Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der umfassenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, welche bis 2026 abgeschlossen sein soll, auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


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