Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der anstehenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung  

Die „Poller Köpfe“- Köln ohne Rhein?

Bei Hochwasser gab es einen zweiten Verlauf des Rheins östlich von Deutz. Ein große Gefahr für die Stadt Köln. Karte: OpenStreetMap
Bei Hochwasser gab es einen zweiten Verlauf des Rheins östlich von Deutz. Ein große Gefahr für die Stadt Köln. Karte: OpenStreetMap

Es wäre für die Stadt Köln eine Katastrophe gewesen! Der Rhein fließt nicht im gewohnten Flussbett, sondern sucht sich einen neuen Verlauf. Statt westlich verläuft der Fluss auf einmal ab Poll östlich an Deutz vorbei, um dann erst in Mülheim ins alte Flussbett zurückzukehren.

Klingt aberwitzig – aber diese Gefahr drohte ab ca. dem 12. Jahrhundert. Und es passierte bereits vereinzelt bei Hochwasser und Eisgängen: In Köln kam nur noch ein flaches Rinnsal an, der Fluss suchte sich ein neues Bett. Höchste Alarmstufe für die Stadt, denn damit war die grundsätzliche Schiffbarkeit des Rheins gefährdet und somit Kölns Wohlstand. Ohne den Handel, welcher zum größten Teil über den Rhein abgewickelt wurde, und ohne das äußerst lukrative Stapelrecht wäre Köln bedeutungslos geworden.

Köln ohne Rhein? Undenkbar!

Daher wurde bereits seit dem 12. Jahrhundert das Poller Rheinufer befestigt, um eine solche „Umleitung“ zu verhindern. Durch Anpflanzungen und Dämme entlang der heutigen Poller Wiesen sollte verhindert werden, dass Köln vom Rheinstrom abgeschnitten würde.

Problematisch war allerdings, dass Poll damals noch nicht zur Stadt gehörte, sondern zu den Besitztümern des Erzbischofs, mit dem die Kölner regelmäßig im handfesten Streit lagen. Doch auch der Erzbischof war nicht daran interessiert, dass Köln seinen Rang als Handelsmetropole verlieren könnte. Großzügig erlaubte der Kirchenmann, dass die Kölner Weiden zur Uferbefestigung auf seinem Grund pflanzen durften – allerdings auf Kosten der Kölner Bürgerschaft.

Ausschnitt aus einer Federzeichnung von 1583 mit den "Poller Köpfen", Bild: Stadtarchiv Köln
Ausschnitt aus einer Federzeichnung von 1583 mit den „Poller Köpfen“, Bild: Stadtarchiv Köln

Mammutprojekt „Poller Köpfe“

Doch diese Uferbefestigung war nicht stark genug, um bei Hochwasser nachhaltig eine mögliche Veränderung des Flussbettes zu unterbinden. Daher nahm die Stadt Köln im Jahr 1557 das Poller Ufer in Erbpacht, um ein Mammutprojekt in Angriff zu nehmen: Die „Poller Köpfe“. Auch hier bat der Erzbischof die Kölner kräftig zur Kasse: Die Pachtzahlung bestand in zwei Tonnen Heringen pro Jahr und zusätzlich in einem vergoldeten Geschirr – und für jeden neuen Erzbischof auch ein neues Goldgeschirr.

Ab 1560 begannen die Bauarbeiten. Es wurden schwere Uferbefestigungen („Köpfe“) angelegt. Dafür wurden massive Eichenstämme mit Querbalken im Flussgrund befestigt. Die so entstanden Kästen wurden mit Basaltbrocken gefüllt. Die Dimensionen dieser Anlage waren gewaltig: Mehrere Hundert Meter lange und etwa acht Meter breite Konstruktionen, welche bis zu 3 Meter aus dem Wasser herausragten. Zur Beschaffung des nötigen Bauholzes erwarb die Stadt Köln ein eigenes Waldgrundstück.

Um das Bollwerk gegen die Kräfte des Rheins noch weiter zu sichern, wurden alte und beschädigte Rheinschiffe angekauft und – beschwert mit Steinen und gesichert durch in den Boden getriebene Eichenpfähle – gezielt unmittelbar vor den Poller Köpfen versenkt. Damit die Pflege des Bauwerks gesichert war, stellte die Stadt eigens einen „Weidenhüter“ ein: Ein städtischer Beamter mit Wohnsitz auf der Anlage, der diese ständig im Blick hatte.

Im Jahr 1641 wurde ein steinernes Wehr zur Unterstützung der Anlage eingebaut. Aber erst mit Bau des Deutzer Hafens ab 1895 wurden die weit in den Rhein ragenden Bestandteile der Poller Köpfe entfernt und durch moderne Befestigungsanlagen ersetzt. Die Halbinsel „Poller Werth“ wurde zum Deutzer Hafen.

Die Poller Wiesen heute, rechts der Deutzer Hafen, Bild: ToLo46, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Die Poller Wiesen heute, rechts der Deutzer Hafen, Bild: ToLo46, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Poller Wiesen sind heute Bodendenkmal 

Als Uferbefestigung sind heute nur noch die in den Rhein ragenden Buhnen auf den Poller Wiesen zu sehen, die Reste der „Poller Köpfe“ liegen unter den Poller Wiesen.

Diese sind nicht nur ein beliebtes Erholungsgebiet, sondern auch als Bodendenkmal geschützt. Im Jahr 2003 wurden dort bei Niedrigwasser zwei im 16. Jahrhundert gezielt zur Verstärkung der „Poller Köpfe“ versenkte „Niederländer“1Ein spezieller Schiffstyp zum Frachttransport auf dem Rhein. gefunden. Doch die Archäologen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Bei Probegrabungen stellte sich heraus, dass bis zu 100 weitere Schiffe dort gezielt versenkt wurden.

Sogenannte "Niederländer" für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee. Am linken Bildrand ist das Holzgestell zu erkennen, welches die Anlegestellen der Ober- und Niederländer trennt, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Sogenannte „Niederländer“ für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531

Als dann noch Kampfmittelräumer die Poller Wiese für den Papstbesuch anlässlich des Weltjugendtags 2005 in Köln – der Papst hielt vom Schiff aus eine Ansprache für die auf den Poller Wiese versammelten Gläubigen – auf eventuell im Schlick verborgene Weltkriegsbomben untersuchten, fanden sie auch mit Hilfe der dabei eingesetzten Metalldetektoren Teile der alten Befestigungsanlagen der „Poller Köpfe“, wie Eisenschuhe zur Verankerung der Eichenbalken. Daher wurden die Poller Wiesen am 24. Oktober 2005 in die Bodendenkmalliste eingetragen.

Der Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Die Gläubigen im Vordergrund stehen auf den Poller Wiesen, Bild: Ingrid Schultz, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons
Der Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Die Gläubigen im Vordergrund stehen auf den Poller Wiesen, Bild: Ingrid Schultz, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons

Und wenn man sich heute bei gutem Wetter auf den Poller Wiesen sonnt und den Drachen, die dort regelmäßig steigen, zusieht, ahnt man kaum, dass genau hier massive Uferbefestigungen gestanden haben. Ohne diese wäre Köln eventuell vom Rhein abgeschnitten  worden. 

Und dann wäre es aus gewesen mit „Köln am Rhein“. 


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung  

Der Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster

Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild :Uli Kievernagel)
Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild :Uli Kievernagel)

Welche Merkmale muss ein städtisches Bauprojekt aufweisen, um als gänzlich missglückt bezeichnet zu werden? Mario Kramp, ehemaliger Leiter des Kölnischen Stadtmuseums, hat diese Merkmale aufgezählt:

  • Ewiges Gerangel um Finanzen,
  • geschönte Kostenschätzungen,
  • mangelnde Entschlusskraft,
  • Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten,
  • Dauer von Ausschreibungen und Fehlentscheidungen bei der Vergabe,
  • Planungsfehler, Bau- und Materialmängel,
  • unseriöse Firmen,
  • gegenseitige Schuldzuweisungen,
  • Wechsel in der Bauleitung,
  • Lobhudelei bei der Grundsteinlegung,
  • langwieriges Herumdoktern an einer eigentlich missglückten Konstruktion.1Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Und NEIN – hier geht es nicht um die Kölner Oper! Sondern um den Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster mit Baubeginn ziemlich genau 200 Jahre vor dem Beginn der Opernsanierung.

Eisgang 1784

Die ganze Diskussion um einen Hafen, der den Rheinschiffern Schutz vor dem regelmäßigen Hochwasser des Rheins bieten sollte, begann nach dem Eisgang im Jahr 1784. 

Dieser verheerende Eisgang mit dem Jahrhundert-Hochwasser am 27./28. Februar 1784 kostete 65 Menschen in Köln das Leben, zerstörte bestehende Hafenanlagen und überflutetet das damals noch eigenständige Mülheim. Auch die komplette Kölner Schiffsflotte wurde vernichtet.

Verständlicherweise forderten die Rheinschiffer einen Schutz vor solchen Verwüstungen. Diese Forderung deckte sich auch mit den militärischen Interessen der französischen Besatzungsmacht, Schiffe in einem geschützten Bereich unterzubringen.

Die Forderung: Bau eines Sicherheitshafens, ähnlich wie Anlagen in Mainz und Düsseldorf.

Größtes städtebauliches Projekt der Franzosenzeit in Köln

Am Dreikönigstag 1811 (6. Januar) genehmigte Kaiser Napoleon höchstpersönlich den Bau eines Sicherheitshafens in Köln. Dieser sollte am heutigen Theodor-Heuss-Ring bis an die östliche Seite des heutigen Ebertplatzes heranreichen. Zwischen dem Hafen und der Stadt verlief damals dort noch die mittelalterliche Stadtmauer.

Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei
Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei

In der Nähe des Hafens liegt das Kunibertstürmchen, Teil der mittelalterlichen Stadtmauer.2Die Kölner haben den Kunibertsturm und das Kunibertstürmchen verwechselt, daraus ist die Sage des „Weckschnapp“ entstanden. Daher wurde der Sicherheitshafen auch „Thürmchenshafen“ genannt. Weitere Namen waren „Napoleonhafen“ oder „Franzosenhafen“.

Voller Hoffnung, dass die Bauarbeiten schnell erledigt wären, berichtete das „Journal de la Roer“ in seiner Ausgabe vom 21. April 1812:

„Die Arbeiten am Sicherheitshafen … werden mit so viel Thätigkeit fortgesetzt, daß man sie künftiges Jahr beendigen wird.“

Diese Einschätzung sollte sich als völlig verfehlt erweisen. Zwar wurde im April 1811 mit den Vorarbeiten gestartet und Hafenmauern und Hafeneinfahrt errichtet. So konnte, mit allem Pomp inklusive Volksfest und Feuerwerk, am 10. November 1812 feierlich der Grundstein des Hafenbauwerks gesetzt werden. Der Präfekt des Departments, Jean Charles François de Ladoucette, erklärte auf dem feierlichem Bankett zur Grundsteinlegung dann auch großspurig:

 „Am 10. November 1812, im achten Jahr der Regierung Napoleons des Großen, Kaiser der Franzosen […] wurde der erste Stein gelegt für dieses Bauwerk, errichtet für die Sicherheit und die Wohlfahrt des Handels auf dem Rhein, mit Unterstützung der kaiserlichen Freigebigkeit, der Gelder der Stadt und der des Kölner Handels.“

Der Deal: Die Stadt bezahlt die Baukosten von 750.000 Franc und darf die Hafengebühren behalten. Der „Kölner Handel“ hatte sich an der Finanzierung des Sicherheitshafens beteiligt. In den „Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811 wird darauf hingewiesen, dass die Handelskammer dafür ein Darlehen in Höhe von 250.000 Franc bereitstellt.

„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811
„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811

Teures Provisorium

Zwar wurde der Sicherheitshafen 1813 eröffnet – allerdings nur als Provisorium. Es fehlten noch Kais und Hafenanlagen, der Hafen war nicht tief genug ausgebaggert, und auch die geplante Brücke über die Hafeneinfahrt gab es noch nicht. Statt der geplanten 190 Schiffe fanden nur ca. 70 Schiffe dort Platz. Es darf aber auch bezweifelt werden, dass selbst diese Kapazität jemals komplett ausgelastet wurde. Angemessene Pflege und Ausbau des Hafens: Fehlanzeige!

Als 1814 die Franzosen abzogen, übernahmen die Preußen mit dem Hafen ein „.. ärgerliches Flickwerk, aus Geldmangel nur notdürftig instand gehalten.“3Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“ Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64]

Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt
Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt

Ärgerlich war auch, dass bis 1820 immer noch keine Brücke über der Hafeneinfahrt errichtet war, weil ständig Geld fehlte. Als Kompromiss wurde beschlossen, eine provisorische Brücke aus Holz zu errichten. Zwar lag das eigens dafür bestellte Holz bereit, doch mangels Baugenehmigung verrottete dieses ungenutzt. Erst in den 1830ern wurde eine einfache Klappbrücke über der Hafeneinfahrt errichtet.

Im Jahr 1840 wurde das Hafenbecken noch einmal vertieft, allerdings wurde deutlich, dass die gesamte Hafenanlage eine grandiose Fehlplanung war. Das lag auch an der falsch konstruierten Hafeneinfahrt.

Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons

Hafeneinfahrt wird zum unüberwindbaren Nadelöhr

Während der überaus langen Bauzeit etablierte sich die Dampfschifffahrt auf dem Rhein. Die Schiffe wurden größer, und die schmale Hafeneinfahrt zum Sicherheitshafen entpuppte sich als unüberwindbares Nadelöhr. Diese Einfahrt stand senkrecht zum Rhein. Die starke Strömung des Rheins machte für die Schiffe ein Einfahrtsmanöver zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Somit war der Hafen faktisch unbrauchbar. Auch die Rheinschiffahrts-Kommission bescheinigte, dass der Kölner Sicherheitshafen ganz unzulänglich und untauglich sei und der Bau eines ordentlichen Sicherheitshafens erforderlich ist.

Der "Allgemeine Anzeiger - Kölnische Handelszeitung" berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885
Der „Allgemeine Anzeiger – Kölnische Handelszeitung“ berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885

Mario Kramp schreibt dazu: „Wie man es drehte und wendete: In dem Augenblick, als der Sicherheitshafen endlich halbwegs fertiggestellt war, erkannte man, dass die ganze Anlage verfehlt und nicht mehr für moderne Erfordernisse herzurichten war.“4Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln
Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln

Als Alternative entstand der Rheinauhafen. Dieser hat eine deutlich breitere Einfahrt (mehr als 21 Meter), und die Hafeneinfahrt liegt in einem deutlicher flacheren Winkel zum Rhein.

1895 wird das Hafenbecken zugeschüttet

Im Winter 1894/1895 haben die letzten Schiffe den Sicherheitshafen genutzt, das Hafenbecken versandete zunehmend und wurde zu einem Tümpel. Im Folgejahr wurde die Anlage komplett aufgegeben und das Hafenbecken verfüllt. Mit dem Abriss der Stadtmauer und der damit einhergehenden Stadterweiterung wurde der ehemalige Hafen zur größten Parkfläche entlang der Kölner Ringe umgewandelt.

Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei
Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei

Heute ist dieser Park auf der einen Seite eine grüne Oase in der Großstadt, auf der anderen Seite leider auch – zumindest bei gutem Wetter – beliebtes Aufenthaltsgebiet der kriminellen Szene am nahe gelegenen Ebertplatz. Trotzdem ist mit dem Park am Theodor-Heuss-Ring aus dem städtebaulichen Desaster „Sicherheitshafen“ zumindest noch etwas Gutes entstanden.

Ob es bei der Oper auch 80 Jahre dauern wird, bis trotz geschönter Kostenschätzungen, mangelnder Entschlusskraft, Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten, Planungsfehler, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Wechsel in der Bauleitung etwas Gutes entsteht, ist noch offen.


Der "Kronleuchtersaal" unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der „Kronleuchtersaal“ unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der Kronleuchtersaal

Bei den Baumaßnahmen zur Verfüllung des alten Hafenbeckens wurde gleichzeitig ein noch heute genutztes Abwassersystem gebaut. Teil dieses Abwassersystems ist der seit 2004 unter Denkmalschutz stehende „Kronleuchtersaal“ (Ecke Theodor-Heuss-Ring und Clever Straße). Der Zugang zu diesem Saal ist direkt am Theodor-Heuss-Ring, etwa in Höhe der Hausnummer 19-21.

Seinem Namen verdankt dieser Abwasserkanal zwei Kronleuchtern. Es gibt Quellen, die besagen, dass diese Kornleuchter ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. an die Stadt Köln gewesen wären. Belegt ist das nicht und auch eher unwahrscheinlich: Es ist nur schwer vorstellbar, dass seine Majestät sich  ausgerechnet in einem Abwasserkanal „verewigen“ wollte. Wahrscheinlicher ist,  dass die Kölner diese zu Ehren des Kaisers aufgehangen haben.

Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln) bieten kostenlose  Führungen an. In ca. 30 Minuten  wird die Funktionsweise des Kanalsystems  erläutert. Man kann auch einen Blick in den Kronleuchtersaal werfen. Das ist aber nichts für Menschen mit sehr empfindlicher Nase – immerhin besichtigt man Abwasserkanäle.

Weitere Informationen zu diesen Touren gibt es auf der Website der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln).


Der "Toto-Brunnen" am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel
Der „Toto-Brunnen“ am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel

Der Toto-Brunnen – “Eine Brosche in der Wiese“

In dem Park befindet sich auch der „Toto-Brunnen“, etwa in Höhe Theodor-Heuss-Ring 13. Dieser Brunnen wurde 1953 von der Westdeutschen Fußball Toto GmbH gestiftet, deren Verwaltungssitz am Theodor-Heuss-Ring lag.

Der etwa 80 Quadratmeter große Brunnen erinnert – ganz im Stil der 1950er – an einen Nierentisch und stellt vier große Tropfen dar, aus denen früher Wasser sprudelte. Doch wegen regelmäßiger Defekte wurde der Brunnen in den 90er Jahren stillgelegt und von Pflanzen überwuchert.

Erst 2021 wurde der Brunnen saniert – allerdings ohne die Wasseranlage. Die Kosten von 300.000 zur Komplettsanierung waren der Stadt Köln zu hoch. Die „einfache Sanierung“ kostete nur 25.000 Euro.

Anton Bausinger, Vorsitzender des Verbandsbezirks Köln im Bauindustrieverband NRW, nennt diesen wasserlosen Brunnen prosaisch „eine Brosche in der Wiese“5Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Juni 2022. Dafür braucht man allerdings viel Phantasie – der Brunnen ohne Wasser wirkt eher wie eine beliebig zusammengestückelte Pflasterfläche.  


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Die Gaffeln – 400 Jahre lang prägende Institutionen der Politik in Köln

Der Kölner Stadtrat, Kupferstich nach einer Zeichnung von Johann Toussyn (1608-nach 1660), Original im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, um 1655. (Gemeinfrei)
Der Kölner Stadtrat, Kupferstich nach einer Zeichnung von Johann Toussyn (1608-nach 1660), Original im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, um 1655. (Gemeinfrei)

Bis weit in das 14. Jahrhundert bestimmten in Köln die „Geschlechter“ die Geschicke der Stadt. Die „Geschlechter“ waren Familien mit so klangvollen Namen wie Lyskirchen, Quattermart, Hardevust oder Overstolz. Mit absolutem Selbstverständnis regierten diese Familien aus der Oberschicht selbstherrlich Köln.

Um diese Macht zu untermauern, hatten die Geschlechter die Abstammungssage erfunden: Sie wären die Nachfahren der von Kaiser Trajan in die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) geschickten römischen Senatoren. Und deshalb hätten nur sie nur das Recht, die Stadt zu regieren.

Diese von den Geschlechtern erfundene Sage stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert. Offensichtlich schwand war die Macht der Geschlechter, daher mussten irgendwelche Geschichten zur Sicherung des Einflusseses dieser Familien erfunden werden.  

Proteste gegen die Geschlechter

Tatsächlich kam die Vorherrschaft der Geschlechter ab etwa der zwei­ten Hälf­te des 14. Jahr­hun­derts erheblich ins Wanken. Die Handwerker, in Handwerksbruderschaften organisiert und die Gilden, als Zusammenschluss von Kaufleuten, begannen sich gegen die Ge­schlech­ter zu weh­ren.

Dafür organisierten sie sich in sogenannten „Gaffeln“.  Der eigentliche „Startschuss“ für die Bildung der Gaffeln war die Verabschiedung des Kölner Verbundbriefs im Jahre 1396. Zwar gab es auch schon vereinzelt „Gaffeln“ als Zusammenschlüsse. Diese entstanden aber eher aus einem sozial-religiösem Anspruch, wie zum Beispiel die für 1354 nachgewiesene “fra­ter­ni­tas S. Spi­ri­tus de fo­ro Fer­ri et de Sub­lo­biis“. Diese Bru­der­schaft von Kauf­leu­ten war mit hoher Wahrscheinlichkeit der Vorläufer der Gaf­fel „Ei­sen­markt“ und warb Spenden für die Leprakranken auf Melaten ein.

Eine „Gaffel“ ist eine Tranchier- oder Vorlegegabel

Klaus Militzer weist in seinem Aufsatz „Gaffeln, Amter, Zünfte – Handwerker und Handel vor 600 Jahren“ [Jahrbuch 67 des kölnischen Geschichtsvereins e. V. 1996, Seite 41 ff] darauf hin, dass ab ca. 1350 der Begriff „Gaffel“ für Zusammenschlüsse von Personen unterschiedlicher Art verwendet wurde.

Die „Gaffel“ ist ursprünglich eine Gabel, allerdings geht es hier um eine Tranchier- oder Vorlegegabel. Denn im 14. Jahrhundert war es nicht üblich, eine Gabel zu benutzen. Es gab Messer, mit denen das Essen in handliche Stücke geschnitten wurde. Gegessen wurde mit den Fingern. Größere Fleischstücke wurde auf einem Holzbrett mit einer Tranchiergabel, der „Gaffel“, fixiert, mit einem Messer klein geschnitten und dann auf die einzelnen Teller gelegt. 

So wurde auch bei den feierlichen Essen der Zusammenschlüsse verfahren und schnell wurden die Vereinigungen der Handwerker und Kaufleute als „Gaffeln“ bezeichnet.

Die „Gaffel“ ist ursprünglich eine Gabel, allerdings geht es hier um eine Tranchier- oder Vorlegegabel.
Die „Gaffel“, eine Tranchier- oder Vorlegegabel.

 

Eine Gaffel war nicht unbedingt eine bestimmte Zunft oder Gilde, sondern mehrere Zünfte bzw. Gilden konnten sich zu einer Gaffel zusammenschließen. Und da jeder Bürger einer Gaffel beitreten musste, standen die Gaffeln auch für weitere Mitglieder offen.

Aufstand der Weber und die „no­va or­di­na­tio“

Diese ersten Gaffeln und die Zünfte begannen sich ab ca. 1360 gegen die Vorherrschaft der Geschlechter zu wehren. Ein erstes, einschneidendes Ereignis war ein bestimmter Zoll, der völlig ohne vorherige Absprache oder Information auf In­itia­ti­ve der Geschlechter eingeführt wurde. Mit­glie­der der Gaf­feln Ei­sen­mark­t und Wol­len­am­t führten den Widerstand gegen diese Willkür an protestierten erfolgreich gegen diese Abgabe.  

Im Jahr 1370 kam es zum Aufstand der Weber und diese setzten eine Neuordnung, die „no­va or­di­na­tio“, der städtischen Verfassung am 2. Juli 1370 durch. So wurde der Rat im Sinne der machtbewussten Weber neu zusammengesetzt und Mit­glie­der von Zünf­ten, Kor­po­ra­tio­nen und Gaf­feln dorthin entsandt. Somit wurden die Gaffeln zum ersten Mal Teil der städtischen Verfassung.

Allerdings nutzten die die Weber ihre einflussreiche Stellung, um Beschlüsse zu ihrem Vorteil zu fassen. Dazu gehörten eine Steuer auf Wein (Weinfuhrakzise) oder eine Vermögensteuer (Schoß). Während die Weinfuhrakzise die Weinkaufleute benachteiligte, wurden durch den „Schoß“ reiche Kaufleute und Patrizier belastet. Die Weber aber, gerade frisch an der Macht, wurden bei diese speziellen Abgaben verschont.

Die sogenannte „Weberherrschaft“ wird dann auch in der Koelhoffschen Chronik [Eine aus dem Jahr 1499 stammende Chronik über die Stadt Köln von Johann Koelhoff dem Jüngeren] wie folgt beschrieben:

Es war wunderlich und fremd anzusehen, als Köln … allzeit regiert war … von fünfzehn adeligen Geschlechtern … An deren Stelle saßen nun die Weber.“

Daher bildete sich eine Koalition aus Gaffeln und Geschlechtern um die „Weberherrschaft“ zu beseitigen. Es kam zur „Kölner Weberschlacht von 1371“, die We­ber erlitten eine ver­nich­ten­de Nie­der­la­ge und die „no­va or­di­na­tio“ wur­de au­ßer Kraft ge­setzt.

Die Kölner Weberschlacht von 1371, Holzschnitt aus der Koelhoffschen Chronik von 1499. (Gemeinfrei)
Die Kölner Weberschlacht von 1371, Holzschnitt aus der Koelhoffschen Chronik von 1499. (Gemeinfrei)

Die „Freunde“ gegen die „Greifen“

Aber auch innerhalb der Geschlechter rumorte es und es bildeten sich zwei Fraktionen heraus: Die „Freunde“ und die „Greifen“. In den „Freunden“ waren vorrangig die alten, machtbewussten Geschlechter vertreten, mit den „Grei­fen“ sym­pa­thi­sier­ten vor allem Grup­pie­run­gen, die bisher noch nicht in den städtischen Machtzirkeln vertreten waren.

An­geb­li­che Über­le­gun­gen der „Freun­de“ be­züg­lich der Auf­lö­sung der bestehenden Kauf­leu­te- und Hand­wer­ker­ge­sell­schaf­ten ließen die Situation 1396 eskalieren. Der Kölner Stadtschreiber Gerlach vom Hauwe schrieb in seinem „Neuen Buch“:

„Als die Partei der „Freunde“ und deren Angehörige im Schöffenkolleg und im Rat gewahr geworden seien, daß die Ämter und Gaffeln beschlossen hätten, sich zusammenzuschließen, und daß sie an Macht gewönnen, hätten sie beraten, wie sie Gaffeln und Gesellschaften hätten unterdrücken können. Ein Ausgleich sei nicht zu erzielen gewesen. Schließlich hätten sich die „Freunde“ im Amtleutehaus von Airsburg am Mühlenbach am 16. Juni 1396, einem Freitag, abends versammelt und am folgenden Tag ein Gebot erlassen, über dessen genauen Inhalt wir nicht unterrichtet sind. Dieses Gebot habe der Gemeinde und den Gaffeln mißfallen. Am Sonntag seien die „Freunde“ wieder im Amtleutehaus von Airsburg zusammengekommen, nun aber bewaffnet. Am Abend desselben Tages habe Constantin von Lyskirchen vom Heumarkt, ein Schöffe, die Versammlung verlassen, habe sein Pferd bestiegen, sei zu den Gaffeln geritten und habe die dort wartenden Männer gefragt, ob sie nicht schlafen gehen wollten. Daraufhin hätten die Befragten geantwortet, daß sie schlafen gehen würden, wenn sie die Zeit dafür gekommen sähen.“

Diese hochnäsige Anweisung des Patriziers von Lyskirchen sollte das Fass zum Überlaufen bringen. Der adlige Herr wurde vom Pferd gerissen und gefangen genommen. Neben von Lyskirchen nahmen die Gaffeln „Ei­sen­mark­t“, „Wind­eck“ und „Him­mel­reich“ etwa weitere 50 „Freunde“ gefangen.

Es wurde ein pro­vi­so­ri­scher Rat mit der Aufgabe gebildet, ei­ne neue Ver­fas­sung aus­zu­ar­bei­ten. 1396 entstand der Verbundbrief und wurde so etwas wie das „Grundgesetz“ der Stadt Köln.

Ausschnitt des Verbundbriefes mit den Siegeln der Gaffeln, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Ausschnitt des Verbundbriefes mit den Siegeln der Gaffeln, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Der Verbundbrief – das „Grundgesetz“ der Stadt Köln.

In Verbundbrief wurden die Gaffeln ausdrücklich genannt und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Es gab 22 Gaffeln:

  • Wollenwebergaffel
    zugehörige Zünfte: Wollenweber, Tuchscherer, Weißgerber
  • Eysenmarkt
    Gesellschaft von Kaufleuten, vielleicht ursprünglich Gilde der Eisenhändler
  • Schwartzhauß
    zugehörige Zünfte: Blauleinenfärber, Waidhändler
  • Goldschmiedegaffel
    zugehörige Zünfte: Goldschläger, Goldspinnerinnen
  • Windeck
    Gesellschaft der Kaufleute auf dem Altermarkt
  • Buntwerkergaffel
    zugehörige Zünfte: Kürschner
  • Himmelreich
    Korporation von Kaufleuten
  • Bindelmacher
    zugehörige Zünfte: Gürtler, Drechsler, Bürstenbinder, Nadelmacher, Kammmacher, Blechschlager
  • Aren
    zugehörige Zünfte: Riemenschneiderzunft
  • Fischmengergaffel
    zugehörige Zünfte: Fischmenger, Schiffer, Buchbinder
  • Schmiedegaffel
    zugehörige Zünfte: Schmiede, Schlosser, Messerschmiede, Stückgießer, Achsenmacher
  • Schilderer und Glaswörter
    zugehörige Zünfte: Maler, Glaser, Sattler
  • Steinmetze und Zimmerleute
    zugehörige Zünfte: Steinmetzer, Zimmerleute, Schreiner, Kannenbäcker, Bildhauer, Bildschneider, Leyendecker, Pflasterer
  • Bäckergaffel
    zugehörige Zünfte: Bäcker
  • Fleischergaffel
    zugehörige Zünfte: Fleischer
  • Schneidergaffel
    zugehörige Zünfte: Schneider, Hutstoffierer
  • Schuhmacher
    zugehörige Zünfte: Schuhmacher, Altschuhmacher, Lederreider
  • Sarwörtergaffel1Sar = Pflugschar, Wörter = Werker, hier: Rüstungswerkleute
    zugehörige Zünfte: Harnischmacher, Schwertfeger, Barbiere, Handschuhmacher, Taschenmacher, Hutmacher, Korbmacher
  • Kannengießergaffel
    zugehörige Zünfte: Kannengießer, Hammacher, Seiler
  • Fassbindergaffel
    zugehörige Zünfte: Fassbinder
  • Leinenwebergaffel
    zugehörige Zünfte: Zeichenweber, Sartuchmacher, Decklackenweber, Bombassin-, Caffee-, u. Baratamt
  • Brewer
    zugehörige Zünfte: Brauer

Wappen der Kölner Gaffeln, Ausschnitt aus: Birboum, Michel L.; Rieger [Verl.] Quelle: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Ansicht3949_090/0001

Bild 1 von 22

Wappen der Kölner Gaffeln, Ausschnitt aus: Birboum, Michel L.; Rieger [Verl.] Quelle: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Ansicht3949_090/0001

Je­der Kölner Bür­ger und auch die sogenannten „Ein­ge­ses­se­nen“ (Ein­woh­ner oh­ne Bür­ger­recht) waren gezwungen, sich ei­ner die­ser Gaf­feln an­zu­schließen. Falls ein Bürger oder „Ein­ge­ses­se­ner“ kei­ner Zunft oder Gilde an­ge­hör­te, konn­te dieser sei­ne Gaf­fel frei wäh­len.

Kompetenzen und Pflichten der Gaffeln

Zu den Kompetenzen der Gaffel gehörte insbesondere das aktive Wahlrecht: Nur die Mitglieder einer Gaffel konnten den Rat wählen. Dies schloss ca. 80 Prozent der Bevölkerung aus. So waren Frauen, Tagelöhner, alle nichtkatholischen Menschen, Geistliche und nichtehelich Geborene von allen politischen Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen.

Zu den wesentlichen Pflichten der Gaffeln gehörte die Verteidigung der Stadt. So wurde in der „Wachtordnung“ exakt festgelegt, welchen Teil der Stadtmauer bzw. welche Torburg die einzelnen Gaffeln zu bewachen hatten. Die Gaffeln übernahmen auch die Sicherung hochrangiger Besucher und repräsentierten bei Veranstaltungen die Stadt. Zwar war der Rat weiterhin alleiniger Vertreter Kölns nach außen, doch die Gaffeln gehörten mit der Verabschiedung des Verbundbriefs im Jahr 1396 zu den wich­tigs­ten Ver­fas­sungs­or­ga­nen.

Le­dig­lich ein Wech­sel der städ­ti­schen Eli­ten

Die Gaf­feln repräsentierten zwar nur knapp 20 Prozent der Kölner Bevölkerung, hatten aber die politischen Entscheidungen fest in der Hand. Auch weil sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht an eine Mitgliedschaft in einer der Gaffeln gebunden war. So kommt Christian Hillen in seiner Darstellung „Die Kölner Gaffeln“2Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-koelner-gaffeln/DE-2086/lido/5e98015879dc69.22344533^, abgerufen am 2. Juni 2024 zu dem Schluss:

„Ei­ne de­mo­kra­ti­sche Ver­fas­sung im heu­ti­gen Sin­ne war dies si­cher nicht, wenn­gleich sich der Kreis der­je­ni­gen Bür­ger, die Zu­gang zu po­li­ti­scher Mit­wir­kung und Ent­schei­dungs­fin­dung hat­ten, deut­lich er­wei­tert hat­te. Vor al­lem wa­ren die stän­di­schen Schran­ken be­sei­tigt wor­den. … Zwar wur­den die po­li­ti­schen und ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ver­hält­nis­se ver­än­dert, aber im Grun­de ge­nom­men fand le­dig­lich ein Wech­sel der städ­ti­schen Eli­ten statt. Die al­ten Eli­ten wur­den aber nicht völ­lig ver­prellt, son­dern man ver­such­te sie in die neue Ord­nung zu in­te­grie­ren.“

Man kann also festhalten, dass es einen Austausch der Herrschaft gegeben hatte: Weg von den Geschlechtern hin zu den Gaffeln. Die Privilegien der Gaffeln sollten etwa 400 Jahre lang Bestand haben, bis die Franzosen Köln einnahmen.

Und heute noch erinnert die Marke Gaffel-Kölsch
an die Zeiten der Kölner Gaffeln.

Der Name "Gaffel-Kölsch" erinnert an die Gaffeln, Bild: Privatbrauerei Gaffel
Der Name „Gaffel-Kölsch“ erinnert an die Gaffeln, Bild: Privatbrauerei Gaffel

E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Das neue Kölnische Stadtmuseum: Ganz Köln in einem Museum!

Das Kölnische Stadtmuseum, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0
Das Kölnische Stadtmuseum, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Seit dem 23. März 2024 haben wir Kölner endlich wieder unser Stadtmuseum. Nachdem das alte Quartier im Zeughaus bereits 2017 wegen eines massiven Wasserschadens aufgegeben werden musste, war das Stadtmuseum ein Museum ohne Heimat. Bis jetzt.

Zwar ist der neue Standort im ehemaligen Kaufhaus Sauer in der Minoritenstraße nur als Interimsstandort vorgesehen – wer aber Köln kennt, dem ist auch klar: Solche Übergangslösungen haben in Kölle immer eine sehr, sehr lange Lebenszeit.

Von der Hahnentorburg über das Zeughaus in das ehemalige Kaufhaus

Die Ausstellung zur kölschen Stadtgeschichte hat bereits eine lange Reise hinter sich: Wie bei so vielen Museen in Köln bildete die umfangreiche Sammlung Ferdinand Franz Wallrafs den Grundstock. Ab 1888 wurde die Stadtgeschichte in der Hahnentorburg ausgestellt und ab 1902 zusätzlich in der Eigelsteintorburg. Da die Aufteilung auf zwei Standorte alles andere als optimal war, erwog man bereits 1912, das Zeughaus als Ausstellungsort zu nutzen. Allerdings machte der Erste Weltkrieg diese Pläne zunichte.

Auch der Plan, die alte Kürassierkaserne der Preußen in Deutz als „Rheinisches Museum“ zu nutzen, musste wegen der Weltwirtschaftskrise verschoben werden. Die Nationalsozialisten erkannten das propagandistische Potenzial eines solches Museums und eröffneten dort am 21. Mai 1936 das „Haus der Rheinischen Heimat“ in Deutz.

Das Zeughaus, bis 2017 Heimat des Kölnischen Stadtmuseums. Bild: Raimond Spekking
Das Zeughaus, bis 2017 Heimat des Kölnischen Stadtmuseums. Bild: Raimond Spekking

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam erneut der Gedanke auf, dem Stadtmuseum im Zeughaus eine Heimat zu geben. Doch der Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Gebäudes verzögerte sich. Erst 1958 wurde die Dauerausstellung eröffnet, die dort bis zu dem Wasserschaden im Jahr 2017 gezeigt wurde.

Der schlechte Zustand des Zeughauses machte eine Fortführung der Ausstellung unmöglich. Daher gab es 2018 einen Ratsbeschluss, das ehemalige Modehaus Franz Sauer als Interimsquartier zu nutzen. Doch es sollte noch bis 2024 dauern, bis die Ausstellung dort eröffnet werden konnte.

Eine perfekte Darstellung – mit nur 0,1% aller möglichen Exponante

Der Umzug in das ehemalige Kaufhaus stellte die Kuratoren vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe: Nur 750 Quadratmeter stehen dort für die Dauerausstellung zur Verfügung. Allerdings gibt es etwa 500.000 Ausstellungsstücke, gezeigt werden können davon nur etwa 650 Exponate, weniger als 0,1%.

Stefan Lewejohann (links) und Sascha Pries (rechts), die beiden Kuratoren der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, Bilder: Kölnisches Stadtmuseum
Stefan Lewejohann (links) und Sascha Pries (rechts), die beiden Kuratoren der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, Bilder: Kölnisches Stadtmuseum

Diese Aufgaben haben die Kuratoren exzellent gelöst, indem man sich von einer lexikonartigen Darstellung der Stadtgeschichte gelöst hat. Stattdessen wurde, so Stefan Lewejohann, einer der Kuratoren, ein „fragender Ansatz“ gewählt:

„Wir erzählen die Kölner Stadtgeschichte jetzt durch einen fragenden Ansatz. Das heißt, dass wir emotionale Fragen stellen und dadurch episodenhaft die Kölner Stadtgeschichte erklären. Zu diesen Fragen zählt beispielsweise „Was lieben wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“ oder „Worauf haben wir Lust?“.“

Raum der Stadtgeschichte – mit innovativer Technologie

Um aber auch einen Überblick über die Geschichte der Stadt zu bieten, haben die Kuratoren an den Beginn der Ausstellungsrunde den „Raum der Stadtgeschichte“ platziert. Hier werden kurz und kompakt die wichtigsten Entwicklungen der Stadt, von der römischen Kolonie über die Franken zur mittelalterlichen Handelsmetropole, zur kurzen, aber nachhaltigen Besetzung durch die Franzosen und die anschließende Befestigung durch die Preußen, die Gleichschaltung im NS-Unrechtsstaat ab 1933, die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bis hin zur heutigen Medienstadt, in aller Kürze gezeigt.

Das Kölner Stadtmodell zeigt die Stadt im Jahr 1571. Und durch Augmented-Reality bietet dieses Modell eine echte Zeitreise, Bild: RBA, S. Walz, rba_d040440_03
Das Kölner Stadtmodell zeigt die Stadt im Jahr 1571. Und durch Augmented-Reality bietet dieses Modell eine echte Zeitreise, Bild: RBA, S. Walz, rba_d040440_03

Kern dieses Ausstellungsteils ist das riesige Stadtmodell. Dieses Modell zeigt Köln im Jahr 1571 und wurde bereits im „alten“ Stadtmuseum viel bewundert.

Doch jetzt gibt es eine aufregende Neuerung: Mittels Augmented-Reality können Besucher direkt im Stadtmodell digital in verschiedene Epochen der Stadtgeschichte eintauchen. So schweben auf einmal über der alten Ansicht der Stadt 120 Sehenswürdigkeiten, die in 13 verschiedene Epochen der Stadtgeschichte erkundet werden können. Und zwischendurch regnet es sogar Kamelle. Zumindest virtuell.

Frageräume als Orte der (Selbst-)Reflexion

Trotz aller virtueller Ausflüge blieb für die Ausstellungsmacher das Problem, auf vergleichsweise kleiner Fläche die Stadtgeschichte lebendig zu machen. Daher hat man sich für einen durchaus unkonventionellen Weg entschieden: Weg von der klassischen Chronologie oder Jahrhundert-Räumen hin zu acht aktuellen Fragen, die die Besucher beschäftigen und emotional berühren. Fragen wie: „Was lieben wir?“, „Worauf hoffen wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“, „Was macht uns wütend?“, „Worauf haben wir Lust?“, „Woran glauben wir?“ und „Was bewegt uns?“ bilden das Grundgerüst der neuen Dauerausstellung.

Auch eine Art von Religion: Kutte eines FC-Fans, Bild: Privatbesitz RBA, T. Kreusler, rba_d060046_02
In der Abteilung „Woran glauben wir?“: Auch eine Art von Religion: Die Kutte eines FC-Fans, Bild: Privatbesitz RBA, T. Kreusler, rba_d060046_02

Dieser völlig neue Ansatz bietet Raum für Raum eine äußerst spannende Zusammenstellung: So werden in dem Raum „Woran glauben wir?“ erwartungsgemäß das christliche, das jüdische und das muslimische Köln vorgestellt. Diesen Religionen werden dann aber andere „Götter“ als Ersatzreligionen gegenübergestellt, zum Beispiel der Fußball. Nicht umsonst bezeichnen viele Fans die Stars ihrer Lieblingsvereine als „Götter“.

Gleich daneben: „Götze Geld“. Gezeigt werden die älteste Münze des Stadtmuseums, der „Triens/Drittel-Goldschilling“ (ca. Ende 6. Jahrhunderts) über die „Kölner Mark“ (aus dem 15. Jahrhundert) bis hin zu Zwei-Euro-Münze mit dem Kölner Dom (aus dem Jahr 2011).

Der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich (Bronzeplastik), Bild: Uli Kievernagel
Der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich (Bronzeplastik), Bild: Uli Kievernagel

Klüngel, „Lust auf Lust“ und „Heimweh nach Köln“

Der Raum „Was macht uns wütend?“ zeigt, was die wütenden Kämpfe früherer Generationen für Gerechtigkeit gebracht haben: freie und demokratische Wahlen, eine unabhängige Justiz, ein gerechtes Steuersystem, die Abschaffung der Todesstrafe und die Trennung von Kirche und Staat. Wichtigstes Exponat ist hier der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich.

Saftiger wird es im Raum „Worauf haben wir Lust?“. Hier geht es um Sex, Genuss und Freizügigkeit. So wird neben einem speziellen „Stadtplan für Männer“ aus dem Jahr 1972 auch die legendäre und Afri-Cola Werbung mit eher lasziven Nonnen aus dem Jahr 1967 gezeigt.

Afri-Cola-Anzeige (reprint), 1967/68 ©RBA, rba_d048067
Afri-Cola-Anzeige (reprint), 1967/68 ©RBA, rba_d048067

Im Raum „Was lieben wir?“ gehen die Ausstellungsmacher der besonderen Liebe der Kölner zu ihrer Stadt nach. Diese, oft auch übertriebene, „Heimattümelei“ zeigt sich in den zahllosen Liedern über Dom, Rhing und Sunnesching.

Die Ausstellung nähert sich diesem Thema äußerst reflektiert. Passend zum Lied „Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann wird das Essgeschirr des Kölners Johann Borsari gezeigt, der dieses während seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft mit dem Dom verziert hat.

Modernstes Museum Kölns auf engem Raum

Wahrscheinlich war es gerade die räumliche Enge, welche die Museumsmacher dazu gebracht hat, völlig neue Wege zu gehen. Wenn nur 650 von ca. 500.000 Exponaten gezeigt werden können, sind innovative Wege unumgänglich. Entstanden ist Kölns modernstes Museum. So weist der Direktor des Hauses, Dr. Matthias Hamann, auch ausdrücklich darauf hin:

„Der neue Standort ist nicht nur ein Interim. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum Stadtmuseum der Zukunft.“

Und hier liegt Hamann richtig: Obwohl das Haus als Interim bezeichnet wird, werden wir uns noch viele, viele Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte an der spannenden, modernen Ausstellung erfreuen können.

Wettet jemand dagegen?


Daten und Fakten zum Kölnischen Stadtmuseum

Adresse
Minoritenstr. 13
50667 Köln

Öffnungszeiten
Dienstags: 10:00 bis 20:00 Uhr
Mittwochs bis sonntags: 10:00 bis 17:00 Uhr

Eintritt
5 Euro, ermäßigt 3 Euro

Kontakt
Telefon: +49(0)221 221-22398
ksm@stadt-koeln.de
www.koelnisches-stadtmuseum.de


Der Corona-Briefkasten von Ana und Lea aus Raderberg, Bild: Uli Kievernagel
Der Corona-Briefkasten von Ana und Lea aus Raderberg, Bild: Uli Kievernagel

Das neueste Exponat der Stadtgeschichte kommt aus meiner Nachbarschaft in Raderberg

Während der Corona-Beschränkungen konnten die Kinder meiner Nachbarschaft nicht miteinander spielen. Stattdessen haben sie sich kleine Briefkästen gebastelt und konnten so zumindest Nachrichten austauschen.

Ich hatte im Jahr 2020 Stefan Lewejohann vom Stadtmuseum auf diese Briefkästen aufmerksam gemacht. Er hat dankend die Schenkung der Kinder angenommen und einige dieser Briefkästen als Dokumente der Zeitgeschichte in den Bestand des Stadtmuseums übernommen. Und einer dieser Briefkästen ist tatsächlich das neueste Exponat im „Raum der Stadtgeschichte“ und hängt jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Verbundbrief oder zum Stadtsiegel. Was für eine Ehre!


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Das „Köln-Gesetz“ machte 1975 Köln zur Millionenstadt

Die Stadtbezirke und Stadtteile Kölns, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Die Stadtbezirke und Stadtteile Kölns, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Die Karnevalisten hatten es geahnt! Das Motto der Session 1974/75 lautete „Seid umschlungen Millionen“. Und tatsächlich hatte die Stadt Köln es pünktlich zum 1. Januar 1975 geschafft: Man war eine Millionenstadt.

Möglich wurde dies durch das „Köln-Gesetz“.1Bitte nicht verwechseln mit dem „Kölschen Grundgesetz“. Das ist etwas völlig anderes. Dieses Gesetz hieß im besten Amts-Deutsch „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Köln“ und war Teil einer ebenso umfassenden wie auch umstrittenen Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen.

Zu kleine Gemeinden kommen Aufgaben nicht nach

Auch die größten Kritiker dieser Gebietsreform mussten zugeben, dass die Gemeinden, Kreise und Städte in Nordrhein-Westfalen dringend neu geordnet werden sollten. Viele Kommunen waren zu schlichtweg zu klein, um ihren kommunalen Aufgaben wie Infrastruktur, Kultur, oder Finanzen eigenständig nachzukommen. 

Die kleinteilige Gliederung spiegelte sich auch in der Anzahl der Gemeinden wider: Es gab im Jahr 1965 insgesamt 2362 Gemeinden in NRW. Mehr als die Hälfte dieser Gemeinden hatten unter 1000 Einwohnern, die kleinste Gemeinde hatte gerade einmal drei Einwohner – eine Reform war dringend notwendig. Folglich startete CDU/FDP- Landesregierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) im Jahr 1966 ein erstes Neugliederungsprogramm, welches hauptsächlich den ländlichen Raum betraf.

Stadt Köln sieht Chance für schnelles Wachstum

Mit der zweiten Stufe der Neugliederung ab 1969 wurden auch die Grenzen der Kommunen in den Ballungsräumen neu geregelt. So brachte die SPD/FDP-Landesregierung unter Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) am 24. Mai 1974 einen Gesetzentwurf für das „Köln-Gesetz“ in den Landtag ein.

Die Stadt Köln hatte zu diesem Thema auch bereits 1972 eindeutig Stellung bezogen, sah man doch auch die Chance auf ein schnelles Wachstum:

„Die Grenzen der kommunalen Gebietseinheiten in unserem Lande stammen großenteils noch aus dem vorigen Jahrhundert;2Damit ist hier das 19. Jahrhundert gemeint sie hemmen nicht nur zahlreiche Gemeinden in ihrer Entwicklung, sondern wirken vielfach auch anachronistisch, da inzwischen vornehmlich in den Ballungsgebieten neue Lebens, Siedlungs- und Wirtschaftsräume entstanden sind. Dieser Entwicklung haben sich aber die Grenzen der kommunalen Einheiten nicht angepaßt.“3Quelle: Das Großzentrum Köln. Neuordnungsvorschlag der Stadt Köln zur kommunalen Gebietsreform. Herausgegeben von der Stadt Köln, 1972, Seite 5

Zweites Neugliederungsprogramm macht Köln zur Millionenstadt

Das „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Köln“ trat am 1. Januar 1975 in Kraft und machte Köln, dank den Eingemeindungen 192.000 neuer Bürger kurzfristig zu Millionenstadt.

Die Bevölkerungsentwicklung Kölns. Mit den Eingemeindungen 1975 wurde Köln zur Millionenstadt - allerdings nur kurz. Bild: Summer ... hier! (Diskussion), CC0, via Wikimedia Commons
Die Bevölkerungsentwicklung Kölns. Mit den Eingemeindungen 1975 wurde Köln zur Millionenstadt – allerdings nur kurz. Bild: Summer … hier! (Diskussion), CC0, via Wikimedia Commons

Der größte „Fang“ für die Domstadt war mit 83.000 Menschen Porz, gefolgt von Rodenkirchen mit ca. 45.000 Bürgern, 24.000 aus Lövenich, 10.000 Neu-Bürger aus Esch und 4.000 aus Widdersdorf.  Außerdem wurde auch Wesseling mit ca. 25.000 Bürgern eingemeindet. Auch flächenmäßig machte Köln einen gewaltigen Sprung von 25.000 auf 47.000 Hektar.

Der „Kölner Polyp, der weit ins Land greift“

Bis heute trauern viele Gemeinden der verlorenen Eigenständigkeit nach. Besonders ausgeprägt ist diese Einstellung in Köln-Porz. Der Historiker Frank Schwalm nennt diesen Lokalpatriotismus „Porztümelei“.4Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.01.2015 Dabei war, so Schwalm, „Porz eigentlich keine gewachsene Stadt. Sie entstand erst 1928 aus der Zusammenlegung von Wahn und Heumar“. Ein Redner in Düsseldorfer Landtag sprach in einer Sitzung sogar vom „Kölner Polyp, der weit ins Land greift“.

Die Porzer wehren sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung
Die Porzer wehren sich gegen die Eingemeindung

So schlossen sich die Porzer, wie auch die Rodenkirchener, einer Klage der Wesselinger gegen die Eingemeindung an. Doch während Wesseling Recht bekam und zum 1. Juli 1976 wieder eigenständig wurde, seien Porz und Rodenkirchen, so der Verfassungsgerichtshof, „eng genug mit der Nachbarstadt verknüpft“ und blieben Teile der Stadt Köln.

Mit Wesseling verlor Köln aber nicht nur den Zugriff auf die lukrativen Gewerbesteuerzahler der chemischen Industrie, sondern auch den Status als Millionenstadt. Es sollte bis 2010 dauern, bis Köln sich wieder mit dem Titel „Millionenstadt“ schmücken durfte.

Repräsentanten-Entlassungsprogramm

Selbstverständlich fielen durch die Reform viele Pöstchen in der kommunalen Verwaltung weg. Schnell machte das Schlagwort vom „Repräsentanten-Entlassungsprogramm“ die Runde. Damit würde auch, so der Vorwurf, die Bürgernähe verloren gehen. Immerhin wurde durch die Gebietsreform die Anzahl der Gemeinden von 2.362 auf 396 gesenkt.

Dem Vorwurf der fehlenden Bürgernähe entgegnete man mit den neu eingerichteten Bezirksvertretungen. Allerdings sind diese Bezirksvertretungen bis heute weder mit den notwendigen finanziellen Mitteln noch mit ausreichenden Rechten ausgestattet, um das durch die Gebietsreform verloren gegangene Gefühl der kommunalen Mitwirkung kompensieren zu können.

Die Wesselinger wehren sich erfolgreich gegen die Eingemeindung nach Köln, Bild: Stadtarchiv Wesseling
Die Wesselinger wehren sich erfolgreich gegen die Eingemeindung nach Köln, Bild: Stadtarchiv Wesseling

Keine 0221-Telefonvorwahl in Sürth oder Porz

Bis heute sind die Auswirkungen der Gebietsreform spürbar. Je nach Stadtteil haben die Telefonanschlüsse, z. B. in Sürth oder auch in Porz, andere Vorwahlen. Die Verwaltung und Gerichtsbezirke wurden neu geregelt, so müssen bis heute die Kölner aus Zollstock, Raderberg oder Marienburg ihre neuen Pässe in Rodenkirchen abholen.

Durch die rückgängig gemachte Eingliederung Wesselings konnte sich zumindest der vermasselte Einsatz Kölner Feuerwehrleute, die kurz nach der Reform in Wesseling eingesetzt wurden, nicht wiederholen: Weil ihnen unbekannt war, dass Wesseling über ein eigenes Krankenhaus verfügte, fuhren sie mit einem Patienten bis nach Köln.

Und die Karnevalisten wählten nach „Seid umschlungen Millionen“ (Session 1974/75) das Motto der nachfolgenden Session weniger verfänglich und widmeten die Session 1975/76 ihrem geliebten Kölner Komponisten: „Sang und Klang mit Willi Ostermann.

Dagegen konnten auch die Wesselinger nicht klagen.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Die Heilige Ursula, Teil I: Ihr Martyrium rettet Köln vor den Hunnen

Der Märtyrertod der Heiligen Ursula auf einem Bild aus dem 15. Jahrhundert
Der Märtyrertod der Heiligen Ursula auf einem Bild aus dem 15. Jahrhundert

Podcast Ursula, Teil 1, 20

Köln war von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts mit etwa 40.000 Einwohnern die wichtigste und größte Metropole im Deutschen Reich. Und wenn wir heute vom „Hillije Kölle“ sprechen, war das zu dieser Zeit sogar verbrieft: Ab dem 12. Jahrhundert war Köln „Sancta Colonia Dei Gratia Romanae Ecclesiae Fidelis Filia“, also „Heiliges Köln von Gottes Gnaden, der römischen Kirche getreue Tochter“.

Die Romanischen Kirchen waren Anziehungspunkt für Pilger aus aller Welt. Und so wie wir uns heute an schönen Urlaubsorten T-Shirts oder Kühlschrankmagnete kaufen, wollte auch jeder dieser Pilger im Mittelalter ein Andenken mit nach Hause nehmen. Im Idealfall sogar etwas „Heiliges“. Da boten sich Reliquien geradezu an.

Eine Reliquie ist ein irdischer Überrest eines Heiligen. In der Regel ein Körperteil wie ein Knochen, manchmal aber auch ein Gegenstand, mit dem der Heilige in Berührung gekommen ist. Wenn es sich bei dieser Reliquie um Körperteile handelt, sind diese naturgegeben endlich: Auch ein Heiliger hat nur einen Schädel, zwei Beine und zehn Finger. Wenn aber nun alle einen Teil des Heiligen haben wollen, wird es schwierig. Die clevere kölsche Lösung für dieses Problem ist die wundersame Vermehrung verehrungswürdiger Knochen durch die Geschichte der Heiligen Ursula.

Legende der Heiligen Ursula belebt das Geschäft mit Reliquien

Die Heilige Ursula hatte gleich 11.000 Gefährtinnen, die direkt mitverehrt wurden. Und so waren auf einmal 11.000 Schädel, 22.000 Beine und 220.000 Finger und Zehen als Reliquien verfügbar. Sehr praktisch, auch wenn die Kirche das Geschäft mit den Reliquien verboten hatte. Aber der findige Kölner findet auch dafür eine Lösung: Verkauft wurden daher nicht die Reliquien selber, sondern die hübschen Kisten und Schachteln drumherum. Und dass halt die Reliquie darin liegt – jood, dat es halt esu.

Ob es Ursula jemals gegeben hat, kann nicht belegt werden. Der Legende nach war Ursula eine bretonische Prinzessin im 4. Jahrhundert und schon als Kind so extrem fromm, dass sie ihr Leben Christus geweiht hatte und auf ewig Jungfrau bleiben wollte. Diese Pläne wurden durch ihren Vater durchkreuzt: Dieser verlobte Ursula mit dem englischen Prinzen Aetherius. Kleiner Haken: Aetherius war ein ungetaufter Barbar – für die fromme Ursula ein absolutes No-Go. Daher stellte sie drei Bedingungen:

  1. Sie erhält eine Frist von drei Jahren bis zur Eheschließung.
  2. Aetherius muss sich während dieser Zeit taufen lassen.
  3. Ursula unternimmt mit 11.000 Gefährtinnen eine Wallfahrt nach Rom. 

Aetherius stimmt zu. Es werden Schiffe gebaut, und die Jungfrauen machen sich auf den gefährlichen Weg nach Rom. Es geht von der Bretagne  quer über die Nordsee in die Rheinmündung und dann flussaufwärts zunächst bis nach Köln. Hier hat Ursula eine Vision: Ein Engel verkündet ihr, dass sie nach ihrem Besuch in Rom wieder zurück nach Köln kommen wird um dort als Märtyrerin zu sterben. Für ein frommes Mädchen wie Ursula anscheinend eine verlockende Aussicht, denn sie ergibt sich ihrem Schicksal.

Von Köln aus geht es weiter bis nach Basel und von dort aus zu Fuß quer über die Alpen nach Rom. Jetzt gibt es zwei Varianten der Legende: In der einen war zwischenzeitlich auch Aetherius in Rom angekommen. Seine Taufe und die Segnung von Ursula und der 11.000 Jungfrauen wurde von keinem geringerem als Papst Siricius (in manchen Quellen auch als Cyriacus bezeichnet) vorgenommen. In der anderen Variante treffen sich Ursula und der frischgetaufte Aetherius erst in Mainz. Wie auch immer: Völlig begeistert von der frommen Reisegesellschaft schließt sich der Papst den Jungfrauen an, denn er hatte erfahren, dass das Martyrium bevorstand und so etwas lässt man sich als Papst nicht entgehen.

Die Prophezeiung erfüllt sich

Wieder in Köln angekommen, stellt die um den Papst und Aetherius sowie etliche weitere Interessierte angewachsene Reisegesellschaft fest, dass die Hunnen die Stadt belagern. Diese fackeln nicht lange und metzeln die ganze Gefolgschaft nieder – insgesamt 10.998 Jungfrauen. Die Heilige Cordula überlebte das Massaker, weil sie sich verstecken konnte. Allerdings wird sie später von den Hunnen gefunden und ebenfalls getötet. Auch Ursula überlebt zunächst, weil der König der Hunnen sich in sie verliebt. Er bietet ihr an, sie zu verschonen, wenn sie ihn heiratet. Eine für Ursula aus gleich zwei Gründen unmögliche Option: Erstens wäre ja auch dieser Gemahl ein ungetaufter Barbar und zweitens muss sich ja mit ihrem Tod die Prophezeiung des Engels erfüllen. Folglich lehnt sie ab und der Hunnenkönig tötet sie.

Kaum war Ursula tot, erschienen 11.000 kampfeslustige Engel und vertrieben die Hunnen aus der Stadt – die Belagerung war beendet. Als Dankeschön für diese Befreiung machten die Kölner Ursula zu einer ihrer Stadtpatroninnen und die ganze Geschichte rund um Ursula zu einem sensationellen Geschäft mit Reliquien.


Im Teil II der Ursula-Geschichte wird erklärt, wie es die findigen Kölner geschafft haben, tatsächlich Unmengen an echten Knochen heranzuschaffen, um diese an die Pilger zu verkaufen.  


Hinter der schillernden Legende von Ursula wird ein anderer Stadtpatron oft vergessen: Der „Kriesgdienstverweigerer“ Gereon.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Der Dreikönigenschrein – Das Prunkstück des Kölner Doms

Der Dreikönigenschrein im Kölner Dom, Bild: Beckstet, Wikimedia Commons
Der prunkvolle Dreikönigenschrein im Kölner Dom, Bild: Beckstet, Wikimedia Commons

Podcast Heilige Drei Könige, 27

Im Jahr 2005 war die Premiere: Passend zum Weltjugendtag fand die erste Dreikönigswallfahrt im Kölner Dom statt. Seitdem lädt der Dom jedes Jahr um den Kirchweihtag des Domes, dem 27. September, zur Dreikönigswallfahrt ein. Im Mittelpunkt stehen dabei selbstverständlich die „Drei wichtigsten Imis“ für Kölle: Caspar, Melchior und Balthasar, die Heiligen Drei Könige. Deren Reliquien, die sich seit 1164 in Köln befinden,  werden seit etwa 1220 im Dreikönigenschrein aufbewahrt.

Heute wird der Dreikönigsschrein durch eine ganz spezielle, alarmgesicherte Vitrine geschützt. Doch das war in den letzten Jahrhunderten nicht immer so, was zur Folge hatte, dass der Schrein mehrfach durch Diebstahl beschädigt wurde. Und – immer wieder bedingt durch Kriege – auch schon mehrere unfreiwillige Reisen unternommen hatte.

Standesgemäße Ausstellung der Reliquien

Erzbischof Rainald von Dassel brachte 1164 die Reliquien aus Mailand nach Köln. Ganz unfreiwillig haben die Mailänder diese wertvollen Gebeine nicht hergeben, sondern es handelte sich um Kriegsbeute. Nach einem prächtigen Einzug in die Stadt durch die Dreikönigspforte wurden die Gebeine der Heiligen Drei Könige im Hildebold-Dom, einem Vorgängerbau des heutigen Kölner Doms, ausgestellt.

Doch schnell stellte sich den Kölnern die Frage: Wie können wir die Reliquien standesgemäß ausstellen? Und so entstand ab ca. 1190 bis um 1225 der Dreikönigenschrein. Die Realisierung des Schreins wird dem Goldschmied Nikolaus von Verdun zugeschrieben, wobei nicht endgültig geklärt ist, ob er auch persönlich an dem Schrein gearbeitet hat. Da an dem Schrein über 30 Jahre lang gearbeitet wurde, ist davon auszugehen, dass verschiedenste Künstler an der Realisierung mitgewirkt haben.

Und um auch den Schrein mit seinem für die Gläubigen unschätzbar wertvollen Inhalt richtig in Szene zu setzen, entschieden sich die Kölschen, den Dom um den Dreikönigsschrein drumherum zu bauen. Ganz klar: Ohne Caspar, Melchior und Balthasar gäbe es heute keinen gotischen Kölner Dom.

Abbild einer Kirche oder drei Sarkophage?

Der Schrein wiegt eine halbe Tonne, ist über zwei Meter lang und etwa 150 cm hoch. Es handelt sich um eine Konstruktion aus Eichenholz, die aufwendig mit Gold, Silber, Edelsteinen sowie antiken Gemmen verziert wurde. Auf dem Schrein wird die christliche Geschichte von den Anfängen des Alten Testaments bis zum Jüngsten Gericht dargestellt.

Die Rückseite des Dreikönigenschreins. Gut zu erkenen, dass es sich um drei Einheiten handelt. Bild: Xennex
Die Rückseite des Dreikönigenschreins. Gut zu erkennen, dass es sich um drei Einheiten handelt. Bild: Xennex

Der Schrein wirkt wie eine kleine Kirche mit zwei Seitenschiffen und einem Hauptschiff. Allerdings ist es umstritten, ob diese Anmutung tatsächlich von den Künstlern so gewünscht war. Tatsächlich stehen zwei Reliquienschreine nebeneinander und zusätzlich steht ein dritter Schrein auf diesen beiden. Besonders deutlich wird dies, wenn man sich die Rückseite des Dreikönigenschreins ansieht.

Die Frontseite des Dreikönigenschreins mit geöffneter Trapezplatte, Bild: Elya, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die Frontseite des Dreikönigenschreins mit geöffneter Trapezplatte, Bild: Elya, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die Stirnseite des Dreikönigenschreins ist aus reinem Gold gefertigt. Auf ihr ist unter anderem die Anbetung der Könige und die Taufe Christi zu sehen. Die sogenannte „Trapezplatte“ in der Mitte wird zu ganz besonderen Anlässen, zum Beispiel am Dreikönigstag (6. Januar), abgenommen. Dann ist der Blick auf die innenliegenden Schädel möglich. Früher war es üblich, dass Pilger Gegenstände oder Gebetszettelchen einem Geistlichen reichten, der diese mit einer silbernen Zange an die Schädel hielt. So wurden diese zu Berührungsreliquien und für Pilger unschätzbar wertvoll.

Der ursprüngliche Schrein wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach überarbeitet und restauriert. Neue Figuren kamen hinzu, der Schrein wurde massiv verkürzt, bei Diebstählen beschädigt und machte weite Reisen.

Der Schrein macht über die Jahrhunderte eine kleine Reise durch den Dom

Zunächst wurde der Schrein im alten Dom aufgestellt. Doch dieses Bauwerk war nicht dazu geeignet, die extrem große Menge an Pilgern, die den Schrein sehen wollten, aufzunehmen. Zudem setzte sich ein neuer Baustil durch: Die Gotik. So wurde der alte Dom als nicht mehr standesgemäß für die überaus wichtige Reliquie angesehen.

Am 15. August 1248 war dann der Baubeginn des neuen gotischen Doms. Ursprünglich sollte der Schrein exakt in der Vierung, dem Schnittpunkt von Lang- und Querhaus, aufgestellt werden. Allerdings verzögerten sich bekanntlich die Bauarbeiten am Dom erheblich, und es sollte 632 Jahre bis zur Vollendung dauern.

Zumindest der Chor wurde 1322 fertiggestellt und der Dreikönigenschrein wurde in der zentralen Achskapelle im Chor präsentiert. Ein äußerst praktischer Aufstellort: So konnten die Pilger durch den Chorumgang an dem Schrein vorbei geführt werden. Damit der wertvolle Schrein nicht beschädigt wurde, versah man diesen mit einem rot-goldenen Gitter.

Ein rotes Gitter schützte den Dreikönigenschrein, Darstellung von 1633, Bild: Kölnisches Stadtmuseum, gemeinfrei, via Wikimedia Commons
Ein rotes Gitter schützte den Dreikönigenschrein, Darstellung von 1633, Bild: Kölnisches Stadtmuseum, gemeinfrei, via Wikimedia Commons

Diebe beschädigen den Dreikönigenschrein

Als im Jahre 1434 ein Stück einer Fiale1Fialen sind aus Stein gemeißelte, schlanke, spitz auslaufende Türmchen. abbrach und den Schrein nur knapp verfehlte, wurde dieses nicht nur als Wunder angesehen, sondern auch als Grund, den Schrein aus Sicherheitsgründen zunächst in der Sakristei aufzubewahren.

Am 28. Januar 1574 wurde der Schrein Opfer eines dreisten Diebstahls. Ein oder mehrere Diebe, die nie gefasst wurden, brachen Edelsteine aus dem Kunstwerk. Darunter war auch ein großer Kameo2Ein als Relief bearbeiteter Schmuckstein., der sogenannte „Ptolemäer-Kameo“. Kurios: Exakt dieser Schmuckstein wurde 1952 im Wiener Kunsthistorischen Museum wiedergefunden.

Von etwa 1690 bis 1889 schützte ein Marmormausoleum den Dreiköinigenschrein, Bild: gemeinfrei
Von etwa 1690 bis 1889 schützte ein Marmormausoleum den Dreiköinigenschrein, Bild: gemeinfrei

Um den Schrein besser zu schützen, wurde dieser etwa 1690 mit einem Marmormausoleum überbaut. Teile dieses barocken Bauwerks sind heute noch im Dom zu sehen und bilden die Rückwand des Altars der Schmuckmadonna in der Nähe des Nordeingangs.

Das Mausoleum für den Dreikönigenschrein wurde 1889 abgerissen und 1920 zur Altarwand umgebaut. Seit 1963 ist es der Altar für die Schmuckmadonna. Bild: Elya, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das Mausoleum für den Dreikönigenschrein wurde 1889 abgerissen und 1920 zur Altarwand umgebaut. Seit 1963 ist es der Altar für die Schmuckmadonna. Bild: Elya, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der Schrein wurde in den verschiedenen Kriegen ausgelagert

Kurz vor dem Einmarsch der französischen Truppen am 6. Oktober 1794 wurde der Dreikönigenschrein zerlegt und in Sicherheit gebracht. Nach einer abenteuerlichen Reise über eine Abtei in der Nähe von Arnsberg landete dieser in Frankfurt. Nach zähen Verhandlungen kam der Schrein Juni 1803 nach Köln zurück, allerdings schwer beschädigt. Außerdem fehlten die getrennt aufbewahrten Reliquien.

Erst 1808 konnte der restaurierte Schrein wieder im Chor des noch nicht fertiggestellten Doms mit den Reliquien aufgestellt werden. Ab 1864 wurde der Schrein in die Domschatzkammer verlegt und nur noch an hohen Festtagen präsentiert. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs im Jahr 1918 wurde der Schrein wegen Sicherheitsbedenken zusammen mit dem gesamten Domschatz zur Sicherheit auf die rechtsrheinische Seite ausgelagert.

Ein ähnliches Schicksal sollte das Kunstwerk im Zweiten Weltkrieg erleben. Bereits ab 1936 wurden exakt passende Kisten sowie eine unterirdische Kammer für den Fall der Fälle vorbreitet. Ab 1939 wurden der Schrein zusammen mit weiteren wertvollen Kunstgegenständen dort gelagert.

Durch den Schock und die massiven Zerstörungen des sogenannten „Tausend-Bomber-Angriff“ in der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 auf Köln wurde beschlossen, den Dreikönigenschrein in das fränkische Pommersfelden auszulagern. Doch ab September 1944 erschien auch diese Unterbringung nicht mehr sicher genug.

Der Plan, den Schrein in Fulda zu lagern, scheiterte daran, dass Fulda noch während des Transports dorthin massiv bombardiert wurde. So musste der Transport nach Siegen umgeleitet werden. Allerdings war die Tür des ausgewählten Bunkers nicht groß genug – der Schrein passte schlichtweg nicht rein. So kam der Schrein am 19. September 1944 wieder zurück nach Köln und sollte dort auch die letzten Kriegsmonate verbleiben.

Hightech-Schutz für ein einzigartiges Kunstwerk

Seit 1948 steht der Schrein wieder an seinem Platz im Chorumgang des Doms. Bereits damals wurde dieser mit einer Vitrine geschützt, welche 1965 erneuert wurde. Diese Vitrine bestand aus einem speziellen Sicherheitsglas, in welches ein Alarmdraht eingelassen wurde. Doch dieser Draht rostete im Laufe der Jahrzehnte und färbte das Glas zunehmend grün.

Um den Schrein wieder besser sichtbar zu machen und die Sicherheit zu gewährleisten, wurde 2004 eine komplett neue Vitrine angeschafft. Auch diese Vitrine ist ein Meisterwerk: Das speziell entspiegelte Glas besteht aus fünf Panzerglasscheiben. Angeblich würde man mit einer Axt mehr als 45 Minuten benötigen, alle fünf Lagen zu durchschlagen. Von oben und unten schützt ein zentimeterdicker Stahlboden den Schrein.

Eine moderne Hightech-Kabine schützt seit 2004 den Dreikönigenschrein, Bild: Pedelecs , CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Eine moderne Hightech-Kabine schützt seit 2004 den Dreikönigenschrein, Bild: Pedelecs , CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die gesamte Vitrine kann elektrisch hoch und runtergefahren werden. Hoch geht es immer dann, wenn dann Dreikönigenwallfahrt ansteht. Dann können die Gläubigen unter dem Schrein hindurch pilgern.

Eine solche Konstruktion hat ihren Preis. Barbara Schock-Werner, die erste Frau im Amt des Kölner Dombaumeisters, dazu im Kölner Stadt-Anzeiger3Kölner Stadt-Anzeiger vom 25.09.2019:

„Die Kosten beliefen sich auf den Gegenwert eines kleinen Einfamilienhauses. Aber zum Schutz und zur Präsentation eines einzigartigen Kunstwerks musste es eben auch das Beste vom Besten sein.“

Was ist denn tatsächlich in dem Schrein?

Tatsächlich wurde der Inhalt des Dreikönigenschreins zuletzt am 21. Juli 1864 eingehend unter Anwesenheit von 35 Zeugen untersucht. Bei dieser Prüfung wurden verschiedene Gebeine gefunden:

  • Die drei Schädel, die man Caspar, Melchior und Balthasar zuordnet, sind tatsächlich drei Männerschädel von Männern im unterschiedlichen Lebensalter.
  • Zusätzlich fand man in dem Schrein Knochen dreier verschiedener Männer und zusätzlich viele kleinere Knochen, z.B. Fuß- und Handwurzelknochen, Wirbel und Rippen von mindestens zwei nicht exakt zuzuordnenden Personen. Möglicherweise handelt es sich dabei um Gebeine des Heiligen Nabor und des Heiligen Felix.
  • Außerdem wurden einzelne Knochen eines Kleinkindes gefunden. Woher diese genau stammen, kann nicht exakt belegt werden. Möglicherweise stammen die aus einem bereits um 1800 eingeschmolzenen Reliquiar der „Unschuldigen Kinder“, welches im Dom stand.
  • Es wurden auch Gebeine gefunden, die man dem Heiligen Gregor von Spoleto zuordnete. Diese Zuordnung ist wahrscheinlich zutreffend, weil ein Pergamentstreifens mit der Inschrift: „sct Gregorii. prb et mr“ gefunden wurden und weil ein im Schrein befindlicher Unterkiefer exakt zur außerhalb des Schreins befindlichen Schädelreliquie des Heiligen Gregors passt.

Übrigens: In den 1980er Jahren wurden die Stoffreste untersucht, welche die verschiedenen Gebeine umhüllen. Diese stammen nachweislich aus dem 2. bis 4. Jahrhundert nach Christus.

Und: Sind das im Schrein denn jetzt die echten Heiligen Drei Könige?

Die Frage nach der Authentizität der Gebeine wird immer wieder gestellt. Die Antwort auf die Frage „Sind das denn die echten Heiligen drei Könige?“ beantwortet der Kölner Kunsthistoriker Helmut Fußbroich wie folgt:

„Aber da kann man ohne rot zu werden, sagen, nä, die können nicht echt sein, weil es sich eben um eine Geschichte handelt, die keine Historie erzählen will.“ 

Somit bleibt es offen, wessen Gebeine wirklich im Dreikönigenschrein liegen. Vielleicht ist ja gerade dieses Rätsel, was die Faszination ausmacht. Oder, um es mit niemand geringeren als Goethe, zu sagen:

„Geschichte, Überlieferung, Mögliches, Unwahrscheinliches, Fabelhaftes mit Natürlichem, Wahrscheinlichem, Wirklichem bis zur letzten und individuellsten Schilderung zusammengeschmolzen, entwaffnet wie ein Märchen alle Kritik.“

Und das ist eine schöne, typisch rheinisch-katholische, Aussage.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Ein paar Fragen an Willem Fromm: Köln hat eine erzählenswerte Geschichte!

Willem Fromm ist Historiker und ein absoluter Köln-Experte, Bilder: Willem Fromm
Willem Fromm ist Historiker und ein absoluter Köln-Experte, Bilder: Willem Fromm

Eigentlich dachte ich immer, mich gut in der Geschichte Kölns auszukennen. Zumindest bis ich angefangen habe, den Podcast „Eine Geschichte der Stadt Köln“ zu hören. Seitdem ist mir klar: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.

In diesem unglaublich umfassenden Podcast kann man zuhören, wie Köln wächst: von den Römern bis in unsere Zeit.

Der Mann hinter diesem erfolgreichen Podcast ist der Historiker Willem Fromm. Ich habe mich mit ihm mitten in der Stadt getroffen, am Rheinufer, dort wo vor etwa 1700 Jahren die Konstantinbrücke stand – über die Willem übrigens auch locker eine Stunde erzählen kann.

Doch jetzt interessiert mich mehr seine Sicht auf die Geschichte der Stadt.

Willem, du bist ein absoluter Köln-Geschichts-Experte. Was sind deiner Meinung nach die drei wichtigsten Daten bzw. Ereignisse in der Kölner Stadtgeschichte?

Natürlich empört sich in mir das Historikerherz, hier nur drei Ereignisse nennen zu dürfen! Auf die gesamten 2.000 Jahre lang geblickt würde ich sagen:

  1. Agrippina verlieh Köln im Jahr 50 n. Chr. den Rang einer Kolonie, was damals was Positives war im Vergleich zu späteren Zeiten, wodurch die Stadt einen Vorteil am Rhein erhielt.
  2. In den 950er-Jahren wurden die Erzbischöfe unter Bruno I. auch weltliche Stadtherren und sicherten Köln durch ihre direkte Nähe zum Kaiserhof viele Vorteile. Sie verschafften der Stadt wirtschaftliche Privilegien und vor allem die Reliquien für die Stadt. Nur von hier aus war der Weg zum gotischen Neubau des Doms 1248 möglich, die Erlangung des Stapelrechts 1259 und die Befreiung von der direkten erzbischöflichen Herrschaft nach der Schlacht von Worringen 1288 möglich.
  3. Die Zeit von 1933-1945: hier erlebte Köln die moralische und physische Zerstörung erst durch die Nazis, einschließlich Plänen zum nahezu kompletten Abriss des Martinsviertels und der rechten Rheinseite. Dann folgte die Vernichtung des über 2.000 Jahre gewachsenen Stadtkerns durch den Zweiten Weltkrieg.
Die blaue Uniform der protestantischen Preußen hat zum Begriff "Blauköpp" geführt, Bild: Knötel (1883)
Willem Fromm meint, dass die Ablehnung der Preußen in Köln völlig überschätzt wird, Bild: Knötel (1883)

Und was wird deiner Meinung nach völlig überschätzt?

Die angebliche Ablehnung allen Preußischen durch Köln im 19. Jahrhundert. Natürlich gab es in Köln ab 1815 Kräfte, die den preußischen Staat ablehnten. Aber spätestens ab der Reichsgründung 1871 waren die Eliten in Köln weitestgehend treue preußische Staatsbürger.

Hast du ein Lieblingsfigur aus der langen Stadtgeschichte? Und warum gerade diese Person?

Wer sich intensiv mit Geschichte beschäftigt hat, wird meist zum Zyniker. Wir wissen selbst zu gut, dass keine historische Persönlichkeit unschuldig oder moralisch einwandfrei ist. Das kann sie auch nicht sein. So wie du und ich es auch nicht sind.

Und genau hier drin finde ich, liegt die Faszination an der Geschichtsforschung. Oft ist es einfach auch das Versuchen eines Eintauchens in die Gedankenwelt einer historischen Figur, die spannend ist.

Agrippina - Kölns Stadtgründerin, Bild: Uli Kievernagel
Schade, dass Willem Fromm Agrippina, die vermeintliche Mörderin, nicht mehr befragen kann, Bild: Uli Kievernagel

Da würde ich zu gerne mal die römische Kaiserin Agrippina befragen, wie sie die Dinge gesehen hat und ob das wirklich damit übereinstimmt, was andere, die ihr nicht freundlich gegenüberstanden, über sie geschrieben haben: Gift-Mischerin, Mörderin oder gar schlechte Mutter? Wir kennen ihre Seite der Geschichte nicht.

Diese für mich quälende Wissenslücke macht sie für mich zu meiner Lieblingsfigur. Denn ein Mensch, den man bereits durch und durch kennt und der keine Geheimnisse mehr hat, ist doch langweilig.

Du bist positiv Köln-verrückt. Wann fing diese Leidenschaft an? 

Manchmal ist einfach etwas von Beginn an da. Als Kind löcherte ich meine Eltern mit Fragen über die Geschichte Kölns. Einfach so! Früh erzählte man mir also, dass Köln von den sagenhaft großartigen Römern gegründet wurden und die damals schon Swimmingpools hatten. Doch dann haben die Germanen den Abfluss der Schwimmbecken durch ihre langen Haare verstopft. Die Römer zogen beleidigt ab und das Wissen darüber ging verloren.

Ich drückte mir die Nase platt und schaute in die Tiefe der Mikwe auf dem Rathausplatz, dem mittelalterlichen jüdischen Ritualbad, wenn wir da vorbeigingen.

Die Kölner Mikwe war das Ritualbad der mittelalterlichen Judengemeinde von Köln, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons
Die Kölner Mikwe war das Ritualbad der mittelalterlichen Judengemeinde von Köln, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons

Und als es im letzten Kindergartenjahr bei mir eine Dom-AG angeboten wurde, habe ich alles getan um an die begehrten und begrenzten Plätze zu kommen. Mit Erfolg. Das war echt toll. Turmbesteigung, Mosaike selber basteln aus Papierschnipseln und die Welt auch unter dem Dom besichtigen. Als Schülerpraktikant war ich dann 2006 bei der Dombauverwaltung, insbesondere beim Verlag Kölner Dom. Prof. Dr. Barbara Schock-Werner, die erste Frau im Amt des Kölner Dombaumeisters, hat damals richtig durchgepowert in dem Laden.

Ich habe gesehen, wie das Richter-Fenster erstellt wurde, das Buch über den Schrein der Heiligen Drei Könige wurde damals gelayoutet und Autor Frank Schätzing stieg für ein Fotoshooting für sein Hörbuch seiner Romane auf den Vierungsturm. Das alles in den nur drei Wochen des Schülerpraktikums. Toll!

Da wusste ich, Geschichte ist meine Leidenschaft, die ich weiterverfolgen möchte. Meine Klassenlehrerin am Hansa-Gymnasium hat mich ebenfalls echt toll gefördert in meiner Leidenschaft für Geschichte.

Du hast Geschichte dann auch an der Uni studiert?

Ich hatte mich für Geschichte in Köln, Bonn und ja, auch Düsseldorf beworben. Zusagen erhielt ich von allen dreien, aber irgendwie zog es mich nach Bonn. Es war eine Bauchentscheidung. Auch wenn es nur ein Katzensprung war, reizte es mich, außerhalb von Köln zu studieren.

Das Tolle an Bonn ist, dass die Stadt gerade groß genug, aber auch nicht zu klein ist. Mit der Residenz der Kölner Erzbischöfe als Unihauptgebäude und einer schönen Villa am Rhein als Sitz des Instituts für Geschichtswissenschaft, war für mich schon ein Reiz. Letzteres liegt auch direkt am Alten Zoll mit Biergarten in den warmen Monaten.

Die Seminare waren von der Atmosphäre durchweg immer sehr familiär und alle begegneten sich dort auf Augenhöhe. Die Profs und Angestellten am Lehrstuhl kannten jeden mit Namen, selbst die Pförtner, die einen mit dem oft nicht vorhandenen Kleingeld für den Kopierer aushalfen und einen Geldschein in Münzen umtauschten. Es war echt sehr schön, ich denke gerne an die Zeit zurück.

Natürlich reizte mich die Uni Bonn auch fachlich mit der renommierten Rheinischen Landesgeschichte und mit ihrem hohen Alter, Gründung 1818, übrigens als Ausgleich für die Schließung der Kölner Uni einige Jahre zuvor, hat sie die Entwicklung der Geschichtswissenschaft in Deutschland maßgeblich mitgeprägt und damit eine reiche wissenschaftliche Tradition.

Du hast 2020 deinen Podcast „Eine Geschichte der Stadt Köln“ gestartet. Was ist die Idee dahinter? 

Als erstes will ich anmerken, dass dies kein „es-war-Corona-und-ich-hatte-Zeit-Podcast“ ist. Die ersten sechs Folgen hatte ich schon im Sommer 2019 erstellt. Doch erst über die Weihnachtstage hatte ich dann endlich den Mut, sie zu veröffentlichen, was dann Ende Januar 2020 auch geschah. Ich finde Podcasts ein sehr persönliches Format, da man hierbei nur die Stimme der aufnehmenden Person hört.

Der Podcast "The History of Rome" von Mike Duncan war eine wichtige Inspiration für Willem Fromms eigenen Podcast zur Geschichte Kölns
Der Podcast „The History of Rome“ von Mike Duncan war eine wichtige Inspiration für Willem Fromms eigenen Podcast zur Geschichte Kölns

Ich selbst habe immer gerne den Podcast „The History of Rome“ gehört von Mike Duncan. Sein Podcast ist quasi der Großvater der Geschichte-Podcasts, da er schon 2007 erschien. Da wusste die überwältigende Mehrheit noch nicht, was Podcasts überhaupt sind. Mike Duncan ging in seinem Hörspiel die Geschichte des römischen Reiches von Anfang bis Ende durch. Immerhin rund 1.300 Jahre. Das inspirierte mich, das gleiche für Köln zu starten. Eine erzählte Geschichte Kölns von der Steinzeit bis heute.

Inzwischen fahre ich aber mehrgleisig, in sogenannten „Schnipsel-Folgen“ weiche ich auch oft von der starren Chronologie ab und erzähle, was ich möchte über die Kölner Stadtgeschichte oder führe Interviews mit Menschen, die was über Kölns Geschichte zu erzählen haben.

Wieviel Stunden Podcast sind daraus bis heute geworden?

Bei nun 60 veröffentlichten Folgen seit 2021 müssten es so ungefähr 50 Stunden sein in etwa. Wer also eine zweitägige Reise vor sich hat – hört doch mal rein. 😉

Und wieviel Stunden kommen noch? Wann willst du im „Heute“ ankommen?

Das ist schwierig abzusehen. Man könnte meinen, ich habe ja bereits die Hälfte geschafft, da wir im Jahr 1100 angekommen sind im Podcast. Man darf aber nicht vergessen, dass die historische Quellenlage immer besser wird und von der schieren Menge immer mehr wird, je näher wir der Gegenwart kommen.

So toll die römische Antike Kölns zu erzählen ist, vieles bleibt bis heute im Dunkeln. Wo befand sich das Amphitheater der Stadt, das es nachweislich gegeben haben muss? Oder zwischen den Jahren 100 n. Chr. bis 250 n. Chr. etwa gibt es keinerlei schriftliche Aufzeichnung über das römische Köln. Die Jahre musste ich notgedrungen überspringen.

Ab dem Jahr 1200 wird es dann richtig wild und ereignisreich in der Kölner Stadtgeschichte, dass man Gefahr läuft, was zu vergessen zu erzählen. Ich habe vor zwei Jahren aber einen groben Fahrplan bis 1288 ausgearbeitet, wann welche Folge mit welchem Thema erscheint. Bis ich da ankomme, vergehen laut diesem Plan noch zwei Jahre, obwohl ich bereits im Jahr 1100 angekommen bin.

Ein Mammutwerk: Der Podcast "Eine Geschichte der Stadt Köln" von Willem Fromm
Ein Mammutwerk: Der Podcast „Eine Geschichte der Stadt Köln“ von Willem Fromm

Ein Mammutwerk! Was treibt dich an, dich dieser gewaltigen Aufgabe zu stellen?

Ich habe schon immer nach dem „Warum?“ gefragt. Geschichte ist interpretierte Vergangenheit. Ich wollte immer wissen, warum etwas in unserem Alltag so ist, wie es ist. Trotz allen schweren Umbrüchen in der Kölner Geschichte, ist diese bis heute in unserer Stadt an vielen Orten noch spürbar, oft sogar zum Anfassen!

Des Weiteren hat sich trotz meines erfolgreich abgeschlossenen Geschichtsstudiums nie wirklich die Chance ergeben im Feld der Geschichtsforschung zu arbeiten. Jobs, insbesondere jene mit der man eine Familie ernähren kann, sind in dem Felde rar und daher hart umkämpft. Was ich niemanden verübeln kann. Als Ventil dafür dient mir der Podcast.

Und ehrlich gesagt, hat das doch auch viele Vorteile so: ich habe völlige Freiheit, was ich wie recherchiere und präsentiere. Ich kann selbstständig bestimmen, wann ich was veröffentliche. Dadurch habe ich mir quasi meinen eigenen ehrenamtlichen Historikerberuf nach eigenem Maß geschaffen.

Verdienst du Geld mit deinem Podcast?

Ja, ich verdiene etwas Geld damit. Gewinne erwirtschafte ich damit aber nicht. Ich weise mein Publikum nach jeder Folge höflich und kurz darauf hin seit kurzem, dass sie mir per Paypal ein kleines Trinkgeld überweisen können. Des Weiteren kann man mich langfristig auf einer Plattform namens Patreon.com unterstützen. Follower können mir pro Folge auf diesem Weg zwischen einem und fünf Euro überweisen.

Hier ist aber auch wichtig die Ausgabenseite zu beachten. Bücher kaufen, Gebühren fürs Podcast-Hosting und Website-Hosting, Domain-Lizenzen, Software-Lizenzen, Hardware (etwas geht immer kaputt) wie Mikros, Speicherkarten, Laptops, Kabel, das portable Aufnahmegerät und Fahrtkosten zu meinen Interviewgästen. All das kostet mich monatlich einen Betrag, der so um die 150 Euro liegt.

In letzter Zeit halten sich Ausgaben und Trinkgelder fast schon die Waage. Ich freue mich über jede noch so kleine Zuwendung. Und ja, natürlich wäre es schön, eines Tages auch mit einem kleinen Plus herauszugehen.

Wieviel Zeit investierst du ungefähr pro Woche in den Podcast?

Das ist schwer zu sagen. Die Recherchearbeit integriere ich oft in meinen Alltag. Abends auf der Couch mit meiner Frau beim Fernsehschauen habe ich ein Buch in der Hand und mache mir Notizen. Da ist schwer abzuschätzen wie viel Zeit jeweils mit der Glotze und jeweils mit dem Recherchieren draufgeht. Es ist auch vom Thema abhängig. Eine Folge über den Alten Dom schreibe ich an einem Abend aus meinem Kopf direkt runter. Eine Folge über das Gerichtswesen des mittelalterlichen Kölns lässt mich mitunter nächtelang verzweifeln.

Bei Aufnahme und Schnitt ist es ziemlich einfach zu messen. Pro aufgenommener Minute brauche ich ungefähr zwei Minuten zum Nachbearbeiten. Dauert eine Folge 40 Minuten, brauche ich 80 Minuten zum Schneiden und Bearbeiten. Ein Versprecher hier, ein neu aufgenommener Satz da.

Eine Podcastfolge zu erstellen ist übrigens nur 30 Prozent der gesamten Arbeit bei einem Podcast. 70 Prozent geht in die Öffentlichkeitsarbeit. Das geht weitestgehend über die Sozialen Medien wie Facebook, Instagram und TikTok. Anders ist es kaum möglich, wenn man nicht Unsummen für klassische Werbung ausgeben kann, wie es bei den meisten Podcasts von Privatpersonen ist. Dem „Köln-Ding der Woche“-Podcast wird es da ja sicherlich ähnlich gehen.

Auf Social Media versuche ich die Menschen durch Artikelbeiträge und vor allem durch das Erstellen meiner Kurzfilmreihe über Kölns Geschichte zu begeistern.

Der Podcast zur Geschichte der Stadt Köln erschien zunächst auf Englisch.
Der Podcast zur Geschichte der Stadt Köln erschien zunächst auf Englisch.

Der Podcast erschien zunächst auf Englisch, erst danach auf Deutsch. Wieso?

Wir müssen uns ins Jahr 2019 zurückversetzen. Vor Corona und bevor dadurch die große Podcastwelle in Deutschland losrollte. Doch im Jahr 2019 war die deutsche Podcastlandschaft noch recht überschaubar. So nahm ich an, dass dieses neue Medium eher ein internationales Publikum ansprechen müsste. Daher auf Englisch.

Zusätzlich mochte ich die Idee, Menschen auf der ganzen Welt zu zeigen, dass Köln mehr ist als nur Kölsch, Dom, FC und Karneval. Alles tolle Dinge an unserer Stadt, keine Frage! Aber eben nicht alles, was in 2.000 Jahre Stadtgeschichte prägend war.

Was hören wir als nächstes im Podcast?

Die nächste Folge 1Stand: 10. September 2023 wird ein richtiger Krimi. Das Sprichwort „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte!“ trifft hier so richtig zu im Jahr 1106. Kaiser Heinrich IV. und sein Sohnemann Heinrich V., streiten sich über die Macht im Reich. Der jüngere Heinrich hatte den Vater eigentlich schon aufs Altenteil geschickt. Immerhin hatte der bereits 50 Jahre der Regentschaft auf dem Buckel. Doch der greise Kaiser denkt gar nicht ans Aufgeben.

Dieser eigentliche dynastische Konflikt auf Reichsebene nutzt die Kölner Bürgerschaft für den eigenen Vorteil schamlos aus. So bietet die Stadt dem geschassten alten Kaiser Heinrich IV. Zuflucht. In Köln wird er zwar gebührend empfangen, aber dafür verlangt man natürlich eine Gegenleistung. Eine riesige Stadterweiterung wünscht man sich, gegen den Willen des Stadtherrn, dem Erzbischof von Köln! Wer wird sich also durchsetzen? Viel steht auf dem Spiel. Denn der junge Heinrich V. sammelt ein Heer und wird Köln im Jahr 1106 frontal angreifen. Wie das wohl ausgehen wird? Erfahrt es am 11. September! Überall dort, wo es Podcasts gibt.  


Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ hat auch Willem Fromm zu meinen „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.

Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du leben? Und warum gerade dort?

Eine Ranch in Oklahoma. Mit Hühnerstall, einem Fischteich und meiner US-amerikanischen Gastfamilie als Nachbarn. Natürlich nur für ein paar Wochen. Dann geht’s wieder nach Köln.

Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?

Ich reise gerne in die Welt hinaus, aber freue mich immer wie verrückt wieder nach Hause zu kommen. Wenn die Domspitzen in der Ferne das erste Mal wieder auftauchen. Ich glaube jeder kennt das Gefühl, der hier zuhause ist.

Was würdest du morgen in unserer Stadt ändern?

Wie hoch war das Zeichenlimit hier noch mal? 😉 Ich finde es schade, dass die Stadt oftmals unorganisiert scheint. Eine Großstadt zu organisieren ist selbstverständlich eine Wahnsinnsaufgabe und ich möchte mir selbstverständlich nicht anmaßen es besser machen zu können. Aber gerade mein aktueller Urlaub in geschichtsträchtige Großstädte wie Edinburgh und London haben mir vor Augen geführt, dass gerade die Kölner Altstadt, die ja der Hauptanlaufpunkt für Besuchende ist, eher vernachlässigt wirkt. Woran das genau liegt oder wer daran schuld ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Wir reden viel über Missstände in dieser Stadt und benennen sie deutlich. Was ich vermisse, ist jemand an verantwortlicher Stelle, der sich den Hut aufsetzt und sagt: „Problem erkannt, ich werde alles tun und ich bin die Ansprechperson dafür.“ Stattdessen wird meist das Problem hin und her geschoben und bleibt im Ungefähren. Und keiner will es anpacken.

 

Der Vierungsturm des Kölner Doms mit dem goldenen Stern von Betlehem, Bild: CEphoto, Uwe Aranas, CC-BY-SA-3.0
Der Vierungsturm des Kölner Doms ist der Lieblingsplatz von Willem Fromm, Bild: CEphoto, Uwe Aranas, CC-BY-SA-3.0

Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln?

Auf dem Vierungsturm des Kölner Doms.

Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?

Mein Standardprogramm: Donnerstag eher ruhig halten, aber Berliner kaufen und abends Kölsch trinken gehen. Sonntags den Zug in Porz schauen. Montags mit der auswärtigen Verwandtschaft sich den Rosenmontagszug anschauen, glücklicherweise kenne ich Spots, wo es nicht so voll ist. Dienstags dann noch den Nippeser Zug. Ich gestehe aber auch, dass mir in manchen Jahren ein Urlaub nach Hamburg oder in die Niederlande lieber waren.

Und was zwischen Aschermittwoch und Weiberfastnacht?

Ich mache da so einen Podcast, keine Ahnung, ob ich das hier schon angemerkt habe. 😉

Wat hät für dich noch immer jood jejange?

Der Support durch Familie und Freunde.

Halve Hahn, Bild: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)
Halve Hahn, das kölsche Lieblingsessen des Historikers Willem Fromm, Bild: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)

Dein kölsches Lieblingsessen?

Das mag zwar ziemlich simpel klingen, aber bei einer gewissen schwarz-gelben Bäckerei hole ich mir gelegentlich gerne auf die Hand ne Halve Hahn. Da verbindet sich auch übrigens meine eigene Identität. Das rheinländische Röggelchen mit dem niederländischen Gouda.

Dein Lieblingsschimpfwort auf Kölsch?

Leider sind viele Schimpfwörter oft sehr diskriminierend, daher würde ich… Ach, was soll’s, es ist du „Du bes en fiese Möpp!“ alternativ „Ahl Kraad“. Beide benutze ich wirklich zu oft.

Bitte vervollständige den Satz: Köln ist …

en Jungfrau un en ahle Möhn.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

Katharina Henot – die vermeintliche Hexe

Figur von Katharina Henot auf dem Rathausturm. Deutlich zu erkennen: Die Flammen des Scheiterhaufens. Sie ist in guter Gesellschaft: Die Figur neben ihr ist Friedrich Spee von Langenfeld, ein Kritiker der Hexenprozesse, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Figur von Katharina Henot auf dem Rathausturm. Deutlich zu erkennen: Die Flammen des Scheiterhaufens. Sie ist in guter Gesellschaft: Die Figur neben ihr ist Friedrich Spee von Langenfeld, ein Kritiker der Hexenprozesse, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Podcast Henot 5

Die sogenante „Hexenverfolgung“ ist ein trauriges Kapitel. Es gibt keine sichere Angabe zu den Opfern, manche Quellen gehen von bis zu 60.000 Toten aus. Darunter waren auch Männer, allerdings fanden überwiegend Frauen als vermeintliche „Hexen“ den Tod. So auch die Kölnerin Katharina Henot (oder auch Henoth, je nach Quelle), die am 19. Mai 1627 ermordet wurde.

Neid auf das lukrative Postmeister-Amt

Katharinas Vater Jacob Henot hatte seit 1579 das hochangesehene Amt des kaiserlichen Postmeisters in Köln inne. Doch seine Bestrebungen, Generalpostmeister zu werden, riefen die Neider aus dem Haus Taxis auf den Plan und führten zu 20 Jahren voller Streit um das lukrative Amt. Faktisch führten Katharina und ihr Bruder Hartger die Post-Geschäfte.

Als ihr Vater im Jahr 1625 im damals unglaublich hohen Alter von 94 Jahren starb, hielten die Geschwister den Tode des Familienoberhaupts zunächst geheim, um nicht die Geschäfte zu gefährden. Der Schwindel flog auf – und die Familie Henot verlor in einem Prozess das Recht auf die Postmeisterei an die Fürsten von Taxis.

Katharina wird der „Peinlichen Befragung“ unterworfen

Zeitgleich kamen in Köln Gerüchte auf, Katharina sei eine Hexe. Beweise waren z. B. eine Raupenplage in einem Kölner Kloster. Die Beschuldigte strengte daraufhin einen Prozess zum Beweis ihrer Unschuld an. Doch die Vorwürfe gegen Katharina häuften sich, sie wurde unter anderem wegen Schadenzaubers, Verbreitung von Zank und „Unzucht mit adeligen Herren“  angeklagt.

Daher wurde sie im Januar 1627 festgenommen und der „Peinlichen Befragung“ unterzogen. Die „Peinliche Befragung“ wurde bei Inquisitionsprozessen eingesetzt. Der Begriff ist von Pein abgeleitet bedeutet deswegen schmerzhaft. Tatsächlich handelt es sich um Folter mit dem Ziel, ein Geständnis zu erhalten. Der Einsatz der Folter wurde zur damaligen Zeit als durchaus legitim angesehen.1Leider wird auch heute noch von finsteren Regimen rund um den Erdball gefoltert. Danke an Thomas für diese Ergänzung.

So könnte auch die "Peinliche Befragung" Katharina Henots ausgesehen haben, Bild: Jan Luyken (1649 – 1712), Public domain, via Wikimedia Commons
So könnte auch die „Peinliche Befragung“ Katharina Henots ausgesehen haben, Bild: Jan Luyken (1649 – 1712), Public domain, via Wikimedia Commons

Insgesamt wurde die vermeintliche Hexe drei Mal gefoltert. Doch Katharina blieb standhaft und verweigerte ein Geständnis ihrer Hexerei. Eigentlich hätte der Prozess hier enden müssen, denn nach den damals gültigen Gesetzen hätte sie nach der dritten Folter ohne Geständnis freigelassen werden müssen. Trotzdem wurde sie zum Tode verurteilt.

Auf Melaten hingerichtet

Am 19. Mai 1627 wurde das Urteil auf Melaten vollstreckt. Der Scharfrichter erwürgte die von der Folter stark gezeichnete Katharina Henot, ihr Leichnam wurde verbrannt. Dieser Mord war der Auftakt zu einer ganzen Serie von Hexenprozessen im „Hillige Kölle“. Bis 1630 wurden mindestens 24 weitere Frauen als Hexen ermordet.

Es sollte aber noch mehr als 380 Jahre bis zur Rehabilitation der vermeintlichen Hexen dauern. Erst im Februar 2012 beschloss der Rat der Stadt Köln, auf Antrag der Nachfahren von Katharina Henot, die Rehabilitierung von insgesamt 38 Frauen, die im Zuge der Hexenprozesse verurteilt worden waren.


Heute trägt eine Straße in Ehrenfeld und eine Schule in Kalk ihren Namen. Das Historische Archiv begründet die Namensgebung der Schule wie folgt (Auszug):
„Ihre Persönlichkeit lässt mit Selbstbewusstsein, Gerechtigkeitssinn und Standhaftigkeit Eigenschaften erkennen, denen heute der Stellenwert von demokratischen Tugenden zugemessen wird.“

Die Bläck Fööss haben ihr mit dem Lied „Katharina Henot“  ein musikalisches Denkmal gesetzt. Den Text gibt es auf der Website der Föös.


Ein großes DANKE an Franz-Josef Knöchel vom Informationssystem  KuLaDig – Kultur. Landschaft. Digital. für wertvolle Korrekturhinweise zu diesem Artikel.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung