Der „Ruhende Verkehr“

Der "Ruhende Verkehr" von Wolf Vostell auf dem Hohenzollernring, Bild: VollwertBIT / CC BY-SA
Der „Ruhende Verkehr“ von Wolf Vostell auf dem Hohenzollernring, Bild: VollwertBIT / CC BY-SA

„Autogerechte Städte“ waren Anfang der 1960er Jahre das Maß aller Dinge. Die Stadtarchitektur vieler deutschen Städte war vollständig an den Interessen des motorisierten Individualverkehrs orientiert. Ein wesentlicher Wegbereiter dieser Idee war der Architekt Hans Bernhard Reichow, der 1959 das Buch „Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos“ veröffentlicht hat.

Man kann also sagen, dass Reichow auch ein Teil der Verantwortung dafür trägt, dass die Stadtplanung unserer Stadt maßgeblich an den Bedürfnissen der Autofahrer ausgerichtet ist. Ein berüchtigtes Beispiel dafür ist der Bau der Nord-Süd-Fahrt, welche nach zehnjähriger Bauzeit 1974 fertiggestellt wurde.

Der ruhende Verkehr nervt

In Köln sind etwa 550.000 Kraftfahrzeuge zugelassen, darunter etwa 476.000 PKWs 1zusätzlich 33.000 LKWs und 38.000 Motorräder, Quelle: Stadt Köln. Und diese vielen Autos müssen auch irgendwo abgestellt werden. In der Fachsprache ist das der „ruhende Verkehr“. Und dieser ruhende Verkehr nervt:

  • Alles ist zugeparkt, Gehwege werden zu Schneisen zwischen den Autos, Fahrradfahrer zu Slalom-Fahrern.
  • Die Feuerwehr hat regelmäßig Probleme, an im Parkverbot geparkten Autos vorbeizukommen.
  • Und wenn man selber Teil des ruhenden Verkehrs werden will, dreht man ewig lang seine Runden um den Block bei der Suche nach einem Parkplatz.

Alles nicht neu! Den Ärger um den „ruhenden Verkehr“ gibt es bereits seit Ewigkeiten.

Ein einbetonierter Opel Kapitän

Den kreativsten Umgang damit zeigte der Künstler Wolf Vostell (* 14. Oktober 1932, † 3. April 1998). Vostell war Maler, Bildhauer und Happeningkünstler. Ein wesentliches Merkmal seiner Werke war das Einbetonieren. Und so staunten die Kölner nicht schlecht, als Vostell am 4. Oktober 1969 mit seinem Opel Kapitän auf der Domstraße vorfuhr und das Auto mit laufendem Motor und angeschaltetem Radio einbetonierte.

Einen solchen Opel Kapitän (Modell P 2,6 / Baujahr 1960) betonierte Vostell ein, Bild: Guido Radig / CC BY
Einen solchen Opel Kapitän (Modell P 2,6 / Baujahr 1960) betonierte Vostell ein, Bild: Guido Radig / CC BY

Ein großer Betonmischer kippte tonnenweise Frischbeton in die vorbereite Verschalung über das Auto. Ein Dokumentarfilm zeigt diese Aktion und auch die Aufregung der Passanten.

Ein Mann, mit hörbar kölschen Einschlag in der Stimme, meint in dem Film dazu: „Ich würde sagen, grober Unfug ist noch zu glimpflich ausgedrückt. Stell dir vor, dass würde jeder machen, der ein paar Mark in der Tasche hat … wie es in einem Jahr in Köln aussähe.“ Vostell hatte sein Ziel erreicht: Der „Ruhende Verkehr“, so der Name des Kunstwerks, war mit einem Schlag mitten in der Diskussion.

Doch der Künstler hatte die Rechnung ohne die Stadt Köln gemacht. Die zweckentfremdete Nutzung von Parkraum wurde von Ordnungsamt geahndet und das tonnenschwere Kunstwerk nach etwa drei Wochen in der Domstraße auf den Neumarkt verfrachtet. Dort sollte ein (nie realisierter) Skulpturenpark aufgebaut werden. Doch die Reise des einbetonierten Autos war noch lange nicht vorbei. Der Betonklotz, der rudimentär die ursprünglichen Form des einbetonierten Autos zeigt, wurde in Paris und in Berlin ausgestellt.

Mittelstreifen statt regulärer Parkplatz

Mittlerweile steht der „Ruhende Verkehr“ auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings. Ein äußerst schlechter Platz, denn Vostell wollte ausdrücklich einen Parkplatz besetzen. „Das eingefrorene Auto“, so Vostell, „mitten zwischen anderen, noch verkehrstüchtigen Autos.“. Doch jetzt umflutet der Verkehr den Betonklotz.

Aber im März 2022 ist Bewegung in diese Diskussion gekommen. Die Bezirksvertretung Innenstadt hat auf Initiative der Grünen-Fraktion beschlossen, die Plastik auf eine Parkplatz unweit des aktuellen Standorts zu versetzen. Genau, wie Vostell es mit dem „Ruhenden Verkehr“ ausdrücken wollte.  Doch seit Dezember 2023 ist klar, dass das Kunstwerk an seinem Standort mitten auf den Ringen verbleiben wird: Der geplante Parkplatz auf der Hahnstraße sei schlicht zu schmal.

Ävver mer sin in Kölle. Also mal abwarten …


Vostell Plastik "Concrete Traffic" in einem Parkhaus der Universität Chicago, Bild: University of Chicago
Vostell Plastik „Concrete Traffic“ in einem Parkhaus der Universität Chicago, Bild: University of Chicago

Besser platziert ist die Vostell-Plastik „Concrete Traffic“ auf dem Campus der University of Chicago. Ein einbetonierter Cadillac steht dort seit 2016 auf einer regulären Parkfläche in einem öffentlichen Parkhaus.


Hommage "Ruhender Verkehr" (Wolf Vostell), eine einbetonierte Mercedes A-Klasse von Cornel Wachter, Bild: Leonce49 / CC BY-SA 2.0
Hommage „Ruhender Verkehr“ (Wolf Vostell), eine einbetonierte Mercedes A-Klasse von Cornel Wachter, Bild: Leonce49 / CC BY-SA 2.0

Der Kölner Künstler Cornel Wachter betonierte – als Hommage an Vostell – 2007 seine Mercedes A-Klasse ein. Dieses Werk steht heute vor dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn.


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Wo ist der Mittelpunkt von Köln? Ein überraschende Antwort!

Nicht der Dom, sondern der Hühnerfranz ist der Mittelpunkt von Köln, Bilder: Jörg Braukmann, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Dom), Uli Kievernagel (Hühnerfranz)
Nicht der Dom, sondern der Hühnerfranz ist der Mittelpunkt von Köln, Bilder: Jörg Braukmann, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Dom), Uli Kievernagel (Hühnerfranz)

Jedes (kölsche) Schulkind weiß: Dat Hätz vun d´r Welt, jo dat es Kölle. Und auch, dass hinger Kölle d´r Dschungel anfängt. Somit ist Köln der (selbsternannte) Nabel der Welt.

Es bleibt aber die Frage, wo genau denn der Mittelpunkt unserer Stadt zu finden ist. Wo ist Köln am kölschesten? Um es vorweg zu nehmen: Die Antwort auf diese Frage ist überraschend!

Der Dom als Mittelpunkt Kölns

Fragt man die Stadt, ist der Mittelpunkt unzweifelhaft der Dom:

„Als geographischer Mittelpunkt der Stadt wird häufig die Spitze des Vierungsturms des Kölner Doms im Zentrum der Stadt angegeben (WGS 84: Geographische Breite: 50° 56′ 29″, Geographische Länge: 6° 57′ 30).1Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik: „Die Kommunale Gebietsgliederung. Ein räumlicher Bezug für statistische Daten“, Köln 2022, Seite 3, https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/statistiksonstige/die_kommunale_gebietsgliederung.pdf

109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
Der Vierungsturm des Kölner Doms, laut Stadt Köln der Mittelpunkt Kölns, Bild: CEphoto, Uwe Aranas

Und wer will hier schon widersprechen? Kann es einen kölscheren Punkt als unsere majestätische Kathedrale geben? Wohl kaum. Deswegen würden die meisten Kölner dieser Angabe wohl sofort zustimmen: Köln ist da, wo der Dom ist. Und exakt in der Vierung, also die Stelle, wo sich Haupt- und Querschiff des Doms treffen, steht der Vierungsturm. Passt also: Hier ist der Mittelpunkt der Stadt.

Überraschung: Der „Hühnerfranz“ ist Kölns Mittelpunkt

Etwas anders sieht die Lage aus, wenn man verschiedene Kartendienste befragt. Lässt man sich eine beliebige Route anzeigen und gibt als Zielpunkt nur „Köln“ ein, landet man auf unterschiedlichen Punkten im Martinsviertel:

Wenn man sich mehrere Kartendienste anschaut stellt man fest, dass der "Hühnerfranz" eigentlich Kölns Mitte ist. Karte: Open Street Maps, Bearbeitung: Uli Kievernagel
Wenn man sich mehrere Kartendienste anschaut stellt man fest, dass der „Hühnerfranz“ eigentlich Kölns Mitte ist. Karte: Open Street Maps, Bearbeitung: Uli Kievernagel

Bemerkenswert: Schaut man sich die verschiedenen Mittelpunkte dieser Kartendienste genau an, könnte man auf den Gedanken kommen, dass diese Dienste sich als kölschen Mittelpunkt auf den Hühnerfranz, ein in der Kölner Schwulenszene beliebter Treffpunkt, geeinigt haben. Der Hühnerfranz liegt tatsächlich in der Mitte der jeweiligen Mittelpunkte.

Der "Hühnerfranz" in der Hühnergasse in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Der „Hühnerfranz“ in der Hühnergasse in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Zustand des Hühnergassen-Viertels kritisch

Wenn man sich im Mittelpunkt Kölns rund um den Hühner-Franz umsieht ist es erschreckend: Dreck an allen Ecken und Enden, der Müll steht mitten auf der Straße, viele der Ladenlokale stehen leer, die Fenster sind abgeklebt.

Allerdings liegt das anscheinend nicht an dem Investor.  Karl-Heinz Koch, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft KPI dazu im Kölner Stadt-Anzeiger2Ausgabe vom 17.09.2024: „Ich bin der Eigentümer von drei Immobilien und möchte hier umfangreich sanieren.“ Der Stillstand, so Koch, liegt am Wohnungsamt der Stadt.

Das Hühnergassenviertel mitten in der Stadt. Links oben ist der Heumarkt zu erkennen, unten rechts die Dächer des Rathauses. Bild: Raimond Spekking
Das Hühnergassenviertel mitten in der Stadt. Links oben ist der Heumarkt zu erkennen, unten rechts die Dächer des Rathauses. Bild: Raimond Spekking

Koch hatte 2021 ein Grundstück zwischen Unter Käster, der Hühnergasse und dem Alter Markt gekauft. Auf diesem Grundstück befinden sich drei Immobilien. Aber leider wird es für Koch äußerst kompliziert, hier umzubauen. Es geht unter anderem um die fehlende Barrierefreiheit, die nur durch einen Abbruch und Neubau erreicht werden kann. Allerdings liegt unter dem Haus der Tunnel der U-Bahn. Daher verlangt die KVB im Falle des Abbruchs ein „messtechnisches Monitoring-Konzept“, welches alleine schon ca. 250.000 Euro kosten soll. Sollte es zur einer Gefährdung des Tunnels kommen, ist ein sofortiger Baustopp vorgesehen. Für beides müsste Koch als Bauherr die Kosten tragen. So wird der Umbau zu einem risikoreichen Unterfangen.

Sollte Karl-Heinz Koch allerdings doch das Vorhaben angehen, steht die nächste Schwierigkeit im Raum: Der Immobilienunternehmer plant, in dem Neubau Kurzzeitvermietungen anzubieten. Und so steht das nächste Problem im Raum: Die Stadt würde das Vorhaben als Hotelgewerbe beurteilen, welches das Wohnungsamt aber nur in einem Teil des Gebäudeensembles zulassen würde. Alle denkbaren Varianten, dieses Vorhaben doch umzusetzen, indem zum Beispiel Wohnraum als Kompensation geschaffen wird, scheitern bisher an den äußerst komplexen Vorschriften.

Koch ist von der Stadt genervt: “Die Warterei macht dich seelisch kaputt.“ Und auch finanziell wird das Hühnergassen-Projekt zu einem teuren Vorhaben: Nach eigenen Angaben hat Karl-Heinz Koch bereits 300.00 Euro Verlust hier gemacht. Aber solange es hier nicht weitergeht, bleibt es im Mittelpunkt der Stadt dreckig und wenig attraktiv.

GPS-Referenzpunkt in Deutz

Am Deutzer Rheinufer, fast direkt an der Hohenzollernbrücke, befindet sich der GPS-Referenzpunkt für Köln. Allerdings bezeichnet dieser Punkt nicht den Mittelpunkt der Stadt, sondern dient als Kalibrierung für GPS-Geräte.

Privat genutzte Geräte können in der Regel nur auf 3 bis 30 Meter genau eine Position bestimmen. Um aber eine Position auf wenige Zentimetern genau zu bestimmen, gibt es GPS-Referenzpunkte.

Dieser Punkt in Deutz liegt exakt auf

  • 50°56,4666‘ nördl. Breite,
  • 06°58,1161‘ östl. Länge und
  • 55,38 Meter über Normalhöhennull.

Wer es ganz genau wissen will: Diese Daten beziehen sich exakt auf den Punkt in der Mitte der Bronzeplatte.

Der GPS-Referenzpunkt Köln am Deutzer Rheinufer, Bild: Raimond Spekking
Der GPS-Referenzpunkt Köln am Deutzer Rheinufer, Bild: Raimond Spekking

Jeder Jeck ist anders!

Allerdings sind wir Kölschen dafür bekannt, es nicht immer so ganz genau zu nehmen. Daher definiert jeder Kölner seinen „Kölschen Mittelpunkt“ anders: In seinem Veedel, in seiner Wohnung oder in seiner Stammkneipe: Wer mich sucht, findet mich an meinem ganz persönlichen kölschem Mittelpunkt. Die Koordinaten lauten:

50.905935, 6.958400


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Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der anstehenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


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Das Richter-Fenster im Dom – ein Meisterwerk

Das Richter-Fenster am Kölner Dom, Bild: Raimond Spekking
Das Richter-Fenster am Kölner Dom, Bild: Raimond Spekking

Mittags, von etwa 12 Uhr bis 13 Uhr, bei gutem Wetter mit Sonnenschein, ist die Wirkung am stärksten: Das bunte Licht „fällt“ in die Kathedrale, wandert über den Boden und umspielt die massiven Säulen der gigantischen Kathedrale. Das Richter-Fenster im Dom ist vielleicht der Höhepunkt eines Besuchs im Dom. Farbige Lichtpunkte versetzen die Besucher in Erstaunen. Die Kombination aus der majestätischen Kathedrale und dem bunten Licht ist ein echtes Erlebnis.

Meisner: „Eher ein Fenster für eine Moschee“

Unter den Namen „Südquerhausfenster“ kennt kaum einer dieses Kunstwerk. Alle sprechen vom Richter-Fenster. Der Künstler Gerhard Richter (geb. 1932) hat das Fenster entworfen. Und damit zunächst alle vor den Kopf gestoßen.

Der damalige Erzbischof von Köln, Kardinal Joachim Meisner, meinte, dass das Fenster „eher in eine Moschee oder ein anderes Gebetshaus“ passen würde, aber nicht in eine gotische Kathedrale. Seine Abneigung ging so weit, dass er plante, seinen Bischofsstuhl im Dom umsetzen zu lassen, um nicht auf das von ihm so verhasste Fenster blicken zu müssen. Nur durch gutes Zureden vom Dompropst Norbert Feldhoff konnte der sture Meisner von dieser Idee abgebracht werden. 

Rekonstruktion der zerstörten Fenster unmöglich

Geistige Urheberin der Idee, Richter das Fenster gestalten zu lassen, war die Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Sie hatte, mit Beginn ihrer Amtszeit im Jahr 1999, vom Domkapitel den Auftrag bekommen, die Neuverglasung des Domquerhauses in Angriff zu nehmen.

Seit dem zweiten Weltkrieg war dort nur eine Notverglasung angebracht: Helle Scheiben mit Ornamenten, die vielleicht einer etwas in die Jahre gekommenen Kneipe angemessen waren. Aber nicht dem wunderbaren Dom.

Das ursprünglich dort angebrachte Fenster zeigte drei Könige und drei Bischöfe. Dieses Fenster wurde bei den Bombenangriffen auf Köln zerstört und konnte nicht wiederhergestellt werden: Die Vorlage der Abbildung lagerte in Berlin und war dort verbrannt, so dass eine Rekonstruktion unmöglich war. Was sich nachträglich als Glück herausstellen sollte.

Erste Ideen, das Fenster mit Bildern von Märtyrern des 20. Jahrhunderts zu gestalten, erwiesen sich als nur sehr schwer realisierbar: Die ausgewählten Personen, darunter die Nonne Edith Stein und Pater Maximilian Kolbe, trugen schwarze Ordensgewänder. Und eine große Fläche mit schwarzem Glas bezeichnete Schock-Werner als „denkbar unglückliches Ansinnen“. Zudem stellte sich die Frage, wie riesige Portraits in etwa 30 Metern Höhe wirken sollten.

Detailansicht des Richters-Fensters, Bild: Geolina163, CC BY-SA 3.0
Detailansicht des Richters-Fensters, Bild: Geolina163, CC BY-SA 3.0

11.263 Farbquadrate

So kam es, dass die Dombaumeisterin bei einem Empfang eher zufällig auf Gerhard Richter stieß. Und ihn bei einem Glas Sekt ungeniert fragte, ob er nicht die Gestaltung des Fensters übernehmen könnte. Richters direkte Antwort: „Ich kann das ja mal probieren. Aber damit das gleich klar ist: Dafür werde ich kein Geld nehmen.“

Und Richter machte sich an die Arbeit. Nach einem halben Jahr präsentierte er die ersten Entwürfe: Der Künstler hatte eine Reproduktion seines Bildes „4096 Farben“ zerschnitten und hinter das Maßwerk der Fenster geklebt. Farbige Quadrate, scheinbar willkürlich hinter einem gotischen Kirchenfenster. Barbara Schock-Werner war fassungslos, das Domkapitel zunächst konsterniert: Farbige Quadrate statt figürliche Darstellungen von Heiligen?

Erst 18 Entwürfe und vier Jahre später waren nicht nur die Dombaumeisterin sondern auch das Domkapitel überzeugt: Das 106 Quadratmeter große Fenster wurde mit insgesamt 11.263 Farbquadraten in Bierdeckelgröße in 72 Farben gestaltet. Die Auswahl der Farben orientierte sich an den Farben, die in bereits bestehenden Fenstern des Doms verwendet wurden.

Die einzelnen Quadrate wurden nach dem Zufallsprinzip angeordnet, wobei Wiederholungen und Spiegelungen von Richter ausdrücklich vorgesehen waren. So spiegeln sich die Bahnen eins und drei, zwei und fünf sowie vier und sechs.

An einigen wenigen Stellen korrigierte Richter die zufällige Verteilung, um eine Gegenständlichkeit zu vermeiden, wie etwa eine durch blaue Quadrate gebildete Ziffer „1“ im unteren Bereich.

Strenge Geometrie

Gerhard Richter arbeitete wie versprochen ohne Honorar, trotzdem mussten die Herstellungskosten von etwa 370.000 Euro aufgebracht werden. Das Domkapitel ging dafür kötten und etwa 1.200 Spender finanzierten das neue Fenster.

Dann ging es an die konkrete Umsetzung und den Einbau des Fensters. Kein leichtes Unterfangen, denn die einzelnen Quadrate mussten exakt zueinander ausgerichtet werden. Sollte auch nur ein kleiner Versatz entstehen, würde das bei der zugrundeliegenden strengen Geometrie sofort auffallen.

Das Richter-Fenster "malt" bunte Farben in den Dom, Bild: Geolina163, CC BY-SA 3.0
Das Richter-Fenster „malt“ bunte Farben in den Dom, Bild: Geolina163, CC BY-SA 3.0

Grandiose Wirkung

Bis zur feierlichen Einweihung des Fensters stieg die Spannung in der gesamten Stadt. Die Baustelle war durch eine Plane abgedeckt, nach dem Einbau verhinderte ein schwarzer Vorhang den Blick auf das Fenster.

Als der Vorhang am 25. August 2007 fiel1Kardinal Meiser war bei der feierlichen Einweihung nicht dabei – er hatte sich  an diesem Tag eine Dienstreise nach Polen gegönnt., fielen auch Barbara Schock-Werner und Gerhard Richter ganze Felsbrocken vom Herzen. Die Wirkung des Fensters war vom ersten Moment an grandios – und ist es heute noch.

Schock-Werner dazu: „Rund 80 Prozent aller Besucher im Dom finden das Richter-Fenster ganz toll und kommen immer wieder, um zu gucken. Viele Fans kommen sogar zu unterschiedlichen Zeiten, um das Fenster in verschiedenen Lichtsituationen zu erleben.“

Und das solltet ihr auch tun! Am besten mittags zwischen 12 und 13 Uhr, wenn die Sonne genau ins Fenster scheint.


Erinnerung an Karneval?

Böse Zungen behaupten, das Richter-Fenster würde den Kölschen nur deshalb so gut gefallen, weil es sie an ein beliebtes Karnevalskostüm erinnert:
`Ne Lappenclown. Ist natürlich Quatsch. Wobei …

Detailansichten: Lappenclown (links), Richter-Fenster (rechts), Bilder: Uli Kievernagel
23 Detailansichten: Lappenclown (links), Richter-Fenster (rechts), Bilder: Uli Kievernagel

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Der Barbarossaplatz – der hässlichste Platz Kölns

Nä - wat doch fröher schön: Der Barbarossaplatz um 1900
Und? Erkennst du diesen Platz? Das ist der Barbarossaplatz um 1900

Podcast Barbarossaplatz 20

Die Band Querbeat hat dem Barbarossplatz ein Lied gewidmet. Der Text passt fast perfekt:

„Guten Morgen Barbarossaplatz
Bist du auch noch wach?
Hast du auch die letzte Nacht wieder durchgemacht?“

Korrekt müsste es aber heißen „Hast du auch die letzten Jahre wieder durchgemacht?“. Denn so sieht er aus: verbraucht, dreckig, runtergekommen. Eben genau so wie jemand, der jahrzehntelang einfach durchgemacht hat. Der Barbarossaplatz ist, so der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings in einem Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers 1Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.09.2019 „der am meisten vernachlässigste Platz der Stadt“.

Okay, zugegeben: In unserer leider an vielen Stellen hässlichen Stadt gibt es noch eine ganze Reihe anderer Anwärter auf den Titel „Schrecklichster Platz“. Der Ebertplatz ist mit Sicherheit weit vorne, aber auch der Breslauer Platz, der Neumarkt oder die Domplatte sind in den Top Ten. Angeführt wird diese aber eindeutig vom Barbarossaplatz.

Was macht einen Platz aus?

Plätze haben in einer Stadt spezielle Funktionen. Der Stadtplaner Dr. Ulrich Hatzfeld dazu 2 In einem Beitrag zu „Stadt macht Platz – NRW macht Plätze, Dokumentation Landeswettbewerb 2004/05“, https://stadtbaukultur-nrw.de/site/assets/files/1561/stadtmachtplatz2004_dokumentation.pdf: „Plätze als städtebauliche Kunstwerke, als Gegenstand des städtebaulichen Denkmalschutzes, als innerstädtische Freiräume, als Orte der sozialen und ethnischen Integration, als politische Bühnen und vieles mehr.“

Betrachtet man den Barbarossaplatz, versagt dieser in jeglicher Dimension: Kein Kunstwerk, kein Denkmalschutz, definitiv kein Freiraum, von sozialer und ethnischer Integration Lichtjahre entfernt und als politische Bühne unbrauchbar. Barbarossaplatz: Sechs, setzen.

Och, wat wor dat fröher schön.

Tatsächlich was das nicht immer so. Betrachtet man Fotos längst vergangener Zeit, so war der Barbarossaplatz tatsächlich mal schön. Mit einem Springbrunnen in der Mitte, Platz zum Flanieren, Bäumen und schönen Gebäuden.

Der Barbarossaplatz um 1890
Der Barbarossaplatz um 1890

Der Barbarossaplatz war Teil einer ganzen Reihe von attraktiven Plätzen, die durch den Ausbau der Ringe entstanden sind. Der Abriss der mittelalterlichen Stadtmauer um das Jahr 1880 schaffte dringend benötigten Platz, um an der Stelle des ehemals freien Schussfelds einen Prachtboulevard zu errichten – die Ringe entstanden. An den Stellen, wo die großen Ausfallstraßen die Ringe kreuzten, wurden Plätze geschaffen. So entstanden unter anderem der Rudolfplatz, der Ebertplatz und auch der Barbarossaplatz.
Dieser wurde am 10. Mai 1883 eingeweiht und benannt nach Friedrich I., einem Stauferkaiser. Gut, dass dieser Kaiser (wegen seines roten Barts „Barbarossa“ genannt) bereits 1190 starb. Ansonsten würde er wohl kaum zulassen, dass sein Name für die Scheußlichkeit von Platz missbraucht wird.

Wachsender Verkehr und Nachkriegsarchitektur

Allerdings sorgte nicht erst die Zerstörung der Stadt im zweiten Weltkrieg und der Wiederaufbau für die Verschandelung des Platzes. Bereits in den 1930er Jahren veränderte sich der Barbarossaplatz. Zugunsten des wachsenden Verkehrs wurde aus der Grünfläche ein Kreisverkehr, Straßenbahnen kreuzten den Platz.

Der Neuaufbau nach dem Krieg gab dem Barbarossaplatz dann den Rest. Ulrich Krings3Kölner Stadt-Anzeiger vom 12.09.2019 dazu: „Das Konzept der autogerechten Stadt … ist hier ganz brutal zum Tragen gekommen.“ Niemand, so Krings, habe sich um die Randbebauung gekümmert. „Es wimmelt hier nur so von Scheußlichkeiten“. Recht hat er.

Impressionen vom Barbarossplatz

Kein Platz, eher eine große Kreuzung

Heute ist vom Platzcharakter nichts mehr übrig. Der Platz ist eine gigantische große Kreuzung. Immerhin sieben Straßen kreuzen sich hier und vier Stadtbahnen-Linien überqueren den Barbarossplatz. Wer einmal versucht hat, diesen Platz zu Fuß zu überqueren, wird auch im Verkehr von Neapel, Istanbul oder Kairo überleben. Alle Pläne einer Neugestaltung, wie zum Beispiel die Straßenbahn unter die Erde zu legen, wurden aus finanziellen Gründen nicht weiterverfolgt.

Kein Wunder, dass es in dem Song von Querbeat auch lautet:

„Die Nacht sieht man uns an, alle Farben im Gesicht
Barba so bist du, und so bin ich“


Jan Kamensky hat eine sehenswerte Vision für den Bararossaplatz entwickelt: Weg mit den Autos, mehr Platz für die Menschen, Bild: Jan Kamensky, VISUAL UTOPIAS
Jan Kamensky hat eine sehenswerte Vision für den Bararossaplatz entwickelt: Weg mit den Autos, mehr Platz für die Menschen, für das Video bitte auf das Bild klicken, Bild: Jan Kamensky, VISUAL UTOPIAS

VISUAL UTOPIAS: So schön könnte der Barbarossaplatz aussehen

Wie der Barbarossaplatz ohne Autos aussehen könnte, zeigt der Utopist Jan Kamensky. Seine Überzeugung: Es ist wichtig, zu sehen, was passiert, wenn wir die von Autos dominierten Straßen in menschenfreundliche Orte verwandeln. Deshalb erstellt Kamensky utopische, autofreie Animationen von Plätzen wie zum Beispiel der Karl-Marx-Allee in Berlin, dem Rosenberger Platz in Stuttgart oder der Kohlberger Straße in Wien.

Besonders beeindruckend: Seine Vision des Barbarossaplatzes. So wird in dem Video aus dem hässlichsten Platz Kölns einer der schönsten Plätze der Stadt. Besonders schön ist auch seine Vision der heute durchaus hässlichen Komödienstraße. Tipp: Das Video unbedingt bis zum Ende schauen, hier klatscht sogar der Dom Beifall!

Jan Kamensky, VISUAL UTOPIAS


Der Garten der Religionen - Ruheoase mitten in der Großstadt, Bild: Uli Kievernagel
Der Garten der Religionen – Ruheoase mitten in der Großstadt, Bild: Uli Kievernagel

Oase der Ruhe in der (fast unmittelbarer) Nähe: Der Garten der Religionen

Gerade mal 400 Meter Luftlinie vom Barbarossaplatz entfernt liegt einer einem der schönsten und zugleich unbekanntesten Plätze der Domstadt: Der „Garten der Religionen“.


Logo der Stunksitzung

Die „Schönheit Kölns“ in der Stunksitzung

Auch die Stunksitzung legt den Finger in die Wunde: In der Nummer „Der andere Rieu“ aus dem Jahr 2018 wird die (vermeintliche) „Schönheit Kölns“ besungen.  (Danke an Marlies für diese Ergänzung! ) 


Film „Über Barbarossaplatz“

Der WDR hat mit „Über Barbarossaplatz“ dem Platz auch den passenden Film gewidmet. In diesem 2016 gedrehten Film fühlt sich die Psychologin Greta nach dem Selbstmord ihres Mannes mitschudig an dessen Tod. 

Caroline Ströbele schreibt dazu in der Zeit Online4Zu hart für die Couch – Über Barbarossaplatz bei Zeit Online, abgerufen am 27. April 2017: „Köln hat die interessanteste Rolle in diesem Film. Die Stadt ist lärmig und aggressiv, keine Spur Kölner Fröhlichkeit. Der Verkehrslärm des titelgebenden Barbarossaplatzes übertönt jedes Gespräch, die Menschen sind brutal, überall wird geschoben und gedrängelt, es ist immer zu voll und zu laut.“


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Die „Poller Köpfe“- Köln ohne Rhein?

Bei Hochwasser gab es einen zweiten Verlauf des Rheins östlich von Deutz. Ein große Gefahr für die Stadt Köln. Karte: OpenStreetMap
Bei Hochwasser gab es einen zweiten Verlauf des Rheins östlich von Deutz. Ein große Gefahr für die Stadt Köln. Karte: OpenStreetMap

Es wäre für die Stadt Köln eine Katastrophe gewesen! Der Rhein fließt nicht im gewohnten Flussbett, sondern sucht sich einen neuen Verlauf. Statt westlich verläuft der Fluss auf einmal ab Poll östlich an Deutz vorbei, um dann erst in Mülheim ins alte Flussbett zurückzukehren.

Klingt aberwitzig – aber diese Gefahr drohte ab ca. dem 12. Jahrhundert. Und es passierte bereits vereinzelt bei Hochwasser und Eisgängen: In Köln kam nur noch ein flaches Rinnsal an, der Fluss suchte sich ein neues Bett. Höchste Alarmstufe für die Stadt, denn damit war die grundsätzliche Schiffbarkeit des Rheins gefährdet und somit Kölns Wohlstand. Ohne den Handel, welcher zum größten Teil über den Rhein abgewickelt wurde, und ohne das äußerst lukrative Stapelrecht wäre Köln bedeutungslos geworden.

Köln ohne Rhein? Undenkbar!

Daher wurde bereits seit dem 12. Jahrhundert das Poller Rheinufer befestigt, um eine solche „Umleitung“ zu verhindern. Durch Anpflanzungen und Dämme entlang der heutigen Poller Wiesen sollte verhindert werden, dass Köln vom Rheinstrom abgeschnitten würde.

Problematisch war allerdings, dass Poll damals noch nicht zur Stadt gehörte, sondern zu den Besitztümern des Erzbischofs, mit dem die Kölner regelmäßig im handfesten Streit lagen. Doch auch der Erzbischof war nicht daran interessiert, dass Köln seinen Rang als Handelsmetropole verlieren könnte. Großzügig erlaubte der Kirchenmann, dass die Kölner Weiden zur Uferbefestigung auf seinem Grund pflanzen durften – allerdings auf Kosten der Kölner Bürgerschaft.

Ausschnitt aus einer Federzeichnung von 1583 mit den "Poller Köpfen", Bild: Stadtarchiv Köln
Ausschnitt aus einer Federzeichnung von 1583 mit den „Poller Köpfen“, Bild: Stadtarchiv Köln

Mammutprojekt „Poller Köpfe“

Doch diese Uferbefestigung war nicht stark genug, um bei Hochwasser nachhaltig eine mögliche Veränderung des Flussbettes zu unterbinden. Daher nahm die Stadt Köln im Jahr 1557 das Poller Ufer in Erbpacht, um ein Mammutprojekt in Angriff zu nehmen: Die „Poller Köpfe“. Auch hier bat der Erzbischof die Kölner kräftig zur Kasse: Die Pachtzahlung bestand in zwei Tonnen Heringen pro Jahr und zusätzlich in einem vergoldeten Geschirr – und für jeden neuen Erzbischof auch ein neues Goldgeschirr.

Ab 1560 begannen die Bauarbeiten. Es wurden schwere Uferbefestigungen („Köpfe“) angelegt. Dafür wurden massive Eichenstämme mit Querbalken im Flussgrund befestigt. Die so entstanden Kästen wurden mit Basaltbrocken gefüllt. Die Dimensionen dieser Anlage waren gewaltig: Mehrere Hundert Meter lange und etwa acht Meter breite Konstruktionen, welche bis zu 3 Meter aus dem Wasser herausragten. Zur Beschaffung des nötigen Bauholzes erwarb die Stadt Köln ein eigenes Waldgrundstück.

Um das Bollwerk gegen die Kräfte des Rheins noch weiter zu sichern, wurden alte und beschädigte Rheinschiffe angekauft und – beschwert mit Steinen und gesichert durch in den Boden getriebene Eichenpfähle – gezielt unmittelbar vor den Poller Köpfen versenkt. Damit die Pflege des Bauwerks gesichert war, stellte die Stadt eigens einen „Weidenhüter“ ein: Ein städtischer Beamter mit Wohnsitz auf der Anlage, der diese ständig im Blick hatte.

Im Jahr 1641 wurde ein steinernes Wehr zur Unterstützung der Anlage eingebaut. Aber erst mit Bau des Deutzer Hafens ab 1895 wurden die weit in den Rhein ragenden Bestandteile der Poller Köpfe entfernt und durch moderne Befestigungsanlagen ersetzt. Die Halbinsel „Poller Werth“ wurde zum Deutzer Hafen.

Die Poller Wiesen heute, rechts der Deutzer Hafen, Bild: ToLo46, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Die Poller Wiesen heute, rechts der Deutzer Hafen, Bild: ToLo46, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Poller Wiesen sind heute Bodendenkmal 

Als Uferbefestigung sind heute nur noch die in den Rhein ragenden Buhnen auf den Poller Wiesen zu sehen, die Reste der „Poller Köpfe“ liegen unter den Poller Wiesen.

Diese sind nicht nur ein beliebtes Erholungsgebiet, sondern auch als Bodendenkmal geschützt. Im Jahr 2003 wurden dort bei Niedrigwasser zwei im 16. Jahrhundert gezielt zur Verstärkung der „Poller Köpfe“ versenkte „Niederländer“1Ein spezieller Schiffstyp zum Frachttransport auf dem Rhein. gefunden. Doch die Archäologen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Bei Probegrabungen stellte sich heraus, dass bis zu 100 weitere Schiffe dort gezielt versenkt wurden.

Sogenannte "Niederländer" für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee. Am linken Bildrand ist das Holzgestell zu erkennen, welches die Anlegestellen der Ober- und Niederländer trennt, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Sogenannte „Niederländer“ für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531

Als dann noch Kampfmittelräumer die Poller Wiese für den Papstbesuch anlässlich des Weltjugendtags 2005 in Köln – der Papst hielt vom Schiff aus eine Ansprache für die auf den Poller Wiese versammelten Gläubigen – auf eventuell im Schlick verborgene Weltkriegsbomben untersuchten, fanden sie auch mit Hilfe der dabei eingesetzten Metalldetektoren Teile der alten Befestigungsanlagen der „Poller Köpfe“, wie Eisenschuhe zur Verankerung der Eichenbalken. Daher wurden die Poller Wiesen am 24. Oktober 2005 in die Bodendenkmalliste eingetragen.

Der Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Die Gläubigen im Vordergrund stehen auf den Poller Wiesen, Bild: Ingrid Schultz, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons
Der Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Die Gläubigen im Vordergrund stehen auf den Poller Wiesen, Bild: Ingrid Schultz, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons

Und wenn man sich heute bei gutem Wetter auf den Poller Wiesen sonnt und den Drachen, die dort regelmäßig steigen, zusieht, ahnt man kaum, dass genau hier massive Uferbefestigungen gestanden haben. Ohne diese wäre Köln eventuell vom Rhein abgeschnitten  worden. 

Und dann wäre es aus gewesen mit „Köln am Rhein“. 


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Der Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster

Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild :Uli Kievernagel)
Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild :Uli Kievernagel)

Welche Merkmale muss ein städtisches Bauprojekt aufweisen, um als gänzlich missglückt bezeichnet zu werden? Mario Kramp, ehemaliger Leiter des Kölnischen Stadtmuseums, hat diese Merkmale aufgezählt:

  • Ewiges Gerangel um Finanzen,
  • geschönte Kostenschätzungen,
  • mangelnde Entschlusskraft,
  • Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten,
  • Dauer von Ausschreibungen und Fehlentscheidungen bei der Vergabe,
  • Planungsfehler, Bau- und Materialmängel,
  • unseriöse Firmen,
  • gegenseitige Schuldzuweisungen,
  • Wechsel in der Bauleitung,
  • Lobhudelei bei der Grundsteinlegung,
  • langwieriges Herumdoktern an einer eigentlich missglückten Konstruktion.1Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Und NEIN – hier geht es nicht um die Kölner Oper! Sondern um den Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster mit Baubeginn ziemlich genau 200 Jahre vor dem Beginn der Opernsanierung.

Eisgang 1784

Die ganze Diskussion um einen Hafen, der den Rheinschiffern Schutz vor dem regelmäßigen Hochwasser des Rheins bieten sollte, begann nach dem Eisgang im Jahr 1784. 

Dieser verheerende Eisgang mit dem Jahrhundert-Hochwasser am 27./28. Februar 1784 kostete 65 Menschen in Köln das Leben, zerstörte bestehende Hafenanlagen und überflutetet das damals noch eigenständige Mülheim. Auch die komplette Kölner Schiffsflotte wurde vernichtet.

Verständlicherweise forderten die Rheinschiffer einen Schutz vor solchen Verwüstungen. Diese Forderung deckte sich auch mit den militärischen Interessen der französischen Besatzungsmacht, Schiffe in einem geschützten Bereich unterzubringen.

Die Forderung: Bau eines Sicherheitshafens, ähnlich wie Anlagen in Mainz und Düsseldorf.

Größtes städtebauliches Projekt der Franzosenzeit in Köln

Am Dreikönigstag 1811 (6. Januar) genehmigte Kaiser Napoleon höchstpersönlich den Bau eines Sicherheitshafens in Köln. Dieser sollte am heutigen Theodor-Heuss-Ring bis an die östliche Seite des heutigen Ebertplatzes heranreichen. Zwischen dem Hafen und der Stadt verlief damals dort noch die mittelalterliche Stadtmauer.

Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei
Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei

In der Nähe des Hafens liegt das Kunibertstürmchen, Teil der mittelalterlichen Stadtmauer.2Die Kölner haben den Kunibertsturm und das Kunibertstürmchen verwechselt, daraus ist die Sage des „Weckschnapp“ entstanden. Daher wurde der Sicherheitshafen auch „Thürmchenshafen“ genannt. Weitere Namen waren „Napoleonhafen“ oder „Franzosenhafen“.

Voller Hoffnung, dass die Bauarbeiten schnell erledigt wären, berichtete das „Journal de la Roer“ in seiner Ausgabe vom 21. April 1812:

„Die Arbeiten am Sicherheitshafen … werden mit so viel Thätigkeit fortgesetzt, daß man sie künftiges Jahr beendigen wird.“

Diese Einschätzung sollte sich als völlig verfehlt erweisen. Zwar wurde im April 1811 mit den Vorarbeiten gestartet und Hafenmauern und Hafeneinfahrt errichtet. So konnte, mit allem Pomp inklusive Volksfest und Feuerwerk, am 10. November 1812 feierlich der Grundstein des Hafenbauwerks gesetzt werden. Der Präfekt des Departments, Jean Charles François de Ladoucette, erklärte auf dem feierlichem Bankett zur Grundsteinlegung dann auch großspurig:

 „Am 10. November 1812, im achten Jahr der Regierung Napoleons des Großen, Kaiser der Franzosen […] wurde der erste Stein gelegt für dieses Bauwerk, errichtet für die Sicherheit und die Wohlfahrt des Handels auf dem Rhein, mit Unterstützung der kaiserlichen Freigebigkeit, der Gelder der Stadt und der des Kölner Handels.“

Der Deal: Die Stadt bezahlt die Baukosten von 750.000 Franc und darf die Hafengebühren behalten. Der „Kölner Handel“ hatte sich an der Finanzierung des Sicherheitshafens beteiligt. In den „Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811 wird darauf hingewiesen, dass die Handelskammer dafür ein Darlehen in Höhe von 250.000 Franc bereitstellt.

„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811
„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811

Teures Provisorium

Zwar wurde der Sicherheitshafen 1813 eröffnet – allerdings nur als Provisorium. Es fehlten noch Kais und Hafenanlagen, der Hafen war nicht tief genug ausgebaggert, und auch die geplante Brücke über die Hafeneinfahrt gab es noch nicht. Statt der geplanten 190 Schiffe fanden nur ca. 70 Schiffe dort Platz. Es darf aber auch bezweifelt werden, dass selbst diese Kapazität jemals komplett ausgelastet wurde. Angemessene Pflege und Ausbau des Hafens: Fehlanzeige!

Als 1814 die Franzosen abzogen, übernahmen die Preußen mit dem Hafen ein „.. ärgerliches Flickwerk, aus Geldmangel nur notdürftig instand gehalten.“3Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“ Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64]

Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt
Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt

Ärgerlich war auch, dass bis 1820 immer noch keine Brücke über der Hafeneinfahrt errichtet war, weil ständig Geld fehlte. Als Kompromiss wurde beschlossen, eine provisorische Brücke aus Holz zu errichten. Zwar lag das eigens dafür bestellte Holz bereit, doch mangels Baugenehmigung verrottete dieses ungenutzt. Erst in den 1830ern wurde eine einfache Klappbrücke über der Hafeneinfahrt errichtet.

Im Jahr 1840 wurde das Hafenbecken noch einmal vertieft, allerdings wurde deutlich, dass die gesamte Hafenanlage eine grandiose Fehlplanung war. Das lag auch an der falsch konstruierten Hafeneinfahrt.

Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons

Hafeneinfahrt wird zum unüberwindbaren Nadelöhr

Während der überaus langen Bauzeit etablierte sich die Dampfschifffahrt auf dem Rhein. Die Schiffe wurden größer, und die schmale Hafeneinfahrt zum Sicherheitshafen entpuppte sich als unüberwindbares Nadelöhr. Diese Einfahrt stand senkrecht zum Rhein. Die starke Strömung des Rheins machte für die Schiffe ein Einfahrtsmanöver zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Somit war der Hafen faktisch unbrauchbar. Auch die Rheinschiffahrts-Kommission bescheinigte, dass der Kölner Sicherheitshafen ganz unzulänglich und untauglich sei und der Bau eines ordentlichen Sicherheitshafens erforderlich ist.

Der "Allgemeine Anzeiger - Kölnische Handelszeitung" berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885
Der „Allgemeine Anzeiger – Kölnische Handelszeitung“ berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885

Mario Kramp schreibt dazu: „Wie man es drehte und wendete: In dem Augenblick, als der Sicherheitshafen endlich halbwegs fertiggestellt war, erkannte man, dass die ganze Anlage verfehlt und nicht mehr für moderne Erfordernisse herzurichten war.“4Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln
Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln

Als Alternative entstand der Rheinauhafen. Dieser hat eine deutlich breitere Einfahrt (mehr als 21 Meter), und die Hafeneinfahrt liegt in einem deutlicher flacheren Winkel zum Rhein.

1895 wird das Hafenbecken zugeschüttet

Im Winter 1894/1895 haben die letzten Schiffe den Sicherheitshafen genutzt, das Hafenbecken versandete zunehmend und wurde zu einem Tümpel. Im Folgejahr wurde die Anlage komplett aufgegeben und das Hafenbecken verfüllt. Mit dem Abriss der Stadtmauer und der damit einhergehenden Stadterweiterung wurde der ehemalige Hafen zur größten Parkfläche entlang der Kölner Ringe umgewandelt.

Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei
Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei

Heute ist dieser Park auf der einen Seite eine grüne Oase in der Großstadt, auf der anderen Seite leider auch – zumindest bei gutem Wetter – beliebtes Aufenthaltsgebiet der kriminellen Szene am nahe gelegenen Ebertplatz. Trotzdem ist mit dem Park am Theodor-Heuss-Ring aus dem städtebaulichen Desaster „Sicherheitshafen“ zumindest noch etwas Gutes entstanden.

Ob es bei der Oper auch 80 Jahre dauern wird, bis trotz geschönter Kostenschätzungen, mangelnder Entschlusskraft, Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten, Planungsfehler, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Wechsel in der Bauleitung etwas Gutes entsteht, ist noch offen.


Der "Kronleuchtersaal" unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der „Kronleuchtersaal“ unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der Kronleuchtersaal

Bei den Baumaßnahmen zur Verfüllung des alten Hafenbeckens wurde gleichzeitig ein noch heute genutztes Abwassersystem gebaut. Teil dieses Abwassersystems ist der seit 2004 unter Denkmalschutz stehende „Kronleuchtersaal“ (Ecke Theodor-Heuss-Ring und Clever Straße). Der Zugang zu diesem Saal ist direkt am Theodor-Heuss-Ring, etwa in Höhe der Hausnummer 19-21.

Seinem Namen verdankt dieser Abwasserkanal zwei Kronleuchtern. Es gibt Quellen, die besagen, dass diese Kornleuchter ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. an die Stadt Köln gewesen wären. Belegt ist das nicht und auch eher unwahrscheinlich: Es ist nur schwer vorstellbar, dass seine Majestät sich  ausgerechnet in einem Abwasserkanal „verewigen“ wollte. Wahrscheinlicher ist,  dass die Kölner diese zu Ehren des Kaisers aufgehangen haben.

Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln) bieten kostenlose  Führungen an. In ca. 30 Minuten  wird die Funktionsweise des Kanalsystems  erläutert. Man kann auch einen Blick in den Kronleuchtersaal werfen. Das ist aber nichts für Menschen mit sehr empfindlicher Nase – immerhin besichtigt man Abwasserkanäle.

Weitere Informationen zu diesen Touren gibt es auf der Website der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln).


Der "Toto-Brunnen" am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel
Der „Toto-Brunnen“ am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel

Der Toto-Brunnen – “Eine Brosche in der Wiese“

In dem Park befindet sich auch der „Toto-Brunnen“, etwa in Höhe Theodor-Heuss-Ring 13. Dieser Brunnen wurde 1953 von der Westdeutschen Fußball Toto GmbH gestiftet, deren Verwaltungssitz am Theodor-Heuss-Ring lag.

Der etwa 80 Quadratmeter große Brunnen erinnert – ganz im Stil der 1950er – an einen Nierentisch und stellt vier große Tropfen dar, aus denen früher Wasser sprudelte. Doch wegen regelmäßiger Defekte wurde der Brunnen in den 90er Jahren stillgelegt und von Pflanzen überwuchert.

Erst 2021 wurde der Brunnen saniert – allerdings ohne die Wasseranlage. Die Kosten von 300.000 zur Komplettsanierung waren der Stadt Köln zu hoch. Die „einfache Sanierung“ kostete nur 25.000 Euro.

Anton Bausinger, Vorsitzender des Verbandsbezirks Köln im Bauindustrieverband NRW, nennt diesen wasserlosen Brunnen prosaisch „eine Brosche in der Wiese“5Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Juni 2022. Dafür braucht man allerdings viel Phantasie – der Brunnen ohne Wasser wirkt eher wie eine beliebig zusammengestückelte Pflasterfläche.  


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Kölner Stadtteile: Kalk (Teil 2) – vom Ersten Weltkrieg bis heute

Die Kalker Hauptstraße um 1905, Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln, Außenstelle Porz
Die Kalker Hauptstraße um 1905, Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln, Außenstelle Porz

Im Köln-Ding der Woche „Kölsche Stadtteile Kalk – Teil 1“ ging es um die Entwicklung Kalks bis zur Verleihung der Stadtrechte im Jahr 1881. Dieser zweite Teil beschreibt die Entwicklung dieses Stadtteils bis heute.


Umbruch im Ersten Weltkrieg

Der Erste Weltkrieg führte ab 1914 zu einer Zäsur in der Entwicklung Kalks. Die Produktion der florierenden Industrie wurde auf kriegswichtige Güter umgestellt. Die Chemische Fabrik Kalk produzierte Sprengstoffe und Munition, die verschiedenen Maschinenbaubetrieben produzierten Rüstungsgüter. In den anderen Betrieben herrschte akuter Rohstoffmangel – die Produktion kam zum Erliegen.

Die Lebensmittelversorgung wurde rationiert, nur durch mobile „Gulaschkanonen“ konnte die Versorgung sichergestellt werden. Der daraus resultierende Unmut der Bevölkerung führte zu Streiks in den Betrieben. Höhepunkt war der 6. Juli 1917. An diesem Tag streikten mehr als 12.000 Arbeitnehmer in Kalk und Deutz. Um die Produktion der kriegswichtigen Güter nicht zu gefährden, erfüllten die Arbeitgeber die Forderungen der Streikenden.

Nach dem Krieg war die Umstellung der Produktion auf zivile Güter schwieriger als gedacht. Rohstoffe waren weiterhin Mangelware. Zusammen mit der hohen Inflation ab 1922 geriet auch in Kalk die Industrie in eine schwere Krise. Die Folge waren Massenarbeitslosigkeit und soziale Unruhen. Erst mit der Einführung der Rentenmarkt im Jahr 1923 und neuen Produktionsmethoden wie Fließbandarbeit erholten sich die Betriebe.

Blick in den Maschinensaal der Kalker Fabrik Mayer & Cie, (1913), Bild: Wilhelm Wendlandt : Die deutsche Industrie (1888-1913)
Blick in den Maschinensaal der Kalker Fabrik Mayer & Cie, (1913), Bild: Wilhelm Wendlandt : Die deutsche Industrie (1888-1913)

Kalk im Nationalsozialismus und im Zweiten Weltkrieg

Der Historiker Dr. Fritz Bilz hat sich intensiv mit der Geschichte Kalks beschäftigt und auch, zusammen mit der Geschichtswerkstatt Kalk, verschieden Bücher zu Kalk veröffentlicht.  

Bilz verweist auf die vergleichsweise niedrigen Wahlergebnisse für die NSDAP in Kalk. Die klassischen Arbeiterviertel in Kalk, wie z.B. an der Kalk-Mülheimer Straße oder der Vietorstraße wiesen hohe Stimmenanteile der Arbeiterparteien KPD und SPD auf.

Anders, so Bilz, verhielt sich das bei den Unternehmern in Kalk. Diese kooperierten mit den braunen Machthabern und konnten so, auch durch den Einsatz von Zwangsarbeitern, stark profitieren. Wie schon vor dem Ersten Weltkrieg wurden wieder vermehrt Rüstungsgüter produziert. So baute man bei Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) neben Lokomotiven auch Motoren für Panzer und U-Boote.

Durch diese Rüstungsproduktion war Kalk ein Hauptziel der Bombenangriffe auf Köln. Bei einem Angriff in der Nacht vom 3. auf den 4. Juli 1943 wurden große Teile des KHD-Werkes zerstört. Die Bombardierungen zerstörten etwa 90% der Industrieanlagen in Kalk. Die Zivilbevölkerung wurde fast vollständig evakuiert. Bei Kriegsende lebten nur noch etwa 300 Menschen in Kalk.

Volle Auslastung im Wirtschaftswunder

Wie überall mussten nach dem Krieg auch in Kalk zunächst die Trümmer weggeräumt werden. Riesige Schuttmassen wurden abgefahren, so entstand auch der „Vingster Berg“, einer der zahlreichen Trümmerhügel in Köln. Schnell wurde auch wieder mit der Produktion begonnen und die durch Bomben zerstörten Wohnhäuser wieder aufgebaut, um die benötigen Arbeiter unterzubringen.

Ehemalige Fabrikationshalle von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) in Köln-Kalk, Bild: Rolf H., Public domain, via Wikimedia Commons
Ehemalige Fabrikationshalle von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) in Köln-Kalk, Bild: Rolf H., Public domain, via Wikimedia Commons

In den Wirtschaftswunder-Zeiten wuchs Kalk wieder, die Betriebe waren voll ausgelastet. Aus Mangel an einheimischen Arbeitskräften wurden Gastarbeiter angeworben. Der Anteil der Migranten in Kalk stieg, durch günstige Mieten und die vielen Arbeitsplätze, rasch an. Anders als in der Vorkriegszeit waren in Kalk jetzt vorrangig zwei Branchen vertreten: Metallverarbeitende Betriebe und die chemische Industrie.

Der Kalkberg im März 2016, Bild: Raimond Spekking & Elke Wetzig / CC BY-SA 4.0
Der Kalkberg im März 2016 mit der Hubschrauberstation, Bild: Raimond Spekking & Elke Wetzig / CC BY-SA 4.0

Auch in Kalk waren in diesen Zeiten die Fragen des Umweltschutzes zweitrangig. So hat die Chemische Fabrik Kalk bis 1972 Abfälle aller Art so lange aufeinander geschüttet, bis der gut 30 Meter hohe Kalkberg entstanden ist. Was genau dabei alles verklappt wurde, kann heute niemand mehr sagen. Der Versuch, auf dem Kalkberg eine Station für Rettungshubschrauber  einzurichten ist gescheitert. Aktuell laufen die Bemühungen einer Bürgerinitiative, den Kalkberg als Naherholungsgebiet freizugeben.

Rezession ab Mitte der 1970er, U-Bahnbau Kalker Hauptstraße 

Ab etwa der Mitte der 1970er Jahre setzte auch in Kalk eine massive Rezession ein. Betriebe wie die Metallgießerei Peter Stühlen oder die Stahlbaufirma Albert Liesegang wurden Ende der 1970er Jahre geschlossen. KHD baute ab 1983 insgesamt 3.400 Arbeitsplätze ab. 1993 verloren die letzten der ursprünglich 2.400 Beschäftigten bei der Chemischen Fabrik Kalk ihre Arbeitsplätze. 

Dieser Niedergang betraf auch den Kalker Einzelhandel – viele Geschäfte mussten schließen. Das Infrastrukturprojekt „U-Bahn-Bau“ auf der Kalker Hauptstraße sorgte dafür, dass die Kalker Hauptstraße bis zur Eröffnung der Strecke im Jahr 1980 über Jahre hinweg eine Großbaustelle war. Der Bau der Strecke verzögerte sich massiv, weil Wasser in die Baugruben drang.

Probleme, die sich in ähnlicher Form bei der Nord-Süd-Stadtbahn etwa 30 Jahre später wiederholen würden und die eine Warnung für den geplanten U-Bahnbau der Ost-West-Strecke am Heumarkt bzw. Neumarkt sein sollten.

Atomschutzbunker in der Haltestelle Kalk-Post

Zusammen mit der U-Bahn wurde auch in der Haltestelle Kalk-Post ein riesiger Bunker angelegt. Dieses, für den „Kalten Krieg“ typische Bauwerk, sollte nach einem Atomangriff fast 2.400 Menschen für 14 Tage Schutz bieten.

Zugang zur Zwischenebene der Haltestelle Kalk Post in Köln-Kalk. Durch die hellen Bodenplatten ist der Bereich erkennbar, an dem dicke Stahltüren das Innere der Haltestelle zum Schutz vor einem Atomschlag hermetisch abgeriegelt hätten. Bild: Katharina Grünwald/Landschaftsverband Rheinland, CC-BY (2020)
Zugang zur Zwischenebene der Haltestelle Kalk Post in Köln-Kalk. Durch die hellen Bodenplatten ist der Bereich erkennbar, an dem dicke Stahltüren das Innere der Haltestelle zum Schutz vor einem Atomschlag hermetisch abgeriegelt hätten. Bild: Katharina Grünwald/Landschaftsverband Rheinland, CC-BY (2020)

Der Kalker Bunker war riesig: Von der U-Bahnhaltestelle sollte ein etwa 75 Meter Gang zu der insgesamt etwa 2.500 Quadratmeter großen Anlage führen. Immerhin eine Fläche so groß wie sechs Turnhallen. Neben dem Kalker Bunker gab es noch eine vergleichbare Anlage im U-Bahnhof Friesenplatz.

Der Vorsitzender der „Kölner Dokumentationsstätte Kalter Krieg“ Robert Schwienbacher weist darauf hin, dass die Nutzung des Bunkers darauf ausgelegt war, dass ein Kriegsgegner seinen Atombombenangriff mindestens 14 Tage vorher ankündigt. Nur dann wäre ausreichend Zeit gewesen, die Betten aufzubauen, Lebensmittel einzulagern und die Öltanks zu befüllen. Und der Bunker hätte auch nur funktionieren können, wenn die Bedienmannschaft der komplexen Anlage rechtzeitig eingetroffen wäre.1„Zivilschutzanlage und Atombunker im U-Bahnhof Kalk Post”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-255072, abgerufen am 30.06.2024

Die Anlage wurde erst im Jahr 2005 offiziell außer Dienst gestellt und ist heute eine Außenstelle des Kölner Festungsmuseums. Eine Besichtigung ist möglich, weitere Infos dazu auf der Website des Kölner Festungsmuseum e.V.

Das Polizeipräsidium in Kalk, Bild: Raimond Spekking
Das Polizeipräsidium in Kalk, Bild: Raimond Spekking

Vom Industriestandort zum Dienstleistungs- und Verwaltungsstandort

Seit vielen Jahren bestehen massive Anstrengungen, die Attraktivität von Kalk zu erhöhen. Dazu gehören Neubauten wie das große Wohnareal auf dem ehemaligen Gebiet der Chemischen Fabrik Kalk. Um das stark verunreinigte Gelände zu sanieren, unter anderem war der Boden mit Schwefel verseucht, wurde auf etwa 40 Hektar Fläche das gesamte Erdreich abgetragen.

Mit Ansiedlungen wie dem Odysseum, ein Ort für temporäre Ausstellungen, dem Polizeipräsidium am Walter-Pauli-Ring, zahlreichen städtischen Ämtern am Ottmar-Pohl-Platz und auch dem Einkaufszentrum „Köln Arcaden“ auf der Kalker Hauptstraße soll dem Stadtteil eine neue Attraktivität verliehen werden. Dazu gehört auch die im September 2022 eröffnete „Sünner Brauwelt“ im historischen Sünner Brauhaus an der Kalker Hauptstraße. Hier dreht sich alles um Bier und Spirituosen.

In keinem guten Zustand: Die ehemaligen Werkhallen von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) in Kalk, Bild: Bild Florian Wächter, Pixabay
In keinem guten Zustand: Die ehemaligen Werkhallen von Klöckner-Humboldt-Deutz (KHD) in Kalk, Bild: Bild Florian Wächter, Pixabay

Die Stadt hat die ehemalige Hauptverwaltung der Klöckner-Humboldt-Deutz-Werke gekauft. Auf dem weitläufigen Gelände soll eine Mischung aus Kultur, Gewerbe und Wohnen entstehen.

Kalk als Kriminalitätsbrennpunkt

Trotz aller Bemühungen wird Kalk weiterhin als sozialer Brennpunkt bezeichnet. Kriminalität, Drogen, soziale Missstände haben diesem Stadtteil einen zweifelhaften Ruhm eingebracht.

Graffiti in Köln-Kalk, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Graffiti in Köln-Kalk, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Der Rapper Eko Fresh (Jahrgang 1983) ist auch in Kalk aufgewachsen. Die Situation im Problembezirk Kalk ist regelmäßig Thema seiner Lieder. In seinem Song „Gheddo“ (Eko Fresh feat. Bushido) lautet es:

Eko Fresh Ghetto Chef Junge denn es muß sein, Eko
Köln Kalk Hartz 4 komm in meine Hood rein. Fresh
Komm und guck was es heißt im Block hier zu Wohnen,
Wo man Leben muß von Drogen oder Prostitution.

Seit Oktober 2022 werden Teile von Kalk, genau wie der Bereich um den Dom, die Ringe, der Breslauer Platz, der Ebertplatz, der Neumarkt und der Wiener Platz mit Videokameras überwacht. Die Polizei bezeichnet diese Areale als „ … Kriminalitätsbrennpunkte mit einer Vielzahl an Delikten, deren Anzahl und Qualität sich im Vergleich zum Kölner Stadtgebiet signifikant abheben.“2Quelle: Polizei Köln, Polizeiliche Videobeobachtung in Köln, https://koeln.polizei.nrw/artikel/polizeiliche-videobeobachtung-in-koeln, abgerufen am 22. Juni 2024. Die Videobilder werden von der Polizei rund um die Uhr beobachtet, um sich anbahnende Straftaten frühzeitig zu erkennen und zu verhindern.

Diese Videoüberwachung ist umstritten. So hat die Initiative „Kameras stoppen“ wiederholt gegen gegen die polizeiliche Videoüberwachung in Kalk geklagt. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln steht zur Zeit3Stand: 3. Juli 2024 noch aus.

Viele Autos - wenig Platz: Die Kalker Hauptstraße. Bild: Rolf H. (Rolf Heinrich, Köln), CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Viele Autos – wenig Platz: Die Kalker Hauptstraße. Bild: Rolf H. (Rolf Heinrich, Köln), CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Kalker Hauptstraße: „So wie es ist, ist es Mist.“

Aktuell4Stand Juli 2024 wird über die Umgestaltung der Kalker Hauptstraße debattiert. Die Bezirksbürgermeisterin Claudia Greven-Thürmer bezeichnet diese Straße als „Schlagader des Bezirks“ – schon bevor die U-Bahn gebaut wurde. Allerdings, so Greven-Thürmer im Kölner Stadt-Anzeiger5Ausgabe vom 4. Juli 2024„Aus dem oberirdischen Freiraum nach dem Bau wurde nichts gemacht. Ich sage es ganz offen: Wir hätten schon längst eingreifen müssen. Maßnahmen sind überfällig.“ Das Fazit der Bezirksbürgermeisterin: „So wie es ist, ist es Mist.“

Durch Umgestaltungen wie zum Beispiel eine Einbahnstraßenregelung oder die Neuanordnung der Parkplätze soll mehr Raum für Fußgänger, Radfahrer und auch die Außengastronomie geschaffen werden.

Allerdings ist jetzt zunächst Verwaltung gefragt, einen Entwurf vorzulegen. Dort sind allerdings die Kapazitäten sehr eng. Erst 2025 soll ein Plan vorgelegt werden.

Hoffentlich schaffen das die Planer rechtzeitig – denn sonst droht ihnen, wie schon Tommi in „Voll normaaaal“ lebenslanges Köln-Kalk Verbot.


Gedenktafel für Karl Küpper am Haus Kalker Hauptstr. 215 in Köln-Kalk.
Gedenktafel für Karl Küpper am Haus Kalker Hauptstr. 215 in Köln-Kalk.

Büttenredner Karl Küpper betrieb eine Kneipe auf der Kalker Hauptstraße

Der Karneval und das Dritte Reich sind ein dunkles Kapitel. Zu den lobenswerten Ausnahmen gehört der Büttenredner Karl Küpper. Als „Ne Verdötschte“ machte sich Küpper auf Kölns Karnevalsbühnen über die Nazis lustig. Ein Klassiker waren seine Auftritte, die Hand zum Hitlergruß ausgetreckt und die Frage in den Raum „Is et am rääne?“ oder auch „Su huh litt der Dreck bei uns im Keller.“

Gleich zweimal wurde Karl Küpper von den Nazis von den Bühnen verbannt: Zunächst 1939 mit einem ausgesprochenen Auftrittsverbot durch die braunen Machthaber. In der Nachkriegszeit wurde er zum zweiten Mal Opfer der vermeintlichen Eliten. Die alten Nazis, die es in Politik und Gesellschaft wieder zu Ruhm und Ehre gebracht haben, stellten ihn mit einem faktischen Auftrittsverbot kalt. Um Geld zu verdienen, betrieb Karl Küpper von 1960 bis 1970 auf der Kalker Hauptstraße die Kneipe „Küppers Karl“.

Die ganze Geschichte zum „Verdötschten“ gibt es hier:
Is et am rääne? – Büttenredner Karl Küpper


Alternativer Karneval in Kalk: Fatal Banal. Immer mit der Hausband Kalk-Kapelle, Bild: Uli Kievernagel
Alternativer Karneval in Kalk: Fatal Banal. Immer mit der Hausband Kalk-Kapelle, Bild: Uli Kievernagel

Kalk Kapelle – die Hausband von Fatal Banal

Garantiert „tuschfrei“, gerne mit (lokal-) politischen Seitenhieben und herrlich respektlos wird seit 1992 zunächst im BÜZE / Bürgerzentrum Köln-Ehrenfeld, aktuell in den Abenteuerhallen Kalk, frecher, alternativer Karneval gefeiert.

Die Hausband trägt, nach einer Abstimmung unter den Fans, den Namen „Kalk Kapelle“

Fatal Banal - alternativer Karneval aus Ehrenfeld
Fatal Banal – alternativer Karneval, garantiert tuschfrei

Das Papiermodell und sein großes Vorbild: Der Kalker Wasserturm, Bild: Jens Neuhaus, www.papierdenkmal.de
Das Papiermodell und sein großes Vorbild: Der Kalker Wasserturm, Bild: Jens Neuhaus, www.papierdenkmal.de

Das Wahrzeichen von Kalk als Bastelbogen

Das gesamte Gelände der Chemischen Fabrik Kalk (CFK) wurde saniert. Übrig blieb nur der im Jahr 1904 errichtete Wasserturm. Mit seinen 43 Meter Höhe ist dieses Backsteinbauwerk zu einem Symbol für Kalk geworden und steht unter Denkmalschutz. 

Jens Neuhaus, Jahrgang 1985, lebt in Kalk. Seine Leidenschaft sind Bastelbögen: „Meine Bastelbögen sind eine Liebeserklärung an ebenjene Bauwerke, die den Menschen etwas bedeuten.“ Und so hat er einen Bastelbogen zum Kalker Wasserturm entworfen und stellt diesen kostenlos auf seiner Seite „Papierdenkmal“ zum Download zur Verfügung.

Ausschnitt aus dem Bastelbogen zum Kalker Wasserturm. Kostenloser Download auf der Website Papierdenkmal von Jens Neuhaus
Ausschnitt aus dem Bastelbogen zum Kalker Wasserturm. Kostenloser Download auf der Website Papierdenkmal von Jens Neuhaus

Neuhaus schätzt die Einfachheit des Materials: „Ohne im Fachhandel teure Plastikteile zu kaufen, entstehen Papiermodelle allein aus der eigenen Kreativität und Fingerfertigkeit heraus. Ein geradezu anachronistischer Reiz ergibt sich daraus, dass der Kartonmodellbau keine Abkürzungen zulässt: Nur geduldiges Arbeiten in den Mußestunden führt zu einem sauberen Ergebnis.“

Gewinnspiel

Die ersten drei Menschen, die mir ein Bild des selbst gebastelten Papier-Wasserturms schicken, lade ich auf eine Stadtführung mit mir ein. Also ran an Schere und Kleber, ich freue mich auf eure Bilder.

Schickt die Bilder bitte an uli@koeln-lotse.de


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Kölner Stadtteile: Kalk (Teil 1) – vom beliebten Ausflugsziel zum bedeutendem Industrieort

Die Industriestadt Kalk im Jahre 1908, kurz vor der Eingemeindung in die Stadt Köln. Bild: http://www.koeln-kalk.net/3kalk/Kknkbwts.htm, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Industriestadt Kalk im Jahre 1908, kurz vor der Eingemeindung in die Stadt Köln. Bild: http://www.koeln-kalk.net/3kalk/Kknkbwts.htm, Public domain, via Wikimedia Commons

Es war im Jahr 1994 – auf einmal kannte (fast) ganz Deutschland Kölns Stadtteil Kalk:

„Pass op Jung, du kriss he Köln-Kalk Verbot!“

Dieses Köln-Kalk Verbot betraf einen gewissen Tommie, die Hauptfigur in Tom Gerhardts eher fragwürdigen Komödie „Voll normaaal“. Die Deutschen lachten über den eher tumben Tommie – und auch über die Darstellung des Stadtteils Kalk. Hellmuth Karasek, einer der renommiertesten Film- und Literaturkritiker Deutschlands, schrieb im SPIEGEL dazu:

„Deutschland, wo es am prallsten ist; Köln-Kalk, ein Spießer-Alptraum; nur durch Gerhardts rüde Scherze zu ertragen, kurz, die heile, unheilvolle Aldi-Welt.“1Heile Aldi-Welt in Der Spiegel, Ausgabe 46/1994

Und tatsächlich war nicht nur das Niveau des Films, sondern auch der Ruf von Kalk Ende der 1980er eher schlecht. Werksschließungen und ein massiver Abbau von Arbeitsplätzen brachten hohe Arbeitslosenzahlen mit sich. Kalk wurde zum „Problembezirk“ und hat sich bis heute, trotz massiver Anstrengungen der Stadt Köln, nicht davon erholt.

Früher noch beliebter Ausflugsort

Dabei war Kalk früher ein idyllisches Fleckchen und – heute unvorstellbar – ein Erholungsort. So beschreibt der ehemalige Lehrer Peter Simons das Örtchen Kalk als ein

„… Dörfchen mit wenigen Häusern und einer kleinen Muttergotteskapelle. Dahin wandern die Städter an Sonntagnachmittagen mit Kind und Kegel, nehmen Brote mit und in kleinen Tüten gemahlenen Kaffee. Für etliche Pfennige erhält man dort in einer Wirtschaft kochendes Wasser, so bereitet man sich den Kaffee selbst und freut sich von Herzen bei Sang und Spiel auf dem Rasen unter den Obstbäumen der Gärten.“2Peter Simons, Illustrierte Geschichte von Deutz, Kalk, Vingst und Poll: ein Beitrag zur Geschichte des kurkölnischen Amtes Deutz

Und tatsächlich war Kalk bis zur Industrialisierung im 19. Jahrhundert ein kleiner, unscheinbarer und ländlicher Fleck auf der Landkarte. Aber der stetig steigende Anzahl der Pilger zum Bildnis der „Schmerzhaften Mutter Gottes“ führte ab etwa 1815 zu einem Boom: Die Kalker versorgten die Pilger mit Wasser, Kaffee oder Tee. Und mit Sicherheit auch mit „geistigen“ Getränken. Es entstanden Kaffeehäuser und Restaurants, zum Teil mit gestalteten Gartenanlagen und Tiergehegen.

Allerdings war Kalk immer noch sehr dünn besiedelt, im Jahr 1843 gab es gerade einmal 96 Einwohner. Dies sollte sich mit der Ansiedlung der ersten Industriebetriebe radikal verändern.

Das noch "unberührte Kalk", weit vor dem befestigten Deutz, Ausschnitt aus der Karte "Rheinland und Westfalen" (1834-1855), Bild: Geobasis NRW
Das noch „unberührte Kalk“, weit vor dem befestigten Deutz, Ausschnitt aus der Karte „Rheinland und Westfalen“ (1834-1855), Bild: Geobasis NRW

Baustoff oder Kalk-Lagerstätte?

Es ist nicht eindeutig geklärt, ob der Ortsname tatsächlich vom Baustoff Kalk oder vom mittelhochdeutschen Wort „Kolk“ abstammt.

Für die Version „Baustoff Kalk“ spricht die Vermutung, dass die Römer zum Bau der Colonia Claudia Ara Agrippinensium das heutige Gebiet von Kalk genutzt haben, um dort den Baustoff Kalk zu lagern.

Für die Variante „Kolk“ spricht, dass im mittelhochdeutschen Wortschatz damit ein Morast oder Sumpf, bezeichnet wurde. Und tatsächlich war die Gegend rund um das heutige Kalk früher eine eher feuchte, sumpfige Ecke.

Die Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1003 (Ausschnitt). "Kalk" wird in der 5. Zeile (2. Wort) erwähnt. Bild: gemeinfrei
Die Schenkungsurkunde aus dem Jahr 1003 (Ausschnitt). „Kalk“ wird in der 5. Zeile (2. Wort) erwähnt. Bild: gemeinfrei

Die erste urkundliche Erwähnung von Kalk stammt aus dem Jahr 1003. Dort wird von Erzbischof Heribert festgelegt, dass das damals noch „Kalka“ genannte Gebiet der Benediktinerabtei Deutz gegenüber den „Zehnt“ abgabepflichtig ist.3Der „Zehnt“ ist eine Steuer in Form von Geld oder Naturalien. Ab spätestens 1298 besaß das St.-Severins-Stift das Gebiet.

Bis 1794 gehörte Kalk zum kurkölnischen Amt Deutz und wurde dann während der französischen Besatzung zunächst dem Herzogtum Nassau-Usingen und ab 1806 dem Großherzogtum Berg übertragen. Ab 1808 war Kalk ein Teil der Mairie Deutz.

Die „Schmerzhafte Mutter Gottes“

In einem kleinen Heiligenhäuschen stand ab ca. 1423 das Bildnis der „Schmerzhaften Mutter Gottes“. Es zeigt die leidende Maria mit dem Leichnam des vom Kreuz abgenommenen Jesus. Dieser Darstellung wurden wundertätige Heilkräfte nachgesagt, weil Kalk im Jahr 1665 von der Pest verschont blieb, während in den umliegenden Orten zahlreiche Opfer zu beklagen waren.

Darstellung der „Schmerzhaften Mutter Gottes“ aus dem 15. Jahrhundert in der Kalker Kapelle
Darstellung der „Schmerzhaften Mutter Gottes“ aus dem 15. Jahrhundert in der Kalker Kapelle

So wurde zum Dank ab 1666/1667 die Kalker Kapelle erbaut, die sich zur Pilgerstätte entwickelte. Dies war der Beginn der Wallfahrt zur „Schmerzhaften Mutter Gottes“ von Kalk. Im Jahr 1710 wurden bereits 700 Pilger gezählt, drei Jahre später schätzte man die Anzahl der der Pilger bereits auf mehrere Tausend Menschen.

Ab 1931 etabliert sich auch die Männerwallfahrt nach Kalk. Immer zwei Wochen vor Ostern pilgern Kölner Männer schweigend zur Kalker Kapelle. Dann wird an der „Schmerzhaften Mutter Gottes“ gebetet.

„Vom Dritten Reich befreie uns!“

In der Zeit der Nationalsozialisten wurde diese Wallfahrt auch zum politischen Statement. Im Jahr 1933 wurden bei der Prozession Flugblätter mit der Aufschrift „Von Satans Reich befreie uns!“ verteilt. Schnell wurde diese zu „Vom Dritten Reich befreie uns!“ umgewandelt. Die Zahl der Pilger wuchs stark an, 1935 sollen etwa 35.000 Männer schweigend nach Kalk gezogen sein. Wahrscheinlich wurde diese Anzahl Pilger in den Folgejahren noch übertroffen, doch die nationalsozialistischen Machthaber verhinderten die Veröffentlichung der Teilnehmerzahlen. Im Jahre 1940 wurden die Wallfahrten zur Kalker Kapelle von den braunen Machthabern verboten.

Die Kalker Kapelle wurde am 18. August 1941 durch einen schweren Bombentreffer vollständig zerstört. Dass die Darstellung der „Schmerzhaften Mutter Gottes“ unversehrt unter den Trümmern gefunden wurde, trug erheblich zu der Heiligenverehrung bei.

Das Interesse an der Männerwahlfahrt nahm in den 1990er Jahren erheblich ab, im Jahr 2004 nahmen nur einige Hundert Männer am Schweigegang teil. Erst durch eine große Kampagne mit durch privaten Spenden finanzierten Zeitungsanzeigen konnte die Teilnehmerzahl wieder auf mehr als tausend Männer gesteigert werden.

Kalk wird „Boomtown“

Ab Mitte des 19. Jahrhunderts nahm die Industrialisierung auch in Kalk massiv Fahrt auf. 1850 wurde die Porzellanfabrik Kalk gebaut, 1858 gründeten Julius Vorster und Hermann Grüneberg die Chemische Fabrik Vorster & Grüneberg, aus der später die Chemische Fabrik Kalk hervorgehen sollte.

Die Chemische Fabrik Kalk (CFK) im Jahre 1859, Bild: Hermann Gruenberg, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Chemische Fabrik Vorster & Grüneberg, später Chemische Fabrik Kalk (CFK) im Jahre 1859, Bild: Hermann Gruenberg, Public domain, via Wikimedia Commons

Versuche, Braunkohle in Kalk abzubauen, stellten sich als nicht wirtschaftlich dar. Das Zechengelände wurde 1858 an die Gebrüder Sünner verkauft. Noch heute befindet sich an diesem Ort die Sünner-Brauerei – die älteste Kölsch-Marke.

Der Grundstein der heutigen Klöckner Humboldt Deutz AG wurde 1856 mit der Gründung der Maschinenfabrik Sievers & Co. gelegt. 1864 zogen Nikolaus August Otto und Eugen Langen mit ihrer Gasmotorenfabrik N. A. Otto & Cie von der Kölner Innenstadt nach Kalk. Aus diesem Unternehmen entstand die heute weltweit tätige Deutz AG.

Kalk war als Industriestandort begehrt, weil es außerhalb der zweiten Rayonlinie der preußischen Befestigungen lag. Der Rayon ist der Bereich rund um militärische Festungen, der nicht bebaut werden durfte. Kalk lag außerhalb dieser Zone, und es gab reichlich Platz.

Kalk lag außerhalb der "Zweiten Rayonlinie" (gestrichelte Linie etwa in der Mitte der Karte), Bild: Karte der Köln-Mindener Eisenbahn, Ausschnitt Köln-Deutz und Kalk
Kalk lag außerhalb der „Zweiten Rayonlinie“ (gestrichelte Linie etwa in der Mitte der Karte), Bild: Karte der Köln-Mindener Eisenbahn, Ausschnitt Köln-Deutz und Kalk

Damit die notwendigen Arbeitskräfte relativ schnell ihre Arbeitsplätze erreichen konnten, wurde bereits am 20. Mai 1877 eine Verbindung der „Päädsbahn“4Eine von Pferden gezogene  Straßenbahn. von Deutz und Kalk eingeweiht.

Kalk war Mitte des 19. Jahrhunderts eine echte „Boomtown“: Von 1843 bis 1880 stieg die Einwohnerzahl Kalks um mehr als 950% von knapp 100 Menschen auf über 9.500 Einwohner.

Kalk bekommt Stadtrechte

Mit dem Wachstum der Bevölkerung erhielt Kalk 1881 die Stadtrechte. Sofort machte sich der neugegründete Stadtrat daran, ein Stadtwappen für Kalk zu entwerfen. Dieses Wappen sollte zum einen die industrielle Entwicklung Kalks aufgreifen, aber auch die historische Wallfahrtskapelle berücksichtigen.

Das Wappen der Stadt Kalk (1881 -1910) zeigt die Kalker Kapelle und die Bedeutung Kalks als Industriestandort.
Das Wappen der Stadt Kalk (1881 -1910) zeigt die Kalker Kapelle und die Bedeutung Kalks als Industriestandort.

Da im preußischen Staat alles eindeutig geregelt wurde, musste das Wappen vom Königlich Preußischen Heroldsamt in Berlin abgesegnet werden, bevor Wilhelm I. in seiner Eigenschaft als König von Preußen am 20. Juli 1883 der Stadt Kalk das Wappen verlieh.

Während noch in den 1880er Jahren viele umliegende Ortschaften, darunter auch Poll und Deutz, nach Köln eingemeindet wurden, behielt Kalk noch bis 1910 seine Eigenständigkeit und wurde erst am 1. April 1910 zusammen mit Vingst und Gremberg eingemeindet.

Allerdings mussten die Kölner den Kalkern ihre Eigenständigkeit teuer „abkaufen“. In dem Vertrag zur Eingemeindung mit der Stadt Köln wurde explizit vereinbart:

  • Der Bau einer Badeanstalt,
  • der Bau von Spielplätzen,
  • die Erhaltung des Kalker Schlachthofes,
  • jährlich 30.000 Mark für Straßenbauarbeiten und
  • die Übernahme der städtischen Beamten Kalks in den Dienst der Stadt Köln.

Kalk konnte auch selbstbewusst auftreten: Es lebten dort mehr als 27.000 Einwohner, die zahlreichen Industrieunternehmen machten Kalk zu einer der größten und wohlhabendsten Industriestädte in Preußen.

Und heute? Im zweiten Teil über Kalk wird es um die Umbrüche in den beiden Weltkriegen, die Wirtschaftswunderzeit und die aktuelle Situation in Kalk gehen.


Das Papiermodell und sein großes Vorbild: Der Kalker Wasserturm, Bild: Jens Neuhaus, www.papierdenkmal.de
Das Papiermodell und sein großes Vorbild: Der Kalker Wasserturm, Bild: Jens Neuhaus, www.papierdenkmal.de

Das Wahrzeichen von Kalk als Bastelbogen

Das gesamte Gelände der Chemischen Fabrik Kalk (CFK) wurde saniert. Übrig blieb nur der im Jahr 1904 errichtete Wasserturm. Mit seinen 43 Meter Höhe ist dieses Backsteinbauwerk zu einem Symbol für Kalk geworden und steht unter Denkmalschutz. 

Jens Neuhaus, Jahrgang 1985, lebt in Kalk. Seine Leidenschaft sind Bastelbögen: „Meine Bastelbögen sind eine Liebeserklärung an ebenjene Bauwerke, die den Menschen etwas bedeuten.“ Und so hat er einen Bastelbogen zum Kalker Wasserturm entworfen und stellt diesen kostenlos auf seiner Seite „Papierdenkmal“ zum Download zur Verfügung.

Ausschnitt aus dem Bastelbogen zum Kalker Wasserturm. Kostenloser Download auf der Website Papierdenkmal von Jens Neuhaus
Ausschnitt aus dem Bastelbogen zum Kalker Wasserturm. Kostenloser Download auf der Website Papierdenkmal von Jens Neuhaus

Neuhaus schätzt die Einfachheit des Materials: „Ohne im Fachhandel teure Plastikteile zu kaufen, entstehen Papiermodelle allein aus der eigenen Kreativität und Fingerfertigkeit heraus. Ein geradezu anachronistischer Reiz ergibt sich daraus, dass der Kartonmodellbau keine Abkürzungen zulässt: Nur geduldiges Arbeiten in den Mußestunden führt zu einem sauberen Ergebnis.“

Gewinnspiel

Die ersten drei Menschen, die mir ein Bild des selbst gebastelten Papier-Wasserturms schicken, lade ich auf eine Stadtführung mit mir ein. Also ran an Schere und Kleber, ich freue mich auf eure Bilder.

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Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin
Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin

Der Lehrer Welsch – Dreimol Null es Null, bliev Null

Der besungene und unvergessene Lehrer Welsch war nie in der Kaygasse tätig, sondern in der Hollweghstraße in Kalk.

Die ganze Geschichte zu diesem besonderem Pädagogen, der seiner Zeit weit voraus war, gibt es hier: Der Lehrer Welsch – Dreimol Null es Null, bliev Null


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Kölner Köpfe – Kunst im Untergrund

Acht der 40 "Kölner Köpfe" in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel
Acht der 40 „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Etwa 25.000 Menschen sehen täglich die Mona Lisa im Louvre. Dafür steht man stundenlang an und zahlt einen hohen Eintritt. Ebenfalls ungefähr 25.000 Menschen steigen täglich am Appellhofplatz in die Bahn. Und sehen nicht nur ein Portrait, sondern gleich 40. Und das völlig kostenlos. Ohne anzustehen.

Seit 1990 gibt es die „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle. Hier kann man dem Schauspieler Willy Millowitsch, der Franziskanerin Schwester Ansgaria, dem Fußballer Pierre Littbarski und 37 weiteren bekannten und unbekannten Kölnerinnen und Kölnern in die Augen sehen.

Stencil – aus Schablonen entstehen Kunstwerke

Urheber dieses Kunstwerks sind die vier Freunde Justus Herrmann, Ralf Jesse, Hans-Peter Dürhager und Andreas Paulun, die sich Ende der 1980er  regelmäßig in Ehrenfeld trafen. Bei einem dieser Treffen im Jahr 1988 zeigte Paulun seinen Kumpels ein sogenanntes „Stencil“. Stencil ist der englische Begriff für Schablone. Mit einer solchen Schablone werden Graffitis hergestellt. Stencils stammen ursprünglich aus den 1970er Jahren aus Frankreich und werden dort „pochoir“, nach dem französischen Wort für Schablone, genannt.

Bei dem Stencil wird eine vorgefertigte Schablone auf einen Untergrund gedrückt und die Farbe durchgesprüht. Kombiniert man mehrere Schablonen, entstehen bunte Motive. Und diese können dann beliebig oft und sehr schnell in unterschiedlichen Farben wiederholt dargestellt werden – ideal für illegale Graffitis.

Doch den vier Freunden kam ein anderer Gedanke: Kein eilig nachts gesprühtes Graffiti irgendwo an einer Mauer in der Stadt, sondern geschützt an einem Ort. Nicht der Vergänglichkeit preisgegeben, sondern zeitlos.

Die Haltestelle Appellhofplatz, auf den Säulen in der Mitte: Die Kölner Köpfe, Bild: ReferenceBK, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Die Haltestelle Appellhofplatz, auf den Säulen in der Mitte: Die Kölner Köpfe, Bild: ReferenceBK, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Die U-Bahnhaltestelle als idealer Ort

Eine U-Bahnhaltestelle erschien den Künstlern als idealer Ort: Viele Passanten steigen dort täglich ein und aus, die kurze Wartezeit kann dem Kunstwerk gewidmet werden. Heute würde das so nicht mehr funktionieren: Die Menschen nutzen jede noch so kurze Möglichkeit und starren in ihr Smartphone. Daran war 1990, zur Eröffnung des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ an der Haltestelle Appellhofplatz, noch nicht zu denken.

Zusätzlich ist eine U-Bahnhaltestelle nicht der Witterung ausgesetzt. Als idealer Ort für die Stencils wurden die Säulen zwischen den Gleisen ausgemacht: Geschützt, aber trotzdem frei einsehbar.

Auch die Motive waren schnell klar: Menschen aus Köln, prominent oder unbekannt. Dabei ging es dem Künstlerkollektiv nicht darum, „einzelne Menschen hervorzuheben aus der anonymen Masse, sondern mit neuen Mitteln die alte Geschichte von Einzigartigkeit und Vielfalt, von deren gegenseitiger Bedingtheit und ihrer Bedrohung durch Anonymität und Masse neu zu erzählen.“1KölnTakt 2-2019, Zeitungsbeilage der KVB, September 2019

Idealerweise gibt es in der Haltestelle 20 Säulen. Auf jede Säule passen drei Portraits auf die Vorder- und drei auf die Rückseite. Macht insgesamt Platz für 120 Portraits. So konnte jeder der vier Künstler zehn Portraits in dreifacher Ausfertigung anfertigen.  

Thomas Kehr, Fahrradkurier

Bild 1 von 120

"Kölner Köpfe", Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Die Auswahl der „Kölner Köpfe“

Gezeigt werden die Portraits von 40 Menschen, die in Stadt leben. Prominente und Lück wie ich und du. Und so ist ebenso der Kopf von Alfred Biolek neben dem Portrait von Thomas Kehr, einem Fahrradkurier, zu finden wie auch das Bild der Nonne Schwester Ansgaria, das neben Willy Millowitsch seinen Platz findet.  Der Travestiekünstler Fine de Cologne wurde abgebildet, genau wie der Boxer Milorad Jevremovic oder Anja Friehoff, die als „Frau des Augenblicks“ ihren Platz gefunden hat. Abgebildet wurden auch der Imbissbesitzer Adnan, Musiker Jürgen Zeltinger, Philosophieprofessor Günter Schulte und der Kölner Sammler Hermann Götting. Und 29 weitere Menschen.

Ein "Kölner Kopf": Straßenbahnfahrerin Lydia Prangenberg, geb. Rick, Bild: Uli Kievernagel
Ein „Kölner Kopf“: Straßenbahnfahrerin Lydia Prangenberg, geb. Rick, Bild: Uli Kievernagel

Auch die KVB-Mitarbeiterin Lydia Prangenberg, geb. Rick, ist ein „Kölner Kopf“. Früher wurde sie oft auf das Portrait angesprochen, heute zeigen ihre Enkel und Urenkel stolz das Bild von Oma oder Uroma ihren Freunden.  

Der unbekannte Künstler „Tabot Velud“

Für heutige Verhältnisse nahezu unvorstellbar: KVB und Stadt Köln stimmten der flott skizzierten Idee schnell und unkompliziert zu, als Hauptsponsor wurde Reynolds Tobaccos (Camel, Lucky Strike oder Pall Mall) gewonnen.

Plakette "Kölner Köpfe" in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel
Plakette „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Als Künstler hinter dem Kunstwerk wurde „Talbot Velud“ genannt. Dieser Name hat keinerlei Bedeutung. Justus Herrmann dazu „Damit wollten wir nur möglichst viel Nebel verbreiten.“ Das ist bestens gelungen. In einem Artikel der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu den Kunstwerken in der Kölner U-Bahn schreibt die Architektin und Kunsthistorikerin zu den „Kölner Köpfen“: “Ein Schild an der Schmalseite eines der Bahnsteige nennt neben dem Namen des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ und seines Gestalters Tabot Velud auch einen großen Tabakkonzern als Sponsor. Über Velud habe ich sonst nichts weiter in Erfahrung bringen können.“2Barbara Schock-Werner: Kölner U-Bahn-Stationen in der Kritik  – Die Kunst in Kölns Untergrund, Kölner Stadt-Anzeiger vom 2.Dezember 2014.

Kunstwerk ist heute „rechtslos“

Heute würde man sich wünschen, dass die Verantwortlichen mal ein paar Eimer Farbe an die Säulen der Haltestelle werfen und insgesamt mal etwas saubermachen würden. Allerdings: Wieso sollte es hier anders sein, wenn doch die ganze Stadt eher knüsselich daherkommt?

Der ursprüngliche Nutzungsvertrag für die Säulen mit den „Kölner Köpfen“ wurde für zehn Jahre unterschrieben und ist bereits im Jahr 2000 ausgelaufen. Seitdem ist das Kunstwerk eigentlich „rechtslos“. Aber das kümmert in Köln keinen Menschen. Auch nicht die seit der Eröffnung des Kunstwerks im Jahr 1990 bereits etwa 300 Millionen Menschen, die dieses mittlerweile gesehen haben.

Da kann noch nicht einmal die Mona Lisa mithalten.


Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel
Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel

Noch mehr Kunst in der U-Bahn gibt es am Heumarkt. Dort fährt täglich der Ghosttrain durch.


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