein loses Mundwerk, da kann auch ich nichts dran machen.

Dann 1902 war es soweit, am 3. September 1902 ist Lott gestorben. Und es gibt ein wunderschönes Zitat von dem Arzt, der tatsächlich den Totenschein für sie ausgestellt hat, das war Josef Bayer und der hat gesagt, ob sie bis hart an der Forte des Todes ihr wüstes Schimpfen fortgesetzt hat oder ob sie, als Freund Hain sie beim Schopfe nahm, zu guter Letzt doch noch Reue und Leid erweckte, ist nicht bekannt, denn man hat sie an den genannten Tagen entseelt im Bett gefunden.

Und letztendlich würde ich diese Folge beschließen, wenn ihr mal einen blöden Spruch von einer Verkäuferin bekommt, beim Einkaufen oder was weiß ich wo. Ja, denkt dran, seid froh, dass die Bolze Lott nicht an der Kasse steht.

Was für ein schönes Schlusswort. Wir setzen diese Serie fort, mal gucken, welche Kölschen Originale wir sonst noch auspacken. Maht et jood, bleibt unanständig und bis demnächst.

 


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