Heute vor 17 Jahren, in der Nacht vom 1. auf den 2. Dezember 2007, gab es den weltweit größten Gitarrendiebstahl: 56 hochwertige Gitarren waren weg – und bis heute ist keine einzige davon wieder aufgetaucht. Bestohlen wurde der Music Store, einer der größten deutschen Musikalienhändler.
400.000 Euro Schaden
Die gestohlenen Gitarren hatten einen Gesamtwert von 400.000 Euro. „Der finanzielle Verlust schmerzt schon, doch ebenso schwer wiegt der ideelle.“ so der so der Music Store Geschäftsführer Michael Sauer.
Die Instrumente wurden in sehr geringen Stückzahlen aus ganz besonders wertvollen Holzsorten hergestellt. Einige der Gitarren sind sogar Einzelstücke. Sauer hält einen Weiterverkauf der Gitarren für extrem schwierig. „Die Instrumente sind nummeriert, wir beobachten die Szene und sehen, wo die Gitarren angeboten werden.“
In der Tatnacht kletterten die Täter über die Dächer der verwinkelten Nebengebäube. So konnten sie an eine Dachluke herankommen. Diese Art und Weise eine Einbruchs hatte der Music Store nicht bedacht. Die Einbrecher hätten auch keine Chance gehabt, über die Eingangstür in den Laden zu gelangen, da diese per Video überwacht wurde. Außerdem war der Aufzug, der bis in den 5. Stock hochfuhr, nachts immer abgeschaltet. Somit war die Möglichkeit, über das Dach einzubrechen, die einzig mögliche Variante. Unglücklich für den Music Store: Nur die Ladenlokale, die sich im Erdgeschoss befanden, waren gegen Einbruch versichert.
Bis heute1Stand 1. Dezember 2024 ist keine der Gitarren wieder aufgetaucht, wie Michael Sauer berichtet. Er vermutet einen Auftragseinbruch: „Wir gehen davon aus, dass es sich um einen Auftragseinbruch gehandelt hat, denn einige ebenfalls sehr teure Gitarren wurden nicht mitgenommen.“
Europas meistbesuchter Musikerladen
Wenn man über die Zoobrücke an der Messe vorbei in Richtung A 3 fährt, fällt das markante Gebäude des Music Store sofort auf. Auf etwa 5.500 Quadratmetern bietet der meistbesuchte Musikerladen Europas alles, was das Musikerherz begehrt: Von einer Triangel für 1,90 Euro bis zu einem Konzertflügel von Schimmel für 172.800 Euro werden hier Rocker, Jazzer und auch klassische Musiker fündig.
Gegründet wurde das Unternehmen im Jahr 1972 an der Bonner Straße in Köln, 1985 erfolgte der Umzug in die Budengasse, mitten in das Herz der Stadt. Dort wurden nacheinander umliegende Ladenlokale übernommen. Doch die verwinkelte Kölner Altstadt bot keine weiteren Expansionsmöglichkeiten. Daher zog der Music Store im Jahr 2010 in das riesige Gebäude an der Istanbulstraße in Kalk, fast direkt am Kalkberg.
30.000 Euro Belohnung
Seit dem Diebstahl der Gitarren im Jahr 2007, noch in dem Ladenlokal an der Budengasse, ist keine der Gitarren wieder aufgetaucht, es gibt auch keine heiße Spur.
Doch der Music Store gibt auch nach 17 Jahren nicht auf. Für die Wiederbeschaffung zahlt das Unternehmen nach wie vor eine Belohnung von 30.000 Euro, falls jemand alle Gitarren wiederbeschafft. Führen die Hinweise nur zu einem Teil der Gitarren, wird die Belohnung entsprechend anteilig ausgezahlt.
Und es wäre doch schön, wenn diese tollen Gitarren wieder gespielt werden könnten, statt in irgendeinem Keller zu verstauben. Alle Hinweise bitte direkt an den Music Store.
Weitere Exemplare der gestohlenen Gitarren (Auswahl)
CS Eddie Van Halen Frankenstein Replica | Seriennummer: XN87649, Bild: Music Store
Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.
So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:
„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“
Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:
„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“
Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.
Das Römische Straßennetz
Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:
Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.
In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.
„Die Straße, die keine ist“
In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.
Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.
„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!
Die kölsche Variante einer römischen Straße
Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.
Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.
Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.
Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.
Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer
Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der anstehenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.
Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten: „Et bliev nix wie et wor.“
Die Band Querbeat hat dem Barbarossplatz ein Lied gewidmet. Der Text passt fast perfekt:
„Guten Morgen Barbarossaplatz Bist du auch noch wach? Hast du auch die letzte Nacht wieder durchgemacht?“
Korrekt müsste es aber heißen „Hast du auch die letzten Jahre wieder durchgemacht?“. Denn so sieht er aus: verbraucht, dreckig, runtergekommen. Eben genau so wie jemand, der jahrzehntelang einfach durchgemacht hat. Der Barbarossaplatz ist, so der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings in einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers 1Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.09.2019„der am meisten vernachlässigste Platz der Stadt“.
Okay, zugegeben: In unserer leider an vielen Stellen hässlichen Stadt gibt es noch eine ganze Reihe anderer Anwärter auf den Titel „Schrecklichster Platz“. Der Ebertplatz ist mit Sicherheit weit vorne, aber auch der Breslauer Platz, der Neumarkt oder die Domplatte sind in den Top Ten. Angeführt wird diese aber eindeutig vom Barbarossaplatz.
Was macht einen Platz aus?
Plätze haben in einer Stadt spezielle Funktionen. Der Stadtplaner Dr. Ulrich Hatzfeld dazu 2 In einem Beitrag zu „Stadt macht Platz – NRW macht Plätze, Dokumentation Landeswettbewerb 2004/05“, https://stadtbaukultur-nrw.de/site/assets/files/1561/stadtmachtplatz2004_dokumentation.pdf: „Plätze als städtebauliche Kunstwerke, als Gegenstand des städtebaulichen Denkmalschutzes, als innerstädtische Freiräume, als Orte der sozialen und ethnischen Integration, als politische Bühnen und vieles mehr.“
Betrachtet man den Barbarossaplatz, versagt dieser in jeglicher Dimension: Kein Kunstwerk, kein Denkmalschutz, definitiv kein Freiraum, von sozialer und ethnischer Integration Lichtjahre entfernt und als politische Bühne unbrauchbar. Barbarossaplatz: Sechs, setzen.
Och, wat wor dat fröher schön.
Tatsächlich was das nicht immer so. Betrachtet man Fotos längst vergangener Zeit, so war der Barbarossaplatz tatsächlich mal schön. Mit einem Springbrunnen in der Mitte, Platz zum Flanieren, Bäumen und schönen Gebäuden.
Der Barbarossaplatz war Teil einer ganzen Reihe von attraktiven Plätzen, die durch den Ausbau der Ringe entstanden sind. Der Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer um das Jahr 1880 schaffte dringend benötigten Platz, um an der Stelle des ehemals freien Schussfelds einen Prachtboulevard zu errichten – die Ringe entstanden. An den Stellen, wo die großen Ausfallstraßen die Ringe kreuzten, wurden Plätze geschaffen. So entstanden unter anderem der Rudolfplatz, der Ebertplatz und auch der Barbarossaplatz. Dieser wurde am 10. Mai 1883 eingeweiht und benannt nach Friedrich I., einem Stauferkaiser. Gut, dass dieser Kaiser (wegen seines roten Barts „Barbarossa“ genannt) bereits 1190 starb. Ansonsten würde er wohl kaum zulassen, dass sein Name für die Scheußlichkeit von Platz missbraucht wird.
Wachsender Verkehr und Nachkriegsarchitektur
Allerdings sorgte nicht erst die Zerstörung der Stadt im zweiten Weltkrieg und der Wiederaufbau für die Verschandelung des Platzes. Bereits in den 1930er Jahren veränderte sich der Barbarossaplatz. Zugunsten des wachsenden Verkehrs wurde aus der Grünfläche ein Kreisverkehr, Straßenbahnen kreuzten den Platz.
Der Neuaufbau nach dem Krieg gab dem Barbarossaplatz dann den Rest. Ulrich Krings3Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.09.2019 dazu: „Das Konzept der autogerechten Stadt … ist hier ganz brutal zum Tragen gekommen.“ Niemand, so Krings, habe sich um die Randbebauung gekümmert. „Es wimmelt hier nur so von Scheußlichkeiten“. Recht hat er.
Impressionen vom Barbarossplatz
Kein Platz, eher eine große Kreuzung
Heute ist vom Platzcharakter nichts mehr übrig. Der Platz ist eine gigantische große Kreuzung. Immerhin sieben Straßen kreuzen sich hier und vier Stadtbahnen-Linien überqueren den Barbarossplatz. Wer einmal versucht hat, diesen Platz zu Fuß zu überqueren, wird auch im Verkehr von Neapel, Istanbul oder Kairo überleben. Alle Pläne einer Neugestaltung, wie zum Beispiel die Straßenbahn unter die Erde zu legen, wurden aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt.
Kein Wunder, dass es in dem Song von Querbeat auch lautet:
„Die Nacht sieht man uns an, alle Farben im Gesicht Barba so bist du, und so bin ich“
VISUAL UTOPIAS: So schön könnte der Barbarossaplatz aussehen
Wie der Barbarossaplatz ohne Autos aussehen könnte, zeigt der Utopist Jan Kamensky. Seine Überzeugung: Es ist wichtig, zu sehen, was passiert, wenn wir die von Autos dominierten Straßen in menschenfreundliche Orte verwandeln. Deshalb erstellt Kamensky utopische, autofreie Animationen von Plätzen wie zum Beispiel der Karl-Marx-Allee in Berlin, dem Rosenberger Platz in Stuttgart oder der Kohlberger Straße in Wien.
Besonders beeindruckend: Seine Vision des Barbarossaplatzes. So wird in dem Video aus dem hässlichsten Platz Kölns einer der schönsten Plätze der Stadt. Besonders schön ist auch seine Vision der heute durchaus hässlichen Komödienstraße. Tipp: Das Video unbedingt bis zum Ende schauen, hier klatscht sogar der Dom Beifall!
Oase der Ruhe in der (fast unmittelbarer) Nähe: Der Garten der Religionen
Gerade mal 400 Meter Luftlinie vom Barbarossaplatz entfernt liegt einer einem der schönsten und zugleich unbekanntesten Plätze der Domstadt: Der „Garten der Religionen“.
Die „Schönheit Kölns“ in der Stunksitzung
Auch die Stunksitzung legt den Finger in die Wunde: In der Nummer „Der andere Rieu“ aus dem Jahr 2018 wird die (vermeintliche) „Schönheit Kölns“ besungen. (Danke an Marlies für diese Ergänzung! )
Dann Bar, Bar, Kneipe, Bar Nichts muss und alles kann Das soll niemals aufhören, zu gut ist diese Zeit Egal wohin es geht, ich bin dabei
Jetzt schon ins Bett zu gehen wär‘ viel zu easy, zu easy Ich hol‘ mir auf die Hand noch schnell ’n Cheesy ’n Cheesy, oh Ich leb‘ im größten Dorf, das niemals schläft Erzähl es deinem Chef, uh
Guten Morgen Barbarossaplatz Bist du auch noch wach? Hast du auch die letzte Nacht wieder durchgemacht? Guten Morgen Barbarossaplatz Bist du auch noch wach? Meine Drinks gehen hoch und ich leg‘ nochmal los Und ich mach‘ den Tag zur Nacht Und alle machen Stippefott
Die gelben Schiffe hupen die graue Stunde weg Alles rausgehauen für’n guten Swag Die Nacht sieht man uns an, alle Farben im Gesicht Barba so bist du und so bin ich
Feuerwasser, Dancen und Matrazensport sind genau mein Ding Feuerwasser, Dancen und Matrazensport sind genau mein Ding Erzähl das deinem Chef, uh
Guten Morgen Barbarossaplatz Bist du auch noch wach? Hast du auch die letzte Nacht wieder durchgemacht? Guten Morgen Barbarossaplatz Bist du auch noch wach? Meine Drinks gehen hoch und ich leg‘ nochmal los Und ich mach‘ den Tag zur Nacht
Und alle machen Stippefott
So sexy Links, rechts, links, rechts Und alle machen Stippefott So sexy Links, rechts, links, rechts
Guten Morgen Barbarossaplatz (guten Morgen Barbarossaplatz) Bist du auch noch wach? (bist du auch noch wach?) Hast du auch die letzte Nacht wieder durchgemacht? (ooh oh) Guten Morgen Barbarossaplatz (guten Morgen Barbarossaplatz) Bist du auch noch wach? (bist du auch noch wach?)
Meine Drinks gehen hoch und ich leg‘ nochmal los Und ich mach‘ den Tag zur Nacht
Guten Morgen Barbarossaplatz Ooh oh
Meine Drinks gehen hoch und ich leg‘ nochmal los Und ich mach‘ den Tag zur Nacht
Und alle machen Stippefott So sexy Links, rechts, links, rechts Und alle machen Stippefott So sexy Links, rechts, links, rechts
Film „Über Barbarossaplatz“
Der WDR hat mit „Über Barbarossaplatz“ dem Platz auch den passenden Film gewidmet. In diesem 2016 gedrehten Film fühlt sich die Psychologin Greta nach dem Selbstmord ihres Mannes mitschudig an dessen Tod.
Caroline Ströbele schreibt dazu in der Zeit Online4Zu hart für die Couch – Über Barbarossaplatz bei Zeit Online, abgerufen am 27. April 2017: „Köln hat die interessanteste Rolle in diesem Film. Die Stadt ist lärmig und aggressiv, keine Spur Kölner Fröhlichkeit. Der Verkehrslärm des titelgebenden Barbarossaplatzes übertönt jedes Gespräch, die Menschen sind brutal, überall wird geschoben und gedrängelt, es ist immer zu voll und zu laut.“
Christian Buß schreibt auf spiegel.de zu „Über Barbarossaplatz“: „In „Über Barbarossaplatz“ geht es mit den Psychos und Psychotherapeuten nun durchs zerklüftete Köln. Den nervösen Puls des Films geben Freejazz und Gabber-Techno vor, der Soundtrack stammt von Kölner (und Düsseldorfer) Künstlern um die Bands Colorist und Stabil Elite. Mitten im Driften und Dröhnen durchs Verkehrschaos Kölns wird der Schriftsteller Rolf Dieter Brinkmann zitiert, der – ausgerechnet – in London bei einem Verkehrsunfall gestorben ist; oder es wird am Tresen über Rainer Werner Fassbinders Fernsehserie „Acht Stunden sind kein Tag“ gequatscht, die ebenfalls in Köln spielt. Ein bisschen Orientierung für all die Unbehausten in diesem etwas anderen Heimatfilm.“
In der Frankfurter Rundschauscreibt D.J. Frederiksson: „Auch der Titel mit seiner Verortung im innenstädtischen Köln ist kein Zufall. Die Umgebung, die sonst beim Filmemachen so gründlich wie irgend möglich ausgesperrt wird, lädt Bonny herzlich in seinen Film ein. Babygeschrei, Stadtbahnrattern, Handyklingeln und immer wieder Straßenrauschen – selbst in den intimsten Therapieszenen ist die Stadt als Nebenfigur stets präsent. Als hässlich verbaute, lärmende Nebenfigur. All das sorgt für einen Realismus, der der üblichen TV-Ästhetik einen Zerrspiegel vorhält: Schaut her, so sehen echte Tragödien aus, wenn sie echten Menschen in einer echten Stadt passieren. Möglich ist das natürlich nur durch das herausragende Spiel der Darsteller. Dass Bibiana Beglau zu den Großen im Charakterfach gehört, wusste man. Bei Joachim Król vergaß man das früher manchmal, hier aber wird man mal wieder eindrücklich daran erinnert. Und Franziska Hartmann, die bisher nur am Thalia auffiel und mit dieser Tour de Force ihr TV-Debüt gibt, muss als veritable Entdeckung gelten. Selbst wer vor provokativen Themen wie sexueller Erniedrigung oder vor dem anspruchsvollen Stil zurückschreckt, sollte sich allein wegen dieser Schauspielleistungen den Film anschauen.“
Welche Merkmale muss ein städtisches Bauprojekt aufweisen, um als gänzlich missglückt bezeichnet zu werden? Mario Kramp, ehemaliger Leiter des Kölnischen Stadtmuseums, hat diese Merkmale aufgezählt:
Ewiges Gerangel um Finanzen,
geschönte Kostenschätzungen,
mangelnde Entschlusskraft,
Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten,
Dauer von Ausschreibungen und Fehlentscheidungen bei der Vergabe,
Planungsfehler, Bau- und Materialmängel,
unseriöse Firmen,
gegenseitige Schuldzuweisungen,
Wechsel in der Bauleitung,
Lobhudelei bei der Grundsteinlegung,
langwieriges Herumdoktern an einer eigentlich missglückten Konstruktion.1Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64
Und NEIN – hier geht es nicht um die Kölner Oper! Sondern um den Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster mit Baubeginn ziemlich genau 200 Jahre vor dem Beginn der Opernsanierung.
Eisgang 1784
Die ganze Diskussion um einen Hafen, der den Rheinschiffern Schutz vor dem regelmäßigen Hochwasser des Rheins bieten sollte, begann nach dem Eisgang im Jahr 1784.
Dieser verheerende Eisgang mit dem Jahrhundert-Hochwasser am 27./28. Februar 1784 kostete 65 Menschen in Köln das Leben, zerstörte bestehende Hafenanlagen und überflutetet das damals noch eigenständige Mülheim. Auch die komplette Kölner Schiffsflotte wurde vernichtet.
Verständlicherweise forderten die Rheinschiffer einen Schutz vor solchen Verwüstungen. Diese Forderung deckte sich auch mit den militärischen Interessen der französischen Besatzungsmacht, Schiffe in einem geschützten Bereich unterzubringen.
Die Forderung: Bau eines Sicherheitshafens, ähnlich wie Anlagen in Mainz und Düsseldorf.
Größtes städtebauliches Projekt der Franzosenzeit in Köln
Am Dreikönigstag 1811 (6. Januar) genehmigte Kaiser Napoleon höchstpersönlich den Bau eines Sicherheitshafens in Köln. Dieser sollte am heutigen Theodor-Heuss-Ring bis an die östliche Seite des heutigen Ebertplatzes heranreichen. Zwischen dem Hafen und der Stadt verlief damals dort noch die mittelalterliche Stadtmauer.
In der Nähe des Hafens liegt das Kunibertstürmchen, Teil der mittelalterlichen Stadtmauer.2Die Kölner haben den Kunibertsturm und das Kunibertstürmchen verwechselt, daraus ist die Sage des „Weckschnapp“ entstanden. Daher wurde der Sicherheitshafen auch „Thürmchenshafen“ genannt. Weitere Namen waren „Napoleonhafen“ oder „Franzosenhafen“.
Voller Hoffnung, dass die Bauarbeiten schnell erledigt wären, berichtete das „Journal de la Roer“ in seiner Ausgabe vom 21. April 1812:
„Die Arbeiten am Sicherheitshafen … werden mit so viel Thätigkeit fortgesetzt, daß man sie künftiges Jahr beendigen wird.“
Diese Einschätzung sollte sich als völlig verfehlt erweisen. Zwar wurde im April 1811 mit den Vorarbeiten gestartet und Hafenmauern und Hafeneinfahrt errichtet. So konnte, mit allem Pomp inklusive Volksfest und Feuerwerk, am 10. November 1812 feierlich der Grundstein des Hafenbauwerks gesetzt werden. Der Präfekt des Departments, Jean Charles François de Ladoucette, erklärte auf dem feierlichem Bankett zur Grundsteinlegung dann auch großspurig:
„Am 10. November 1812, im achten Jahr der Regierung Napoleons des Großen, Kaiser der Franzosen […] wurde der erste Stein gelegt für dieses Bauwerk, errichtet für die Sicherheit und die Wohlfahrt des Handels auf dem Rhein, mit Unterstützung der kaiserlichen Freigebigkeit, der Gelder der Stadt und der des Kölner Handels.“
Der Deal: Die Stadt bezahlt die Baukosten von 750.000 Franc und darf die Hafengebühren behalten. Der „Kölner Handel“ hatte sich an der Finanzierung des Sicherheitshafens beteiligt. In den „Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811 wird darauf hingewiesen, dass die Handelskammer dafür ein Darlehen in Höhe von 250.000 Franc bereitstellt.
Teures Provisorium
Zwar wurde der Sicherheitshafen 1813 eröffnet – allerdings nur als Provisorium. Es fehlten noch Kais und Hafenanlagen, der Hafen war nicht tief genug ausgebaggert, und auch die geplante Brücke über die Hafeneinfahrt gab es noch nicht. Statt der geplanten 190 Schiffe fanden nur ca. 70 Schiffe dort Platz. Es darf aber auch bezweifelt werden, dass selbst diese Kapazität jemals komplett ausgelastet wurde. Angemessene Pflege und Ausbau des Hafens: Fehlanzeige!
Als 1814 die Franzosen abzogen, übernahmen die Preußen mit dem Hafen ein „.. ärgerliches Flickwerk, aus Geldmangel nur notdürftig instand gehalten.“3Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“ Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64]
Ärgerlich war auch, dass bis 1820 immer noch keine Brücke über der Hafeneinfahrt errichtet war, weil ständig Geld fehlte. Als Kompromiss wurde beschlossen, eine provisorische Brücke aus Holz zu errichten. Zwar lag das eigens dafür bestellte Holz bereit, doch mangels Baugenehmigung verrottete dieses ungenutzt. Erst in den 1830ern wurde eine einfache Klappbrücke über der Hafeneinfahrt errichtet.
Im Jahr 1840 wurde das Hafenbecken noch einmal vertieft, allerdings wurde deutlich, dass die gesamte Hafenanlage eine grandiose Fehlplanung war. Das lag auch an der falsch konstruierten Hafeneinfahrt.
Hafeneinfahrt wird zum unüberwindbaren Nadelöhr
Während der überaus langen Bauzeit etablierte sich die Dampfschifffahrt auf dem Rhein. Die Schiffe wurden größer, und die schmale Hafeneinfahrt zum Sicherheitshafen entpuppte sich als unüberwindbares Nadelöhr. Diese Einfahrt stand senkrecht zum Rhein. Die starke Strömung des Rheins machte für die Schiffe ein Einfahrtsmanöver zu einem unkalkulierbaren Risiko.
Somit war der Hafen faktisch unbrauchbar. Auch die Rheinschiffahrts-Kommission bescheinigte, dass der Kölner Sicherheitshafen ganz unzulänglich und untauglich sei und der Bau eines ordentlichen Sicherheitshafens erforderlich ist.
Mario Kramp schreibt dazu: „Wie man es drehte und wendete: In dem Augenblick, als der Sicherheitshafen endlich halbwegs fertiggestellt war, erkannte man, dass die ganze Anlage verfehlt und nicht mehr für moderne Erfordernisse herzurichten war.“4Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64
Als Alternative entstand der Rheinauhafen. Dieser hat eine deutlich breitere Einfahrt (mehr als 21 Meter), und die Hafeneinfahrt liegt in einem deutlicher flacheren Winkel zum Rhein.
1895 wird das Hafenbecken zugeschüttet
Im Winter 1894/1895 haben die letzten Schiffe den Sicherheitshafen genutzt, das Hafenbecken versandete zunehmend und wurde zu einem Tümpel. Im Folgejahr wurde die Anlage komplett aufgegeben und das Hafenbecken verfüllt. Mit dem Abriss der Stadtmauer und der damit einhergehenden Stadterweiterung wurde der ehemalige Hafen zur größten Parkfläche entlang der Kölner Ringe umgewandelt.
Heute ist dieser Park auf der einen Seite eine grüne Oase in der Großstadt, auf der anderen Seite leider auch – zumindest bei gutem Wetter – beliebtes Aufenthaltsgebiet der kriminellen Szene am nahe gelegenen Ebertplatz. Trotzdem ist mit dem Park am Theodor-Heuss-Ring aus dem städtebaulichen Desaster „Sicherheitshafen“ zumindest noch etwas Gutes entstanden.
Ob es bei der Oper auch 80 Jahre dauern wird, bis trotz geschönter Kostenschätzungen, mangelnder Entschlusskraft, Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten, Planungsfehler, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Wechsel in der Bauleitung etwas Gutes entsteht, ist noch offen.
Der Kronleuchtersaal
Bei den Baumaßnahmen zur Verfüllung des alten Hafenbeckens wurde gleichzeitig ein noch heute genutztes Abwassersystem gebaut. Teil dieses Abwassersystems ist der seit 2004 unter Denkmalschutz stehende „Kronleuchtersaal“ (Ecke Theodor-Heuss-Ring und Clever Straße). Der Zugang zu diesem Saal ist direkt am Theodor-Heuss-Ring, etwa in Höhe der Hausnummer 19-21.
Seinem Namen verdankt dieser Abwasserkanal zwei Kronleuchtern. Es gibt Quellen, die besagen, dass diese Kornleuchter ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. an die Stadt Köln gewesen wären. Belegt ist das nicht und auch eher unwahrscheinlich: Es ist nur schwer vorstellbar, dass seine Majestät sich ausgerechnet in einem Abwasserkanal „verewigen“ wollte. Wahrscheinlicher ist, dass die Kölner diese zu Ehren des Kaisers aufgehangen haben.
Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln) bieten kostenlose Führungen an. In ca. 30 Minuten wird die Funktionsweise des Kanalsystems erläutert. Man kann auch einen Blick in den Kronleuchtersaal werfen. Das ist aber nichts für Menschen mit sehr empfindlicher Nase – immerhin besichtigt man Abwasserkanäle.
In dem Park befindet sich auch der „Toto-Brunnen“, etwa in Höhe Theodor-Heuss-Ring 13. Dieser Brunnen wurde 1953 von der Westdeutschen Fußball Toto GmbH gestiftet, deren Verwaltungssitz am Theodor-Heuss-Ring lag.
Der etwa 80 Quadratmeter große Brunnen erinnert – ganz im Stil der 1950er – an einen Nierentisch und stellt vier große Tropfen dar, aus denen früher Wasser sprudelte. Doch wegen regelmäßiger Defekte wurde der Brunnen in den 90er Jahren stillgelegt und von Pflanzen überwuchert.
Erst 2021 wurde der Brunnen saniert – allerdings ohne die Wasseranlage. Die Kosten von 300.000 zur Komplettsanierung waren der Stadt Köln zu hoch. Die „einfache Sanierung“ kostete nur 25.000 Euro.
Anton Bausinger, Vorsitzender des Verbandsbezirks Köln im Bauindustrieverband NRW, nennt diesen wasserlosen Brunnen prosaisch „eine Brosche in der Wiese“5Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Juni 2022. Dafür braucht man allerdings viel Phantasie – der Brunnen ohne Wasser wirkt eher wie eine beliebig zusammengestückelte Pflasterfläche.
„Wo finde ich denn eine Toilette?“ – erfahrene Stadtführer wissen mit dieser Frage umzugehen. Dann wird flott ein Brauhaus angesteuert, weil die öffentlichen Toiletten eher selten und nicht immer einladend sind. Alle trinken im Brauhaus ein/zwei Kölsch, alle gehen aufs Klo, und dann laufen wir weiter.
Der Trick mit dem Kölsch im Brauhaus funktioniert auch bei den Stadtführungen in der Innenstadt recht gut. Sobald man sich aber außerhalb der touristischen Hotspots bewegt, wird das schwieriger. Schnell erkennt man: Köln hat ein Toilettenproblem!
Wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, ist es erschreckend: Tatsächlich gibt es eine öffentliche Toilette pro 15.000 Kölner:innen. Falls man jetzt noch die Touristen mit einberechnet, wird es ganz finster, dann sind es etwa 50.000 Menschen pro öffentlichem Klo. Dieser Wahnsinn zeigt sich ganz besonders an Karneval, wenn flott jede Menge Dixi-Klos aufgestellt werden, um das Pinkel-Problem irgendwie in den Griff zu bekommen. Meistens vergeblich.
Große Themen unserer Gesellschaft auf humorvolle und zugängliche Weise vermitteln
Nicht das erste „heiße Eisen“, welches Pauline angefasst hat. In der Vergangenheit hat sie bereits eine Kampagne zur Erhöhung der Wahlbeteiligung konzipiert („Deine Wahl“) oder ein Magazin zur Auseinandersetzung mit der Geschlechterdynamik in der deutschen Sprache entworfen („Gen_der_die_das„)
Pauline hat 2023 ihren Abschluss im Studiengang „Nachhaltiges Design“ an der ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln gemacht. Und was alle Projekte der Designerin gemeinsam haben, beschreibt sie selber wie folgt: „Mit meinen Projekten möchte ich Komplexes nahbar machen und zeigen, dass auch die ganz großen Themen unserer Gesellschaft auf humorvolle und zugängliche Weise vermittelt werden können.“ Und genau das zeigt ihre Kampagne „Köln muss mal“ auf eindrucksvolle Weise.
Köln am Ende des Rankings „Öffentliche Toiletten“
Die Designerin hat aufwändig die Toilettensituation in Köln ermittelt. Und das Ergebnis ist niederschmetternd: Vergleicht man die selbsternannte Metropole am Rhein mit anderen Großstädten, dann liegt Köln da, wo auch aktuell1Stand: Februar 2024 der 1. FC Köln liegt: Am Ende der Tabelle. Paris verfügt über dreimal so viele öffentliche Toiletten, Zürich über mehr als viermal so viele Toiletten pro 100.000 Einwohner.
In ihrer Diplomarbeit „Köln muss mal“ hat Pauline Muszi aber auch die weitergehenden Funktionen der Toiletten als möglichst geschützten Raum untersucht. Dazu sollten Toiletten, neben der Verrichtung der menschlichen Notdurft, auch einen Raum bieten, um sich herzurichten, sich umzuziehen, sich zu waschen oder medizinischer Versorgung nachzugehen. Und selbstverständlich auch, um Kinder zu wickeln. Und hier wird es für Menschen, die mit Kindern unterwegs sind, ganz bitter, denn es gibt in Köln gerade mal sieben öffentliche Toiletten mit Wickeltisch. Beschämend für die Möchtegern-Weltstadt am Rhein.
Menschen ohne Penis müssen zahlen
Es gibt verschieden Arten von öffentlichen Toiletten, eine davon sind die sogenannten „City-Toiletten“. Diese Toiletten sind fest installierte Container, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche geöffnet sind.
Beschämend: Die Nutzung der Sitztoiletten kostet 50 Cent, während die Urinale kostenlos nutzbar sind. Paulines nüchternes Fazit: „Menschen ohne Penis müssen zahlen.“
„Ich bin kein echtes Klo. Und genau das ist das Problem.“
In ihrer Diplomarbeit weist Pauline Muszi nach, dass zwar viel über Toilettenkonzepte gesprochen wird, aber in der Praxis nur sehr wenig passiert: „Die Wichtigkeit einer adäquaten öffentlichen Toilettenversorgung wird betont, Probleme und Lösungen diskutiert, innovative Zugänge vorgestellt und doch schaffen diese Ansätze nur äußerst selten den Sprung aus der Theorie in die Praxis städtischer Toilettenkonzepte.“
Für Pauline Grund genug, mit der Kampagne „Köln muss mal“ genau das Klo-Problem anzupacken. Ihr Ziel: Toiletten aus der Sphäre des Privaten herausholen und mitten in der Öffentlichkeit platzieren. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Pauline hat, auf einem Quadrat aus blauen Fliesen stehend, ein WC genau an die Orte gebracht, wo es an sanitären Anlagen fehlt. Ohne Sichtschutz, mitten auf einem Gehweg oder einer Wiese.
Nähert man sich diesem WC und klappt den Deckel auf, liest man „Ich bin kein echtes Klo. Und genau das ist das Problem.“
Die Kampagne geht noch weiter und soll tatsächlich zu einer Veränderung der Toiletten-Situation in Köln führen. Dazu hat Pauline eine Petition ins Leben gerufen: Ziel der Petition ist es, der Kölner Stadtverwaltung zu signalisieren, dass es an der Zeit ist, etwas an den öffentlichen Toiletten der Stadt zu verändern.
Bis heute2Stand 28. Februar 2024 haben 222 Menschen diese Petition bei change.org unterschrieben. Das ist viel zu wenig. Daher habe ich mit Pauline um elf Kölsch gewettet, dass wir über das „Köln-Ding der Woche“ die Anzahl der Unterschriften verdoppeln werden.
Also: Jetzt brauche ich eure Unterstützung! Nehmt euch zwei Minuten Zeit und unterzeichnet diese Petition, damit wir möglichst schnell auf 444 Unterstützer (oder gerne auch mehr!) kommen. Hier geht es direkt zur Petition
Denn die Toilettensituation geht uns alle an!
Toiletten und Sprache
Für wohl kaum einen anderen Ort gibt es so viele Bezeichnungen wie für die Toilette. In ihrer lesenswerten Diplomarbeit hat Pauline auch Namen für Toiletten gesammelt. Ich gebe zu, dass ich auch nicht alle kannte.
Es ist sehr zentral und ist trotzdem irgendwie versteckt: Das Weinhaus Brungs, ein sehr geschichtsträchtiger Bau. Von außen durchaus beeindruckend, aber spätestens, wenn man die Treppe heruntergeht, bekommen sowohl der Kölner als auch der Tourist den Mund vor Staunen nicht mehr zu: Hier gibt es noch Reste der römischen Stadtbefestigung – Geschichte zum Anfassen. Tatsächlich sind hier die Reste des römischen Stadttors „Marspforte“ zu sehen.
Geschichtsträchtiges Gebäude
Im 16. Jahrhundert hatte sich das Viertel rund um die Marspforte rasant entwickelt: In unmittelbarer Nähe der beiden wichtigen Warenumschlagsplätze Alter Markt und Heumarkt sowie dem Machtzentrum Rathaus florierte hier das Geschäft.
Dabei war das alte, an dieser Stelle noch bestehende, römische Stadttor wohl eher hinderlich. So hatte der Kölner Ratsherr Hermann von Weinsberg in seinen berühmten Tagebüchern notiert, dass es an den Bögen des Stadttors sehr schmutzig sei, weil jeder seinen Unrat dort ablud. Hier ein gekürzter Auszug aus dem Tagebuch von Hermann Weinsberg zur Marspforte:1 Die ursprüngliche Handschrift ist nur für Experten lesbar, Details dazu gibt es beim Weinsberg-Projekt.
Weinsberg berichtete, dass der Kölner Ratsherr Gillis Eifler an genau der Stelle des abgerissenen Stadttors zwei Stadthäuser errichtete. Wie damals üblich wurde nicht komplett neu gebaut, sondern bestehende Mauern in den Neubau integriert. Und so sind die Reste des Stadttors heute Bestandteil des Gewölbekellers im Weinhaus Brungs.
Die ebenfalls dort angebrachten Fratzenmasken sind sogenannte „Grinköpfe“. Diese gehören eigentlich auf die Giebel von Stadthäusern. Durch das Maul dieser Fratzen konnten Seile gezogen werden, und so wurden schwere Waren in die Speicherräume unter den Dächern gehoben.
Häuser werden zusammengelegt
Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte die Familie Brungs beide Gebäude. Um mehr Platz zu schaffen, wurden aus zwei Häusern eins. Den Durchgang markiert ein markanter neogotischer Spitzbogen mit dem in den Stein verewigten Stadtnarren „Worbel“.
Laut Überlieferung soll es diesen Worbel tatsächlich gegeben haben. Er hieß Pankratz Weinstock und unterhielt im 12. Jahrhundert die Stadtgesellschaft mit seinen Späßen.
Massive Zerstörung im Krieg – heute Institution in der Innenstadt
Im Zweiten Weltkrieg wurde auch das Gasthaus Brungs schwer beschädigt und wiederaufgebaut. Daher stammt die Inneneinrichtung aus anderen Häusern und wurde hier wieder eingebaut, wie zum Beispiel die hölzerne Wendeltreppe aus dem 18. Jahrhundert.
Heute behauptet sich das Weinhaus Brungs zwischen den vielen Brauhäusern in der Innenstadt. Auf der Touristik-Website TripAdisor nimmt dieses Restaurant Platz 62 von 1.699 gelisteten Häusern in Köln ein2Stand: 1. März 2023. Gäste loben das Essen und die Weinkarte.
Stadt kauft Gebäude – weitere Nutzung ungewiss
Im Zuge der Arrondierung3Arrondierung ist der Einbezug angrenzender Flächen zu einem bestimmten Grundstück. der Flächen rund um das Rathaus hat die Stadt Köln Ende 2019/Anfang 2020 das Gebäude erworben.
Eigentlich wollte die Familie Brungs das Gebäude an eine Privatperson verkaufen. Ein entsprechender Kaufvertrag lag bereits vor, doch Ende 2019 entschloss sich der Stadtrat, von dem im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und das Gebäude für 3 Millionen Euro4Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 17.01.2020 zu erwerben. Gleichzeitig sicherte die Stadt dem Pächter des Restaurants zu, dass der Pachtvertrag weiterlaufen solle.
Doch augenscheinlich wurde der Pachtvertrag zum Ende Februar 2023 gekündigt. Ob und wie es mit der Gastronomie im Weinhaus Brungs weitergeht, ist völlig offen. Auch ein anderweitiges Nutzungskonzept der Stadt liegt (noch) nicht vor.
Oder will sich unser Rat am Ende nur einen schnellen Weg zum Wein sichern? Der Stadtführer und Köln-Experte Bernd Imgrund berichtet5„111 Kölner Kneipen, die man kennen muss“ von Bernd Imgrund und Thilo Schmülgen, dass der Notausgang des Gewölbekellers direkt unter das Rathaus führt. Und diesen kann man ja schließlich auch in die andere Richtung nutzen …
Konzept zur Weiternutzung dringend erforderlich!
Es bleibt die Hoffnung, dass schnell eine Weiternutzung des Gebäudes ansteht, damit dieses wunderschöne Gebäude nicht eine ähnliche Entwicklung wie zum Beispiel das Funkhaus in Raderthal durchmacht. Dieses gammelt mangels Entscheidung vor sich hin – vermutlich bis nichts mehr zu retten ist und es einfach abgerissen wird.
Die „Freunde von Weinhaus Brungs“ haben auf der Plattform change.org eine Petition gestartet und fordern von der Stadt Köln:
Die Stadt Köln soll als Eigentümerin des Weinhauses Brungs dieses beispielhafte Denkmal erhalten, fachgerecht sanieren und als Juwel der Altstadt in seiner traditionsreichen Nutzung als Weinhaus dauerhaft weiterführen.
Aktuell6Stand 1. März 2023 haben 580 Personen diese Petition unterschrieben. Der Köln-Lotse übrigens auch.
Falls auch du diese Petition unterschreiben willst, findest du hier alle notwendigen Informationen:
Su jet jitt et nur in Kölle! Wir machen zwar Dinge gerne schon mal mehrfach, aber was am Rathausturm in den 1980er passiert ist, ist leider irgendwie typisch kölsch.
Der im Stil der Spätgotik errichtete Rathausturm ist reich mit Zinnen und Vorhangbögen geschmückt. Am auffälligsten sind aber die 124 Figuren von Persönlichkeiten, die die Geschichte der Stadt Köln geprägt haben.
Die Vorgeschichte: Die ersten Figuren stammten aus dem 15. Jahrhundert
Bereits mit Fertigstellung des Turms im Jahr 1414 war der Turm mit Figurten ausgestattet. Welche Figuren sich ursprünglich dort befanden, ist heute nicht mehr bekannt.
In den Jahren hatten Wind und Wetter den Figuren so massiv zugesetzt, dass diese anfingen, ganz oder in Teilen abzufallen. So beschloss der Rat am 22. Mai 1694 aus Sicherheitsgründen, die Figuren abzunehmen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein neues Figurenprogramm beschlossen. Diese Figuren wurden zwischen 1891 und 1901 in Auftrag gegeben.
Die Aufstellung dieser neuen Figuren war in Gruppen eingeteilt: Im Erdgeschoss war Platz für Fürsten und Erzbischöfe, im ersten Obergeschoss für Repräsentanten der Geschlechterherrschaft, eine Etage darüber für Repräsentanten der Zünfte. Das dritte Obergeschoss war für Männer der Künste und der Wissenschaft vorbehalten und im obersten Geschoss wachten die Schutzheiligen der Stadt über die Bürger. Die Letzte dieser Figuren wurde im Jahr 1902 aufgestellt.
Massive Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg
Das Rathaus wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Vom Rathausturm stand gerade noch ein Drittel. Es gab sogar Überlegungen, den Turm gänzlich abzureißen und neu aufzubauen. Doch die Kölner Handwerkerschaft erinnerte sich an ihre alte Zunft-Tradition und initiierte die „Bauhütte Rathausturm“. So wurde der Rathausturm, nach der Errichtung durch die Zünfte Anfang des 15. Jahrhunderts, im 20. Jahrhundert von den Kölnern Handwerkern gerettet.
Von 1950 bis in das Jahr 1975 wurde an dem Rathausturm gebaut und das Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut. Allerdings waren von den bis 1902 aufgestellten Figuren auf dem Turm nach dem Bombardement des Zweiten Weltkriegs kaum noch etwas übrig.
Neues Figurenprogramm in den 1980er Jahren: Bei 124 neuen Figuren gerade einmal fünf Frauen.
Die Stadt setzte eine Historikerkommission mit der Aufgabe, eine neue Auswahl an Figuren vorzuschlagen, ein. Die Bedingungen waren lediglich, dass weder lebende Personen noch „negative Figuren“ abgebildet werden dürfen.
Die Kommission benötigte gerade einmal fünf Jahre, um ein entsprechendes Figurenprogramm zu erarbeiten. So konnte endlich im Jahr 1986 das Konzept vom Kulturausschuss verabschiedet und dem Stadtrat zur Abstimmung vorgelegt werden. Bei dieser Stadtratssitzung muss es hoch hergegangen sein, denn die Fraktion der Grünen verweigerte konsequent die Zustimmung. Mit Recht!
Was die Grünen auf die Palme brachte: Die Kommission hatte bei den 124 Figuren gerade einmal fünf Frauen vorgeschlagen. Mit anderen Worten: In der mehr als 2.000 Jahre alten Stadtgeschichte sollen Frauen gerade einmal mit 4% berücksichtigt werden. Ein Eklat.
Überarbeitung des Figurenprogramms
Die Kommission wurde noch einmal beauftragt, das Programm zu überarbeiten. 1988 wurde der neue Vorschlag mit dem immer noch mickrigen Ergebnis, dass jetzt gerade einmal 18 Frauen berücksichtigt wurden, vom Stadtrat verabschiedet.
Was von dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission übrig blieb, war das Konzept, welche Figurengruppe wo ihren Platz finden sollte:
Im Erdgeschoss befinden sich Persönlichkeiten „Herrscher und herrschergleiche Personen“.
Danach folgen vom ersten bis zum dritten Obergeschoss „Für die Stadt wichtige Persönlichkeiten“.
Ganz oben ist der „Kölsche Himmel“: Die Schutzpatrone und Heiligen der Stadt
Nach den Irrungen und Wirrungen um die inhaltliche Ausgestaltung des Figurenprogramms war die nächste Hürde die Finanzierung der Figuren. Da die Stadt – wie immer – klamm war, ging man kötten. Die Idee: Kölner Unternehmen, Verbände, Bürger, Vereine etc. wurden angefragt, ob sie nicht die Patenschaft über eine oder mehrere Figuren übernehmen könnten. Diese Patenschaft war damit verbunden, die entsprechende Figur auch zu stiften. Kein ganz günstiges Vergnügen – immerhin kostete damals eine Figur rund 25.000 DM. Für diesen Betrag konnte man im Jahr 1988 einen gut ausgestatten Audi 80 kaufen.
Um die Figuren für eine lange Zeit haltbar zu machen, wurden diese mit Acrylharz getränkt. Grundsätzlich eine gute Idee. Denn die in der Gebäudeabdichtung, zum Beispiel auch am Dom, regelmäßig verwendeten Acrylharze haben eine gute Optik und eine hohe Beständigkeit. Nur war diese Konservierungsmethode leider nicht bei dem für die Figuren verwendeten Tuffstein geeignet.
Bereits nach zehn Jahren zeigten sich erste Risse in der Figur des „Engelbert von Berg“. Der Restaurator Thomas Lehmkuhl erkannte, dass der eher poröse Tuffstein der Figuren sich massiv mit dem Acrylharz vollgesaugt hatte. Das führte dazu, dass die Figuren, die vor der Behandlung mit dem Konservierungsmittel etwa 220 kg gewogen haben, danach aber satte 300 kg auf die Waage brachten.
Fachmann Lehmkuhl erklärte, dass der Tuffstein durch die große Menge Acrylharz hart und spröde wird. Lehmkuhl weiter: „Und gleichzeitig erhöht sich dadurch bei Sonnenschein oder Frost die thermische Belastung des Steins.“1„Risse im Kölner Turmpersonal!“, Welt am Sonntag vom 11. Dezember 2005
Eine Untersuchung der Figuren ergab, dass diese nicht mehr zu retten waren. Die Figuren zeigten massive Risse und bröselten vor sich hin.
Zwar wurde der „Schwarze Peter“, wer denn nun schuld an der Misere sei, noch hin- und hergeschoben. Doch die Tatsache, dass ausgerechnet die Figuren von Adolph Kolping und Albertus Magnus keine Auflösungserscheinungen zeigten, war Beweis genug: Diese beiden waren, genau wie 20 weitere Figuren, nicht mit dem Acrylharz getränkt worden und in einem tadellosen Zustand.
Neue Figuren im Jahr 2008
Aber: Die restlichen etwa 100 Figuren mussten neu beschafft werden. Daher startete die Stadt eine neue Spendenaktion, und viele der bereits etwa zehn Jahre zuvor so freigiebigen Gönner öffneten erneut die Geldbörse. So konnten exakte Kopien der Figuren erstellt werden. Immerhin hatte man gelernt: Die neuen Figuren wurden nicht aus Tuffstein, sondern aus einem speziellen französischen Kalkstein (Savonnières-Kalkstein) hergestellt.
Einige der ursprünglichen Figuren fanden anschließend ihren Platz in den Gärten oder Häuser der Stifter. Aber immerhin konnten im November 2008 alle 124 Plätze auf dem Rathaus wieder von den neuen Figuren eingenommen werden.
Mal sehen, wie lange die Figuren diesmal halten!
Autofellatio-Figur
Und dann befindet sich auch noch Figur von Konrad von Hochstaden am Rathaus. Er war als Konrad I. von 1238 bis 1261 Erzbischof von Köln und legte am 15. August 1248 den Grundstein zum Kölner Dom. Insofern gebührt ihm sicherlich ein Platz auf dem Rathausturm.
Allerdings irritiert ein kleines, aber durchaus sehenswertes Detail an der Statue: Der Sockel zeigt einen Mann mit nackten Hintern, der sein eigenes Geschlechtsteil im Mund hat. Der Fachbegriff für diese fast schon akrobatische Art der Selbstbefriedigung lautet „Autofellatio“.
Fraglich nur, weshalb dieser Sockel überhaupt seinen Platz auf dem Rathaus gefunden hat und wie das mit Konrad von Hochstaden zusammenhängt. Der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings erläutert „Das ist ein ganz beliebtes Motiv gewesen. Dabei ging es darum, der Obrigkeit quasi den Arsch hinzuhalten. Mit derber, zur Schau gestellter Sexualität sollte gezeigt werden, dass einem die Moral- oder auch Ordnungsvorstellungen der Obrigkeit wurscht waren.“
Verständlich: In einer Zeit, in der die wenigsten Lesen und Schreiben konnten, mussten bildliche Darstellungen „griffig“ eine Botschaft vermitteln. Beliebt dabei: Darstellungen der sieben Todsünden, in diesem Fall die Wollust.
Dass es allerdings ausgerechnet Konrad von Hochstaden erwischt hat, ist eher Zufall. Denn das Original des „Autofellation-Sockels“ stammt ungefähr aus dem Jahr 1410. Und damals stand eine andere, nicht mehr bekannte Figur auf dem Platz, den heute der ehemalige Erzbischof einnimmt.
Aber da wir in Kölle ja schon immer Probleme mit unseren Bischöfen hatten, Josef Frings ausdrücklich ausgenommen, muss Konrad von Hochstaden stellvertretend für diese Menschen auf diesem speziellen Sockel stehen.
Insgesamt befinden sich 124 Figuren auf dem Rathausturm
Obwohl ich „rheinisch-katholisch“ aufgewachsen bin, verbindet mich heute kaum noch etwas mit der Kirche – einzelne Personen in der Kirche ausdrücklich ausgenommen. Allerdings verfolge ich intensiv, was in der katholischen Kirche meiner Heimatstadt Köln passiert. Das schockiert mich und ich bin heute sehr froh, dass ich schon vor 30 Jahren ausgetreten bin.
Haltung zeigen
Neben der aktuellen Diskussion um das Missbrauchs-Gutachten gibt es aktuell eine weitere Entwicklung, die mich sprachlos macht: Die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) hat ein Positionspapier veröffentlicht. Dieses Papier hat die zunehmend größere Kluft zwischen der Kirche und der Lebenswirklichkeit junger Menschen zum Gegenstand. Das hat zu (vorsichtig formuliert) großem Ärger beim Erzbistum geführt.
Erzbistum schaltet Website der KHG ab
Ein solches Papier führt zu Diskussionen. Aber das Erzbistum hat die Website der KHG einfach abgeschaltet und den Mitarbeitern mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen gedroht. Ein unglaublicher Vorgang.
Aber gut, dass wir im Jahr 2020 leben. So hat sich die Evangelische Studierendengemeinde (ESG) solidarisch erklärt und veröffentlicht das Papier auf ihrer Website. Und auch ich erkläre mich solidarisch und veröffentliche dieses Papier hier. Und wenn ihr eine Möglichkeit habt, auch dieses Positionspapier zu veröffentlichen, macht das.
Eine solidarische, aufgeklärte Stadtgesellschaft muss sich gegen einen solchen Maulkorb wehren. Zeigt Haltung und macht mit!
+++ Update September 2020 +++ Die Hubschrauberstation auf dem Kalkberg ist Geschichte
Gerade einmal 30 Millionen Euro lang hat es gedauert, bis die Stadt es geschnallt hat, dass ein Hubschrauberlandeplatz auf einem Wackelpudding-ähnlichem Gelände keine gute Idee ist.
Der Stadtrat hat im September 2020 entschieden, das Vorhaben nicht weiter zu verfolgen. Weitere Infos dazu gibt es auf der Website der Bürgerinitiative Kalkberg.
Heute gibt es das Rezept, wie man ein städtebauliches Vorhaben so richtig gegen die Wand bzw. in den Matsch fährt. Man nehme
10 Liter Wackelpudding und
eine mindestens 5kg schwere Hantel.
Den Wackelpudding kochen, abkühlen lassen und stürzen. Dann einfach die Hantel obendrauf platzieren und warten. Ihr fragt euch: Was soll das? Das hält doch keine fünf Minuten. Ganz richtig.
Nur die Kölner Stadtverwaltung glaubt, dass das halten könnte. Um das zu beweisen, hat die Stadtverwaltung das Experiment auch im ganz großen Stil nachgebaut. Und ist grandios gescheitert.
Eine Deponie voller chemischer Abfälle
Allerdings hat die Stadt nicht kostengünstig mit Wackelpudding experimentiert, sondern gleich mit einem großen Berg aus Industrieabfällen. Dieser Berg ist der Kalkberg, idyllisch an der Stadtautobahn gelegen und wird von den Menschen aus Kalk und Buchforst liebevoll „Monte Kalk“ genannt. Dabei handelt es sich um keinen natürlichen Berg sondern um eine Abfalldeponie der Chemischen Fabrik Kalk. Diese mittlerweile geschlossene Fabrik hat bis 1972 Abfälle aller Art so lange aufeinander geschüttet, bis der gut 30 Meter hohe Kalkberg entstanden ist. Was genau dabei alles verklappt wurde, kann niemand mehr sagen. Allerdings sind bereits Arsen, Blei und PCB nachgewiesen worden. Eine um das Jahr 2000 aufgetragene Lehmschicht sollte verhindern, dass diese Gifte durch den Regen ins Grundwasser geschwemmt werden. Der Berg ist, insbesondere durch die bis zu 20 Meter dicken, weichen Kalkschichten, nicht besonders stabil und insbesondere für eine Bebauung vollkommen ungeeignet. Somit ist diese Altlast schon problematisch genug. Doch die Stadtverwaltung setzte – im wahrsten Sinne des Wortes – noch „einen drauf“: 2012 startete der Bau einer Flugbasis für Rettungshubschrauber direkt oben auf dem Kalkberg.
Unkalkulierbares Risiko
Und genau wie bei dem Wackelpudding-Experiment konnte das nicht funktionieren. Die Station, mit Landeplatz, Treibstofftanks und Sozialräumen, sackte ab. Der Stadtrat verfügte im Dezember 2015 einen sofortigen Baustopp und Sicherungsmaßnahmen. Eigentlich keine Überraschung, hatte doch Hans-Jochen Hemsing, Leiter des städtischen Rechnungsprüfungsamts, bereits im Oktober 2011 erklärt: „Das Risiko, welches mit dem Kauf auf Dauer übernommen wird, ist nicht sicher kalkulierbar.“ Wie recht er doch hatte. Während man im November 2011 noch von Kosten in Höhe von knapp 11 Mio. Euro ausgegangen war, wurden bis zum Baustopp bereits 15 Mio. Euro investiert. Die kurzfristigen Sicherungsmaßnahmen schlugen mit 1,5 Mio. Euro zu Buche. Jetzt erst wurde ein Gutachter engagiert, die tieferen Schichten des Kalkbergs zu untersuchen. Es stellte sich heraus, dass der ganze Berg akut einsturzgefährdet war. Seitdem laufen Sanierungsmaßnahmen, die bislang weitere 17 Mio. Euro verschlungen haben und noch nicht abgeschlossen sind. Das ganze Projekt entwickelt sich zum Fass ohne Boden.
Der große Gewinner bei der ganzen Sache ist die GSE – Grundstücksentwicklungsgesellschaft. Die hatte das Industriegelände samt Altlast Mitte der 90er Jahre von der BASF gekauft. Mit dem Verkauf an die Stadt war sie nun sämtliche Haftungsrisiken los.
Alternative Pläne für den Kalkberg
Die Bürgerinitiative Kalkberg setzt sich dafür ein, den Berg für die Bürger zu nutzen. In einem dicht besiedelten Umfeld könnte der Kalkberg als Aussichtspunkt und Grünfläche dienen. Boris Sieverts, Sprecher der Bürgerinitiative dazu: „Ein Ort mit Fernsicht zum Träumen, der Stadt entrückt und doch mittendrin. Ein Ort für alle, an dem vieles geht: Feiern, Tafeln und Spielen, Theater, Konzerte und Sommerkino.“ Die Notwendigkeit der Station für die Rettungshubschrauber bezweifelt Sieverts nicht. Doch dafür gäbe es unterschiedliche Alternativstandorte, wie z.B. die Parkdächer der Kölner Messe, den Köln-Bonner Flughafen oder den Sportflughafen Kurtekotten in Flittard.
Momentan herrscht weiter Baustopp am Kalkberg. Und in der Stadtverwaltung die geballte Ratlosigkeit, wie man mit diesem selbstverschuldeten Wackelpudding-Dilemma weiter umgehen soll. Umso mehr wünsche ich der Bürgerinitiative VIEL ERFOLG dabei, den Kalkberg einer sinnvollen Nutzung zuzuführen.
Ein großes DANKE an Boris Sieverts, der mich bei diesem „Köln-Ding der Woche“ unterstützt hat.
Am 5. Juni 2004 begann offiziell der Bau der Nord-Süd U-Bahn. Und noch immer gilt: Ende offen. Nun haben wir Kölner ja reichlich Erfahrung mit Dauer-Baustellen. Der Bau des Doms war immerhin schon nach 632 Jahren vollendet.
Die neue U-Bahn soll eine direkte Verbindung des Hauptbahnhofes mit den südlichen Stadtteilen sicherstellen. Dazu soll eine etwa 6 km lange U-Bahn mit sechs Haltestellen sorgen. Die ursprünglich geplanten Baukosten lagen bei 1,1 Mrd. Euro. Fertigstellung sollte 2010 oder spätestens 2011 sein.
Chaos bereits am ersten Tag
Bereits am ersten Tag der U-Bahn-Baustelle brach in Köln das Chaos aus. Durch die Sperrung in der Innenstadt brach der Verkehr gleich am ersten Tag des Baus, ein Samstag, zusammen. Der Kölner Stadt-Anzeiger befragte genervte Kölner. So auch Rolf L. aus Zollstock. Der rüstige Rentner empörte sich, dass er wegen der Sperrungen zu spät zu einer Hochzeit ins Rathaus käme.
Doch das Verkehrschaos war erst der Anfang. Am 29. September 2004 neigt sich der Turm der Kirche St. Johann Baptist im Severinsviertel gefährlich zur Seite. U-Bahn Bauarbeiten unter dem Fundament haben zur der Schieflage geführt. Glück im Unglück: Niemand kommt zu Schaden, der Turm wird durch massive Stahlträger gestützt und später wieder aufgerichtet. Kurios war allerdings, dass die Schieflage genau zur Kölner Fotomesse „photokina“ passierte. Die Messe reagierte prompt und richtete, insbesondere für fotofreudige Japaner, einen Shuttle-Service zum „Schiefen Turm von Kölle“ ein.
Die Bauarbeiten im historischen Kern der Stadt führten zu weiteren Schäden an der alten Bausubstanz. In der Kirche St. Maria im Kapitol bröselte im November 2004 die Gewölbedecke, im August 2007 wurde festgestellt, dass sich der Rathausturm um fast 1 cm gesenkt hatte. Daraufhin wurde ein Keller unter dem Turm gesperrt.
Einsturz des Stadtarchivs
Das Unfassbare geschah am 3. März 2009: Unter dem Stadtarchiv auf der Severinstraße brach das Erdreich ein. In dem dort entstandenen Krater stürzte das gesamte Archivgebäude zusammen mit zwei weiteren Wohngebäuden, zwei junge Männer starben in den Trümmern. Um weitere Schäden zu vermeiden, wurden mehr als 500 Häuser auf der Severinstraße untersucht. Mehr als die Hälfte der Gebäude wiesen Schäden auf.
Die Hiobsbotschaften zum U-Bahnbau nahmen kein Ende. Im Februar 2010 wurde bekannt, dass Bauarbeiter Metallarmierungen nicht verbaut sondern illegal verkauft haben. In einzelnen Bauabschnitten wurden demnach weniger als 20% der ursprünglich geplanten Stahlarmierungen verbaut. Im Jahr 2013 erwischte es dann auch den Dom. Der Betrieb der Linie 5 unter der Kathedrale war deutlich zu hören und durch Vibrationen zu spüren. Die Kölner Verkehrs Betriebe reagierten prompt – die Bahnen durften nur noch langsam unter dem Dom fahren.
Heute, 14 Jahre nach Baubeginn, ist immer noch kein Ende abzusehen. Der Gerichtsprozess um den Archiveinsturz läuft, letzte Meldungen gehen von einem Betriebsbeginn nicht vor 2026 aus. Die Summe der Kosten ist noch nicht abzusehen. Allein der Einsturz des Archivs wird mit ca. 1,2 Mrd. Euro veranschlagt.
Mal sehen – ich bin zuversichtlich, dass die U-Bahn keine 632 Jahre bis zu Vollendung braucht und somit schneller ist als die Fertigstellung des Doms. Angstschweiß bricht bei mir aber aus, wenn die Stadt bereits die nächste U-Bahn plant: Von Deutz quer unter dem Rhein bis nach Melaten. Mal sehen, ob ich das noch erlebe.
Die Kölner Verkehrsbetriebe haben eine Website zur Nord-Süd Stadtbahn eingerichtet.