Am 5. Juni 2004 begann offiziell der Bau der Nord-Süd U-Bahn. Und noch immer gilt: Ende offen. Nun haben wir Kölner ja reichlich Erfahrung mit Dauer-Baustellen. Der Bau des Doms war immerhin schon nach 632 Jahren vollendet.
Die neue U-Bahn soll eine direkte Verbindung des Hauptbahnhofes mit den südlichen Stadtteilen sicherstellen. Dazu soll eine etwa 6 km lange U-Bahn mit sechs Haltestellen sorgen. Die ursprünglich geplanten Baukosten lagen bei 1,1 Mrd. Euro. Fertigstellung sollte 2010 oder spätestens 2011 sein.
Chaos bereits am ersten Tag
Bereits am ersten Tag der U-Bahn-Baustelle brach in Köln das Chaos aus. Durch die Sperrung in der Innenstadt brach der Verkehr gleich am ersten Tag des Baus, ein Samstag, zusammen. Der Kölner Stadt-Anzeiger befragte genervte Kölner. So auch Rolf L. aus Zollstock. Der rüstige Rentner empörte sich, dass er wegen der Sperrungen zu spät zu einer Hochzeit ins Rathaus käme.
Doch das Verkehrschaos war erst der Anfang. Am 29. September 2004 neigt sich der Turm der Kirche St. Johann Baptist im Severinsviertel gefährlich zur Seite. U-Bahn Bauarbeiten unter dem Fundament haben zur der Schieflage geführt. Glück im Unglück: Niemand kommt zu Schaden, der Turm wird durch massive Stahlträger gestützt und später wieder aufgerichtet. Kurios war allerdings, dass die Schieflage genau zur Kölner Fotomesse „photokina“ passierte. Die Messe reagierte prompt und richtete, insbesondere für fotofreudige Japaner, einen Shuttle-Service zum „Schiefen Turm von Kölle“ ein.
Die Bauarbeiten im historischen Kern der Stadt führten zu weiteren Schäden an der alten Bausubstanz. In der Kirche St. Maria im Kapitol bröselte im November 2004 die Gewölbedecke, im August 2007 wurde festgestellt, dass sich der Rathausturm um fast 1 cm gesenkt hatte. Daraufhin wurde ein Keller unter dem Turm gesperrt.
Einsturz des Stadtarchivs
Das Unfassbare geschah am 3. März 2009: Unter dem Stadtarchiv auf der Severinstraße brach das Erdreich ein. In dem dort entstandenen Krater stürzte das gesamte Archivgebäude zusammen mit zwei weiteren Wohngebäuden, zwei junge Männer starben in den Trümmern. Um weitere Schäden zu vermeiden, wurden mehr als 500 Häuser auf der Severinstraße untersucht. Mehr als die Hälfte der Gebäude wiesen Schäden auf.
Die Hiobsbotschaften zum U-Bahnbau nahmen kein Ende. Im Februar 2010 wurde bekannt, dass Bauarbeiter Metallarmierungen nicht verbaut sondern illegal verkauft haben. In einzelnen Bauabschnitten wurden demnach weniger als 20% der ursprünglich geplanten Stahlarmierungen verbaut. Im Jahr 2013 erwischte es dann auch den Dom. Der Betrieb der Linie 5 unter der Kathedrale war deutlich zu hören und durch Vibrationen zu spüren. Die Kölner Verkehrs Betriebe reagierten prompt – die Bahnen durften nur noch langsam unter dem Dom fahren.
Heute, 14 Jahre nach Baubeginn, ist immer noch kein Ende abzusehen. Der Gerichtsprozess um den Archiveinsturz läuft, letzte Meldungen gehen von einem Betriebsbeginn nicht vor 2026 aus. Die Summe der Kosten ist noch nicht abzusehen. Allein der Einsturz des Archivs wird mit ca. 1,2 Mrd. Euro veranschlagt.
Mal sehen – ich bin zuversichtlich, dass die U-Bahn keine 632 Jahre bis zu Vollendung braucht und somit schneller ist als die Fertigstellung des Doms. Angstschweiß bricht bei mir aber aus, wenn die Stadt bereits die nächste U-Bahn plant: Von Deutz quer unter dem Rhein bis nach Melaten. Mal sehen, ob ich das noch erlebe.
Die Kölner Verkehrsbetriebe haben eine Website zur Nord-Süd Stadtbahn eingerichtet.