
Regelmäßig besuche ich bei der Lotsentour Innenstadt mit meinen Gruppen auch das „Rosa Winkel Mahnmal“. Und immer wieder stelle ich fest, dass selbst Urkölsche dieses Denkmal nicht kennen – obwohl sie schon hundertmal daran vorbeigelaufen sind. Die Rede ist von dem „Mahnmal für die schwulen und lesbischen Opfer des Nationalsozialismus in Köln“. Dabei steht dieses Denkmal an sehr prominenter Stelle: direkt am Rhein, fast unterhalb der Hohenzollernbrücke. Und trotzdem laufen alle daran vorbei. Und das bereits seit 1995. Damals wurde das Denkmal feierlich im Rahmen der Cologne Pride enthüllt. Aus heutiger Sicht erstaunlich: Der damalige Oberbürgermeister Norbert Burger hatte bei der feierlichen Enthüllung des Mahnmals seinen ersten Auftritt im Rahmen eines CSD. Heute ist die Teilnahme an den Feierlichkeiten des CSD Pflichtprogramm für die Vertreter der Politik. So hat in diesem Jahr unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Regenbogen-Flagge enthüllt und die Parade eröffnet.
Streit um Aufstellungsort
Die Vorgeschichte des Denkmals beginnt bereits 1990. Die Initiative ging von Jörg Lenk, aktiv im Arbeitskreis Lesben und Schwule der Gewerkschaft ÖTV in Köln, aus. Drei Jahre später gab es eine Ausschreibung zur Gestaltung des Denkmals. Kritisch diskutiert wurde vor allem der sehr prominente Aufstellungsort. Dabei ist gerade dieser Platz für die homosexuellen Kölner von besonderer Bedeutung. Hier stand bis zum Zweiten Weltkrieg ein Pissoir, welches zum beliebten Treffpunkt schwuler Männer wurde. Nach der Zerstörung des Pissoirs verlagerte sich die Szene in die (heute geschlossenen) Treppentürme der Hohenzollernbrücke. Nicht vergessen: Noch bis in das Jahr 1994 galt der „Schwulen-Paragraph 175“. Dieser Paragraph stellte homosexuelle Handlungen unter Strafe. Anonyme Treffpunkte für Schwule waren daher von besonderer Bedeutung.

Paragraf 175 Strafgesetzbuches wurde bereits im Deutschen Kaiserreich eingeführt
Ein großes DANKE an Antonia Frinken. Sie hat sich mit der Geschichte des Paragraf 175 auseinandergesetzt und mir erlaubt, ihre Zusammenfassung hier zu veröffentlichen.
Der Paragraf 175 des Strafgesetzbuches galt von 1871 bis 1994 und bezog sich auf sexuelle Handlungen zwischen Männern. Im Nationalsozialismus wurde er im Jahr 1935 verschärft: Waren bis dahin „beischlafähnliche Handlungen“ strafbar, so drohten nun Haftstrafen für das bloße Anschauen oder Berühren.
Während dieser Paragraf in der DDR zunächst auf unterschiedliche Weise ad acta gelegt wurde, bestand er in der Bundesrepublik bis zur ersten Reformierung 1969 in der Fassung von 1935 fort. Die Große Koalition unter Bundeskanzler Kiesinger hob das Totalverbot gleichgeschlechtlicher Handlungen zwischen Männern auf. Aber homosexuelle Prostitution und Ausnutzung von Dienstverhältnissen und Machtgefällen standen weiterhin unter Strafe. Das Schutzalter für homosexuelle Handlungen zwischen männlichen Personen lag zudem bei 21 Jahren und war somit höher als für heterosexuelle Handlungen.
Eine zweite, weitreichendere Reformierung des Paragrafen 175 erfolgte 1973 unter dem Kabinett Brandt II, die unter anderem die Absenkung des Schutzalters von 21 auf 18 Jahre beinhaltete. Erst 1994 wurde der Paragraf 175 ersatzlos gestrichen und das Schutzalter für homosexuelle und heterosexuelle Handlungen angeglichen.
2002 beschloss der Bundestag gegen Stimmen von CDU/CSU und FDP die Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile und damit auch die Rehabilitierung der zwischen 1935 und 1945 unter dem Paragrafen 175 Verurteilten. Nachfolgende Anträge zur Rehabilitation der Verurteilten nach 1945 wurden bis 2017 abgelehnt, als alle Verurteilten, deren Sexualpartner seinerzeit 16 Jahre oder älter waren, rehabilitiert wurden. Zahlreiche Opfer des Paragrafen 175 erlebten die Rehabilitationen von 2002 beziehungsweise 2017 jedoch nicht mehr mit.
Sexuelle Handlungen unter Frauen wurden unter dem Paragrafen 175 zu keiner Zeit verfolgt, waren aber gesellschaftlich stigmatisiert. Die lange Geschichte der Verfolgung sexueller Minderheiten zeigt die Wichtigkeit geheimer Treffpunkte zur Schaffung von Gemeinschaft auf.

Rosa Winkel kennzeichnete homosexuelle Männer im Konzentrationslager
Das Mahnmal ist dem „Rosa Winkel“ nachempfunden. In den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten musste jeder Häftling eine spezielle Kennung als Aufnäher an der Jacke oder Hemd tragen. Zwei gegenläufige Winkel, die den „Judenstern“ ergaben, kennzeichneten Juden. Ein roter Winkel stand für politische Gefangene. Einen lila Winkel mussten Zeugen Jehovas tragen. Weitere Aufnäher standen z.B. für Sinti und Roma oder Berufsverbrecher. Der „Rosa Winkel“ war die Kennzeichnung homosexueller Männer.
- Dieser „Rosa Winkel“ wurde später international zum Symbol der Homosexuellen. Heute hat allerdings die Regenbogenflagge eine wesentlich größere Popularität in der LGBT1Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender, also Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender-Szene.

Das Denkmal besteht aus diesem „Rosa Winkel“, welcher links und rechts von grauen Keilen gehalten wird. Der Künstler Achim Zinkann dazu:
„ … In der Skulptur entsteht eine Korrespondenz zwischen den Keilen. Druck, Gegendruck und Reibung sind Voraussetzungen für den Gesamtzusammenhalt. Wird einer der Keile entfernt, verliert mindestens ein anderer den Halt. Das Gefüge wird zerstört …“

Auf der Oberseite ist die Inschrift:
Totgeschlagen – Totgeschwiegen
Den schwulen und lesbischen Opfern des Nationalsozialismus
eingemeißelt. In den Konzentrationslagern des NS-Regimes wurden etwa 10.000 homosexuelle Männer inhaftiert und mehr als die Hälfte davon ermordet, schätzt der Soziologe Rüdiger Lautmann.
Wenn ihr demnächst in der Innenstadt unterwegs seid, nehmt euch die Zeit und schaut euch dieses Denkmal an. Leider stelle ich regelmäßig fest, dass sich der „Rosa Winkel“ nicht im besten Zustand befindet. Die Patenschaft hat der schwule Männerchor „Zauberflöten“ übertragen bekommen. Es wäre wünschenswert, wenn dort öfters mal jemand vorbeischaut und die Würde des Mahnmals sicherstellt.
Das Denkmal hat auch eine eigene Website mit weiteren Informationen. Außerdem gibt es noch ein Köln-Ding der Woche zum schwul-lesbischen Köln und der CSD-Parade.