Die „Rheingräfin“ Sibylle Mertens-Schaafhausen (1797 – 1857)
Historikerin, Numismatikerin, Musikerin, Mäzenatin, Archäologin, Kunstsammlerin, Mitgründerin des Kölner Dombauvereins – Sibylle Mertens-Schaafhausen war „eine der bemerkenswerten Frauen des 19. Jahrhunderts“.1Monika Salchert in ihrem Buch „Schräge Typen der Kölner Stadtgeschichte
Wäre Sie ein Mann gewesen, so würden wir heute nach ihr benannte Plätze, Straßen und Schulen kennen. Doch Sibylle Mertens-Schaafhausen war eine Frau. Noch dazu eine Frau, die Frauen liebte. Und das in der hausbackenen und konservativen Zeit des Biedermeier. Ungeheuerlich.
Ein Mädchen des besseren Gesellschaft
Sibylle Mertens-Schaafhausen wurde am 29. Januar 1797 in Köln geboren. Ihr Vater war der Bankier Abraham Schaaffhausen, einer der reichsten Männer des Rheinlands. Ihre Mutter Anna, geb. Giesen, starb wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter Sibylle.
Entsprechend der finanziellen Verhältnisse der Familie wurde sie als Mädchen der „feinen Gesellschaft“ erzogen. Sie sprach neben Italienisch auch Französisch und spielte hervorragend Klavier. Alles Attribute, die ein Mädchen aus der besseren Gesellschaft auszeichnen. Und so teilte sie auch das Schicksal vieler junger Mädchen der damaligen Zeit: Sie wurde im Rahmen eines Ehe-Arrangements im Alter von 19 Jahren mit dem fast doppelt so alten Bonner Kaufmann Ludwig „Louis“ Mertens verheiratet.
„Höllenehe“
Von Liebe war in der Ehe keine Spur zu finden. Louis Mertens teilte keine der feinsinnigen Interessen seiner jungen Frau. Aber er war Geschäftsführer in der Bank ihres Vaters.
Die Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff gehörte zum Freundeskreis von Sibylle Mertens-Schaafhausen. In einem Brief bezeichnete sie die Ehe ihrer Freundin als „Höllenehe“, Sibylle wäre vom ersten Tag der Ehe an an unglücklich gewesen. Aus der unglücklichen Ehe gingen aber sechs Kinder hervor. Kinder, die später das Lebenswerk ihrer Mutter vernichten sollten.
Zumindest erlaubten die finanziellen Mittel der Familie, dass man sich aus dem Weg gehen konnte. Man wohnte zwar offiziell zusammen im repräsentativen Haus der Familie in der Trankgasse in Köln, jedoch verbrachte Sibylle zunehmend mehr Zeit in ihrer Villa in Bonn, in ihrer Wohnung in Rom oder in ihrer Sommerresidenz auf dem Petersberg, wo heute das Hotel Steigenberger Grandhotel steht.
Liebesbeziehung zu Adele Schopenhauer
Zwei Dinge wären im Leben von Mertens-Schaafhausen undenkbar gewesen: Eine Scheidung und ein Coming-out. Damit wäre die von ihren Freunden zur „Rheingräfin“ geadelte Sibylle gesellschaftlich geächtet gewesen.
Mit Adele Schopenhauer, dee Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer, pflegte Mertens-Schaafhausen einen sehr engen Umgang: Die beiden waren ein Paar, was dem Gatten selbstverständlich nicht gefiel und er Adele Schopenhauer Hausverbot erteilte.
Adele Schopenhauer in einem Porträt von Alexander von Sternberg aus dem Jahr 1841
Doch Sibylle war in Adele so sehr verliebt, dass sie in ihrem Tagebuch notierte:
„Stürbe sie, so spräng ich jetzt in den Rhein,
denn ich könnte nicht ohne sie bestehen.“
Um den gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen, waren die gegenseitigen Besuche und das Leben unter einem Dach immer als Pflege getarnt. Sobald eine der beiden erkrankte, was regelmäßig vorkam, zog die jeweils andere zu ihr und pflegte sie.
Nach einer zwischenzeitlichen Entfremdung – mehr als sieben Jahre gab es kaum Kontakt zwischen den beiden – sollten die beiden Frauen wieder zueinander finden. Schopenhauer zog in die Bonner Villa von Sibylle Mertens-Schaafhausen und lebte dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1849.
Sibylle Mertens-Schaafhausen im Jahr 1842, Zeichnung von Adolf Schlesinger, Public domain, via Wikimedia Commons
Erfolge als Denkmalschützerin und Archäologin
Sibylla Mertens-Schaaffhausen engagierte sich leidenschaftlich für Musik, Kunst und Denkmalschutz. In ihrer Bonner Villa veranstaltete sie Konzerte und unterstützte das Beethoven-Denkmal. Sie förderte den Kölner Dom und den Wiederaufbau des Rolandsbogens. In Genua pflegte sie während einer Choleraepidemie im Sommer 1835 Kranke, wofür sie mit einer Medaille geehrt wurde. Sie notierte damals „Ich bin an diesem ungeheuren Elend geistig gesundet, erkannte sie. “
Nach dem Tod ihres Mannes 1842 blieb Sibylle Mertens-Schaaffhausen länger in Italien. In Genua erforschte sie mit dem Künstler Santo Varni mittelalterliche Kunstschätze. 1836 erkannte sie dort ein Fragment des Mausoleums von Halikarnassos. Später lebte sie in Rom und entdeckte 1846 ein Fragment der „Fasti Capitolini“2Eine Inschrift mit einer Liste römischer Konsuln und Feldherren, das heute in den Vatikanischen Museen aufbewahrt wird.
Der Totenzettel der „Rheingräfin“ Sibylle Mertens-Schaafhausen. Als Geburtsdatum wird hier fälschlicherweise der 3. Februar 1797 (statt dem korrekten Datum 29. Januar 1797) angegeben. Vermutlich hat der Verfasser des Totenzettels das Taufdatum, welches in den Kirchenbüchern in der Regel immer an erster Stelle steht, mit dem Geburtsdatum verwechselt. Danke für diesen Hinweis an Michael Osieka aus Köln. Bild: Totenzettel Sammlung der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
Vernichtung des Lebenswerks
Bereits 1842 war Louis Mertens verstorben. Die sechs gemeinsamen Kinder bestanden darauf, sofort ihren Erbteil ausgezahlt zu bekommen. So wurde Sibylle Mertens-Schaafhausen gezwungen, große Teile ihres Vermögens zu veräußern, um die Erben auszuzahlen.
Die „Rheingräfin“ verstarb am 22. Oktober 1857 in Rom. Sie wurde auf dem Friedhof „Campo Santo Teutonico“, dem Friedhof der Deutschen und der Flamen, neben dem Petersdom in Rom bestattet.
Grabtafel für Sibylle Mertens auf dem Campo Santo Teutonico in Rom, Bild: Dadamax, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Nach ihrem Tod wurde alles, was an Vermögensgegenständen übrig war, von ihren Kindern verkauft. Dazu gehörten unter anderem
ihre wertvolle Bibliothek,
kostbare Möbel,
mehr als 1.800 Gemmen,3Eine Gemme ist ein Schmuck- bzw. bzw. Edelstein.
50 Statuetten aus Bronze und in Edelmetall,
viele alltägliche Objekte (Gewichte und Waagen, Parfümkapseln),
circa 6.000 Münzen,
Gläser, Elfenbeine und Tongefäße,
die mittelalterliche Sammlung mit wichtigen Elfenbeinreliefs (eins befindet sich heute im Victoria and Albert Museum in London) und
Der Umgang ihrer Kinder mit ihrem Vermächtnis kommt einer Vernichtung aller Erinnerungen nahe. So wurde das Erbe einer selbstbestimmten Frau, die den Konventionen in der damaligen Zeit trotzte, in alle Winde verstreut. Ganz im Interesse ihrer Nachkommen, die alle Erinnerungen an ihre Mutter auslöschen wollten. Wie gut, dass Sibylle Mertens-Schaafhausen bereits zu Lebzeiten ihre gesamte Korrespondenz der Bibliothek der Bonner Universität vermacht hat.
So sind – sehr zum Verdruss der Erben – viele zum Teil intime Briefe und Tagebucheinträge heute noch erhalten.
Das „Zeitzeichen“ des WDR ist eine Radiosendung und greift täglich historische Daten auf, Bild: WDR
Heinrich Peter Bock, besser bekannt als „Maler Bock“. Bitte beachten: Der Sporn am Stiefel weist ihn als Dragoner aus, auch wenn seine Dienstzeit nur wenige Wochen dauerte. Bild: Adolph Wallraf (1880)
Eines ist sicher: Gemalt hat der Maler Bock nie. Der nach eigenem Empfinden kunstsinnige Lebemann Heinrich Peter Bock hatte bereits in ganz jungen Jahren für die Kunst geschwärmt. Und sich auch als Künstler und Intellektueller selbst als Bohémien inszeniert. Doch als er im Alter von etwa 50 Jahren gebeten wurde, als selbsternannter großer Künstler die Wandmalereien in der Abtei Brauweiler zu restaurieren, lehnte er mit den Worten „Spätere Geschlechter werden sagen, welch vorzüglicher Restaurator hat diesen schlechten, primitiven Malereien so vorzüglich restauriert!“ entrüstet ab.
Geboren am 30. Juli 1822 sollte der hochgewachsene Heinrich Peter nach dem Willen seines Vaters Metzger werden. Doch Knochen sägen und Würste kochen war nicht nach dem Willen des selbsternannten Kunstexperten, der von einem Zeitgenossen wie folgt beschrieben wurde. „Eine Kunstnatur mit langen Haaren, wallend bis auf die Schultern, mit ledernem Käpplein aus dem vorigen Jahrhundert, mit einem Rocke, dessen Schnitt aus der Zeit vor der Restauration zu sein scheint. Sein Gilet1Weste dagegen ist höchst dandymäßig, weite Pluderhosen gestalten ihn zum Türken …“.
Extrem kurze militärische Karriere
Klar, dass so ein Typ nicht zu den preußischen Dragonern passt. Warum Bock sich mit 19 Jahren ausgerechnet dieser berittenen Infanterie angeschlossen hat, lässt sich heute nicht mehr klären. Aber klar ist, dass seine militärische Karriere bereits nach wenigen Wochen ihr unrühmliches Ende fand. Die Preußen befürchteten, so Reinhold Louis2„Kölsche Originale“, Greven Verlag 1985 dass „Dragoner Bock die ganze Schwadron närrisch machen würde, sollte er noch länger bleiben“. Was Bock aber trotz dieser sehr kurzen Dienstzeit nicht davon abhielt, für den Rest seines Lebens einen Sporn am Stiefel zu tragen, welcher ihn als ehemaligen Dragoner kennzeichnet.
Einen echten festen Wohnsitz hatte Bock nicht. Sein bevorzugtes Domizil war ein alter, nicht mehr genutzter eisernen Dampfkessel in Bayenthal, welchen er als „sein Hotel“ bezeichnete und sich wahrscheinlich fühlte wie der Philosoph Diogenes in seiner Tonne. Bei gutem Wetter hingegen machte er sich in den Bögen der damals noch nicht abgerissenen Stadtmauer gemütlich.
Der Maler Bock in der Bierdeckel-Serie „Kölsche Originale“, Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Wechselhafter Erfolg bei den Damen
Zunächst hatte der mittellose Bock wenig Erfolg, eine Frau an sich zu binden. Lang hing ihm nach, dass einmal eine Frau, die er in ein von einem Gönner überlassenes Haus mitnahm, auf das Dach floh und um Hilfe rief. Und das puddelrüh.
Auch mit den Marktfrauen auf den Alter Markt gab es regelmäßig Streit. Als eines Tages eine der Marktfrauen ihn ein kleines Stückchen Käse schenken wollte, wahrscheinlich um ihn endlich loszuwerden, zeterte Bock „Sie elende Person wagen es, einem Künstler einen solchen Bettel anzubieten!“ Gleichzeitig griff er nach dem Geschenk: „Doch her damit – Großmut gegen geringe Leute war stets mein Prinzip.“
Legendär waren seine Auftritte zu den Namenstagen ausgewählter Damen, bevorzugt Wirtinnen. Als Kavalier alter Schule pflegte er, mit einem Strauß selbstgepflückter Blumen und gestelzter Sprache zu gratulieren, um die anschließende Einladung zu Wein, Bier und Essen dankend anzunehmen. Sobald er satt war, schnappte er sich die ursprünglich geschenkten Blumen und verabschiedete er sich mit den Worten „Schöne Frau, ich wiederhole meinen Glückwunsch, ich muß aber noch einer anderen Dame zum Geburtstag gratulieren.“ Kurios: Die Wirtinnen erwarteten zu den Namenstagen regelrecht seinen Besuch – er war wie ein Maskottchen für die Damen.
Das digital massiv nachbearbeitete Bild des Maler Bocks von Adolph Wallraf (1880)
Fake News zum Tode Bocks
Michael Wasserfuhr von den Kölschgängern schreibt, dass ein solcher Typ nicht so recht in das preußische Köln passt.3Michal Wasserfuhr: Der Maler Bock, https://koelschgaenger.net/maler-bock-2/ So wurde der große Künstler unfreiwillig aber nicht ganz unwillig (es war Winter!) in die Arbeitsanstalt Brauweiler einquartiert. Dass er dort mit einem anderen Original, dem Fleuten-Arnöldchen, zusammenarbeiten musste, gefiel Bock so nicht, weil das Arnöldche bei der Ansprache des Künstlers das respektlose “Du“ verwendete.
Während er in Brauweiler festsitzt, vermissen in Köln nicht nur die Wirtinnen den Maler Bock. Und dann machen auch noch „Fake-News“ über den Tod von Heinrich Peter Bock die Runde. Den Kölnern ist schnell klar, dass hier etwas nicht stimmen kann, wird doch auch sein Testament veröffentlicht. Der auf seinem Landgut in Brauweiler verstorbene „Professor Bock“ soll viele Tausend Taler für wohltätige Zwecke vermacht haben. Geld, welches der stadtbekannte Maler Bock selbstverständlich nie hatte.
Heribert aus Köln hat den Maler Bock als Figur auf dem Fensterbrett. Vielen Dank für dieses Bild!
„Meine Kunst – mein Genie, das vergisst die Nachwelt nie!“
Doch Bock überlebt seinen vermeintlichen Todestag um mehrere Jahre. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten stirbt der Maler Bock tatsächlich am 3. Dezember 1878 in einer Irrenanstalt in Düren und wird auch dort im Rahmen eines Armenbegräbnisses beigesetzt. Keiner in Düren ahnt, dass dort ein echtes Kölsches Original in einem schmucklosen, anonymen Grab ruht.
In Köln wird sein Tod im Karneval des Jahres 1879 verarbeitet. So lautete es in dem Karnevalslied „De Zünfte em Zog“ von Peter Prior:
„Zoletz trick dann de Künstlerschar, doher met Glanz und Praach. Dä Größte fählt, hä mäht sich rar, es jenseits unger Daach! Dat wor im selgen he vergunnt, un doch met Stolz Bock sage kunnt: „Meine Kunst – mein Genie, das vergisst die Nachwelt nie!“
Besondere Ehre für einen Lebemann: Das Maler-Bock-Gäßchen im Schatten der Severinsbrücke, Bild: Uli Kievernagel
Ehrung durch eine Straße
Und tatsächlich wurde der Maler Bock bis heute nicht vergessen. Dafür sorgt auch eine Ehrung der Stadt Köln: Das Maler-Bock-Gäßchen in der Südstadt.
So wurde dem, „der nie einen Pfennig Steuer entrichtet hat, der in keinem ihrer Adreßbücher verzeichnet ist, weil er nie und nirgendwo amtlich gemeldet war, eine späte Ehrung zuteil“, so Reinhold Louis4„Kölsche Originale“, Greven Verlag 1985.
Imhoff vor seinem wahr gewordenen Traum: Der Schokoladenbrunnen in seinem Schokoladenmuseum, Bild: Schokoladenmuseum Köln
„Ich wiege 100 Kilogramm, davon sind 80% aus Schokolade“ – so der Kölner „Schokoladen-König“ Hans Imhoff in einem Interview. Ob das tatsächlich stimmt? Eindeutig aber: Der Vollblutunternehmer hatte auf jeden Fall ein Herz aus Schokolade.
Hans Imhoff wurde am 12. März 1922 in Köln geboren. Nach dem Besuch der Handelsschule und einer kaufmännischen Lehre war er nur kurz im Kriegseinsatz. Wegen eines Augenleidens wurde er 1943 ausgemustert.
Seine unternehmerische Karriere begann im Oktober 1945. Imhoff erhielt von den Besatzungsmächten in Alf an der Mosel die Genehmigung, mit Lebensmittel zu handeln. Hart am Rande der Legalität maggelt1Mit „maggeln“ bezeichnet der Kölner Geschäfte, die mindestens fragwürdig, oft aber auch illegal sind. Imhoff mit Waren aller Art. Besonders lukrativ: Er tauschte Wein von der Mosel gegen Gebrauchsgegenstände aller Art, zum Beispiel Werkzeug, Rasierklingen, oder Lebensmittel.
Keine Maschinen, keine Experten, keine Rohwaren – aber eine Vision
Im Juni 1948 gründete er in Bullay eine Schokoladenfabrik. Der Beginn einer erstaunlichen Karriere. Imhoff hatte zum Start der Schokoladenproduktion nichts: Keine Maschinen, keine Experten – nur eine Vision: Imhoff will ein großer Schokoladenproduzent werden.
Doch dazu fehlte ihm vor allem die wichtigste Zutat: Kakao. Aber der findige Imhoff hat auch hier eine Lösung: Er tauschte Lebensmittel gegen Schokolade aus Care-Paketen und schmilzt diese ein. Mit einer auf dem Schwarzmarkt beschafften Maschine entstanden so seine ersten Pralinen. Das Unternehmen wächst, Mitte 1958 beschäftigt Imhoff bereits 400 Mitarbeiter. Er wird zu Deutschlands jüngstem Millionär. Sein offenes Geheimnis: Er war ein „Kostenkiller“. Er investierte viel Geld, um möglichst preiswert zu produzieren. Immer nach dem neuesten Stand der Technik.
Produziert wurde Massenware, welche in den Discountern sehr günstig angeboten wird. Die etablierten Markenhersteller wie Stollwerck oder Sprengel rümpfen die Nase, wenn der, aus ihrer Sicht, „Parvenü“ Imhoff auf Messen oder Kongressen der Branche erscheint. So verweigert ihm Dr. Bernhard Sprengel, Inhaber der Sprengel-Werke in Hannover, sogar auf einem Branchentreffen den Handschlag. Diese Ablehnung kränkte auf der einen Seite den selbstbewussten Imhoff, spornte ihn aber auf der anderen Seite an, ein eigenes Schokoladenimperium zu erschaffen.
Hans Imhoff – Vollblutunternehmer mit einem „Herz aus Schokolade“. Bild: Schokoladenmuseum Köln
Wegfall der Preisbindung für Schokolade wird zu Risiko und Chance für Imhoff
Der direkte Wettbewerb der Schokoladenhersteller untereinander wurde seit 1952 durch eine staatliche festgelegte Preisbindung nahezu unterbunden. Erst 1964 wurde diese Regel aufgehoben. Für Imhoff war das zunächst negativ: Die Markenschokolade wurde deutlich günstiger, die Kunden griffen nach dem Wegfall der Preisbindung eher zur Markenschokolade statt zu den günstigen Produkten aus der Imhoff-Produktion. Aber auch hier erkannte der Unternehmer Imhoff seine Chance: Er produzierte in seinen Werken für die Tobler-Werke, die nicht über genügend eigene Produktionskapazitäten verfügten.
Obwohl der Vertrag mit Tobler lukrativ war, wusste Imhoff, dass er nur dann zu den ganz großen der Branche gehören konnte, wenn er über eine eigene, anerkannte Marke verfügen würde. Diese Chance ergab sich 1970. Und Imhoff griff zu.
Imhoff übernimmt Stollwerck
Im Jahr 1970 geriet der Schokoladenkonzern Stollwerck in die Krise – die Gebrüder Stollwerck hatten sich übernommen. Die enorme Produktvielfalt, der Historiker Ulrich Soénius spricht von mehr als 1.400 Produkten, veraltete Maschinen und Fehlentscheidungen des Managements führten zu einem Verlust in Höhe von 7,8 Millionen DM. Das Wirtschaftsmagazin Capital bezeichnete die Stollwerck AG als die „Versager des Jahres“.
In dieser Krise steigt auch noch die Deutsche Bank, bis zu diesem Zeitpunkt Stollwerck-Großaktionär, aus. Hans Imhoff griff zu und erwarb von der Deutschen Bank das Aktienpaket. Er wurde mit 46,5 % Großaktionär von Stollwerck. Bis 2002 sollte sein Anteil auf 96% der Aktien anwachsen.
Und Imhoff begann unmittelbar mit der Sanierung des Unternehmens. Er streicht das überbordende Stollwerck-Sortiment von 1.400 Produkten auf weniger als 100. Gleichzeitig entließ er etwa 25% der Belegschaft und verkaufte das Stollwerck-Areal in der Südstadt. Hans Imhoff dazu: „Das Ganze ist zu alt. Wir haben industrielle Anlagen und Versorgungsanlagen, die über 100 Jahre hier stehen und die Kosten sind einfach zu hoch. Man kann ein altes Auto nicht uneingeschränkt fahren, eines Tages muss das auf den Schrottplatz.“ Ein neues Werk in Porz wurde gebaut.
„Dat is keine Kölsche“
Mit diesen Methoden machte sich der Schokoladenfabrikant wenig Freunde in Köln. Und als er dann auch noch die Produktion von kostengünstigen Kamelle für den Rosenmontagszug aus dem Sortiment strich, platzte den Honorationen der ehrwürdigen kölschen Karnevalsgesellschaften der Kragen. „Dä nemp uns die Kamelle fott. Dat is keine Kölsche.“ verlautete aus den Führungsetagen der Korps und Gesellschaften.
Das knallharte Verhalten des Geschäftsmanns Imhoff führte zu einer gesellschaftlichen Isolation. Seine zweite Ehefrau Gerburg Imhoff konstatierte: „So richtige Kölner Freunde hatten wir in dieser Zeit nicht.“ Doch das spornte den Unternehmer immer weiter an. Neben Stollwerck werden auch die Werke von Eszet und Waldbaur Teile des Imhoff-Konzern.
Bieterstreit mit Peter Ludwig um Sprengel
Auch Sprengel aus Hannover schlitterte in die Krise und sollte verkauft werden. Der Aachener Unternehmer Peter Ludwig war die unbestrittene Nummer Eins im europäischen Schokoladengeschäft. Mit ihm lieferte sich Imhoff ein wahres Bietergefecht um die renommierte Marke Sprengel.
Schlussendlich kam Imhoff zum Zuge und Sprengel wurde Teil des Imhoff-Schokoladen-Imperiums. Ausgerechnet Sprengel, dessen Chef Bernhard Sprengel dem aufstrebenden Unternehmer Imhoff einst den Handschlag verweigerte. Eine große Genugtuung für Imhoff, der zeitlebens um Anerkennung und Respekt kämpfte.
Jahreshauptversammlungen werden zur „Hans-Imhoff-Show“
Das Unternehmen expandierte, Imhoff gründet die Wäsche-Leasingfirma Larosé und erwirbt eine Fleisch- und Wurstwarenfabrik. Auch im Ausland wächst das Unternehmen. So entstanden neue Schokoladen-Fabriken in Ungarn, Polen und Russland.
In dieser Zeit der nahezu unbegrenzten Euphorie werden die Jahreshauptversammlungen der Stollwerck AG zu einer wahren Hans-Imhoff-Show. Das Handelsblatt vergleicht diese Hauptversammlungen mit dem Karneval. In „der Bütt“ steht Hans Imhoff. Ohne Manuskript erzählt er Witzchen, zu finanziellen Kennzahlen des Konzerns veranstaltet er ein Ratespiel: Richtige Antworten zur Bilanz werden mit 100-DM-Scheinen belohnt. Die Aktionäre erhalten eine opulente Bewirtung und üppige Schokoladenpakete. Hans Imhoff ist auf dem Zenit seiner Karriere.
Hans Imhoffs Vermächtnis: Das Schokoladenmuseum, Bild: Raimond Spekking
In dem Multimillionär Imhoff reifen in dieser Zeit auch die Gedanken, wie er sich zum einen in Köln verewigen kann, zum anderen, wie eine mögliche Nachfolge aussehen könnte. Sein Denkmal wird das unübersehbare Schokoladenmuseum direkt am Rhein. Allerdings ist die Nachfolgefrage ungeklärt. Imhoffs Tochter Annette traut sich zwar zu, ein Unternehmen zu leiten, aber nicht den gesamten Konzern.
Anfang der 2000er Jahre zeigt der jahrelange Stress seine Folgen, Hans Imhoff leidet zunehmend an gesundheitlichen Problemen. Gleichzeitig erlebte das Unternehmen eine veritable Krise. Der Handel mit den Discountern machte immer weniger Gewinn, Sprengel in Hannover machte große Verluste. Das Werk dort wurde 2001 geschlossen.
Im April 2002 verkauft Imhoff den gesamten Konzern für 175 Millionen Euro an den Schweizer Schokoladenkonzern Barry Callebaut AG. In Köln wird noch bis 2005 Schokolade produziert – dann endet die Ära der Stollwerck-Schokolade.
Das Grab der Familie Imhoff auf Melaten, Bild: MSchnitzler2000, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Hans Imhoff stirbt nach langer Krankheit am 21. Dezember 2007 und wird Im Familiengrab auf Melaten beigesetzt.
Die gemeinnützige Imhoff Stiftung wurde im Dezember 2000 von Hans Imhoff nach dem Verkauf des Stollwerck-Konzerns gegründet. Sein Wunsch war es, seiner Heimatstadt Gutes zu tun. Er saß der Stiftung gemeinsam mit seiner Ehefrau Gerburg Klara Imhoff bis zu seinem Tod im Dezember 2007 vor.
Bis Februar 2018 war Gerburg Klara Imhoff Vorstandsvorsitzende; seitdem ist sie Ehrenmitglied des Beirates. Seit Februar 2018 ist Susanne Imhoff Vorsitzende des Stiftungsvorstandes.
Das Museumsgebäude des Schokoladenmuseums gehört der Imhoff-Stiftung. Der Clou: Die Mieteinahmen fließen in die Stiftung, welche wiederum Projekte in Köln fördert. So sind seit 2001 etwa 19 Millionen Euro in unterschiedliche Projekte ausgeschüttet worden. Beispiele:2Weitere geförderte Projekte werden auf der Website der Imhoff-Stiftung vorgestellt.
Plant-for-the-Planet-Akademie
Spezielle Veranstaltungen, auf denen Kinder zu Botschaftern für Klimagerechtigkeit ausgebildet werden.
SingPause: Musikalische Ausbildung von Grundschulkindern
Ausgebildete Singleiter/innen besuchen regelmäßig die Klassen und arbeiten mittels der renommierten Ward-Methode mit den Kindern.
Zentrum für Therapeutisches Reiten Köln e.V.
In diesem speziellen Reitstall wurden 240.000 Therapieeinheiten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit unterschiedlichsten Behinderungen und Förderbedarf angeboten.
Anträge auf Förderung können über die Website der Imhoff-Stiftung gestellt werden. Gefördert werden Projekte aus den Bereichen :
Kunst und Kultur
Bildung
Kulturpädagogik
Wissenschaft und Forschung
Therapeutisches Reiten
Öffentliche Gesundheitspflege
Denkmalpflege
Heimatkunde
Ein wichtiges Förderkriterium: Das Projekt muss innerhalb Kölns initiiert und realisiert werden. Außerdem können Anträge nur von einer steuerbegünstigten Körperschaft oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gestellt werden, in deren Freistellungsbescheid mindestens ein Stiftungszweck der Stiftung erfüllt ist. In jedem Fall muss das Projekt bzw. das Ergebnis des Projektes ist der Öffentlichkeit zugänglich oder zu ihrem Nutzen sein.
Die Hans-Imhoff-Straße in Deutz, Bild: Uli Kievernagel
Die Bläck Föös in ihrer aktuellen (Anfang 2025) Besetzung, Bild: Kay-Uwe Fischer
In den 1970er Jahren war der Sitzungskarneval sehr angestaubt. Langweilige Sitzungen mit nichtssagender Musik, Abendgarderobe und eher steifen als lustigen Karnevalisten waren die Regel.
Und dann kamen auf einmal ein paar langhaarige Jungs auf die Bühne, am Anfang noch met bläcke Fööss1barfuß, mit Gitarre und Schlagzeug und fingen an, kölsche Lieder zu spielen, wo vorher noch eher festlich hochdeutsche Lieder vorgetragen wurden.
Die Bläck Fööss in den 1970er Jahren, Bild: Bläck Fööss
Der Versuch der etablierten, offiziellen Kappenträger, diese Band einfach zu ignorieren, ging gehörig daneben.2Ein Muster übrigens, was sich etwa 30 Jahre später bei Brings wiederholen sollte. Die Menschen wollten genau diese Musik hören.
Das war die Geburtsstunde einer kölschen Erfolgsgeschichte:
Die Bläck Fööss eroberten die Bühnen.
Examen an der „Akademie för uns kölsche Sproch“
Wie so viele aus den Jahrgängen ab etwa Mitte 1960 sind auch Jörg Hauschild und Ekkehard „Ekki“ Hoffmann mit der Musik der Fööss aufgewachsen. Und als die beiden dann ihr Examen an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ gemacht haben, wurde aus einer Idee Realität: Ihre Abschlussarbeit an der Akademie haben beide zusammen über die “Mutter aller kölschen Bands” – die Bläck Fööss – geschrieben.
Ekkehard „Ekki“ Hoffmann (links) und Jörg Hauschild mit ihrer Diplomarbeit über dei Bläck Fööss, Bild: Ekki Hoffmann
Die beiden haben sich äußerst akribisch in die Geschichte der Fööss eingearbeitet und auch mit den Musikern aus der Band direkt gesprochen.
Einzigartig ist, dass diese Arbeit die erste Diplomarbeit an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ ist, die bilingual erscheint: Auf Kölsch und Hochdeutsch. Ein absolutes Novum in der Geschichte der Akademie.
Diplomarbeit hier zum Download
Ich freue mich SEHR, dass die beiden mir erlaubt haben, diese sehr lesenswerte Diplomarbeit hier zum Download anzubieten.
Die Diplomarbeit von Jörg Hauschild & Ekkehard Hoffmann: „Heimatflimmern Bläck Fööss – Zeitreise durch mehr als 50 Jahre Musikgeschichte“, Quelle: Hauschild & Hoffmann (Der Download startet bei klick auf die Darstellung.)
Interview mit den Bläck Fööss-Experten
Frank und ich durften mit den beiden sprechen. Gemeinsam haben wir eine Zeitreise zu 50 Jahren Bläck Fööss unternommen.
Die beiden Bläck Fööss-Experten Ekki und Jörg bei der Podcast-Aufnahme, Bild: Uli Kievernagel
Teil I: Die Anfänge bis 1994
Wir haben über die Anfänge mit Graham Bonney und dem „Rievkooche-Walzer“ gesprochen, über das durchaus zwiespältige Gefühl der Fööss zum Karneval und über den ersten großen Umbruch mit dem Ausstieg von Tommy Engel im Jahr 1994.
Teil II: Die Geschichte der Fööss von den 1990ern bis heute
Im zweiten Teil geht es um die Meilensteine der Bandgeschichte und den langsamen Ausstieg der Ur-Fööss aus der Band. Außerdem wagen die beiden Fööss-Experten einen Blick in die Zukunft.
Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ haben auch Ekki Hoffmann und Jörg Hauschild den „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.
Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du wohnen? Und warum gerade dort?
Ekki: Kopenhagen, die Dänen haben uns viel voraus
Jörg: Da, wo ich jetzt wohne, in Bergisch Gladbach – Schildgen
Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?
Ekki: Toleranz
Jörg: Hätzlich un bodenständich
Was würdest du morgen in unserer Stadt ändern?
Ekki: Autofreie Innenstadt
Jörg: Die zielgerichtete Zusammenarbeit
Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.
Ekki: Die Oper wird nie fertig / Entscheidungs-/Umsetzungsstau / Parken in zweiter Reihe ohne Konsequenzen
Jörg: Häh?
Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln?
Ekki: Rheinufer mit Blick auf den Dom
Willi Millowitsch hat Ekki und auch Jörg inspiriert, hier das Millowitsch-Denkmal. Bild: Ruth Rudolph / pixelio.de
Welche KölnerInnen haben dich beeinflusst / beeindruckt?
Ekki: Willy Millowitsch, Wolfgang Overath
Jörg: Jupp Menth, Willi Millowitsch und Wolfgang Niedecken
Wolfgang Niedecken, hier mit Sängerin Karen Schweitzer-Faust, hat Jörg beinflusst. Bild: Achim Scheidemann
Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?
Ekki: Mit netten Menschen Karneval feiern
Jörg: Fasteloovend fiere
Wat hät für dich noch immer jood jejange?
Ekki: Trotz allem kritischen liebe ich diese Stadt
Jörg: Meiner Berufung nachgehen, ich arbeite in der touristischen IT und bin ein Schützenjunge
Wo drüber laachs de dich kapott?
Ekki: Über die Sicht von außen auf Köln
Jörg: Alberner Humor und immer Situationskomik
Dein Kölsche Lieblingskneipe?
Ekki: In der Jugend das Piranha
Jörg: Et Höttche oder Max Stark
Dein Lieblingskölsch?
Ekki: Sünner Malz
Jörg: Ratet mal (siehe oben)3Sowohl im Max Stark als auch im Höttche wird Päffgen-Kölsch ausgeschenkt.
Elo Wilhelm Sambo als Kesselpauker der Blauen Funken führt den Kölner Rosenmontagszug an
Ganz Köln kannte ihn, die Pänz haben ihn geliebt,: Elo Wilhelm Sambo, der Kesselpauker der Blauen Funken. Ein Mann mit schwarzer Hautfarbe im Karneval. Und das nicht irgendwo, sondern ganz vorne im Rosenmontagszug.
Die Blauen Funken haben seit 1870 „de Spetz vum Rusemondachszoch“. Das bedeutet, dass sie mit ihrer Kapelle den Rosenmontagszug anführen. Und vor der Kapelle ritten immer vorneweg die Kesselpauker. Somit hatte Sambo ab Ende der 1920er Jahre bis 1933 faktisch den Kölner Rosenmontagszug eröffnet.
Geboren in einer Kolonie des Deutschen Reichs
Bis es zu seiner Karriere im Kölner Karneval kam, hatte Elo Wilhelm Sambo bereits viel erlebt. Er wurde 1885 in Yaoundé in Kamerun geboren. Ob der 1. April sein tatsächliches Geburtsdatum ist, lässt sich bis heute nicht zweifelsfrei nachweisen.
Im Jahr seiner Geburt wurde Kamerun zum „Schutzgebiet“ des Deutschen Reichs, die europäischen Mächte hatten Afrika unter sich aufgeteilt. Neben der wirtschaftlichen Ausplünderung der Kolonien wurden auch Menschen als Exoten mit nach Europa genommen – schwarze Dienstboten galten als schick.
Dieses Schicksal trifft auch den angeblichen Waisen Elo Sambo. Der kaiserliche Rittmeister Stolzenberg brachte den sechsjährigen Jungen im Jahr 1891 mit ins Deutsche Reich. Da Kaiser Wilhelm II. sein Patenonkel wurde, erhielt der Junge den zweiten Vornamen „Wilhelm“.
Karriere im kaiserlichen Militär
Über seine schulische Ausbildung und Werdegang ist nichts bekannt, vermutlich wurde er in einem Militär-Waisenhaus in Potsdam erzogen und soll auch dort eine Ausbildung zum Pferdeknecht gemacht haben. Erst ab 1905 ist der weitere Lebensweg dokumentiert. Sambo trat als Freiwilliger am 1. Oktober 1905 in die 4. Kompanie des Eisenbahner-Regiments Nr. 1 ein.
Ob die militärische Karriere tatsächlich freiwillig war, darf durchaus bezweifelt werden. Vermutliche Gründe waren wahrscheinlich eher der Mangel an Alternativen für einen Afrikaner im Kaiserreich.
Nach zwei Jahren wechselte er in das „Leib-Gardehusaren-Regiment“ und wurde dort zum Kesselpauker ausgebildet. Auch schon sein Vorgänger als Kesselpauker in diesem Regiment war afrikanischer Herkunft. Diese schwarzen Kesselpauker ritten regelmäßig in roter Uniform auf einem Schimmel vor der Kapelle. Durch diese schwarz-rot-weiße Farbkombination wurden die Farben des Deutschen Kaiserreiches repräsentiert.
Eine Postkarte von 1928 zeigt Elo Wilhelm Sambo in der Uniform des Leib-Gardehursaren-Regiments, Bild: Digitale Sammlungen der Universität zu Köln
Als einer der wenigen Personen afrikanischer Herkunft kämpfte Sambo im Ersten Weltkrieg auf Seiten des Deutschen Reichs. Er wurde an der Westfront und im Osten eingesetzt und dort schwer verwundet.
Sein damaliger Regimentsadjudant schrieb über Elo Wilhem, Sambo:
„Als ich im Frühjahr 1915 zur Infanterie versetzt wurde, kam Sambo zu mir und meinte: „Nehmen der Rittmeister mich mit, ich lasse mich auch für ihn totschießen.“1Quelle: Höxtersche Zeitung vom 9. Dezember 1933
Für seinen Einsätze erhielt der das Verwundetenabzeichen und das „Eiserne Kreuz 2. Klasse“. Nach seiner Genesung kämpfte er – unbestätigten Quellen zufolge – in Palästina. Dort soll er im Jahr 1918 in englische Gefangenschaft geraten sein.
Sambo kehrte 1919 aus der Kriegsgefangenschaft zurück und wurde wieder als Kesselpauker im 4. Reiter-Regiment in Potsdam eingesetzt. 1923 wurde er aus der Armee entlassen.
Ende 1920er zieht Sambo nach Köln
Während sein Militäreinsatz relativ gut dokumentiert wurde, ist über sein Privatleben sehr wenig bekannt. Er arbeitete kurze Zeit als Fremdenführer in Potsdam, zog dann aber nach Münster und wurde dort „Kaffee-Koch“ in der Konditorei seines ehemaligen Kriegskameraden Albin Middendorp.
Ganz uneigennützig wird die Einstellung Sambos durch Middendorp nicht gewesen sein. Der „Exot“ Sambo wurde als Werbefigur für das exotische Getränk Kaffee eingesetzt. Für die Münsteraner der 1920er Jahre war ein schwarzer Mann durchaus besonders und so hatte der „Kaffee-Koch“ Sambo den Kaffee-Absatz in Middendorps Konditorei mit Sicherheit steigern können.
Wie lange genau Sambo in Münster war, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Aber gegen Ende der 1920er Jahre zieht er nach Köln.
Mitglied der Blauen Funken
Angeblich kam er wegen einer Frau nach Köln. Er wäre nicht der erste Mann, der wegen der Liebe nach Köln kommt. Doch ob das tatsächlich so war, lässt sich nicht belegen. Die Beziehung einer weißen Frau zu einem schwarzen Mann war eher geduldet als erwünscht, daher gibt es auch keine Belege für diese These.
Vermutlich hat Elo Wilhelm Sambo in der Kölner Südstadt gelebt. Er wurde wurde er auch Mitglied der Blauen Funken.
Elo Wilhelm Sambo in der Mitte vor den Kesselpauken
Unstrittig und vielfach belegt waren seine Leistungen als Musiker bei dem Leibgarde-Husaren-Regiment. Sambo spielt dort wieder die Kesselpauke. Die Konzerte und insbesondere die Leistungen Sambos wurden in vielen Zeitungen ausdrücklich gelobt. So lautete es in der „Bergischen Post“ vom 8. Februar 1927:
„Die Sensation des Abends bildete das Auftreten des schwarzen Kameruners Elo Wilhelm Sambo, des letzten Paukenschlägers der Garde-Leibhusaren, der in voller Friedensuniform nochmal seine geliebte Pauke schlug und dafür natürlich mit lebhaftem Beifall bedacht wurde.“
Das „Altenaer Kreisblatt“ schrieb am 1. Dezember 1927:
„Die Musik kam dann wieder zu ihrem Recht und war es u. a. Kamerad, Vizewachtmeister Elo Wilhelm Sambo, der in der schmucken Uniform des ehemaligen Leibgarde-Husaren-Regiments als Kesselpauker auftrat und tosenden Beifall erntete.“
Und die „Langenberger Zeitung“ vom 27. Oktober 1928 berichtete:
„Mit Beginn des 3. Teiles … kam durch den Saal von acht Fanfarenbläsern eskortiert eine weitere „Zugnummer“, des Abends, der Kameruner Elo Wilhelm Sambo, der sich in die Friedensuniform des ehemaligen Leibgarde-Husaren-Regiments „geschmissen“ hatte. Ungeheurer Jubel setzte ein und es sang der ganze Saal den von der Musik intonierten „Treuen Husar“ mit.“
Wilhelm Elo Sambo starb im Alter von nur 48 Jahren am 12. Juli 1933 in Köln. Über die Umstände seines Todes ist zwar nichts bekannt, allerdings gibt es ausführliche Berichte über sein Begräbnis auf dem Kölner Südfriedhof. Sein Sarg wurde begleitet von den uniformierten Vertretern des Leib-Garde-Husaren-Regiments und des Gardevereins Kölns. Es ist auch davon auszugehen, dass die Blauen Funken bei der Beerdigung anwesend waren.
Neben seinem Stahlhelm wurde auch ein Kranz, gestiftet vom Kaiser, am Grab niedergelegt. Dieses Grab existiert heute leider nicht mehr.
„Sambo, der Kaiserpauker“, Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo in der Höxterschen Zeitung vom 9. Dezember 1933
Nie mehr nach Kamerun zurückgekehrt
Ob Sambo in Köln glücklich war oder nicht, ist nicht bekannt. Aber sein größter Lebenstraum, noch einmal nach Kamerun zu reisen, wurde nicht wahr. Das könnte an den fehlenden finanziellen Mitteln gelegen haben oder aber daran, dass Kamerun ab 1919 keine Kolonie des Deutschen Reichs mehr war.
Ebenfalls unerfüllt blieb sein dokumentierter Wunsch, sein Paukenpferd „Otto“ pflegen zu dürfen – auf eigene Kosten. Dazu schrieb die Höxtersche Zeitung vom 9. Dezember 1933 in einem Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo:
„Ebenso bezeichnend wie die Anhänglichkeit an sein Regiment war seine Bitte, sein altes Paukenpferd Otto auf seine Kosten in Pflege zu geben, der jedoch nicht entsprochen werden konnte. Nun hat das treue Pferd seinen Herrn überlebt, es bekommt noch heute sein Gnadenbrot“
Was bleibt ist der stolze schwarze Mann, der mit seinen Pauken bis 1933 an d´r Spetz des Rosenmontagszugs ritt. Ob er diese Position auch unter den nationalsozialistischen Machthabern hätte weiterhin behalten dürfen, darf stark bezweifelt werden.
Die kölschen Pänz aber haben Elo Wilhelm Sambo als imposanten Star des Zochs geliebt.
Peter Joseph „Peco“ Bauwens, hier im Jahr 1928, Bild: gemeinfrei
Es war am 6. Juli 1954, zwei Tage nach Endspiel der Fußball WM in Bern. Nicht wenige halten dieses Fußballspiel für den eigentlichen „Gründungstag“ der Bundesrepublik Deutschland. Der Titelgewinn löste damals ein „Wir-sind-wieder-wer“-Gefühl aus.
Und im Überschwang dieser Gefühle hielt Peter Joseph „Peco“ Bauwens, erster Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), im Münchener Löwenbräukeller eine Rede.1In diesem Lokal fanden auch von 1940 bis 1943 Versammlungen der NSDAP anlässlich des Jahrestages des Hitlerputsches von 1923 statt. Der Tonfall der Rede erinnerte den Redakteur des Bayerischen Rundfunks Wolf Posselt fatal an das so gerade einmal vor neun Jahren grandios gescheiterte „1000-Jährige Reich“ .
Peco Bauwens wörtlich:2Ein Transkript der Rede ist hier verfügbar: https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/45594/ssoar-hsr-trans-2015-27-blecking-Die_Rede_des_Fuball-Bund_Prasidenten.pdf?sequence=1
„ … und da haben die Jungens es wirklich gezeigt, was ein gesunder Deutscher, der treu zu seinem Land steht, zu leisten vermag. Sie haben in dem Land des Tells daran gedacht „ans Vaterland, ans Teure schliess Dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen und hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft. …“3Bauwens zitiert hier Schiller, Wilhelm Tell …
„… dieser Repräsentanz besten Deutschtums im Ausland …“
… „ … ausnahmsweise vom Führerprinzip im guten Sinne des Wortes …“.
Das war dann auch dem Bayerischen Rundfunk zu viel. Die Live-Übertragung der Rede wurde nach wenigen Minuten mit dem Hinweis, dass die Sendezeit verstrichen sei, schlichtweg abgebrochen. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Bauwens Auftritt als „Entgleiste Rede“, und auch Bundespräsident Theodor Heuss missbilligte öffentlich die Aussagen Bauwens.
„Ein zuverlässiger Sekundant des Regimes“
Dass ausgerechnet Bauwens sich nationalsozialistischer Terminologie bediente, hätte aber niemand verwundern dürfen. Das Bauwens-Familienunternehmen profitierte von lukrativen Bauaufträgen des NS-Unrechtsregimes und betrieb ein Zwangsarbeiterlager.4ZDF History: „Das dunkle Erbe“, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x-history/das-dunkle-erbe–nazis-im-deutschen-fussball-100.html, abgerufen am 06.07.2024 Peco Bauwens erwies sich stets „.. als ein zuverlässiger Sekundant des Regimes.“5Björn Thomann, „Peco Bauwens, Ehrenpräsident des Deutschen Fußball Bundes (1886-1963)“ Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peco-bauwens-/DE-2086/lido/57c575e63f36a2.92887888. Seine Mitgliedschaft in der NSDAP währte allerdings nur ein Jahr. Bauwens wurde wegen seiner jüdischen Frau Elise Bauwens, geborene Gidion, wieder aus der Partei ausgeschlossen.
Todesanzeige von Elise Bauwens in der Kölnischen Zeitung vom 17. September 1940
Elise Bauwens beging am 16. September 1940 Selbstmord. Björn Thomann weist in seinem Artikel „Peco Bauwens, Ehrenpräsident des Deutschen Fußball Bundes (1886-1963)“ auf die ungeklärten Umstände dieses Suizids hin:
„Am 16.9.1940 beging Elise Bauwens Selbstmord, die Hintergründe werfen noch immer Fragen auf. Zweifelsohne sah sie sich durch das nationalsozialistische Regime einem starken psychischen Druck ausgesetzt. Peco Bauwens verwies nach 1945 stets auf den Suizid seiner Ehefrau, um sich selbst als ein Opfer des „Dritten Reiches“ darzustellen und seinen Kritikern entgegenzutreten, die ihm eine zu geringe Distanz zum Nationalsozialismus attestierten.“6Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/peco-bauwens-/DE-2086/lido/57c575e63f36a2.92887888
Den Selbstmord seiner Frau führte Peco Bauwens nach dem Krieg immer wieder an, um sich als ein Opfer des Regimes darzustellen. Auch in einem Brief im Herbst 1945 an FIFA Präsident Jules Rimet betont Bauwens seine Rolle als Gegner des NS-Regimes:
„Wäre ich nicht der schlechteste Mensch der Welt, wenn ich auch nur die kleinsten Handlangerdienste für diejenigen getätigt hätte, die meine Frau auf dem Gewissen haben?“
Tatsächlich kann bezweifelt werden, dass Bauwens, dem zahlreiche außereheliche Affären nachgesagt wurden, stark um seine Frau getrauert hat. Sein bereits 1948 verstorbener Sohn Peter-Franz sah die Ursache für den Freitod seiner Mutter auch weniger in den Repressalien der Nationalsozialisten als mehr im Verhalten des Vaters. „Er hat Mutter auf dem Gewissen.“ so Peter Franz Bauwens.7Arthur Heinrich: „Eine saubere Geschichte“, DIE ZEIT vom 16.03.2006 Nr.12, https://www.zeit.de/2006/12/A-Bauwens/komplettansicht, abgerufen am 09.07.2024
Im Mai 1951 heiratete Peco Bauwens die Witwe Johanna Eleonore Schultheiss.
„Proletensport Fußball“ in der Kindheit
Geboren wurde Peter Joseph „Peco“ Bauwens am Heiligabend 1886 in Köln. Sein Vater war der erfolgreiche Bauunternehmer Peter Bauwens. Im Alter von zehn Jahren wurde „Peco“ bei einem Unfall mit einer Kutsche schwer verletzt, es drohte die Amputation des linken Beins. Zur Genesung sollte der Junge Sport treiben. Fußball erwies sich als ideal.
Dass ausgerechnet der Spross einer Oberschichten-Familie den „Proletensport“ Fußball betrieb, war außergewöhnlich. Immer wieder betonte Bauwens, dass er, von immerhin 600 Schülern in seiner Schule, der einzige war, der offiziell Fußball spielen durfte.
Nach bestandenem Abitur studiert Bauwens zunächst Rechtswissenschaften in Berlin, anschließend in Bonn. Für die von ihm behauptete Promotion in Leipzig zum „Doktor der Rechte“ gibt es keine Belege, weder im Universitätsmatrikel, noch in der Hörerliste oder im Promotionsbuch der Juristischen Fakultät. Und auch im „Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums“ sucht man die Dissertation des Peter Joseph Bauwens vergeblich.
Aktiver Fußballer und erfolgreicher Schiedsrichter
Nachweisbar sind hingegen seine Erfolge als Fußballer. Der Stürmer spielte für den VfL Köln 1899. Am 16. Mai 1910 lief Bauwens für die deutsche Nationalmannschaft auf. Die 0:3 Niederlage gegen Belgien sollte sein einziges Länderspiel als aktiver Fußballer bleiben.
Bauwens (ganz rechts) bei den Olympischen Spielen in 1928 in Amsterdam, Fotograf unbekannt
Erfolgreicher war seine Karriere als Schiedsrichter. In den Jahren zwischen 1920 und 1930 war Bauwens einer der besten deutschen Schiedsrichter. Bauwens leitete 82 Länderspiele, darunter auch das Finale des Olympischen Fußballturniers 1936 in Berlin.
Das „Endspiel ohne Ende“
Durchaus kurios war das von ihm geleitete Spiel Endspiel um die Deutsche Meisterschaft 1921/22 zwischen dem HSV und dem 1. FC Nürnberg: Das Spiel dauerte insgesamt satte 294 Minuten.
Ein Elfmeterschießen war damals noch nicht vorgesehen. Die Regeln sahen bei Gleichstand eine Verlängerung von 2 x 15 Minuten vor. Sollte es danach immer noch unentschieden stehen, gab es eine weitere Verlängerung von 15 Minuten. Und danach noch eine Verlängerung. Und danach noch eine Verlängerung – solange, bis es einen Sieger gab. Eventuell also auch unendlich.
Die Zeitung „Wochenbild“ (Ausgabe Nr. 25/1922) zum „Endspiel ohne Ende“
Als es zwischen den Hamburgern und den Nürnbergern am 18. Juni 1922 in der 189 Minute (!) immer noch unentschieden stand, pfiff Schiedsrichter Peco Bauwens das Spiel wegen der einbrechenden Dunkelheit ab. Etwa sieben Wochen später gab es ein Wiederholungsspiel. Doch auch dieses ging in die Verlängerung. In dieser Verlängerung waren die Nürnberger nur noch zu sieben Mann auf dem Platz: Zwei Spieler hatten die Rote Karte gesehen, zwei Spieler schieden verletzt aus.
Da das Regelwerk aber vorschrieb, dass jede Mannschaft mit mindestens acht Mann auf dem Platz zu stehen hatte8Damals gab es noch keine Auswechslungen, die Startformation musste das Spiel zu Ende spielen. pfiff Bauwens das Spiel ab und wertete es eigenmächtig als Sieg für den HSV. Diese Entscheidung wurde später kassiert – die Saison 1921/22 wird in den DFB-Statistiken „ohne Meister“ geführt.
Peco Bauwens als Unternehmer
Bauwens trat 1913 in das elterliche Bauunternehmen ein. Dieses wurde, nach dem Tod seines Vaters, von seinen beiden älteren Brüdern Camillus und Jean Bauwens geleitet. Peco Bauwens übernahm die Verantwortung der „Ostabteilung“ mit Niederlassungen unter anderem in Königsberg und Posen.
In der Chronik des Unternehmens9https://www.bauwens.de/chronik, abgerufen am 10. Juli 2024 wird die Geschichte des Unternehmens in sechs Blöcken unterteilt. Der Block „1873 bis 1929“ wird vom Unternehmen selbst wie folgt beschrieben:
„Die Anfangszeit nach der Gründung ist geprägt von rascher Expansion, die sich über das gesamte ehemalige deutsche Reichsgebiet erstreckt.“
Die beiden älteren Brüder melden sich im Ersten Weltkrieg freiwillig zum Militärdienst10Arthur Heinrich: „Eine saubere Geschichte“, DIE ZEIT vom 16.03.2006 Nr.12, https://www.zeit.de/2006/12/A-Bauwens/komplettansicht, abgerufen am 09.07.2024, Peco Bauwens leitet die Firma alleine.
In dieser Phase, insbesondere in der Zeit von 1914 bis 1918, baute das Unternehmen vorrangig strategisch bedeutende Verteidigungsanlagen. Später, in den 1920er Jahren, spezialisierte sich das Bauunternehmen auf Großprojekte, wie zum Beispiel den Bau der Autobahnstrecke Köln-Bonn oder die neuen Ford-Werke in Köln-Merkenich.
Die Ford-Werke in der Zeitung „Der Mittag“, Ausgabe Nr. 134 vom 11. Juni 1931
Der nächste Block der Firmenchronik fasst die Jahre von 1930 bis 1979 zusammen, eine durchaus bemerkenswerte Auswahl der Zeitspanne. In der Firmenchronik dazu lautet es:
„Trotz der Widrigkeiten, die von allen einen großen Willen zum Neubeginn erfordern, entwickelt sich Bauwens zielstrebig weiter.“
Ein Hinweis, dass in den Kriegsjahren Zwangsarbeiter im Unternehmen beschäftigt wurden, fehlt. Auf Nachfrage der Macher der Dokumentation „ZDF History: „Das dunkle Erbe – Nazis im deutschen Fußball“11ZDF History: „Das dunkle Erbe“, https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x-history/das-dunkle-erbe–nazis-im-deutschen-fussball-100.html, abgerufen am 06.07.2024 antwortet das Unternehmen:
„Der Firma Bauwens liegen aus den 40er Jahren keine eigenen Akten vor, die Hinweise geben, dass die Firma Bauwens Zwangsarbeiter beschäftigt hatte. Es gibt jedoch andere Quellenangaben, die darstellen, dass bei der Firma Bauwens möglicherweise acht oder gar die von ihnen benannten 100 Personen zwangsbeschäftigt waren.“
Heute12Stand: 10. Juli 2024 ist das Unternehmen Bauwens mit 490 Mitarbeitern an sechs Standorten in Deutschland tätig. Die Website weist stolz auf „3,3 Mrd. € anteilig betreutes Projektentwicklungsvolumen inkl. Joint Ventures zum 31.03.2024“ hin.13Unternehmenswebsite
Bauwens GmbH & Co. KG, https://www.bauwens.de/ueber-uns, abgerufen am 10. Juli 2024
Erfolgreich als Funktionär
Noch während seiner aktiven Zeit als Schiedsrichter verfolgte Peco Bauwens eine Karriere als Fußballfunktionär. Finanziell war er durch das Bauunternehmen abgesichert. Der DFB schreibt in seinem Nachruf „Der selbstbewusste Mann lebte für den Sport, aber nie vom Sport, der ihm aber zu einer gewissen Popularität verhalf.“14„Peco Bauwens – Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort“, https://www.dfb.de/index.php?id=1000653, abgerufen am 7. Juli 2024
Peco Bauwens (in der Mitte, mit Mantel.) beglückwünscht 1936 den Meister in der Bezirksklasse SV Beuel, Bild: Archiv SV 06 Beuel
Schon 1932 wurde er in das Exekutivkomitee der FIFA gewählt. Sein Ziel war, dem DFB, damals die größte Sportorganisation der Welt, in dieser Organisation ein größeres Gewicht zu Ungunsten der kleineren Verbände zu verschaffen. Gleichzeitig versuchte er, noch nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, die WM 1942 nach Deutschland zu holen. Beides vergeblich. Stattdessen wurde er selber im Mai 1945 aus dem Exekutivkomitee der FIFA ausgeschlossen. Sein Protest dagegen blieb erfolglos.
Ganz anders seine Karriere beim DFB: Von 1950 bis 1962 war Peco Bauwens Präsident des DFB. Unter seiner Führung wurde der DFB bereits im September 1950 wieder Mitglied der FIFA. Der völlig überraschende Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 war somit auch ein Triumph für Peco Bauwens.
„Fußball ist kein Frauensport“
Unter seiner Führung wurde der Frauenfußball verboten. In einer Erklärung des DFB zum Thema Frauenfußball vom 30. Juli 1955 lautet es:
„Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“
Den Vereinen wurde verboten, Damenfußballabteilungen aufzubauen oder Plätze zur Verfügung zu stellen. Peco Bauwens bezog auch unmissverständlich Stellung gegen den Frauenfußball: „Fußball ist kein Frauensport. Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen.“15Michael Bulla: Die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland. Norderstedt 2009
Zum Glück hatte Bauwens hier Unrecht: Die DFB-Frauen sollten 2003 und 2007 die Weltmeisterschaft und 1989, 1991, 1995, 1997, 2001, 2005, 2009 und 2013 die Europameisterschaft gewinnen. Und waren damit erfolgreicher als die Herrennationalmannschaft.
Die Bauwens-Familiengrabstätte auf Melaten. Hier wurde auch Peco Bauwens erste Frau Elise bestattet. Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Grab auf Melaten
Bauwens gab 1962 sein Amt als DFB-Präsident auf und wurde direkt zum Ehrenpräsidenten gewählt. Am 17. November 1963 starb Peco Bauwens. Er wurde in der Familiengrabstätte auf Melaten beigesetzt. Seine Sargträger waren Mitglieder der Weltmeisterschaft von 1954, unter anderem Horst Eckel, Toni Turek und Fritz Walter.
Im Nachruf des DFB16„Peco Bauwens – Der Schiedsrichter mit dem offenen Wort“, https://www.dfb.de/index.php?id=1000653, abgerufen am 7. Juli 2024 auf den Ehrenpräsidenten lautet es
„ … gehört somit zu jenen Funktionären, die sowohl unter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft als auch nach 1945 exponierte Ämter im Fußball ausübten.“
Somit bringt es auch der DFB auf den Punkt: Peco Bauwens war vor und nach dem Krieg in verantwortlicher Position. Dass es sich bei dieser Person um einen Verfolgten des Nazi-Regimes handelte, ist schwer zu glauben.
Umstrittene Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf
Im März 1967 wurde eine kleine Straße im Sportpark Müngersdorf nach Peco Bauwens benannt. Heute führt diese Straße zu verschiedenen Einrichtungen der Sporthochschule.
Die Peco-Bauwens-Allee in Müngersdorf, Bild: Uli Kievernagel
In der Sitzung vom 28. August 202317 Sitzung Bezirksvertretung 3 (Lindenthal)TOP 8.1.5 Ö: Überprüfung von Straßennamen auf nationalsozialistischen Vergangenheit hat die Bezirksvertretung Lindenthal auf Antrag aller Fraktionen und Einzelmandatsträger – mit Ausnahme der AfD – eine Überprüfung von Straßennamen auf nationalsozialistische Vergangenheit beschlossen. Zu diesem Prüfauftrag gehört auch die Peco-Bauwens-Allee.
Das Ergebnis dieser Überprüfung steht noch aus.
In eigener Sache
Ich habe diesen Artikel im Juli 2024 und noch einmal im August 2024 der Pressestelle der Bauwens GmbH & Co. KG vorgelegt. Der Artikel wurde zwar abgerufen, es erfolgte aber keine Reaktion.
Emmi in ihrer Küche. Immer dabei: Frische, saisonale Zutaten, Bild: Emmi Prolic, www.emmikochteinfach.de
Ich bin zu Gast bei Emmi von „Emmi kocht einfach“. Das ist ein Blog für einfache Rezepte, die gelingen. Immer wenn man irgendein Rezept googelt, landet man bei Emmi. Bei mir waren es die Rinderrouladen. Und sie sind gelungen. Dank Emmis Rezept!
Emmi kommt zwar eigentlich aus Franken, lebt, arbeitet und kocht in Köln. Ihr Blog ist eine Quelle für Rezepte, auf die man sich verlassen kann. Auch ohne große Kocherfahrung.
Während wir uns unterhalten, fällt ganz oft das Wort „gelingsicher“. Das gefällt mir: Emmi veröffentlicht Rezepte, für die man weder Profikoch sein muss, nicht erst ein halbes Monatsgehalt in einem speziellen Laden investieren muss und auch keine Küche mit allem schnick-schnack braucht.
Hühnerfrikassee von Emmi – ein duftender Traum. Bild: Emmi Prolic, www.emmikochteinfach.de
Genau so wie für das Hühnerfrikassee, welches Emmi so ganz nebenbei, während wir miteinander sprechen, zubereitet. Erstaunlich: Emmi bekommt die Mehlschwitze ganz ohne Klümpchen hin – daran scheitere ich regelmäßig. Aber sie nimmt mir die Angst und meint „Es ist doch völlig egal, wenn sich in der Soße noch das ein oder andere kleine Klümpchen befindet, sie wird ganz bestimmt auch so schmecken.“ Und das scheint schon das nicht ganz so geheime Geheim-Rezept von Emmi Prolic zu sein: Einfach machen! Habt Spaß beim Kochen und keinen Stress.
Auch Emmi macht sich keinen Stress. Während wir uns unterhalten, zerläuft die Butter im Topf und sie rührt das Mehl für die Mehlschwitze unter – so ganz nebenbei. Und ohne Klümpchen.
Ich hatte noch Hähnchen übrig. Und so ein Frikassee ist eine prima Resteverwertung von Hähnchenfleisch. Egal ob gekocht oder gebraten, es passt und gelingt immer. Und auch mein Sohn liebt dieses Essen.
Seit einiger Zeit wird viel über Lebensmittelverschwendung und Resteverwertung diskutiert und ich frage mich deshalb oft, wie es früher eigentlich war. Meine Oma zum Beispiel hat mit den Lebensmitteln gekocht, die im Vorrat waren. Frisches Gemüse kam saisonal dazu und Fleisch je nach dem auch. Aus vielen Zutaten, die vom Essen übrig waren, hat sie wieder etwas gezaubert. In diese Kategorie fällt auch mein klassisches Hühnerfrikassee Rezept.
Ist das dein Lieblingsgericht? Oder womit kann man dich – zumindest beim Essen – richtig glücklich machen?
Mein absolutes Lieblingsgericht ist und bleibt Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat. Dafür lasse ich alles stehen und liegen. Wahlweise kann es auch Schnitzel Wiener Art mit Putenfleisch sein und ja, manchmal esse ich gerne auch Pommes dazu.
Pfannkuchen gehören zu den beliebstesten Rezepten bei „Emmi kocht einfach“, Bild: Emmi Prolic, www.emmikochteinfach.de
Ist das auch das Lieblingsgericht der Leser deines Blogs?
Mich kann man mit Muschelgerichten bis nach Düsseldorf jagen. Gibt es auch Dinge, die du absolut nicht magst?
Mich kannst du mit Innereien-Gerichten jagen, ich würde dafür noch weiter flüchten als Düsseldorf, zum Beispiel passenderweise nach Essen in meine alte Wahlheimat. Doppeldeutig, du verstehst 😉!?
Weil du andere mit Essen glücklich machen willst, betreibst du seit 2017 den Blog „Emmi kocht einfach“. Was unterscheidet deinen Blog von den vielen Rezept-Seiten im Internet?
Ehrlich gesagt will ich sie nicht nur glücklich machen, sondern sie vor allem unterstützen, wenn sie täglich aufs Neue den Alltagsspagat zwischen Beruf und Haushalt meistern müssen. Ich habe das selbst jahrelang zwischen Zeitnot und Familienküche durchlebt. Diese Unterstützung war von Beginn an mein Ansinnen und Antrieb bei der Arbeit rund um den Blog, nämlich eine zuverlässige Rezept-Quelle zu sein, auf die man sich „in der Not“, wenn einem die Ideen ausgehen, verlassen kann. Ich stecke deshalb viel Herzblut und Gewissenhaftigkeit in die Rezeptentwicklung. Sie sind im Ablauf durchdacht und ich versuche keine Fragen offen zu lassen, sie sind von mir selbst mehrfach erprobt, damit sie für jeden gelingsicher sind und oft verpasse ich ihnen noch ein iTüpfelchen.
Für dich ist „Saisonalität“ beim Essen ganz wichtig. Warum sollte ich im Oktober keinen Spargel essen oder keine Erdbeeren im Januar? Steht doch alles im Supermarkt im Regal!
Ja, mir ist das wahnsinnig wichtig immer wieder darüber zu sprechen, denn dieses ständig verfügbare Schlaraffenland, in dem wir leben hat sehr viele negative Auswirkungen auf unsere Umwelt und uns selbst. Außerhalb der heimischen Saison haben wir es immer mit Importware zu tun. Ein Irrsinn ist der Transport, oft sind es bis zu 10.000 Flugkilometer, die das Gemüse im Winter zurücklegt, dazu kommt manche Sorten werden unreif geerntet und dafür nicht mit guten Mittelchen behandelt. Erdbeeren oder Tomaten im frühen oder späten Winter werden übrigens auch zum Beispiel in Spanien in riesigen Gewächshäusern angebaut. Dort wird mit Pflanzenschutzmitteln gearbeitet, damit in dem vorherrschend feuchten Klima der Gewächshäuser sich keine Pilze und andere Schädlinge vermehren. Auch der Energieaufwand dieser Gewächshäuser ist nicht zu verachten und auch, was sie an Wassermengen für die Bewässerung benötigen.
In meiner idealen Welt würden sich die Menschen viel mehr damit beschäftigen, was unsere heimischen Felder, Bäume und Sträucher aus der eigenen Region in der jeweiligen Jahreszeit bereitstellen, dann wenn sie mit der Kraft des Klimas bzw. der Sonne wachsen und gedeihen können. Man kann nichts Besseres für sich selbst und die Umwelt tun… Ein wirklich abendfüllendes Thema.
Wenn man in deinen Blog reinschaut, sieht immer alles perfekt gelungen aus. Bei mir sehen meine Kochergebnisse nie so aus wie auf den wunderschönen Bildern. Hand aufs Herz: Schummelst du? Oder geht bei dir nie etwas schief?
Selbstverständlich geht auch bei mir beim Kochen manchmal was daneben. Wenn ich aber das Rezept für die Fotoproduktion koche und fotografiere, was ich übrigens beides selbst mache, geht glücklicherweise sehr selten etwas schief. Fürs Foto muss ich manchmal mit ein paar Tricks arbeiten, um das Gericht von seiner besten Seite zu zeigen, aber die verrate ich natürlich nicht 😉 .
Dein Blog ist in deiner heimischen Küche gestartet – heute treffen wir uns in Räumen, die fast schon wie ein Studio wirken. War es von vornherein der Plan, den Blog professionell zu betreiben?
Nein das hatte ich nicht im Sinn. Du musst wissen, ich hatte mehr als ein Jahr zuvor meine Vollzeit-Tätigkeit als leitende Angestellte an den Nagel gehängt, um ganz für meinen damals 6jährigen Sohn da sein zu können… um nichts mehr in seinem Leben zu verpassen. Ich habe meine Leidenschaft am Kochen wiederentdeckt und natürlich täglich frisch für ihn bzw. uns alle drei gekocht. Dann kam der Wunsch in mir auf, diese Rezepte zu veröffentlichen, auf eine besondere Weise, gut erklärt, absolut verlässlich und gelingsicher, für alle gestressten Menschen da draußen wie ich es auch einer war. Ich hatte damit einen Nerv getroffen und meine Community wurde immer größer und auch die Wahrnehmung von Kooperationspartner, die bei mir anklopften. So nahm alles einen Lauf.
Bist du ganz alleine? Oder hast du ein Team, welches dich unterstützt?
Mein Mann ist seit einigen Jahren mein Geschäftspartner. Wir betreiben den Blog gemeinsam. Er ist unter anderem für die Vermarktung und den ganzen technischen Teil verantwortlich. Bei unseren zahlreichen Aufgaben rund um den Blog unterstützen uns sehr viele externe Partner aber mittlerweile haben wir in der Tat auch intern ein kleines Team an Mitarbeitern. Anders wäre es nicht mehr zu stemmen.
Bei so viel Aufwand entstehen auch Kosten. Wie refinanzierst du deinen Blog?
Das ist schnell erklärt, wenn du auf meine Seite „Emmi kocht einfach“ gehst, siehst du einige Werbeplatzierungen, so wie du ja zum Beispiel auch Werbung auf anderen Webseiten siehst oder im Privatfernsehen. So finanzieren wir uns heute hauptsächlich.
In Emmis Shop gibt es ihre Kochbücher und ausgewählte, hochwertige Produkte.
Dazu kommen noch die Einnahmen für meine Kochbücher, die ich schreibe und die Einnahmen aus unserem Shop,
Sind irgendwann mal alle Rezepte gekocht? Wie sind deine Pläne für die Zukunft?
Nein, das wird nie der Fall sein. So wie die Menschheit sich verändert, verändert sich auch die Kulinarik und es wird immer wieder neue Facetten geben. Wie in der Musik oder der Kunst, Bereiche die ebenfalls nie zum Stillstand kommen..
Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ hat auch Emmi zu meinen „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.
Du kommst ursprünglich aus Franken. Schäufele, „Drei im Weggla“ und die Biere aus der Region sind sensationell. Zieht es dich ab und zu zurück dorthin?
Ja regelmäßig, mein Bruder mit Familie lebt noch dort, aber auch Tanten und Onkels. Auch eine meiner besten Freundinnen aus Jugendtagen lebt dort, wir haben uns nie aus den Augen verloren und ich besuche sie immer, wenn ich kann.
Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du wohnen? Und warum gerade dort?
Ich würde im Münchner Umland leben. Das ist meine Herzensgegend, weil ich die Berge so sehr liebe. Von dort könnte ich sie in der Ferne sehen, wäre schnell dort, hätte aber auch die Großstadt München in Reichweite, in der auch Freunde von uns leben.
Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?
„Bodenständig“ und „kommunikativ“. Gehört das überhaupt dazu?
Was würdest du morgen in unserer Stadt ändern?
Putzkolonnen losschicken, die die Straßen reinigen und die verschmierten Wände übermalen und das täglich. Im Vergleich zu anderen Großstädten auf den vorderen Plätzen hat Köln meines Erachtens viel Nachholbedarf und könnte in einem ganz anderen Licht erstrahlen. Das Stadtbild ist streckenweise echt schmuddelig und dreckig.
Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.
Da fällt mir ehrlicherweise kein Grund ein. Wie gesagt, Köln ist keine Schönheit, packt einen aber emotional. Die Toleranz der Kölner ist außergewöhnlich und das macht doch eine Stadt am Ende wirklich lebenswert.
Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln?
Die Besucherplattform im Triangle-Tower in Deutz, es gibt meiner Ansicht nach keine schönere Aussicht auf die Stadt.
Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?
Ich gehöre zu denjenigen die mittlerweile am liebsten flüchten, wenn es meine Zeit erlaubt. Ich finde das, was aus dem Straßenkarneval geworden ist schrecklich, das hat für mich nicht mehr viel mit Brauchtum zu tun.
Wo drüber laachs de dich kapott?
Wenn jemand Grimassen zieht und extremes Talent dafür hat, da kann ich nicht anders, da liege ich unter dem Tisch vor Lachen.
Das Formula Uno am Zugweg in der Kölner Südstadt – hier soll es den besten Espresso Kölns geben. Bild: Uli Kievernagel
Wenn Köln tatsächlich die nördlichste Stadt Italiens sein sollte, dann ist der Zugweg in der Südstadt so etwas wie die Via Appia: Italienisches Lebensgefühl pur. Wesentlich verantwortlich dafür ist Carmelo Bennardo. Er führt das italienische Kultcafé „Formula Uno“ und ermöglicht damit der Südstadt „La dolce vita“.
„Ich habe zwei Präsidenten.“
Dass es im Formula Uno den besten Espresso Kölns gibt, hat sich anscheinend schon bis nach Berlin rumgesprochen. Denn nur so ist es zu erklären, dass Carmelo beim Staatsbesuch des italienischen Präsidenten Sergio Mattarella Ende September 2024 Kaffee servieren durfte.
Bundespräsident Steinmeier hatte den italienischen Präsidenten im Rahmen seines Staatsbesuchs eingeladen, mit dem Schiff von Bonn nach Köln zu fahren, um in der Domstadt die prächtige Kathedrale zu besichtigen. Den Kaffee auf dem Schiff durfte der Kölner Carmelo Bennardo servieren. Für ihn Herzensangelegenheit: „Ich habe zwei Präsidenten. Einmal den deutschen, Herrn Steinmeier, und einmal den Herrn Mattarella.“
Carmelo Bennardo (Mitte) und seine zwei Präsidenten: Sergio Mattarella (links) und Frank-Walter Steinmeier (rechts), Bild: Carmelo Bennardo
Einfaches Leben – auf hohem Niveau
Das Carmelo sogar Staatsoberhäuptern Kaffee servieren darf hätte er selber vor 56 Jahren nicht gedacht. Er kam, als sechsjähriger Junge, zusammen mit seinem Vater im März 1968 nach Köln.
Für den Sizilianer war in Köln alles anders. Er erinnert sich an die großen Häuser und daran, dass es kalt war. Prompt fiel ein paar Wochen nach seiner Ankunft Schnee. Bernardo: „Das war das erste Mal, dass ich in meinem Leben Schnee gesehen habe.“1: „Mit einem guten Kaffee ist es wie mit einer Formel in der Chemie – alles muss stimmen.“ Ein Interview mit Carmelo Bennardo, dem Inhaber des italienischen Kultcafés „Formula Uno“ von Daniel Zakharov, https://www.danielzakharov.de/project/interview-camelo-bennardo
Damals gab es bereits die italienischen Gemeinschaften in der Südstadt, in Kalk oder auch in Ehrenfeld, daher wurde Carmelo in Köln schnell heimisch. Es sollte allerdings noch lange dauern, bis er das „Formula Uno“ übernehmen konnte. Vorher war in dem Ladenlokal ein Gemüseladen, bis Anfang der 1970er Jahre der in der Südstadt bekannte italienische Gastronom Franco di Pirra dort ein Café eröffnete. In diesem Café gab es zwar auch schon Kleinigkeiten zu essen, aber es war, wie Bernardo sagt, ein „Männercafé“.
Im Jahr 1999 übernahm Carmelo Bernardo das Café von einem Freund. Der Beginn einer kölsch-italienischen Erfolgsgeschichte. Der neue Gastronom ändert Interieur und Angebot – das „Formula Uno“ wird zum Kultcafé. Stammgast Freddy aus der Kölner Südstadt beschreibt das Café wie folgt: „Hier ist einfaches Leben, aber auf sehr hohem Niveau. Auch weil es hier den besten Espresso Kölns gibt.“
Der beste Espresso Kölns
In einem Interview aus dem Jahr 2018 beschreibt Carmelo das Geheimnis eines richtig guten Kaffees wie folgt:
„Um einen guten Kaffee zu machen, muss die Maschine gut eingestellt sein und auch ein guter Kaffee verwendet werden. Es ist sehr ähnlich wie bei einer Formel in der Chemie. Alles muss stimmen. Wenn nur ein Detail nicht stimmt, dann wird nichts stimmen. Heute macht die Qualität sehr viel aus, denn man kann das nicht wie vor 30 Jahren machen. Die Leute hatten damals einen Espresso bestellt, aber das, was sie bekommen haben, konntest du nicht Espresso nennen – das war schwarzes Wasser. Heute achten sehr, sehr viele darauf, wie der Espresso in der Tasse ist, wie man den Zucker rein kippt, wie der Kaffee schmeckt. Heute verstehen einfach sehr viele Leute, was ein Espresso ist und wie er schmecken muss und nicht nur der Italiener, der das aus Italien schon kennt.“2„Mit einem guten Kaffee ist es wie mit einer Formel in der Chemie – alles muss stimmen.“ Ein Interview mit Carmelo Bennardo, dem Inhaber des italienischen Kultcafés „Formula Uno“ von Daniel Zakharov, https://www.danielzakharov.de/project/interview-camelo-bennardo
Der Zugweg wird zum Fußballstadion
Doch nicht nur der Espresso macht das Formula Uno bekannt. Während Fußballwelt- oder Europameisterschaften herrscht im Zugweg regelmäßig der Ausnahmezustand: Waren es zunächst nur zwei Fernseher draußen vor dem Café wurde die Straße mehr und mehr zur Fußball-Feiermeile. Girlanden und Wimpel, quer über die Straßen gespannt, Menschenmassen auf der Straße, kein Durchkommen mehr. Klar, dass so etwas sofort das Ordnungsamt der Stadt auf den Plan ruft, so bei der WM 2006.
Der Zugweg wird regelmäßig zur Fußballstadion, Bild: Café Formula Uno
Doch auch hier wusste sich Carmelo Bennardo zu helfen: Er ließ den Zugweg auf eigene Kosten sperren. Trotz hoher Kosten war der Wirt begeistert: „Es war ja wunderbar und einfach sehr, sehr, sehr schön!“3„Mit einem guten Kaffee ist es wie mit einer Formel in der Chemie – alles muss stimmen.“ Ein Interview mit Carmelo Bennardo, dem Inhaber des italienischen Kultcafés „Formula Uno“ von Daniel Zakharov, https://www.danielzakharov.de/project/interview-camelo-bennardo
Der mittlerweile eingekölschte Italiener liebt Deutschland, Köln und die Südstadt. Nur wenn es beim Fußball zum direkten Aufeinandertreffen der Squadra Azzurra und der deutschen Nationalmannschaft kommt schlägt sein Herz für Italien: „Köln ist meine Heimat. Ich bin im Jahr 11,5 Monate hier und vielleicht zwei Wochen da unten. Nichtsdestotrotz werde ich immer ein Sizilianer bleiben.“4„Mit einem guten Kaffee ist es wie mit einer Formel in der Chemie – alles muss stimmen.“ Ein Interview mit Carmelo Bennardo, dem Inhaber des italienischen Kultcafés „Formula Uno“ von Daniel Zakharov, https://www.danielzakharov.de/project/interview-camelo-bennardo
In diesem Video beschreibt Carmelo, wie er den beiden Präsidenten Kaffee servieren durfte. Quelle: Carmelo Bennardo
Wie ein Präsident Kaffee trinken ist täglich möglich!
Als er am 28. September 2024 dann dir große Ehre hatte, sowohl dem italienischen als auch dem deutschen Präsidenten auf dem Schiff Kaffee servieren zu dürfen, erfüllte sich ein Traum. „Es ist mir eine Ehre, meinen zwei Präsidenten zu servieren.“
Und beiden Präsidenten hat es sichtlich geschmeckt.
Wer auch mal wie ein Präsident Kaffee trinken will, sollte unbedingt das Café besuchen: Formula Uno, Zugweg 2, 50677 Köln Geöffnet ist das Café täglich von 7 – 22 Uhr, Samstag ab 8 Uhr, Sonntag ab 9 Uhr
Gedenktafel, in d’r Kayjass Nummer Null (Kaygasse, Ecke Großer Griechenmarkt),Bild: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Jedes kölsche Schulkind kennt diesen Text:
„En d’r Kayjass Nummer Null steiht en steinahl Schull, un do hammer dren studeet. Unser Lehrer, dä hieß Welsch, sproch en unverfälschtes Kölsch ... … Dreimol Null es Null, bliev Null, denn mer woren en d‘r Kayjass en d’r Schull.“
Bei dem von den „Drei Laachduve“ aus der Session 1938/39 besungenen Lehrer handelt es sich um Heinrich Welsch, und genau dieser Lehrer Welsch hat tatsächlich ein musikalisches Denkmal verdient.
Allerdings war Welsch nie in der Kaygasse tätig, sondern leitete im rechtsrheinischen Kalk eine Sonderschule für Kinder, die einer besonderen Fürsorge bedurften. Man kann davon ausgehen, dass die „Drei Laachduve“ Welsch wegen des Reims in die Kaygasse versetzt haben, denn die ursprüngliche Schule lag in der Hollweghstraße . Das hätte doch das Reimschema arg strapaziert.
Geburtshaus von Heinrich Welsch in Arzdorf, Bild: Wolfgang Lietzau
Welsch – ein Pädagoge mit Herz
Heinrich Welsch wurde 1848 in Arzdorf, heute ein Ortsteil von Wachtberg, geboren. Er war ausgebildeter Lehrer mit einem Examen des Königlich Preußischen Lehrerseminars in Brühl. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Worringen und Sülz, kam er 1881, mitten in der industriellen Revolution, nach Kalk. Erschreckt über die Verhältnisse in der Arbeiterschaft erkannte Welsch sehr schnell, dass Bildung der Schlüssel zum sozialen Erfolg seiner Schüler war. Im Jahr 1905 gründete er die „Hilfsschule“ in Kalk. Der Lehrer Welsch kümmerte sich rührend um seine Schüler – nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der der Rohrstock noch als pädagogisches Mittel galt. So brachte er zum Beispiel Mädchen, die wegen einer ungewollten Schwangerschaft verstoßen wurden, wieder zurück zu ihren Familien.
Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin
Zu seinen Bemühungen um die Bildung gehört auch, dass Welsch 1884 mit 1.700 von ansässigen Betrieben gespendeten Büchern die erste Volksbibliothek in Kalk gründete. Heinrich Welsch schied im Jahr 1914 aus dem Schuldienst aus und verstarb 1935. Sein Grab auf der dem Friedhof in Kalk ist ein Ehrengrab, die Stadt Köln kümmert sich um die Grabpflege.
Lehrer-Welsch-Preis
Neben dem bekannten Lied lebt Heinrich Welsch aber auch im Lehrer-Welsch-Sprachpreis weiter. Die Kölner Sektion des Vereins Deutsche Sprache verleiht diesen seit 2004 an Personen oder Institutionen, die sich um die Hochsprache und den Erhalt der kölschen Sprache verdient gemacht haben. Der Sänger Ludwig Sebus, selbst Preisträger im Jahr 2008, dazu im Kölner-Stadt-Anzeiger „Das Vermächtnis des legendären Lehrers Welsch ist doch viel mehr als Drei mal Null. Er verkörperte die kölsche Seele. Als Lehrer hat er alle Menschen gleich gesehen und gleich behandelt.“. Erster Preisträger war Alexander von Chiari der im Motto des Rosenmontagszugs 2005 das Wort „Kids“ durch „Pänz“ ersetzte. Weitere Preisträger waren unter anderem „Die Sendung mit der Maus“ oder die Wise Guys.
Peter Kievernagel (1935 – 2023) war bei seinen Schülern als „Papa gnädig“ bekannt. Bild: Uli Kievernagel
Ein andere Lehrer, bekannt als „Papa gnädig“
Ich widme dieses „Köln-Ding der Woche“ ausdrücklich meinem am 2. April 2023 verstorbenen Vater Peter Kievernagel, ebenfalls Lehrer. Seine Schüler sprachen von ihm als „Papa gnädig“, weil er bei Prüfungen auch schon mal gerne ein Auge zudrückte.
Zwar stammt das Lied von der „steinahl Schull“ im Original von den „Drei Laachduve“, allerdings ist die überarbeitete Version der „Vier Botze“ die heimliche Hymne Kölns.
Darstellung einer Enthauptung in Köln, Bild: Frans Hogenberg († 1590), Public domain, via Wikimedia Commons
Gastautorin: Irene Geuer
Ich bin sehr stolz, eine renommierte Gastautorin für dieses „Köln-Ding der Woche“ gewonnen zu haben: Irene Geuer ist freiberufliche Journalistin, Autorin und Moderatorin aus Köln. Sie hat Ethnologie, Politikwissenschaften und Spanisch in Köln studiert und als Moderatorin für diverse Sendungen in öffentlich-rechtlichen Sendern gearbeitet. Sie hat als Hochschuldozentin gearbeitet und schreibt auch Hörspiele.
Vielen ist ihre Stimme aus dem Zeitzeichen des WDR bekannt. Sie wohnt in meiner Nachbarschaft in Köln-Raderberg und teilt meine Liebe zu Köln.
Irene Geuer, Kölner Journalistin, Autorin und Moderatorin, Bild: Geuer
Geköpft und doch lebendig Hermann von Goch – Finanzgenie im Mittelalter
von Irene Geuer
Er ist kein Wiedergänger, kein Untoter, der nach seiner Hinrichtung in Köln-Raderberg sein Unwesen treibt. Und doch ist er hunderte Jahre nach seinem Tod so lebendig wie kaum ein anderer.
Hermann von Goch wird am 7. Mai 1398 auf dem Richtplatz, da wo heute der Kölner Großmarkt ist, seinen Kopf verlieren. Viele meinen zu Unrecht. Denn das, was ihm vorgeworfen wurde, soll überhaupt nicht stimmen. Aber von Goch war dem Kölner Stadtrat unheimlich, sie wollten ihn loswerden. Und so musste er zugeben, eine Intrige gegen die Stadt gesponnen und ein Heer engagiert zu haben, um die politische Ordnung zu stürzen.
Einer der reichsten Männer Kölns
Wahrscheinlich ist das alles Quatsch und der Folter geschuldet. Denn Hermann von Goch war ein Freund des guten Lebens, der mit Streit oder gar Krieg und Überfall absolut nichts zu tun haben wollte. Sehr viel erstrebenswerter waren ganz andere Dinge. Wenn zum Beispiel ein neues Gewürz mit den Schiffen im Kölner Hafen anlandete, dann war er der erste, der es kaufte. Gäste bewirtete er mit erlesenen Weinen, Fisch, Fleisch, Gebäck und Obst. Die Tafel bog sich, wenn er einlud. Hermann von Goch war im 14. Jahrhundert einer der reichsten Männer Kölns. Er war ein schlauer Kerl, hatte eine sehr gute Menschenkenntnis und konnte hervorragend mit Geld umgehen. Vor allem mit dem Geld anderer, die er beriet.
Futteral (links) und Geldtasche (rechts) aus dem Nachlass Hermann von Goch. Bild: Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck: Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts
Von Goch ist Prokurator – also Verwalter. Und was Geld angeht, seiner Zeit weit voraus. Er ist findig darin, Geld anzulegen, er streut seine Investitionen breit, er legt viel Geld in Immobilien an, als Sicherheit für seine Geldgeschäfte. Kurzum er ist ein Finanzjongleur. Und das im Mittelalter! Der Mann macht sich das „Who is Who“ des späten Mittelalters zur Kundschaft: Grafen, Fürsten, Bischöfe oder Päpste. Die Herren von Jülich-Berg und die Herzöge von Geldern, auch König Karl IV lassen von Goch die Finanzgeschäfte verwalten, um nur einige Beispiele zu nennen. Für seine Dienste wird er fürstlich entlohnt.
Schriftlicher Nachlass ist bis heute erhalten
Woher er seine unternehmerischen Talente hat, ist noch nicht erforscht. Obwohl man so viel über ihn weiß, was ein kleines Wunder ist. Denn Hermann von Gochs schriftlicher Nachlass ist bis heute erhalten. Aber nur ein Teil dieser wertvollen Dokumente wurde bislang gesichtet und bewertet. Eine Schande könnte man sagen. Denn aus diesem Nachlass gehen viele Details darüber hervor, wie die Menschen im Mittelalter lebten.
Im Kölner Stadtmuseum lagern die Alltagsgegenstände, die man von Goch bei seiner Festnahme abgenommen hat. Sehr gut erhalten. Da gibt es z.B. seinen Gürtel, von dem man weiß, dass der Kölner Geschäftsmann nicht dünn gewesen ist. Sichergestellt wurde ein silberner Reiselöffel mit ausklappbarem Stiel, ein Messer, mehrere Beutel für verschiedene Währungen, aufwendig gefertigt aus Brokat oder Seide. Außerdem Münzprobiernadeln, mit der von Goch die Echtheit des Geldes überprüfen konnte, wie auch ein Goldprobierstein und einige Siegel.
Siegel aus dem Nachlass Hermann von Goch, Bild: Kölnisches Stadtmuseum
Geburtsdatum unbekannt
Eigentlich ist Hermann von Goch Geistlicher. Wann er geboren wurde, ist nicht geklärt. Das erste Mal wird er in mittelalterlichen Schriften im Jahr 1373 erwähnt. Damals verleiht ihm Kaiser Karl IV eine Urkunde, worin der seine treue Gefolgschaft und große Tüchtigkeit rühmt. Damit verbunden ist die Befreiung von Steuern und Zöllen und Schutz für Angehörige und Gesinde. Diese Urkunde ist wohl der erste große Karrieresprung in Hermanns Leben. Viele Verträge wird er mit adeliger und geistlicher Prominenz abschließen. Meist mit einem Schutzbrief oder einer Schutzklausel versehen, um gegebenenfalls seinen Kopf zu retten, falls es Streit gibt.
Er hat einen treuen Gefährten, seinen Schwager Goswin. Und dieser Schwager zeigt auch, dass Hermann verheiratet war. Mit Irmgard. Die beiden haben 9 Kinder. Als von Goch die Kölner Bürgerrechte 1385 erwirbt, lässt er diese Ehe legitimieren. Natürlich vom Papst!
Auch die Kirche ist Kundin bei Goch. Der Erzbischof von Köln nimmt ihn als seinen Secretarius auf und überträgt ihm das Siegleramt und die Verwaltung der Einkünfte in Köln. Wieder ein Karrieresprung. Dadurch wird er auch erzbischöflicher Pächter, der die Grut verwaltet. Damals wird in Köln Bier ohne Hopfen hergestellt, die Grut ist eine Kräutermischung, die zum Würzen des Biers verwendet wurde . Und nur er darf diese Zutat anbauen. Alle Brauer müssen notgedrungen die Grut bei ihm kaufen. Eine kleine Goldgrube – für von Goch.
Goch kauft fast die halbe Stadt Köln auf
Er lebt seinen Reichtum in vollen Zügen aus. Er kauft fast die halbe Stadt auf. Im gehören 45 Liegenschaften, die steinerne Absicherung seiner Kreditgeschäfte. Er kauft Weinberge und Ackerland vor den Toren der Stadt. Köln ist im späten Mittelalter Boomtown. Durch das Stapelrecht hat die Stadt alles zu bieten, was man kaufen kann. Köln ist zu dieser Zeit die größte Stadt nördlich der Alpen, beliebt bei Händlern und Reisenden, die Hermann von Goch gerne zu sich in seine luxuriöse Residenz einlädt. Dass er ein großzügiger Gastgeber ist, zeigen die erhaltenen Haushaltsbücher.
Namenszug, den Hermann von Goch an mehrere seiner Gebrauchsgegenstände hat anbringen lassen. Bild: Jakob Heinrich von Hefner-Alteneck: Trachten, Kunstwerke und Geräthschaften vom frühen Mittelalter bis Ende des achtzehnten Jahrhunderts
Er war „ene staatse Kääl“. Dafür zahlte Hermann von Goch auch einen gesundheitlichen Preis. Er litt, wie man damals sagte, an Harnruhr, also an Diabetes und er hatte Blasensteine, deren Abgang äußerst schmerzhaft war. Das verrät sein ebenfalls erhaltenes Tagebuch. Er ist Familienmensch und umhegt seine Kinder. Mehr als 30 Prozent seiner Gesamtausgaben gehen für die Studienkosten eines Sohnes drauf. Darin auch Kleider, Schuhe, Bücher und Nachhilfeunterricht.
Alle neun Söhne und Töchter wird er gut verheiraten oder in vornehmen Klöstern unterbringen. Tochter Stina z.B. ehelicht einen Lombarden, also einen, dem Zinsgeschäfte erlaubt sind. Eine andere heiratet einen gutsituierten Kaufmann.
Die Historikerin Luise von Winterfeld, eine der wenigen Forschenden, die sich mit von Goch beschäftigt haben, schrieb 1925, dass er zu den Kölnern gehörte, die ihren Reichtum genossen und öffentlich zeigten und ihr Vermögen möglichst so anlegten, dass ihre Kinder ohne Mühe diesen Reichtum erhalten und vermehren konnten. Hermann von Goch war, was seine Kinder anging, eine Glucke.
Umtriebiger Geschäftsmann
Seine freundliche Art aber wird ihm zum Verhängnis. Er macht mit jedem, wirklich mit jedem, Geschäfte – ohne Ansehen der Person. Politisch bezieht er keine Stellung. Und da er sich von einem Herzog Wilhelm von Berg Ravensberg genauso bezahlen lässt, wie von einer Stadt Köln, die mit dem Herzog über Kreuz liegt, und da er Verbindungen zu Papst Urban VI unterhält, wie auch zum Gegenpapst Clemens VII, wird er vielen unheimlich.
Ab 1393 geht der Kölner Stadtrat gegen ihn vor. Von Goch soll mit seiner Grutpacht den Bürgern Schaden zugefügt haben. Er selbst spricht von einer Intrige und wird nicht gehört. Der Rat fordert von ihm eine horrende Summe als Schadenersatz. Einen Tag vor Fristende zahlt Hermann, mit Hilfe seines Lombardenschwiegersohnes. Trotzdem verkündet einen Tag später der Stadtrat einen Haftbefehl gegen von Goch. Und dabei passiert das, was uns heute das Leben des Hermann von Goch offenbart. Unterlagen werden beschlagnahmt, Haushalts- und Tagebücher, die nie wieder in den Besitz der von Gochs zurückgingen, sondern über Jahrhunderte hinweg archiviert wurden.
Unglaubwürdiges Geständnis durch Folter
Nach der Haft verlässt er die Stadt, kehrt zwei Jahre später zurück, weil er glaubt, die Wogen hätten sich geglättet. Aber falsch gedacht. Die Hoffnung, seine Unschuld beweisen zu können, stirbt, als er das Stadttor passiert. Er hat weder einen Geleit- oder Schutzbrief dabei und wird sofort festgesetzt. Laut Anklage soll er die Zeit außerhalb Kölns genutzt haben, um einen Überfall auf die Stadt vorzubereiten.
Foltermethoden im Mittelalter, Bild: Public Domain
Hermann von Goch beteuert seine Unschuld, wird wieder nicht gehört und stattdessen gefoltert. Und so wird er das bis heute unglaubwürdige Geständnis eines geplanten Überfalls ablegen. Da Hermann von Goch standesgerecht begraben wurde, ist davon auszugehen, dass er Reue gezeigt und somit die Sterbesakramente empfangen hatte.
Nachlass nur unvollständig unerforscht
Wissenschaftlich ist von Goch noch längst nicht begraben. Für Wirtschaftshistoriker oder Mittelalterexperten wäre es ein Fest, wenn es einen Forschungsauftrag über das Leben und den Nachlass des Hermann von Goch gäbe. Im Kölner Stadtarchiv lagert dieser Schatz, ohne je vollständig gehoben worden zu sein. So viele noch offene Fragen könnten vielleicht beantwortet werden: Wie war das wirklich mit den Vorwürfen gegen von Goch, wie genau hat er seine Geschäfte betrieben, welches Verhältnis hatte er zu seiner Frau oder den Angestellten, wie sah sein Alltag aus. Details, die über das Leben des Bürgertums im Mittelalter mehr verraten würden.
Und es könnte auch die Frage geklärt werden, warum Hermanns Söhne unglaublich viele Schuhe brauchten, wie die eine Ausgabenseite im Haushaltsbuch belegt.
Zeitzeichen: Der Kölner Geschäftsmann Hermann von Goch wird enthauptet (am 7.5.1398)
Irene Geuer hat ein sehr hörenswertes Zeitzeichen im WDR zu Hermann von Goch veröffentlicht: Ein wildes Leben im Mittelalter: Hermann von Goch war erst ein Mann der Kirche, wurde reich, heiratete – und nutzte seinen Einfluss, dass der Papst persönlich seine Ehe nachträglich erlaubte. In Köln besaß er bald ein Monopol auf das Biergewürz, alle Brauer musste diese „Grut“ bei ihm einkaufen.