Der „Rosa Winkel“: Das Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln

Das Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln, Bild: Franz-Josef Knöchel / LVR
Das Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln, Bild: Franz-Josef Knöchel / LVR

Regelmäßig besuche ich bei der Lotsentour Innenstadt mit meinen Gruppen auch das „Rosa Winkel Mahnmal“. Und immer wieder stelle ich fest, dass selbst Urkölsche dieses Denkmal nicht kennen – obwohl sie schon hundertmal daran vorbeigelaufen sind. Die Rede ist von dem „Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln“. Dabei steht dieses Denkmal an sehr prominenter Stelle: direkt am Rhein, fast unterhalb der Hohenzollernbrücke. Und trotzdem laufen alle daran vorbei. Und das bereits seit 1995. Damals wurde das Denkmal feierlich im Rahmen der Cologne Pride enthüllt. Aus heutiger Sicht erstaunlich: Der damalige Oberbürgermeister Norbert Burger hatte bei der feierlichen Enthüllung des Mahnmals seinen ersten Auftritt im Rahmen eines CSD. Heute ist die Teilnahme an den Feierlichkeiten des CSD Pflichtprogramm für die Vertreter der Politik. So hat in diesem Jahr unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Regenbogen-Flagge enthüllt und die Parade eröffnet.

Streit um Aufstellungsort

Die Vorgeschichte des Denkmals beginnt bereits 1990. Die Initiative ging von Jörg Lenk, aktiv im Arbeitskreis Lesben und Schwule der Gewerkschaft ÖTV in Köln, aus. Drei Jahre später gab es eine Ausschreibung zur Gestaltung des Denkmals. Kritisch diskutiert wurde vor allem der sehr prominente Aufstellungsort. Dabei ist gerade dieser Platz für die homosexuellen Kölner von besonderer Bedeutung. Hier stand bis zum Zweiten Weltkrieg ein Pissoir, welches zum beliebten Treffpunkt schwuler Männer wurde. Nach der Zerstörung des Pissoirs verlagerte sich die Szene in die (heute geschlossenen) Treppentürme der Hohenzollernbrücke. Nicht vergessen: Noch bis in das Jahr 1994 galt der „Schwulen-Paragraph 175“. Dieser Paragraph stellte homosexuelle Handlungen unter Strafe. Anonyme Treffpunkte für Schwule waren daher von besonderer Bedeutung.

Aus dem Lehrmaterial der SS: Übersicht der Kennzeichnungen für Häftlinge, Bild: Bundesarchiv, Bild 146-1993-051-07 / Unknown / CC-BY-SA 3.0
Aus dem Lehrmaterial der SS: Übersicht der Kennzeichnungen für Häftlinge, Bild: Bundesarchiv, Bild 146-1993-051-07 / Unknown / CC-BY-SA 3.0
Rosa Winkel kennzeichnete homosexuelle Männer im Konzentrationslager

Das Mahnmal ist dem „Rosa Winkel“ nachempfunden. In den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten musste jeder Häftling eine spezielle Kennung als Aufnäher an der Jacke oder Hemd tragen. Zwei gegenläufige Winkel, die den „Judenstern“ ergaben, kennzeichneten Juden. Ein roter Winkel stand für politische Gefangene. Einen lila Winkel mussten Zeugen Jehovas tragen. Weitere Aufnäher standen z.B. für Sinti und Roma oder  Berufsverbrecher. Der „Rosa Winkel“ war die Kennzeichnung homosexueller Männer.

  • Dieser „Rosa Winkel“ wurde später international zum Symbol der Homosexuellen. Heute hat allerdings die Regenbogenflagge eine wesentlich größere Popularität in der LGBT1Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender, also Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender-Szene.
Der "Rosa Winkel", gehalten durch graue Keile, Bild: Franz-Josef Knöchel, LVR
Der „Rosa Winkel“, gehalten durch graue Keile, Bild: Franz-Josef Knöchel, LVR

Das Denkmal besteht aus diesem „Rosa Winkel“, welcher links und rechts von grauen Keilen gehalten wird. Der Künstler Achim Zinkann dazu:
„ … In der Skulptur entsteht eine Korrespondenz zwischen den Keilen. Druck, Gegendruck und Reibung sind Voraussetzungen für den Gesamtzusammenhalt. Wird einer der Keile entfernt, verliert mindestens ein anderer den Halt. Das Gefüge wird zerstört …“

Inschrift des Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Inschrift des Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Auf der Oberseite ist die Inschrift:

Totgeschlagen – Totgeschwiegen
Den schwulen und lesbischen Opfern des Nationalsozialismus

eingemeißelt. In den Konzentrationslagern des NS-Regimes wurden etwa 10.000 homosexuelle Männer inhaftiert und mehr als die Hälfte davon ermordet, schätzt der Soziologe Rüdiger Lautmann.

Wenn ihr demnächst in der Innenstadt unterwegs seid, nehmt euch die Zeit und schaut euch dieses Denkmal an. Leider stelle ich regelmäßig fest, dass sich der „Rosa Winkel“ nicht im besten Zustand befindet. Die Patenschaft hat der schwule Männerchor „Zauberflöten“ übertragen bekommen. Es wäre wünschenswert, wenn dort öfters mal jemand vorbeischaut und die Würde des Mahnmals sicherstellt.


Das Denkmal hat auch eine eigene Website mit weiteren Informationen. Außerdem gibt es noch ein Köln-Ding der Woche zum schwul-lesbischen Köln und der CSD-Parade.


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Rettet das Funkhaus in Köln-Raderthal!

 

Früher Heimat rauschender Feste, heute ein vernachlässigter Ort, : Das Raderthaler Funkhaus, Bild: Peter Funk
Früher Heimat rauschender Feste, heute ein vernachlässigter Ort, : Das Raderthaler Funkhaus, Bild: Peter Funk

Köln ist eine Medienstadt. WDR, RTL, ntv, Deutschlandradio, weitere Radiosender sowie zahlreiche Verlage haben ihre Heimat in unserer Stadt. Und das hat eine lange Tradition: Schon 1927 gab es einen Sender der Westdeutschen Rundfunk AG (WERAG), eine Vorläuferin des heutigen WDR in Köln-Raderthal.

Adenauer holt Sender nach Köln

Während der Besatzungszeit nach dem 1. Weltkrieg war der Bau deutschsprachiger Sender verboten. Erst nach dem Abzug der britischen Truppen Anfang 1926 war es erlaubt, Sendeanlagen aufzubauen. Und so ging am 15. Januar 1927 der WERAG-Sender in Langenberg (Velbert) auf Sendung. Für die Kölner Radiohörer eine Zumutung: Statt Musik nur Rauschen und Knirschen – die Sendeleistung in Langenberg reichte nicht aus, um auch den Kölnern einen störungsfreien Empfang zu ermöglichen. Also: Ein neuer Sender muss her. Oberbürgermeister Konrad Adenauer legte sich mächtig ins Zeug und bot den WERAG-Verantwortlichen ein Gelände in Köln-Raderthal an, direkt am Park gelegen. Bereits im Mai 1927 begannen dort die Bauarbeiten für ein Sendehaus und die mächtige Sendeanlage. Diese bestand aus zwei Sendemasten mit 80 Metern Höhe, gefertigt aus speziell präparierten Kiefernholz, da Eisenmasten einen negativen Einfluss auf die Sendeleistung haben. Zwischen die Masten wurde Drähte gespannt – die eigentliche Sendeanlage.

Historische Sendeanlage mit sogenannter „T-Antenne“, so hat auch der Sender in Raderthal ausgesehen: Zwei 80 m hohe Tragmasten mit der mehrdrähtigen, 6 m breiten und 40 m lange T-Antenne, Bild: Rundfunksender um 1925
Historische Sendeanlage mit sogenannter „T-Antenne“, so hat auch der Sender in Raderthal ausgesehen: Zwei 80 m hohe Tragmasten mit der mehrdrähtigen, 6 m breiten und 40 m lange T-Antenne, Bild: Rundfunksender um 1925
Wechselvolle Geschichte des Funkhauses

Ab 1932 wurde die Sendeleistung des Senders Langenberg massiv ausgebaut – und somit der Kölner Sender überflüssig. Der Sendebetrieb wurde am 14. März 1932 eingestellt, die Sendeanlage abgebaut. Das Sendehaus aber blieb erhalten und stand zunächst leer.

Um das Jahr 1950 begann in Raderthal – rund um das Funkhaus – eine rege Bautätigkeit. Für die in Köln stationierten britischen und belgischen Offiziere wurden großzügige Häuser angelegt. Und auch das Funkhaus wurde von der Britischen Rheinarmee requiriert, in die Siedlung einbezogen und für Veranstaltungen verwendet. Anwohner berichten noch heute von dem großen Saal mit Parkettboden, Kronleuchtern und rauschenden Festen im Funkhaus. Im Jahr 1997 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt.

Seit dem Abzug der Rheinarmee wird das Funkhaus von der Stadt Köln genutzt, zuletzt als Notunterkunft für Flüchtlinge. Heute steht das Haus leer, aber die Jahre sind nicht spurlos  vorbeigegangen. Das Dach ist undicht, das gesamte Gebäude ist sanierungsbedürftig, die Fenster notdürftig mit Blechen zugeschlagen.

Teilansicht des Funkhauses, links der Eingang zur großen Halle, Bild: Heinz Reutersberg
Ein Bild aus besseren Tagen, heute verschandeln Bleche das Haus, Bild: Heinz Reutersberg
Initiative „Radiomuseum ins Funkhaus“

Fraglich ist, wie es mit dem diesem geschichtsträchtigen Objekt weitergeht. Es besteht die Gefahr, dass der Denkmalschutz aufgehoben wird, die Stadt das Areal an einen Investor verkauft und dort Wohnungen errichtet werden. Damit wäre das Schicksal des Sendehauses endgültig besiegelt und Köln würde wieder ein Stück Geschichte unwiderruflich verlieren.

Leider ist die Initiative „Radiomuseum ins Funkhaus“ im Kölner Stadtrat gescheitert. Die Idee war, das Haus zu sanieren und das in Köln bestehende Radiomuseum im Raderthaler Funkhaus unterzubringen. „Wir wollen das markante Gebäude wieder einer ursprungsnahen Nutzung zuführen.“ so der Sprecher der Initiative, Andreas Henseler. Zahlreiche Initiativen, Vereine und Bürger hatten sich dem Netzwerk angeschlossen.
Leider ohne Erfolg. Aktuell1Stand: 30. Mai 2022 ist die Nutzung des dringend sanierungsbedürftigen Gebäudes offen.


Eine Gruppe bei der Lotsentour Raderberg und Raderthal am alten WERAG-Funkhaus, Bild: Uli Kievernagel
Eine Gruppe bei der Lotsentour Raderberg und Raderthal am alten WERAG-Funkhaus, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Das alte Funkhaus ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


Am „Tag des offenen Denkmals“ (7. September 2019) gab es die Möglichkeit, einen Blick in das Gebäude zu werfen. Hier ein sehenswertes Video dazu. Kleiner Tipp (in eigener Sache): Ab Minute 4 komme auch ich zu Wort. Schaut mal rein! 

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Der Geusenfriedhof

Der Geusenfriedhof, Bild: Uli Kievernagel
Verwittert und geheimnisvoll: Der Geusenfriedhof, Bild: Uli Kievernagel

Richtig still ist es hier es seit Ewigkeiten nicht mehr gewesen. Und schön ist auch nur der Friedhof selber. Man sollte tunlichst vermeiden, den Blick auf die umliegenden Bausünden der Universität und des Krankenhauses Weyertal zu werfen. Trotzdem lohnt sich ein Besuch auf dem „Geusenfriedhof“ in Sülz. Der Name ist vom französischen Wort für „gueux“, welches Bettler bedeutet, abgleitet. So wurden die überwiegend aus den Niederlanden geflüchteten Protestanten als „Geusen“ bezeichnet.

Im 16. Jahrhundert lag dieser Friedhof weit vor den Stadttoren. Und das musste er auch, denn hier wurden nur „unkatholische“ Menschen bestattet. Innerhalb der Stadtmauern ging die katholische Kirche mit aller Härte gegen die „Falschgesinnten“, also die Protestanten, vor. Wer nicht am katholischen Gottesdienst teilnahm oder an den kirchlichen Feiertagen keinen Blumenschmuck bereitstellte, riskierte die Haft oder wurde gleich aus dem „Hillige Kölle“ verwiesen. Die in Köln ansässigen Protestanten konnten daher ihren Glauben nur im Verborgenen praktizieren. So waren auch Beerdigungen von Protestanten auf den städtischen Friedhöfen schlichtweg verboten.

Bis 1829 einzige Begräbnisstätte für Protestanten

Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet die katholische Adlige Ursula von Gohr zu Kaldenbroek im Jahr 1576 ein Stück Land zur Anlage eines Friedhofs für die Protestanten stiftete. Die erste Beerdigung fand dort im Jahr 1584 statt. Und bis weit in das 19. Jahrhundert war dieser Friedhof die einzige mögliche Begräbnisstätte für Protestanten in Köln. Erst die Liberalisierung der Religion durch die französischen Besatzer führte 1829 dazu, dass auch Protestanten auf dem Friedhof Melaten bestattet werden durften. Auf dem Geusenfriedhof wurde 1875 die letzte Bestattung durchgeführt. Und danach geriet diese Fläche in Vergessenheit – bis 1981. Der Friedhof wurde unter Denkmalschutz gestellt und die evangelische Gemeinde hat sich der verwilderten Fläche angenommen, Grabsteine wieder aufgerichtet und die Wege wieder hergestellt. Für dieses Engagement bekam stellvertretend für das ganze Team Elke Bendixen den 2005 den Ehrenamtspreis der Stadt Köln.

Heute liegt der Friedhof  zwischen den unansehnlichen Betonklötzen und übt gerade deswegen eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Die großen Bäume und die verwitterten Grabsteine führen in eine längst vergangene Zeit zurück.


Der Geusenfriedhof liegt hinter der Universitätsbibliothek an der Kerpener Straße 13.

Öffnungszeiten:

April – September: 9 -19 Uhr
Oktober: 10-17 Uhr
November-März: geschlossen
ACHTUNG:  Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen: 10-17 Uhr


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Der Decke Pitter

Am 30. November 1924 wird die "Petersglocke, in Köln besser bekannt als "Decke Pitter", geweiht, Bild: Annaglocke, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Am 30. November 1924 wird die Petersglocke, in Köln besser bekannt als „Decke Pitter“, geweiht, Bild: Annaglocke, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

 


VORSICHT!  Bitte nicht verwechseln:
Der „Drüje Pitter“ ist ein Brunnen, der „Decke Pitter“ ist die Petrusglocke und das „Pittermännchen“ ist ein 10-Liter-Fass


Er ist mit 24 Tonnen so schwer wie fünf ausgewachsene Elefanten. Und wenn er sich meldet, ist er lauter als eine ganze Herde Elefanten: Die Petersglocke, von den Kölnern liebevoll „Decke Pitter“, genannt ist die größte Glocke im Dom. Und war bis Ende November 2018 auch die größte freischwingende Glocke der Welt. Diesen Rekord hat der Decke Pitter an eine noch eine Tonne schwerere Glocke in Bukarest verloren.

Der korrekte Name für den kölschen Giganten lautet Petersglocke. Seine ersten Glockenschläge erklangen am Heiligabend 1924. Allerdings nur drei Mal, dann riss ein Seil und die Glocke blieb stumm. Es sollte bis Oktober 1925 dauern, bis der Decke Pitter wieder läutete.

St. Peter bin ich genannt
schütze das deutsche Land.
Geboren aus deutschem Leid
ruf ich zur Einigkeit.
Inschrift auf der Petersglocke

Gegossen wurde der Decke Pitter am 5. Mai 1922 im thüringischen Apolda. Mehr als 30 Festmeter Fichtenholz waren nötig, um das notwendige Metall zu schmelzen. Und dann ging es ganz flott: In weniger als 10 Minuten war die Glocke gegossen, allerdings dauerte es zwei Wochen, bis das Metall ausgekühlt war. Angekommen in Köln musste für die 24 Tonnen schwere Glocke der Dachstuhl im Dom verstärkt werden. Und da die 3,20 Meter hohe und 3,22 Meter breite Glocke nicht durch die Türen passte, wurde erst ein Mittelpfeiler im Hauptportal ausgebaut.

Der Decke Pitter im Kölner Dom, Bild: Pappnaas666
Der Decke Pitter im Kölner Dom, Bild: Pappnaas666

„Schonkur“ für die Glocke 

Im Juli 2021 titelt der Kölner Express „Schonkur für den Decken Pitter“:  Ein Riss in der Glocke, welcher bereits seit den 1950er Jahren bekannt ist, macht es erforderlich, den Pitter seltener und jeweils kürzer zu läuten. Damit soll die Langlebigkeit der Glocke gesichert werden. Statt an elf Anlässen pro Jahr gibt es den eindrucksvollen Klang nur noch achtmal jährlich zu hören, unter anderem an Weihnachten (Heiligabend um 19.15 Uhr und 23.15 Uhr, am ersten Weihnachtstag um 9.35 Uhr). Außerdem läutet der Decke Pitter am Dreikönigstag (6. Januar) um 9.35 Uhr.

Wenn die Glocke zwischendurch läutet, ist etwas Besonderes passiert: Entweder wurde ein neuer Papst gewählt oder es wurde eine neuer Erzbischof für Köln ernannt. Wer darauf nicht warten will, kann auch hier den einzigartigen „Dur-Terz-Nebenschlagton“ der Glocke hören.


109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas

Auch im Vierungsturm des Doms hängen Glocken: Die Angelusglocke, die Wandlungsglocke und die Mettglocke. Bitte beachten: Der Name der Mettglocke letztere nicht mit einem kölschen Lieblingsessen sondern mit dem Begriff „Mette“, einem nächtlichen oder frühmorgendlichen Gottesdienst, zusammen.


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„Am Dude Jüd“: Der alte jüdische Friedhof in Raderberg

Ausschnitt aus einem Stich von Friedrich W. Delkeskamp (1794–1872)
„Am toten Juden“ (Ausschnitt aus einem Stich von Friedrich W. Delkeskamp (1794–1872). Gut zu erkennen ist die Lage des Friedhofs vor der Stadtmauer.

„Parkstadt Süd“ ist das große Stadtentwicklungsprojekt im Kölner Süden. Bis zu 4.000 Wohnungen, Büros und Ladenlokale sollen im „Inneren Grüngürtel“ zwischen Bayenthal, Raderberg, Zollstock und Sülz entstehen. Teil des Projekts ist auch der Großmarkt. Dieser sollte bereits im Jahr 2020 umziehen. Doch sowohl die Standortfrage als auch der konkrete Umzugstermin sind noch offen. Die Debatte der Beteiligten  (Stadt, Händler, Anwohner am potenziellen neuen Standort in Marsdorf) ist im vollen Gange.

Der Judenbüchel

Eine ganz andere Herausforderung an die Planer wird allerdings kaum diskutiert: Auf dem heutigen Großmarktgelände liegt der „Judenbüchel“, der alte Friedhof der jüdischen Gemeinde. Die Kölschen nannten dieses Gelände „Dude Jüd“ – der „Tote Jude“.

Die exakte Lage des Friedhofs ist nicht bekannt, doch es ist davon auszugehen, dass dieser rund um die heutige Sechtemer Straße lag. Erste schriftliche Erwähnungen des Judenbüchels stammen aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Bei den wiederholten Pogromen kam es auch regelmäßig zu Schändungen des Friedhofes. So wurden ganze Grabsteine als Baumaterial in Köln und im Umland genutzt. Besonders pikant: Auch im „Hansa-Saal“ des historischen Rathauses wurden diese Grabsteine verbaut.

Nationalsozialisten ebnen jüdischen Friedhof ein

Schon ab ca. Anfang des 13. Jahrhunderts wurde das Gelände rund um den „Dude Jüd“ auch als Veranstaltungsgelände genutzt. So fanden hier Hinrichtungen oder auch Turniere statt. Der jüdische Friedhof geriet dabei über die Jahrhunderte in Vergessenheit.

Erst im Jahr 1922, bei Bauarbeiten zur Errichtung des Güterbahnhofs, wurde der Friedhof wiederentdeckt. Grabstätten und Gebeine wurden auf den neuen jüdischen Friedhof in Bocklemünd umgebettet. Allerdings: Im jüdischen Glauben gehören Gräber zum ewigen Eigentum der Toten und dürfen nie berührt werden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass im Jahr 1936 die Errichtung des Großmarkts auf dem Gelände des Friedhofs durch die Nationalsozialisten als bewusster Affront gegen die jüdische Bevölkerung zu verstehen war.

Info-Tafel am Großmarkt, eine eher bescheidene Erinnerung an den Jüdischen Friedhof. Bild: Uli Kievernagel
Info-Tafel am Großmarkt, eine eher bescheidene Erinnerung an den Jüdischen Friedhof. Bild: Uli Kievernagel

Heute erinnert nur noch eine bescheidene Informationstafel an der Markthalle an den jüdischen Friedhof. Und mit diesem Wissen stellt sich nun die Frage, wie mit diesem Erbe im Rahmen des Neubauprojekts „Parkstadt Süd“ umgegangen werden soll.


Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Der „Dude Jüd“ ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


Wer sich grundsätzlich für Friedhöfe interessiert, sollte an der Lotsen-Tour Südfriedhof teilnehmen.


„Am dude Jüdd“ von Willi Ostermann

Bekannter als der eigentliche Friedhof ist in Köln das Lied „Am dude Jüdd“ von Willi Ostermann über ein Tanzlokal, welches sich gegenüber des Friedhofs befunden haben soll. Ob es sich bei dem Wirt allerdings um einen Juden, wie in einem Video der Bläck Fööss (dargestellt von King Size Dick) gehandelt hat, darf durchaus bezweifelt werden.


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Zum Sprung bereit – der Panther in Marienburg

Panther, Bild: Uli Kievernagel
Kommt aus dem Gebüsch geschlichen: Der Panther, Bild: Uli Kievernagel

Die Ohren angelegt, sich anschleichend, mitten aus dem umgebenden Bäumen und Büschen kommend: Der lebensgroße Panther im Südpark in Köln-Marienburg ist durchaus beeindruckend. Auch der Platz für diese Skulptur ist sehr gut gewählt. Das halbrunde Gestrüpp lässt nur den frontalen Blick zu, von der Seite aus ist der Panther nicht zu sehen. Der Bronzeguß stammt ungefähr aus dem Jahr 1920, eine exaktere Datierung ist wegen fehlender Dokumente nicht möglich.

Geschaffen wurde der Panther vom Bildhauer Fritz Behn – einer Größe im nationalsozialistischen Kunstbetrieb. Ab 1921 unterhielt Behn gute Kontakte zu Hitler, der ihm 1943 die „Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft“ verlieh. Fritz Behn war bereits 1928 einer der Initiatoren des „Nationalsozialistischen Kampfbunds für deutsche Kultur“ . Zielsetzung diese Vereinigung war der Widerstand gegen „Verbastardisierung und Vernegerung unseres Daseins“. In dem Nazi-Blatt „Völkischer Beobachter“ hetzte Fritz Behn als Redakteur im Feuilleton gegen „Entartete Kunst“ und „Nigger-Jazz“.

Bei dieser steilen Nazi-Karriere verwundert seine Aussage nach dem Krieg, dass er in Gegnerschaft zum NS-Regime gestanden habe und die „Linkspresse“ ihn zum „Nazi-Bildhauer“ stempeln würde. Fritz Behn war bis zu seinem Tod im Jahr 1970 als freischaffender Künstler tätig, der seine alten Seilschaften zu nutzen wusste und unter anderem Portraits von Maria Callas oder Papst Pius XII. fertigte.

Und mit dem Wissen um den Bildhauer verändert sich für viele auch der Blick auf das Kunstwerk „Der Panther“.

Übrigens:  Teilnehmer der Lotsen-Tour Marienburg können dem Panther auf unserer Tour tief in die angriffslustigen Augen sehen. Eine weitere Skulptur von Fritz Behn steht in dem kleinen Park am Sachsenring: „Diana mit springender Antilope“.


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