Das Dom-Hotel: Treffpunkt der Reichen & Schönen

Das Domhotel vor dem Krieg - mit den Kuppeln und Türmchen
Das Domhotel vor dem Krieg – noch mit den Kuppeln und Türmchen

Wenn sie in Köln waren, gab es für gekrönte Häupter wie etwa Kaiser Wilhelm II. und Queen Elizabeth oder Schauspieler wie Peter Ustinov und Sophia Loren nur eine Adresse: Das Dom-Hotel. Bei der Beerdigung von Konrad Adenauer im April 1967 im nahegelegen Dom sollen angeblich US-Präsident Lyndon B. Johnson und der sowjetische Staatschef Leonid Breshnew sich zufällig in der Toilette des Dom-Hotels getroffen haben.

Dieser prächtige Bau war der Treffpunkt für alle, die reich, mächtig oder einfach nur schön waren. Die Pracht des Nobelbaus ist allerdings vergänglich. Und stand das renommierzte Haus schon einmal vor dem Abriss: 1885 stürzte bei Renovierungsarbeiten der Mittelteil des Hotels ein. Die Statiker hatten sich schlichtweg verrechnet.

Und auch 125 Jahre später, im Jahr 2010, wurde wohl nicht richtig kalkuliert: Der neue Eigentümer, die Bayerische Versorgungskasse, hatte kaum mit dem maroden Zustand des Gebäudes gerechnet. So musste, bis auf die historische Fassade, das gesamte Gebäude abgerissen werden.

Das erste Dom-Hotel, noch am Domhof (heute Roncalliplatz), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln
Das erste Dom-Hotel, noch am Domhof (heute Roncalliplatz), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln
1840 als “Hotel du Dôme“ eröffnet

Doch der Reihe nach: Bekanntlich zog sich ja der Bau des Doms etwas länger hin: Ganze 632 Jahre wurde an der Kathedrale bis zur Vollendung im Jahr 1880 gebaut. Bis zur Fertigstellung war der Dom eng umbaut. Eines dieser Häuser war das Haus „Domhof 9“, am heutigen Roncalliplatz. In diesem Haus wurde seit 1779 getanzt – es war ein Ballsaal. Damals übrigens, neben dem Gürzenich, der einzige größere Saal für solche Veranstaltungen. Nach einigen Erweiterungen wurde hier 1840 das “Hotel du Dôme“ eröffnet.

Eine Postkarte mit Ansicht des vollendeten Doms (hier antizipiert) wurde 1879 von Köln nach Dresden verschickt. Links im Bild ist ein Teil des damaligen ‚Hotel du Dome‘ zu sehen. Ein großes DANKE an Detlef Ippen, dass ich diese Postkarte hier eigen darf.
Eine Postkarte mit Ansicht des vollendeten Doms (hier antizipiert) wurde 1879 von Köln nach Dresden verschickt. Links im Bild ist ein Teil des damaligen ‚Hotel du Dome‘ zu sehen. Ein großes DANKE an Detlef Ippen, dass ich diese Postkarte hier zeigen darf.

Das Geschäft florierte, denn immerhin war seit 1842 die Fertigstellung des Doms in vollem Gange und Köln prosperierte. Das Hotel wurde erweitert und mit dem Einsturz des Mittelteils 1885 sogar komplett neu gebaut. Doch die enge Bebauung rund um den Dom verdeckte die Kathedrale, für den prächtigen Dom sollte Platz geschaffen werden. So stimmte die Eigentümerfamilie des Dom-Hotels einem Grundstücktausch zu.

Etwa 30 Meter vom ursprünglichen Standort entfernt wurde der wesentlich größere Neubau errichtet. Mit 180 Zimmern bot dieser Prachtbau alles, was Stars und Sternchen von einem Grandhotel erwarten: Eine attraktive Lobby, Arkadengänge, glänzende Kronleuchter, glanzvolle Zimmer und Suiten und Champagner in der edlen Hotelbar. Kein Wunder, dass die Spionin Mata Hari 1916 ausgerechnet in diesem Haus ein „heißes Spionage-Rendezvous“ gehabt haben soll.

Marode Bausubstanz

Die Bombenangriffe des zweiten Weltkriegs legten ganz Köln und auch das Dom-Hotel in Schutt und Asche. Nach dem Krieg wurde das Hotel schnell wieder aufgebaut. Die Probleme dieses schnellen Wiederaufbaus sollten sich später zeigen, denn in den Jahren des Mangels wurde alles Mögliche in dem Gebäude verbaut. Einzelne Träger stammten sogar aus dem Stahl der zerstörten Rheinbrücken.

Erst mit der Sanierung ab 2013 erkannte man, wie groß die Mängel an dem Bau tatsächlich waren: „Das Problem ist die Bausubstanz“, so der Bauingenieur Turadj Zarinfar in einem Interview der Welt 1Die Welt, 18.08.2017. Tatsächlich, so Zarinfar, „hätten hier keine Gäste mehr absteigen dürfen.“ Zarinfar sprach bei einem Rundgang im Jahr 2017 sogar von Lebensgefahr: „Es ist pures Glück, dass während des Hotel-Betriebs nichts passiert ist.“2Kölner Stadt-Anzeiger vom 17.11.2023

Das Dom-Hotel vor dem Abriss: Nichts lässt mehr auf eine Nobelherberge schließen

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Das Dom-Hotel vor dem Abriss: Nichts lässt mehr auf eine Nobelherberge schließen

Geplant: Totalabriss und Neubau

So wurde zunächst ein Totalbriss des Gebäudes geplant. Hier hatte allerdings der Denkmalschutz noch ein Wort mitzureden. Nach langen Verhandlungen einigte man sich mit dem Investor.

Die Lösung: Bis auf die Fassade wurde der gesamte Bau abgerissen und es entstand ein komplett neues Gebäude, welches an die bestehende Fassade gebaut wurde. Diese Fassade wurde während der Bauphase durch massive Stahlstreben gestützt.

Masssive Stahlstreben stürzen die historische Fassade des Dom-Hotels, Bild: Uli Kievernagel
Massive Stahlstreben, mittlerweile entfernt, stützten die historische Fassade des Dom-Hotels, Bild: Uli Kievernagel

Zwischenzeitlich sind die Stützen entfernt worden, aber an eine Wiedereröffnung des Hauses ist noch lange nicht zu denken. Verschiedene Eröffnungstermine für die Jahre 2017, 2020, 2022 und Sommer 2024 konnten nicht gehalten werden.  

Aktuell3Stand: 17. November 2023 ist die Eröffnung für März 2025 geplant. 

Also: Mal sehen!  


So sollen die Zimmer im Dom-Hotel mal aussehen, Bild: Althoff-Gruppe
So sollen die Zimmer im Dom-Hotel mal aussehen, Bild: Althoff-Gruppe

Dom-Hotel virtuell entdecken

Für die Zeit bis zur Wiedereröffnung können interessierte Besucher das Hotel zumindest virtuell besichtigen:

Virtuelle Tour Althoff Dom-Hotel


Stützstreben wurden für den Rosenmontagszug passgenau angefertigt.

Allerdings kann man nicht sagen, dass in Köln nichts funktioniert. Denn wenn es um den Karneval geht, wird auch Unmögliches möglich gemacht.

Das Problem:
Der Rosenmontagszoch muss auf seiner Route auch südlich am Dom-Hotel vorbei. Allerdings nahmen die massiven Stützstreben für die Fassade so viel Platz ein, dass die großen Festwagen nicht mehr durch dieses Nadelöhr gepasst hätten.

JA - das passt: Die für die großen Festwagen an Rosenmontag maßgeschneiderte Durchfahrt, Bild: Uli Kievernagel
JA – das passt: Die für die großen Festwagen an Rosenmontag maßgeschneiderte Durchfahrt, Bild: Uli Kievernagel

Die Lösung:
Die Streben wurden entsprechend der Breite der großen Festwagen exakt soweit nach außen versetzt, dass der Zoch genau durchpasst.

Merke:
In Kölle funktioniert nix – es sei denn, es geht um den Karneval. Dann geht alles. Alaaf!


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Das Schiffswrack in der Eigelsteintorburg

Das Wrack des Rettungsbootes der Cöln hängt in der Kölner Eigelsteintorburg, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de
In der Kölner Eigelsteintorburg hängt ein ganz besonderes Schiffswrack, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de

Der Eigelstein bietet 2.000 Jahre Geschichte auf nur 570 Metern. Insofern gibt es hier viel zu sehen. Auch das berühmt-berüchtigte „Kölner Millieu“ verkehrte hier. Allerdings ist es in der Tat sehr verwunderlich, dass am Ende des Eigelsteins, direkt an der Eigelsteintorburg, das Wrack eines Bootes hängt. Dieses Schiffswrack ist das letzte Überbleibsel des Kreuzers Cöln.

„Kleiner Kreuzer“ Cöln

Die Cöln wurde als Teil der deutschen Kaiserlichen Marine am 5. Juni 1911 in Dienst gestellt. Es handelte sich um einen „Kleinen Kreuzer“ mit immerhin 130 Meter Länge. Dieser Schiffstyp wurde als Aufklärer, Torpedobootszerstörer und auch im Handelskrieg eingesetzt.

Der "Kleine Kreuzer Cöln", hier auf einem Bild von ca. 1912
Der „Kleine Kreuzer Cöln“, hier auf einem Bild von ca. 1912

Im Ersten Weltkrieg tobte der Seekrieg auf der Nordsee. Am 28. August 1914 fand ein heftiges Seegefecht bei Helgoland statt. Die „Kleinen Kreuzer“ Frauenlob, Mainz und Stettin sowie mehrere Torpedoboote der Kaiserlichen Marine waren den Angriffen der Royal Navy eindeutig unterlegen. Zur Unterstützung lief die Cöln aus Wilhemshaven aus. Eigentlich sollten die schweren, fast doppelt so großen Schlachtkreuzer der Marine zur Hilfe kommen. Doch diese lagen im Hafen in Jade fest und konnten wegen des zu niedrigen Wasserstandes  nicht auslaufen.

509 Menschen sterben

Zunächst nahm die Cöln den Kampf mit dem britischen Kreuzer Arethusa und acht Zerstörern auf. Unterstützt wurde die Cöln durch den „Kleinen Kreuzer“ Straßburg. Kritisch für die deutschen Kriegsschiffe wurde es mit dem überraschenden Eingreifen von fünf britischen Schlachtkreuzern.

Die Kaiserliche Marine war eindeutig unterlegen. Die Cöln erhielt mehrere Treffer, konnte aber zunächst entkommen. Doch der britische Schlachtkreuzer Lion nahm die Verfolgung auf und versenkte das Schiff.

Etwa 300 Menschen an Bord waren sofort tot. Ungefähr 200 Besatzungsmitglieder überlebten den Untergang. Da aber an diesem Tag extrem ungünstige Wetterverhältnisse herrschten – es war dichter Nebel – wurden die Schiffbrüchigen von Suchmannschaften nicht gefunden. So starben mit dem Untergang der Cöln insgesamt 509 Menschen.

Der einzige Überlebende: Oberheizer Adolf Neumann, hier auf einem Bild nach dem Untergang der "Cöln", Bild: https://frk-koeln.de/gedenkstaette/kurzvideo/, CC0, via Wikimedia Commons
Der einzige Überlebende: Oberheizer Adolf Neumann, hier auf einem Bild nach dem Untergang der „Cöln“, Bild: https://frk-koeln.de/gedenkstaette/kurzvideo/, CC0, via Wikimedia Commons

Nur ein Überlebender

Der Oberheizer Adolf Neumann (1891 – 1964) war der einzige Überlebende des Untergangs der Cöln. Sein Überlebenskampf dauerte 76 Stunden. Der Kölner Express1vom 29.08.2018 zitiert Neumann wie folgt:

„Nach einigen Stunden starben die ersten Kameraden an Wunden und Erschöpfung. Den Kopf im Wasser, trieben sie zwischen uns. Es traf sich, dass ich mit einem Oberheizer, der an einem größeren Stück Holz hing, zusammenkam. Ihm schloss ich mich an, und bald hatten wir richtiges Gleichgewicht. Die einen hofften noch immer, dass Hilfe unterwegs sei. Andere meinten, wir müssten in der Nähe von Land sein und sollten versuchen, es schwimmend zu erreichen (…). Wir schwammen wohl über zwei Stunden, doch sahen wir kein Land. Es wurde abermals Abend und Nacht. Unser Häuflein Menschen war bis auf einen kläglichen Rest zusammengeschrumpft.“

Zum Glück für Neumann tauchte ein Rettungskutter der Cöln auf – allerdings auch bereits halb zerschossen. Die zwei Mann an Bord zogen den völlig entkräfteten Neumann sowie zwei weitere Kameraden in das schwer ramponierte Boot. Von den fünf Mann an Bord des Rettungskutters überlebte allerdings nur Adolf Neumann. Er wurde drei Tage später von einem Torpedoboot gerettet.

Der fast völlig zerstörte Rettungskutter der Cöln wurde drei Tage später auf Norderney angetrieben. Und es sind exakt die Reste dieses Bootes, welche heute in der Eigelsteintorburg hängen.

Gedenktafel zur Erinnerung an den Untergang der "Cöln" an der Eigelsteintorburg, Bild: Peng (talk), CC0, via Wikimedia Commons
Gedenktafel zur Erinnerung an den Untergang der „Cöln“ an der Eigelsteintorburg, Bild: Peng (talk), CC0, via Wikimedia Commons

Untergang der Cöln markiert Wendepunkt in der Wahrnehmung des Kriegs

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Wahrnehmung des noch jungen Kriegs geprägt von Erfolgsmeldungen der verschiedenen Schlachten. Der Marinehistoriker Dr. Heinrich Walle über die Bedeutung des Untergangs der Cöln

„Erst der Untergang der „Cöln“ machte den Menschen in Deutschland bewusst, dass ein grausamer Krieg herrschte. Bis dahin wurden nur verschleiernde Siegmeldungen von den Schlachten in Belgien und Frankreich verbreitet.“2Express vom 29.08.2018

Die morderne Korvette "Köln" soll 2025 in Dienst gestellt werden, Bild: ZamameeZuka, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die morderne Korvette „Köln“ soll 2025 in Dienst gestellt werden, Bild: ZamameeZuka, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Verschiedene Marineschiffe mit den Namen Köln

Bisher gab es fünf verschiedene Marineschiffe mit dem Namen „Köln“. Das letzte Schiff mit diesem Namen, eine Fregatte, wurde 2012 außer Dienst gestellt.

Allerdings wird zur Zeit die Korvette Köln bei Blohm & Voss ausgerüstet. Dieses Schiff (Länge 90 Meter, spätere Besatzung 58 Personen) wurde durch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker am 21. April 2022 getauft und soll voraussichtlich 2025 in Dienst gestellt werden.

Hoffentlich bleibt dieser Korvette „Köln“ das Schicksal des Kreuzers „Cöln“ erspart.


Die Figur des "Kölschen Boor" an der Eigelsteintorburg, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de
Die Figur des „Kölschen Boor“ an der Eigelsteintorburg, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de

Der Kölsche Boor bewacht die Eigelsteintorburg

Auf der anderen Seite der Torburg kann man den „Kölschen Boor“ bewundern. Die Statue ist eine Kopie, das Original ist im Rathaus ausgestellt.


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Die Professorensiedlung in Marienburg – Platz für schlaue Köpfe

Ein Haus in der "Professorensiedlung" in Köln-Marienburg, Bild: Uli Kievernagel
Ein Haus in der „Professorensiedlung“ in Köln-Marienburg, Bild: Uli Kievernagel

Es muss ein hartes Los für die Professoren der Kölner Universität in den 1920er Jahren gewesen sein: Als ordentlich berufener Professor galt die „Residenzpflicht“. Diese Anordnung aus dem Beamtenrecht besagte, dass der Beamte seinen Wohnort in der Nähe des Dienstorts zu wählen hatte. Faktisch bedeutete dies, dass die jeweiligen Professoren nach Köln übersiedeln mussten.

„Ein Sprung vom sicheren Land ins Ungewisse“

Für viele der nach Köln berufenen Professoren eine Zumutung: Die Stadt bot schon damals viel zu wenig Wohnraum und die rar gesäten Wohnungen waren auch noch unverhältnismäßig teuer. Schnell kursierte an den Hochschulen, dass eine Berufung an die Kölner Universität „Ein Sprung vom sicheren Land ins Ungewisse“ wäre. Dies hatte zur Folge, dass etliche Professoren den Ruf nach Köln nicht annahmen.

Der Kölner Wissenschaftsbetrieb drohte an Attraktivität zu verlieren. Dies ging so weit, dass sich das Kultusministerium bereits kurz nach Eröffnung der Universität im Jahr 1919 gegen Neuberufungen aussprach, wenn diesen keine Wohnungen zur Verfügung gestellt werden konnten.1Nicola Kresken in „Geschichte in Köln“, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte, Nr. 67 (2020)

Attraktive Häuser in hervorragender Lage  

Zur Lösung des Problems handelten die Professoren selbst und gründeten am 4. Juni 1920 die „Baugenossenschaft Kölner Universität“. Ziel war es, attraktive Wohnmöglichkeiten für die Kölner Professoren zu schaffen.

Ungewöhnlich war die gewählte Gesellschaftsform einer Baugenossenschaft. Der Bauökonom Klaus Novy2Klaus Novy: Wohnreform in Köln. Geschichte der Baugenossenschaften Köln, 1986 führt dies auf die „sozialwissenschaftlich-sozialpolitische Ausrichtung“ der Gründungsmitglieder zurück. Zu  diesen Gründungsmitglieder gehörten:

  • Albert Dietrich, Pathologie
  • Hans Driesch, Philosophie
  • Hans Planitz, Rechtswissenschaften
  • Heinrich Lehmann, Rechtswissenschaften
  • Hugo Lindemann, Honorarprofessor und Sozialpolitiker
  • Max Scheler, Philosophie
  • Paul Honigsheim, Sozialwissenschaften
  • Reiner Müller, Hygieniker
  • Wilhelm Prion, Betriebswirtschaftslehre

Die Universität Köln war durch den Rektor Christian Eckert in der Gründungsversammlung vertreten.

Mit der Realisierung des Projektes wurde das sozialistische Bauunternehmen „Bauhütte“ beauftragt, die Stadt Köln stellte in Erbpacht attraktive Grundstücke in Marienburg zur Verfügung.  Bereits im Januar 1921 begann der Bau der ersten Häuser der „Professorensiedlung“.

An der Wolfgang-Müller-Straße in fast direkter Rheinnähe entstanden sieben Doppelhäuser. Diese Häuser waren ansehnliche Villen mit sechs Zimmern, Nebenräumen, Mansardenzimmern und Dachkammern. Und sind symmetrisch um einen Platz gruppiert.

Die Häuser der Professorensiedlung sind rot markiert. Bild: Universität zu Köln
Die Häuser der Professorensiedlung sind rot markiert. Bild: Universität zu Köln

Architekt der Häuser wird von Nationalsozialisten in Auschwitz ermordet

Architekt der Siedlung war der 1879 in Karlsruhe geborene Manfred Faber. Er war einer der wichtigsten Architekten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GAG. Gemeinsam mit Wilhelm Riphahn entwickelte er unter anderem auch die „Märchensiedlung“ in Holweide und Dellbrück.

Faber wurde, wegen seiner jüdischen Herkunft, 1936 aus dem Architekten- und Ingenieur-Verein Köln ausgeschlossen. 1942 wurde er zunächst im Messelager Köln interniert, später nach Theresienstadt und nach Auschwitz deportiert. Dort wurde er am 16. Mai 1944 umgebracht.

Gedenktafel für Manfred Faber, von den Nationalsozialisten ermordeter Architekt der Professorensiedlung, in der "Naumannsiedlung" (Riehl)., Bild: Heinz Reutersberg, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Gedenktafel für Manfred Faber, von den Nationalsozialisten ermordeter Architekt der Professorensiedlung, in der „Naumannsiedlung“ (Riehl)., Bild: Heinz Reutersberg, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Professoren folgen Ruf nach Köln – auch wegen der Häuser in der Professorensiedlung

Mit den attraktiven Immobilien in der Marienburg hatte die Kölner Universität schnell die Nase vorn, wenn es darum ging, die klugsten Köpfe nach Köln zu berufen. Der damalige Rektor Christian Eckert (1874 – 1952) schrieb dazu an Oberbürgermeister Konrad Adenauer:

„Wohl habe ich darauf hingewiesen, dass es durch den Wohnungsbau dem Betreffenden ein schönes Haus mit Garten in Bester gegen Köln zur Verfügung gestellt würde, dessen Bewohnung nicht teurer sei als eine andere Mietwohnung in der Stadt.“

So folgte der Jurist Hans Lewald erst dann dem Ruf nach Köln, als ihm eines der Häuser in Marienburg zugesprochen wurde. Auch zur Bindung der Professoren an die Universität wurden die attraktiven Wohnangebote in Marienburg genutzt. Heinrich Mitteis, einer der bedeutendsten Rechtshistoriker des 20. Jahrhunderts, lehnte erst dann den Ruf nach Frankfurt ab, als man ihm eines der Häuser in der Professorensiedlung zusicherte.

Die "Professorensiedlung" in Köln-Marienburg mit attraktiven Häusern, Bild: Uli Kievernagel
Die „Professorensiedlung“ in Köln-Marienburg mit attraktiven Häusern, Bild: Uli Kievernagel

Deutschlands genialste Siedlung

So entstand „Deutschlands genialste Siedlung“. 3Express vom 05.10.2018 In der Welt der Wissenschaft bekannte Namen wie Eugen Schmalenbach (1873 – 1955), der Begründer der Betriebswirtschaftslehre als akademisches Lehrfach oder auch der Jurist Hans Carl Nipperdey (1895 – 1968) wohnten in der Professorensiedlung.

Im Haus von Nipperdey wuchsen auch seine fünf Kinder auf, darunter Dorothee Sölle, geb. Nipperdey (1929 – 2003). Die streitbare Theologin errang nie die ihr zustehende Anerkennung im Wissenschaftsbetrieb. Diese Anerkennung sollte aber ihr Bruder Thomas Nipperdey (1927 – 1992) bekommen. Der Historiker veröffentlichte 1983 das dreibändige Werk „Deutsche Geschichte“ – das Standardwerk der neueren Geschichte.

Allerdings war Thomas Nipperdey als Kind in der Professorensiedlung nur mäßig glücklich, da die Kinder in der Nachbarschaft alle älter waren und als Spielkameraden ausschieden. Glück für ihn, dass er in der Straßenbahn „richtige Mittelschicht-Kinder, offener und zugänglicher für mich“4Express vom 05.10.2018 kennenlernte.

Auflösung der Genossenschaft

Ab etwa 1930 reifte der Plan, die Häuser der Professorensiedlung aus dem Einflussbereich der Universität zu lösen. Dafür sollte der Erbbauvertrag mit der Stadt Köln gelöst werden und die jeweiligen Bewohner die Möglichkeit bekommen, das Haus inklusive Grundstück zu kaufen.

Der Rektor der Universität Christian Eckert versuchte, diesen Plan zu vereiteln. Denn damit würde die Universität das Argument des hochwertigen und günstigen Wohnraums bei der Berufung von Professoren verlieren. Doch vergebens: 1937 wurde die „Baugenossenschaft Kölner Universität“ aufgelöst und die Häuser an die Professoren verkauft.

Immerhin machte das Modell der Baugenossenschaft Schule. Die Universitäten Leipzig, Aachen und Hamburg waren sehr an den Erfahrungen der Kölner interessiert.

Noch immer sehr begehrte Wohnlage

Die Häuser in der Wolfgang-Müller-Straße sind immer noch sehr begehrt. Die ruhige Lage ohne Durchgangsverkehr, die direkte Nähe zum Rhein und die großen Gärten mit ihren alten Bäumen hat aber ihren Preis: Diese Häuser sind alle heute mindestens zwei, eher aber drei Millionen Euro wert.

Ruhig, schick und gediegen: Die "Professorensiedlung" in Köln-Marienburg, Bild: Uli Kievernagel
Ruhig, schick und gediegen: Die „Professorensiedlung“ in Köln-Marienburg, Bild: Uli Kievernagel

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Kölner Stadtteile: Porz – acht gewaltige Schornsteine als Wahrzeichen

Das Rhenania-Phosphatwerk Porz am Rhein mit seinen markanten acht Schornsteinen um etwa 1920
Das Rhenania-Phosphatwerk Porz am Rhein mit seinen markanten acht Schornsteinen um etwa 1920

Vielleicht hat kein Stadtteil je ein so beeindruckendes Wahrzeichen gehabt wie Porz1Abgesehen von der Innenstadt mit dem Dom. Ungezählt sind die Postkarten, die das ehemalige Wahrzeichen von Porz zeigen.

Die acht Schornsteine des „Rhenania-Phosphatwerk Porz am Rhein“ (früher „Rheinische Portland Cementwerke“) thronten noch bis 1929 über dem Rheinufer. Bereits fünf Jahre zuvor hatte man das Werk, das Düngemittel herstellte, wegen seiner Unrentabiliät schließen müssen. 1930 wurde die Fabrik abgerissen und von 1964 bis 1967 das Porzer Krankenhaus auf dem Gelände errichtet. Deswegen sucht man die gewaltigen Schornsteine heute vergebens.

Neben dem Rhenania Phosporwerk siedelten sich zwei weitere Fabriken in Porz an: Die Eisenverarbeitung der Adelenhütte und die Spiegelglaswerke Germania.

Angestellten- und Arbeiterhäuser in der Germania-Siedlung Porz
Angestellten- und Arbeiterhäuser in der Germania-Siedlung Porz, Bild: gemeinfrei

Bedeutung als Gerichtsstätte

Doch trotz Industrie ist Porz nie eine reine Industriestadt und trotz des Namens wahrscheinlich auch keine römische Siedlung gewesen. Der älteste bekannte Beleg für Porz stammt aus dem Jahr 1019, dennoch wird der Name auf das Lateinische zurückgeführt, auf „porta“, Tor oder Tür, oder auf „portus“, der Hafen. Aufgrund der Lage scheint die Übersetzung Hafen näher zu liegen, obwohl das im Süden gelegene Zündorf über die Jahrhunderte hinweg einen weitaus größeren Einfluss als Hafen- und Handelsplatz hatte. Es habe sich vielmehr um eine kleine Anlegestelle für eine Fährverbindung zur anderen Rheinseite gehandelt, heißt es in der Forschung.

Sicher ist, dass Porz mehr als 500 Jahre lang eine große Bedeutung für die Rechtsprechung hatte. Bereits im Jahr 1286 wird Porz als eine so genannte übergeordnete Gerichtsstätte erwähnt. Nach einer großen Verwaltungsreform im Jahr 1555 wird dies bestätigt und die Zuständigkeit von Porz erweitert: Die herrschenden Grafen von Berg, deren Gebiet im Rechtsrheinischen an Köln, Deutz und Poll angrenzte, erheben Porz zum zentralen Hauptgericht für alle Landgerichte südlich der Wupper (das gesamte heutige rechtsrheinische Köln sowie Bensberg und Odenthal). Außerdem wird Porz zum Verwaltungszentrum für die umliegenden Dörfer. Das Gebiet entspricht in etwa dem heutigen Stadtbezirk Porz (ohne Poll, aber mit Heumar).

Konkurrenz mit Wahn und Heumar

Damit hatte Porz über Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte eine herausragende Rolle gespielt, ohne wirklich ein Zentrum zu sein. Im Jahr 1808, Porz dürfte so etwa 170 Einwohner zu dieser Zeit gezählt haben, erneuerte das Herzogtum Berg seine Verwaltung und Porz musste das erste Mal in seiner Geschichte eine Niederlage einstecken Der Einfluss der Gemeinde verschwand. Es entstanden die Bürgermeistereien Heumar mit den nördlichen und die Bürgermeisterei Wahn mit den südlichen Dörfern des heutigen Stadtbezirkes.

Porz mit den Nachbargemeinden um etwa 1820
Porz mit den Nachbargemeinden um etwa 1820

Eine Erhebung der Einwohnerzahlen aus dem Jahr 1828 verdeutlicht zumindest die Größe von Porz und der umliegenden Dörfer; allein in Niederzündorf wurden 640, in Oberzündorf 276 Einwohner gezählt. In Langel lebten damals 564, in Westhoven 304 und in Porz 268 Menschen.

Im Jahr 1875 wurde der Amtssitz von der Bürgermeisterei Heumar nach Porz verlegt, denn der Amtssitz folgte dem, der das Amt innehatte; 1910 schließlich wurde das Rathaus in Porz gebaut. 1928 wurde die Bürgermeisterei Heumar in Bürgermeisterei Porz umbenannt. Schon damals gab es erste Überlegungen, Porz nach Köln  einzugemeinden.

Selbstständigkeit bleibt erhalten – zunächst

Am 9. März 1919 war die Halle des Kölner Hofes am Rheinufer einfach zu klein, um allen interessierten Bürgern Einlass zu gewähren. Man stimmte damals zwar prinzipiell einer Eingemeindung zu, hielt „die augenblickliche Zeit aber nicht für geeignet (…), derselben näher zu treten.“ Köln, hieß es, könne wirtschaftliche und strukturelle Hilfe nicht im ausreichenden Maße bieten. Die Verbesserungen bei der Versorgung mit Wasserleitungen, Strom, Straßen oder auch Schulen konnte Köln damals nicht leisten, sodass der Gemeinderat sich am 12. Februar 1920 für die weitere Selbstständigkeit entschied.

Die Porzer wehren sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung
Die Porzer wehrten sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung

Auch nach dem Krieg konnte sich Porz einer Eingemeindung widersetzen. Noch immer sah man in dem Anschluss an Köln „weder für die Wirtschaft noch für den einzelnen Gemeindebürger einen Vorteil“. Stattdessen stieg die Zahl der Einwohner der Gemeinde Porz und überschritt zu Beginn der 1950er Jahre die 30.000er Marke. Auf Antrag erhielt Porz im September 1951 von der Landesregierung die Stadtrechte verliehen.

Eingemeindung nach Köln im Jahr 1975 

In den 1970er Jahren erlebte Porz die zweite Niederlage in seiner langen Geschichte. Man sah in der Stadt kein richtiges Mittelzentrum, das, wie etwa Leverkusen, neben Köln bestehen könne. Porz hatte erfolglos versucht, sich mit der Neugestaltung der Innenstadt in die Riege der modernen und großen Städte einzureihen. Die Experten meinten: Zu viele Menschen pendeln nach wie vor nach Köln; es fehlen Einrichtungen aller Art und Arbeitsplätze, als dass Porz unabhängig bleiben könne:

„Die Grenzen der kommunalen Gebietseinheiten in unserem Lande stammen großenteils noch aus dem vorigen Jahrhundert;2Damit ist hier das 19. Jahrhundert gemeint sie hemmen nicht nur zahlreiche Gemeinden in ihrer Entwicklung, sondern wirken vielfach auch anachronistisch, da inzwischen vornehmlich in den Ballungsgebieten neue Lebens, Siedlungs- und Wirtschaftsräume entstanden sind. Dieser Entwicklung haben sich aber die Grenzen der kommunalen Einheiten nicht angepaßt“

Mit dem Köln-Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen endete nach gut 23 Jahren die Eigenständigkeit von Porz am 1. Januar 1975.


Teile dieses Textes durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Emons-Verlags aus dem Buch „Kölns 85 Stadtteile“ von Christian Schuh übernehmen.


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Der „Kölner Keller“: VARheit oder Pflicht?

Die Schiedsrichterpfeife im Kreis: Das offizielle Logo des Videoschiedsrichters, Bild: DFB
Die Schiedsrichterpfeife im Kreis: Das offizielle Logo des Videoschiedsrichters, Bild: DFB

Es ist zum Albtraum fast jeden Fußballfans geworden: Ein Tor fällt, doch der Jubel bleibt zunächst aus, alle Blicke gehen zum Schiedsrichter. War der Spieler vielleicht doch 2,3 cm im Abseits? Und wenn dann der Schiedsrichter sich an den Ohrstöpsel greift und im „Kölner Keller“ nachfragt, kann es lange dauern.

100 Quadratmeter Keller in Deutz

Zur Saison 2017/18 wurde der Video-Assistent VAR (Video Assistant Referee) in der Bundesliga eingeführt, zwei Jahre später auch in der 2. Liga. Die Idee: Mehr Fairness im Spiel durch einen zusätzlichen Schiedsrichter, der sich strittige Entscheidungen aus unendlich vielen Kameraperspektiven in Super-Zeitlupe ansieht und seine Erkenntnisse dem Schiedsrichter auf dem Feld übermittelt.

Blick in den "Kölner Keller", Bild: DFB
Blick in den „Kölner Keller“, Bild: DFB

Dieser zusätzliche Schiedsrichter sitzt im „Kölner Keller“: Ein etwa 100 Quadratmeter großer, fensterloser Raum im Keller von RTL in den ehemaligen Messehallen direkt am Rhein. Dort betreibt RTL Technology, ein Tochterunternehmen des Medienunternehmens RTL, im Auftrag des Deutschen Fußball-Bund e. V. (DFB) und der Deutsche Fußball Liga GmbH (DFL) das High Tech Fußballanalysezentrum.

Der Aufwand für den Video-Assistenten ist extrem groß: Bis zu 21 Kameras in den Stadien sorgen für Bildern aus allen nur möglichen Perspektiven. Um die oft hauchdünnen und im Stadion nicht zu erkennenden Abseitspositionen bewerten zu können, hilft eine digitale Abseitslinie. Diese wird vor jedem Spiel in jedem Stadion neu kalibriert. Außer dem eigentlichen Videoassistenten gibt es noch für jede Partie einen weiteren DFB-Schiedsrichter zur Unterstützung sowie zwei Operatoren. Der Video-Assistent in Köln und der Schiedsrichter auf dem Spielfeld kommunizieren direkt via spezieller Telefonleitung miteinander.

Kölner Keller meldet sich etwa bei jedem dritten Spiel.

Viel Aufwand im „Kölner Keller“ dafür, dass der Video-Assistent nur bei vier ganz speziellen Situationen auf dem Spielfeld tätig wird:

  • Es fällt ein Tor,
  • es soll einen Elfmeter geben,
  • es gibt eine Rote Karte oder
  • der Schiedsrichter hat im Eifer des Gefechts einen Spieler verwechselt.

In der Saison 2021/22 kam es in der Bundesliga insgesamt zu 116 Einsätzen des Video-Assistenten. Bei den 306 Spielen der Saison gab es also durchschnittlich ungefähr in jedem dritten Spiel einen Videobeweis. Dieser Wert ist, mit ganz leichten Schwankungen, seit der Erfindung des „Kölner Kellers“ relativ stabil.

Vorwurf: Stadionerlebnis wird zerstört

Hauptkritik ist aber nicht der Aufwand, der für den Video-Assistenten betrieben wird, sondern die Verzögerungen im Spiel. Bruno Labbadia1Von Dezember 2022 bis April 2023 Trainer des VfB Stuttgart übte heftige Kritik: Der Videobeweis, so Labbadia, sei eingeführt worden, „um krasse Fehlentscheidungen aufzudecken. Und dann braucht der Schiedsrichter gefühlt zehn Minuten, um sich festzulegen. Ich bleibe ein totaler Gegner des VAR. Er macht den Fußball kaputt.“

Eine ähnliche Meinung vertritt auch Philipp Köster vom Fußballmagazin 11Freunde. Ohne radikale Reformen macht der Kölner Keller das Stadionerlebnis kaputt, meint Köster. Er fordert radikale Reformen, unter anderem soll der Kölner Keller aufgelöst und der VAR direkt ins Stadion an den Spielfeldrand gesetzt werden.

Rudi Völler, ehemaliger Nationalspieler und heutiger Direktor der Nationalmannschaft, kann sich den Fußball ohne Videobeweis nicht mehr vorstellen. Bild: Fuguito, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Rudi Völler, ehemaliger Nationalspieler und heutiger Direktor der Nationalmannschaft, kann sich den Fußball ohne Videobeweis nicht mehr vorstellen. Bild: Fuguito, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Bundesligatrainer in der Mehrheit für den Video-Assistenten

Die Sporthochschule Köln hat im Jahr 2019 eine Studie zum Videobeweis unter Schiedsrichtern, Trainern und Spielern durchgeführt. Lediglich 20 Prozent der Befragten monierten die negativen Aspekte des Videobeweises. Und nur drei der 18 Bundesligatrainer wollten den Video-Assistenten direkt wieder abschaffen.2Das waren der damalige Schalke-Trainer David Wagner, Marco Rose aus Mönchengladbach und Düsseldorfs Trainer Friedhelm Funkel. Allerdings geben selbst die Befürworter zu, dass der Videobeweis dem Fußball die Emotionen nimmt.

Auch Rudi Völler, seit 1. Februar 2023 Direktor der deutschen Nationalmannschaft, war nur anfänglich gegen den Video-Assistenten: „Am Anfang war ich noch gegen den Videobeweis. Jetzt kann ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass er nicht mehr da ist“.

Die Befürworter des Videobeweises setzen auf Transparenz. DFB-Schiedsrichter Patrick Ittrich geht davon aus, dass man den Fans erklären muss, wie und weshalb im Kölner Keller entschieden wird. Ittrich: „Es ist das A und O, dass wir die Fans im Stadion und an den Bildschirmen mitnehmen und erklären, was wir tun.“

Transparenz für die Zuschauer im Stadion: Anzeige zur Entscheidung des Videoassistenten im Stadion, Bild: DFB
Transparenz für die Zuschauer im Stadion: Anzeige zur Entscheidung des Videoassistenten im Stadion, Bild: DFB

Weitere Entfremdung zwischen Profi- und Amateurbereich

Bei allen pro- und contra-Argumenten bleibt aber eine Sache völlig außer Acht: Bis zur Einführung des Videoschiedsrichters in der Saison 2017/18 gab es nur ein einziges Regelwerk, egal ob es sich um das Top-Spiel der Bayern gegen Dortmund oder einen Kick in der Kölner Kreisklasse D zwischen dem SC Volkhoven III und dem VfR Sinnersdorf handelte. Da aber der Videobeweis nur in den beiden ersten Ligen eingesetzt wird, haben sich diese beiden Welten noch mehr entfremdet als vorher schon.

Selbst im Kölner Keller immer vorschriftsgemäß im Schiedsrichtertrikot: Videoassistenten bei der Arbeit, Bild: DFB
Selbst im Kölner Keller immer vorschriftsgemäß im Schiedsrichtertrikot: Videoassistenten bei der Arbeit, Bild: DFB

Im Trikot im Keller

Im dunklen Kölner Keller -wegen der für die Videoanalysen notwendigen Lichtverhältnisse ist das tatsächlich ein Keller- wird aber munter weiter entschieden. Kurios: Die an den Monitoren sitzenden Schiedsrichter tragen übrigens im Einsatz immer Schiedsrichtertrikots.

Im Kölner Keller. Irgendwie schräg.  


Auch der DFB fühlt sich der Transparenz verpflichtet und hat ein Video über den Kölner Keller, die Protagonisten und die Arbeitsweise veröffentlicht.


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Kölner Stadtteile: Zollstock – das Maß aller Dinge!

Das Zollstockwappen: Unter den Drei Kronen des Kölner Wappens ist der Zollstock, das Zollhäuschen und das Pflaster des Zollstockswegs abgebildet.
Das Zollstockwappen: Unter den drei Kronen des Kölner Wappens ist der Zollstock, das Zollhäuschen und das Pflaster des Zollstockswegs abgebildet.

Wenn es bei der Kölner Fortuna im Südstadion gut läuft, erschallt neben den obligatorischen „Fortuna“-Rufen auch „Zollstock ist das Maß aller Dinge.“ Was zunächst vermessen scheint, ist aber tatsächlich die Wahrheit: Mit einem Zollstock lassen sich alle beliebigen Dinge vermessen. Nur hat der Name des Kölschen Veedels Zollstock nichts mit dem gleichnamigen Gliedermaßstab zu tun, sondern mit einer ehemaligen Zollgrenze.

Zollgrenze zwischen erzbischöflichem Gebiet und der freien Reichsstadt Köln

Bevor der eigentliche Stadtteil entstand, fanden sich auf dem Gebiet des heutigen Zollstocks nur Kappesboore1Bauern, die Kohl anbauen. und, dank des lehmreichen Bodens, einige Ziegeleien. Erst 1877 findet sich die erste Erwähnung des Ortsnamens Zollstock in „Grevens Adressbuch“. Doch den eigentlichen Zollstock, welcher die Zollgrenze bildete, gab es bereits etwa 100 Jahre früher.

Schon seit etwa 1770 wurden vor den Stadttoren der Stadt Köln Schlagbäume aufgestellt. Die Zollgrenze bildete der Bischofsweg. Dieser Bischofsweg2Nicht zu verwechseln mit dem heutigen Bischofsweg als Verbindung zwischen Bonner Straße und Vorgebirgsstraße. lief einmal rund um die damalige Stadt Köln und markierte die Grenze zwischen der Reichsstadt Köln und den vom Erzbischof kontrollierten Territorien, abgegerenzt durch Schlagbäume. Auch im heutigen Zollstock befand sich ein solcher Schlagbaum.

Der Bischofsweg folgt im Abstand der Stadtmauer und "umrundet" die Stadt Köln, Bild: Schweidkarte aus dem 17. Jahrhundert.
Der Bischofsweg folgt im Abstand der Stadtmauer und „umrundet“ die Stadt Köln, Bild: Schweidkarte aus dem 17. Jahrhundert.

Zuerst wenig wohnliche Gegend, später „Schutzmannshausen“

Ab ca. 1815/16 gehörte das heutige Zollstocker Gebiet zur Bürgermeisterei Rondorf. Die Lehmhütten in Zollstock und die Kiesgruben führten dazu, dass es in Zollstock, so der Bürgerverein Zollstock, „aussah wie eine Mondlandschaft: Brachgelände, Mulden, Erdhügel, einige größere Gruben am Gottes- und Zollstocksweg reichten sogar bis aufs Grundwasser.“

Verständlich, dass sich hier zunächst nur wenige Menschen niederlassen wollten. So wurden für das Jahr 1880 gerade einmal 102 Einwohner verzeichnet. Im Zuge der zahlreichen Eingemeindungen im Jahr 1888 wurde der Stadtteil nach Köln eingemeindet – ein Glücksfall für Zollstock. Denn mit dieser Eingemeindung siedelten  sich zahlreiche Unternehmen und damit auch deren Arbeitnehmer an.

So begann Zollstock ab dem Jahr 1900 massiv zu wachsen. Zahlreiche Wohnungsbaugenossenschaften errichteten Siedlungsbauten, vorrangig für Beamte. Schnell bürgerte sich daher der Begriff „Schutzmannshausen“ ein. Diese Wohnhäuser, unter anderem auch von Wilhelm Riphahn, prägen noch immer das Zollstocker Stadtbild. Heute leben mehr als 23.000 Menschen in diesem Stadtteil.

Die von dem renommierten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn 1927-30 konzipierte Wohnsiedlung in Zollstock, Bild: Asperatus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die von dem renommierten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn 1927-30 konzipierte Wohnsiedlung in Zollstock, Bild: Asperatus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Straßenbahn selber bezahlt?

Zollstock ist durch die Straßenbahnlinie 12 angebunden. Karlheinz Steimel, Vorsitzender des Zollstocker Bürgervereins im Jahr 2008, stellte klar, dass Zollstocker Geschäftsleute und Bürger schon ab 1900 für eine Anbindung ans Straßenbahnnetz kämpften. Doch der Bau der Straßenbahn wurde von der Stadt erst beschlossen wurde, nachdem die „Vereinigung der Fabrik-, Haus- und Grundbesitzer von Köln Zollstock“ 50.000 Goldmark dafür gesammelt hatte.

Angeblich hätten die Zollstocker 1904 als einziger Stadtteil für die Schienen der Straßenbahn selber zahlen müssen.

Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

„Man muss ja auch nicht alles glauben, was man so hört … – mer kann et ävver jot wigger verzälle!“, so der Ur-Zollstocker, Stadtführer, Buchautor und Liedermacher Günter Schwanenberg zu der „Ortslegende“ rund um die bezahlte Straßenbahn. Tatsächlich, so Schwanenberg, wurden wohl auch andere Stadtteile zur Kasse gebeten.

Kölns größer Friedhof liegt in Zollstock

Die Endhaltestelle der Zollstocker Straßenbahnlinie 12 ist heute an Kölns größtem Friedhof, dem Südfriedhof. Auch wenn die Promi-Dichte nicht so hoch ist wie auf dem Melatenfriedhof, haben auf dem Südfriedhof eine ganze Reihe bekannter Kölner ihre letzte Ruhe gefunden. Und da das Villenviertel Marienburg zum Beerdigungsbezirk des Südfriedhofs gehört, gibt es auch hier eine kleine „Millionenallee“. 

Licht und Schatten auf dem Kölner Südfriedhof, Bild: Thomas Salditt
Licht und Schatten auf dem Kölner Südfriedhof, Bild: Thomas Salditt

Der eher an einen Park erinnernde Friedhof, eröffnet am 1. April 1901, weist nicht das typische schachbrettartige Muster von Friedhöfen auf. Die bogenförmig angelegten Wege des ältesten Teils des Friedhofs laden dazu ein, nicht systematisch über das Gelände zu gehen. Eher lässt man sich treiben, erkundet auch kleinere Gräberfelder.

Indianer mitten in der Stadt?

Eine Besonderheit ist die sogenannten „Indianersiedlung“ in Zollstock. Auf einem Gelände in der Nähe des Südfriedhofs wurden Ende der 1920er Jahre für bedürftige Menschen Behelfssiedlungen zugelassen. Die Auflagen für den Bau waren, um die Kosten möglichst niedrig zu halten, sehr gering. Allerdings musste schnell nach Erteilung eines „Bauscheins“ mit dem Bau begonnen werden. Wie und was gebaut wurde, wurde den Bauherren überlassen.

So entstanden sehr individuelle Bauten, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Flüchtlingen und später von Studenten, die alternative Wohnformen suchten, genutzt wurden. 

Doch schon seit den 1960er Jahren wurde über eine Erweiterung des Südfriedhofs nachgedacht. Dafür wurden die sich im städtischen Besitz befindlichen Parzellen der Indianersiedlung geräumt, berichtet der ausgewiesene Zollstock-Kenner Günter Schwanenberg.  Die Parzellen, die sich im Besitz der Bahn befanden, blieben unangetastet.  

Die Indanersiedlung in Köln-Zollstock, Bild: Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Die Indanersiedlung in Köln-Zollstock, Bild: Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Allerdings waren die Hippies und Kommunarden in der Siedlung von Seiten der Stadt wenig erwünscht. Daher beschloss man 1978 eine Änderung des Flächennutzungsplans: Die Indianersiedlung sollte verschwinden, stattdessen sollte der Südfriedhof vergrößert und auch Gewerbeflächen angeboten werden. Doch die Siedler zeigten sich wehrhaft und organisierten sich erfolgreich. Sie gründeten eine Genossenschaft und kauften das Gelände Ende der 1990er Jahre.

Der Begriff „Indianersiedlung“ stammt von dem Autor Hans Conrad Zander, ebenfalls Bewohner dieser Siedlung. Er besuchte Indianer-Reservate und stellte Ähnlichkeiten mit der Siedlung in Zollstock fest. Diese sei, so Zander, ähnlich eigenwillig und naturverbunden und er prägte daher den Begriff „Indianersiedlung“.

Das Kölner Südstadion, Bild: Uli Kievernagel
Das Kölner Südstadion, Bild: Uli Kievernagel

Denn Fortuna, dat simmer all he

Auch wenn sich der SC Fortuna Köln immer als „Südstadtverein“ präsentiert: Tatsächlich liegen Stadion und Geschäftsstelle in Zollstock. Wenn die Vereins-Hymne am Spieltag durch das Stadion an der Vorgebirgsstraße schallt und sich alle bei „Dausend Fahne, nur ze ahne“ in den Armen liegen, ist allen leidgeprüften Fortuna-Fans klar, dass es irgendwann so weit sein wird:

Eines Tages wird’s geschehen,
ja dann fahren wir nach Mailand,
um Fortuna Köln zu sehen.“

Aus & für Zollstock: In diesem Veedel ist man bestens organisiert!
Aus & für Zollstock: In diesem Veedel ist man bestens organisiert!

Zollstocker sind gut organisiert!

Auch unabhängig von den „Indianern“ zeigt sich Zollstock sehr gut organisiert. Nicht nur wegen des Bürgervereins Zollstock, immerhin einer der größten und ältesten Bürgervereine Kölns, sondern auch wegen zahlreicher Initiativen und Vereine wie zum Beispiel

 

 Der idyllische Kalscheurer Weiher, links befinden sich Büdchen und Bootsverleih, Bild: Unclesam999, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der idyllische Kalscheurer Weiher, links befinden sich Büdchen und Bootsverleih, Bild: Unclesam999, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia CommonsEiner der schönsten Biergarten Kölns befindet sich in Zollstock, am Kalscheurer Weiher. Im Grüngürtel betreibt eine Bürgerinitiative seit ein paar Jahren liebevoll ein Büdchen, für welches mehr als 40.000 Euro an Spenden eingeworben und viele tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit geleistet wurden. Für die Freizeitkapitäne gibt es einen Bootsverleih.

Zollstock aus Zollstock

Und wie war das jetzt mit „Maß aller Dinge“? Der Zollstocker Bürgerverein hat das mit dem „Zollstock aus Zollstock“ wörtlich genommen und zum 111jährigen Jubiläum tatsächlich einen Zollstock mit dem Zollstocker Wappen produzieren lassen.

Der „Zollstock aus Zollstock“ vom Allgemeinen Bürgerverein Zollstock e.V.
Der „Zollstock aus Zollstock“ vom Allgemeinen Bürgerverein Zollstock e.V., Bild: Uli Kievernagel

Jood jemaht!


111 Jahre Allgemeiner Bürgerverein Zollstock

Zum 111jährigen Jubiläum im Jahr 2019 hat der Allgemeine Bürgerverein Zollstock eine Festschrift herausgegeben. Der Ur-Zollstocker Günter Schwanenberg hat die Geschichte des Bürgervereins, die untrennbar mit der Geschichte des Veedels verbunden ist, aufgearbeitet.

Anders als übliche Festschriften, die oft nur aus Werbung des lokalen Einzelhandels bestehen, hat Schwanenberg akribisch, zum Teil kritisch, aber immer mit einem Augenzwinkern die 111 Jahre des Bürgervereins in 52 äußerst lesenswerte Seiten gefasst.


Der Theophanoplatz mitten in Zollstock, Bild: Quadworks, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der Theophanoplatz mitten in Zollstock, Bild: Quadworks, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Zollstock: „Du häs Charme, ävver kei Minsch erkennt dat“

Die Bläck Föös haben neben der Fortuna-Vereinshymne auch noch einen zweiten Titel zu Zollstock im Repertoire. Im Lied „Zollstock“ aus der Feder von Hans Knipp heißt es:

„Joot versteck zwesche drei Täler,
Linden-, Bayen- un Raderthal,
recks Du Dich däm Himmel entjäje,
doch däm es dat völlich ejal.“

Und mit einem Augenzwinkern weist der Text auch auf Zollstocks größte Sehenswürdigkeit hin:

„Doch eine letzte Wunsch, dä hätt ich,
deef en Zollstock bejrave ze sin.“


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Pfarrkirche Christi Auferstehung – verspiegelter Hingucker im belgischen Viertel

Die Kirche Christi Auferstehung Bild HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Die Kirche Christi Auferstehung Bild HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Ein Ufo? Eine Kirche? Eine Disco? Verwundert reibt man sich die Augen, wenn man auf den verspiegelten Bau an der Moltekstraße im Belgischen Viertel schaut. Irgendwie erkennt man dann aber, dass es sich schon um eine Kirche handelt. Immerhin gibt es einen Kirchturm. Und auch die roten Stahlträgern bilden die Silhouette einer Kirche nach.

Tatsächlich ist es keine Kirche. Zwar stand hier einmal die Auferstehungskirche – immerhin der damals größte eigenständige Kirchenbau der Alt-Katholiken in Deutschland. Doch heute ist der verspiegelte Bau ein reines Bürohaus. 

Alt-Katholiken gründen sich nach dem Ersten Vatikanischen Konzil 

Die Alt-Katholiken haben sich als Folge der Beschlüsse des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/70) gegründet. In diesem Konzil wurden das „Papstprimat“1Der Vorrang des Papstes als Führer aller Christen. und die Unfehlbarkeit des Papstes festgelegt. Christen, die diese Beschlüsse nicht mittragen wollten wurden exkommuniziert und gründeten neue, unabhängige Gemeinden.

„Diese Bewegung hatte einen enormen Erfolg im wirtschaftsliberalen katholischen Bürgertum“ so Ulrich Krings ehemaliger Kölner Stadtkonservator im Kölner Stadt-Anzeiger2„Die Auferstehung einer Kirche“, in der Ausgabe vom 13. Januar 2021. Und genau diese Personen waren wohlhabend und stifteten erhebliche Summen, um sich ein repräsentatives Gotteshaus in Köln zu errichten. So stiftete zum Beispiel Carl Stollwerck, ein Mitglied der Stollwerck-Schokoladen-Dynastie, die Kanzel.

Anleihen aus der Romanik und dem Jugendstil

Im Jahr 1906 begann der Bau der Auferstehungskirche. Der Architekt Peter Recht errichtete einen außergewöhnlichen Kirchenbau. Ein völlig neuer Stil mit Anleihen aus der Romanik und dem Jugendstil. So entstand eine zweijochige Kirche mit breitem Querschiff und zwei kleineren Türmen am Chor. Auch die verwendeten Materialien verschafften dieser Kirche eine ganz besondere Wirkung. Während der Sockel aus Dolomitgestein gefertigt wurde, waren die Wände aus Backstein gemauert. Ein Putz mit weißen und schwarzen Steinen auf den großen Wandflächen sorgte für einen weiteren Farbkontrast.

Die Kirche Christi Auferstehung früher, Bild anonym, via Wikimedia Commons
Die Kirche Christi Auferstehung früher, Bild anonym, via Wikimedia Commons

Ulrich Krings ist sich sicher: „Das war völlig revolutionär für 1906. Das hätte die katholische Kirche niemals zugelassen.“3„Die Auferstehung einer Kirche“, in der Ausgabe vom 13. Januar 2021. Tatsächlich gab es sogar ausdrückliche Verbote von Seiten der katholischen Bistumsleitung, Elemente des Jugendstils für Kirchen zu verwenden.

Vielleicht noch ein Grund mehr für die Alt-Katholiken, sich auch und gerade durch den Baustil des Gotteshauses deutlich von der katholischen Kirche abzugrenzen.

Die 1944 durch zwei Bomben zerstörte Kirche Christi Auferstehung, Bild: Alt-Katholische Gemeinde Köln
Die 1944 durch zwei Bomben zerstörte Kirche Christi Auferstehung, Bild: Alt-Katholische Gemeinde Köln

Zerstörung im Krieg – moderner Wiederaufbau

Zwei Bombentreffer im Jahr 1944 beschädigten die Kirche – bis auf den Kirchturm – so schwer, dass die weitere Benutzung des Kirchenraums nicht mehr möglich war. Daher wurde 1953 eine Notkirche an gleicher Stelle fertiggestellt. Allerdings fehlten der Gemeinde für eine vollständigen Wiederaufbau die finanziellen Mittel.

In den 1980er Jahren entschloss sich die Gemeinde, dass Kirchengrundstück zu verkaufen und bebauen zu lassen. Die entscheidende Idee für den Neubau lieferte der Architekt Professor František Sedláček (1943 – 2008). Statt eines gesichtslosen sechsgeschossigen „normalen“ Neubaus schlug Sedláček vor, mit einem roten Stahlgerüst die Silhouette der Kirche nachzuempfinden.

Die Kirche Christi Auferstehung früher und heute, Bild früher: anonym, Bild heute: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, beide via Wikimedia Commons
Die Kirche Christi Auferstehung früher und heute, Bild früher: anonym, Bild heute: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, beide via Wikimedia Commons

Und somit entstand von 1991 bis 1993 wieder eine ganz besondere Architektur an der Moltkestraße: Der sanierte Kirchturm wird von einem futuristischen, verspiegelten und an die Kirche erinnernden modernen Bau flankiert.

In diesem Bau unterhalten mehre Unternehmen ihre Büros, darunter auch die Web- und Werbeagentur cekom. Geschäftsführer Marcus Fornfeist schätzt diese außergewöhnlichen Räumlichkeiten. Und die Turmglocke, so Fornfeist mit einem Lächeln im Gesicht, hilft bei der Tagesstruktur: „Mittags um 12 Uhr, weist sie darauf hin, dass man auch mal was essen sollte und um 18 Uhr, dass es auch einen wohlverdienten Feierabend gibt.“

Marcus Fornfeist, Geschäftsführer der Web- und Werbeagentur cekom, schätzt diese ganz besonderen Räumlichkeiten und ganz besonders den Glockenschlag der Christuskirche, Bild: cekom
Marcus Fornfeist, Geschäftsführer der Web- und Werbeagentur cekom, schätzt diese ganz besonderen Räumlichkeiten und ganz besonders den Glockenschlag der Christuskirche, Bild: cekom

„Geiss TV“ und „Roberto Geissini“

Zwischenzeitlich residierten in dem Bau auch zwei Firmen des aus dem Fernsehen bekannten Unternehmers Robert Geiss. Der um seine markanten Sprüche nie verlegene „Rooooooooobert“ Geiss meinte dazu „Wenn wir schon nicht den Dom kriegen, dann wenigstens eine Kirche“.

Damit lag Geiss allerdings falsch. Denn das verspiegelte Gebäude ist nur einer Kirche nachempfunden, war aber nie ein Gotteshaus. Daher gefiel dem Gemeindepfarrer der Alt-Katholischen Gemeinde Jürgen Wenge diese Aussage von Robert Geiss überhaupt nicht. Er wies darauf hin, dass sich das eigentliche Kirchengebäude nach wie vor im Besitz und Gebrauch der alt-katholischen Gemeinde befinde und lediglich das Bürohaus von Geiss genutzt werde. Und glücklich war Wenge mit seinen neuen Nachbarn auch nicht: „Wenn wir hier ein Mitspracherecht hätten, würden wir mit Sicherheit andere Nachbarn als dieses Promipaar mit seinem Soap-Gedöns wählen.“4„Die Geissens haben Streit mit neuen Nachbarn“, Rheinische Post vom 11.03.2016

Blick aus dem neuen Kirchenraum durch die Glaspyramide auf den alten Turm, Bild: Alt-Katholische Gemeinde Köln
Blick aus dem neuen Kirchenraum durch die Glaspyramide auf den alten Turm, Bild: Alt-Katholische Gemeinde Köln

Alt-Katholische Kirche direkt neben dem modernen Bau

Tatsächlich hat sich die Gemeinde von den Verkaufserlösen eine völlig neue Kirche gebaut. Diese befindet sich auf dem Gelände des ehemaligen Pfarrgartens, fast direkt an dem verspiegelten Bau.  Der Eingang zur neuen Kirche befindet sich im Torbogen zum ehemaligen Pfarrgarten. Durch eine Glaspyramide über dem Kirchenraum ist der direkte Blick auf den Kirchturm möglich.

Und in welcher anderen Kirche kann man schon aus dem Innenraum direkt auf den Kirchturm schauen?


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Der Südpark: Flanieren in feinster Umgebung

Das Südpark-Restaurant, etwa um 1903, Autor unbekannt, Public domain, via Wikimedia Commons

Mädchen in ihren besten Kleidchen, kleine Jungs in dem damals modischen Matrosenanzug, die Mutter im besten Gewand und der Vater im feinen Zwirn – es muss ab 1901 ein eindrucksvolles Bild im Kölner Südpark gewesen sein. Es war ganz normal, dass sich die Familie schick machte, um sonntags flanieren zu gehen. Es ging um Repräsentation, das „sehen und gesehen werden“.

So könten die feine Garderobe der Damen ausgesehen haben, die im Südpark flanierten, Bild: Rijksmuseum, CC0, via Wikimedia Commons
So könten die feine Garderobe der Damen ausgesehen haben, die im Südpark flanierten, Bild: Rijksmuseum, CC0, via Wikimedia Commons

Gesellschaftliches Leben in repräsentativen Parks

Neben der Flora, dem Zoo oder dem Stadtgarten war der Südpark im vornehmen Marienburg eine bevorzugte Ecke, um am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Das Flanieren in den städtischen Parks mit anschließender Einkehr in die Gastronomie gehörte zu den bevorzugten Sonntagsbeschäftigungen der Menschen.

Verständlich, wenn man die Umstände der Zeit bedenkt: Der Wohnraum war extrem knapp, zu viele Menschen lebten auf beengtem Raum. In der ärmeren Bevölkerung waren bis zu sechs Personen pro Zimmer die Normalität. In diesem Zimmer wurde gekocht, gegessen, sich gewaschen und geschlafen. Für uns heute undenkbar. Der sonntägliche Ausflug bot daher die gewünschte Abwechslung. 

Wirtschaftliche Interessen ermöglichen den Südpark

Dass ausgerechnet im Nobelviertel Marienburg ein solcher Park entstand, ist knallharten wirtschaftliche Interessen zu verdanken. Das Gelände des Villenviertels Marienburg wurde durch die Kölnische Immobiliengesellschaft vermarktet. Diese Gesellschaft schenkte der Stadt im Jahr 1896 ein knapp fünf Hektar großes Grundstück mitten zwischen den Villen mit der Auflage, daraus einen „geschmackvollen, öffentlichen Stadtpark“ zu machen.

Das Kalkül der Immobilienvermarkter: Eine Wertsteigerung für das gesamte Villenviertel, welche auch die Bautätigkeit anregen sollte. Oder anders formuliert: Man verschenkt zwar ein ansehnliches Areal, bekommt dafür aber einen Park, den man noch nicht einmal selber pflegen muss. Durchaus geschickt gemacht.

Die weite Rasenfläche des Südparks, Bild: Severinus1970, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die weite Rasenfläche des Südparks, Bild: Severinus1970, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Stadt griff zu, und der städtische Gartendirektor Adolf Kowallek ließ in etwa drei Jahren den halbkreisförmigen Südpark fertigstellen. Mit kleinen lauschigen Ecken und weiten Flächen, geprägt durch viele Kiefern. Die Kosten für die Stadt betrugen 75.300 Mark.

Ein durchaus stattlicher Betrag, wenn man bedenkt, dass in dieser Zeit das monatliche Bruttoeinkommen im Durchschnitt etwa 70 Mark betrug, was bedeutet, dass ein normaler Arbeitnehmer für diesen Betrag etwa 90 Jahre hätte arbeiten müssen. Und die Kölnische Immobiliengesellschaft konnte sich freuen: Es entstand ein attraktiver Park inklusive Pflege inmitten der zu vermarktenden Grundstücke.

Das Südpark-Restaurant um 1905, Autor unbekannt, Public domain, via Wikimedia Commons

Das Südpark-Restaurant: Ein „vornehmes Garten-Etablissement“

Der Park ist halbkreisförmig angelegt und wird von der Straße „Am Südpark“ begrenzt. Geschwungene Wege führen durch den Park, in der Mitte befinden sich große Wiesen und ein Kinderspielplatz, welcher auch durch Spenden der Marienburger Nachbarschaft ermöglicht wurde.

Werbeanzeige des Südpark-Restaurants im Kölner Local-Anzeiger vom 8. Juni 1901
Werbeanzeige des Südpark-Restaurants im Kölner Local-Anzeiger vom 8. Juni 1901

Auf genau diesem Gelände des heutigen Spielplatzes befand sich das Südpark-Restaurant. Diese Gaststätte war „the place to be“. Man traf sich bei Restaurateur Hugo Krabb im „vornehmen Garten-Etablissement“ bei „vorzüglichem Kaffee“ und „bestgepflegten Weinen“. Als Highlight gab es im Sommer „Große Militär-Konzerte bei freiem Eintritt“.

Die Außengastronomie im Südpark-Restaurant um etwa 1909, Autor unbekannt, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Kölner und auch auswärtige Gäste rannten Krabb förmlich die Bude ein. So berichtetete der Kölner Local-Anzeiger, dass es notwendig war, schon wenige Tage nach der Eröffnung zusätzlich zu den vorhanden 300 Stühlen weitere 650 Stühle anzuschaffen. Das Geschäft brummte.

Beschluss im Stadtrat zur Ausstattung des Südpark-Restaurants aus dem Kölner Local-Anzeiger vom 18. Mai 1901

Ab 1938 war es vorbei mit dem sonntäglichen „draußen-nur-Kännchen“-Restaurant im Südpark. Das Gebäude wurde zu einem Heim der Hitlerjugend umfunktioniert, und im Zweiten Weltkrieg wurden das Dach und das Obergeschoss durch Bombentreffer erheblich beschädigt. Zunächst war ein Wiederaufbau geplant, der aber nie realisiert wurde. 1951 wurde das gesamte Gebäude abgerissen.

Südpark verliert in den 1950er-Jahren seine Anziehungskraft

Zwischenzeitlich wurden auch in anderen Stadtteilen eigene Parks angelegt. Gleichzeitig war das sonntägliche Repräsentieren mit anschließender Einkehr nicht mehr die bevorzugte Freizeitbeschäftigung der Kölner. So verlor auch der Südpark seine Anziehungskraft.

Heute findet man niemand mehr mit feinem Sonntagsstaat im Südpark. Stattdessen wird die Wiese zum Picknicken oder Fußballspielen genutzt, und die Marienburger führen ihre Hunde im Park Gassi.

Aber schön ist es dort immer noch.
Und der Panther bewacht „seinen“ Park.


Der Südpark ist Teil der „Lotsentour Marienburg“.


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Er prägte das Kölner Stadtbild: Der Architekt Wilhelm Riphahn

Riphahn-Bau "Bastei", Bild: Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)
Riphahn-Bau „Bastei“, Bild: Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Sobald der Name „Wilhelm Riphahn“ fällt, winkt der Kölsche gleich ab: „Nä – dat is doch dä mit der Oper. Vell ze dür.“ Dass sein Name mit dem Kosten-Desaster der Opernsanierung verbunden ist, wird Riphahn nicht gerecht. Und wenn er das wüsste, würde er sich in seinem Grab auf Melaten umdrehen. Tatsächlich gibt es wohl keinen zweiten Architekten, der so viele Spuren in Köln hinterlassen hat wie Wilhelm Riphahn.

Er hat nicht nur die Bastei am Rheinufer oder den Neubau der Mülheimer Brücke nach dem Krieg, sondern auch zahlreiche Wohnsiedlungen wie die „Weiße Stadt“ oder den „Blauen Hof“ in Buchforst, konzipiert. Außerdem hat Riphahn stilbildende Gebäude wie den UFA-Palast, das Britische Kulturinstitut „Die Brücke“ oder das Gebäude der WiSo-Fakultät der Universität gebaut. Und auch das heute so umstrittene Ensemble aus Oper und Schauspielhaus.

Sproß einer Architektenfamilie

Wilhelm Riphahn wurde am 25. Juli 1889 in eine Kölner Bauunternehmer- und Architektenfamilie geboren. So ist es kaum verwunderlich, dass er an der Köl­ner Bau­ge­werk­schu­le studierte und dann bei namhaften Architekten in Ber­lin, Dres­den und Mün­chen erste Praxiserfahrungen machte.

Das Bootshaus des Ru­der­club „Ger­ma­ni­a“, Poller Wiesen, Bild: Cekay, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das Bootshaus des Ru­der­club „Ger­ma­ni­a“, Poller Wiesen, Bild: Cekay, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

1913 kam er nach Köln zurück und eröffnete im Alter von 24 Jahren sein eigenes Architekturbüro. Erste Projekte waren das von ihm entworfene Bootshaus des Ru­der­club „Ger­ma­ni­a“ an den Poller Wiesen (1914) und das Wohn- und Geschäftshaus „Justinianstraße 1“ als Entreé für die Deutzer Freiheit (1914).

Im Jahr 1914 heiratete Riphahn Pau­la Schuh­ma­cher, die 1919 im Alter von nur 30 Jahren verstarb und den Witwer mit seinen zwei Kindern zurücklies. Ada Friedmann (1890-1962) wurde 1922 seine zweite Ehefrau.

„Lich, Luff und Bäumcher“

Nach dem Ersten Welt­krieg verschreibt sich Riphahn konsequent dem Bauhaus-Stil und wurde der „Haus- und Hofarchitekt“ der 1913 gegründeten Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau (GAG). So entstanden 1922 die Wohnsiedlung in Bickendorf, 1927 – 1930 die „Siedlung Zollstock“ und 1927 – 1932 die Vorzeige-Siedlungen „Weiße Stadt“ und „Blauer Hof“ in Buchforst.

Die Siedlung "Weiße Stadt" in Köln-Buchforst, Bild: Grkauls, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Siedlung „Weiße Stadt“ in Köln-Buchforst, Bild: Grkauls, Public domain, via Wikimedia Commons

Der Wohnungsbau erfährt in dieser Zeit durch Riphahn eine grundlegende Modernisierung: Nach dem Motto „Lich, Luff und Bäumcher“ konzipierte Riphahn klare Formen und großzügige Weitläufigkeit mit großen, begrünten Innenhöfen.

Auch hier zeigt sich die praktische Seite seiner Architektur: Um den Muff trocknender Wäsche aus den Wohnungen zu verbannen, waren diese Innenhöfe mit Wäscheleinen zum Wäschetrocknen versehen.

Die Wohnsiedlung "Blauer Hof" mit großem, begrünten Innenhof. Bild: Rolf Heinrich (Köln), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Wohnsiedlung „Blauer Hof“ mit großem, begrünten Innenhof. Bild: Rolf Heinrich (Köln), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Typisch für die Wohnbauten von Riphahn waren auch die großen Wohnküchen, die auch heute wieder sehr beliebt sind. Dass Balkone und eigene Bäder nicht länger Luxus waren, sondern zum Stan­dard wurden, ist ebenfalls diesem Visionär zu verdanken. Die von Riphahn entworfenen Wohnsiedlungen haben bis heute nichts von ihrer Modernität verloren.

Riphahn selber beschreibt 1928 die Aufgabe des Architekten wie folgt:

„Wir sind Kinder unserer Zeit, die in viel stärkerem Maße sozial fühlt und denkt als irgendeine vergangene. Es ist daher Aufgabe des Architekten, mit ganzer Strenge den Bedürfnissen, die die heutigen Lebensbedingungen mit sich bringen, gerecht zu werden und dabei künstlerisch das zu leisten, was möglich ist. Massenbedürfnis, Not der Zeit und Gemeinschaftsgedanke führen zum Kollektivbau, der seinerseits wieder den zweckmäßig und liebevoll durchgearbeiteten Typ verlangt.“

Die Bastei: “Mit der Landschaft, dem Strom und den Brücken vermählt“

1931 entsteht in nur fünf Monaten der UFA-Palast. Dieser Riphahn-Bau war mit 3.000 Sitzplätzen nicht nur das größte Kino in Westdeutschland, sondern auch eines der spektakulärsten Bauwerke in Köln.

“Mit der Landschaft, dem Strom und den Brücken vermählt“ - die Bastei am Rheinufer. Ein ähnliches Bild hatte Wilhelm Riphahn zeitlebens in der Brieftasche, Bild: Raimond Spekking
“Mit der Landschaft, dem Strom und den Brücken vermählt“ – die Bastei am Rheinufer. Ein ähnliches Bild hatte Wilhelm Riphahn zeitlebens in der Brieftasche, Bild: Raimond Spekking

Ein weiteres Meisterstück von Riphahn ist das Restaurant „Bastei“ am Rheinufer. Dieses in der Entstehungszeit umstrittene Bauwerk begeisterte nach der Fertigstellung die Bürger und auch die Fachwelt. Der Architekturkritiker Heinrich de Fries meinte 1926, dass sich die Bastei „mit der Landschaft, dem Strom und den Brücken vermähle, fast völlig befreit scheinbar von der Basis, aus der es doch entwachsen ist.“

Andere Menschen haben ein Bild ihrer Kinder in der Brieftasche, bei Riphahn war das anders: Bis zu seinem Tod hatte er immer ein Foto der Bastei dabei.

Schwierige Zeit im Nationalsozialismus

Riphahn verweigerte sich der Ideologie der Nationalsozialisten. Seine zweite Frau Ada Friedmann war jüdischer Abstammung. Seiner Tochter verbot er ausdrücklich, in den Bund Deutscher Mädel (BDM) einzutreten.

Daher wurde er von den braunen Machthabern bei Auf­trags­er­tei­lung öf­fent­li­cher Bau­ten nicht mehr berücksichtigt. Nur durch eine Intervention des Kölner Architekten Clemens Klotz, einer Größe im nationalsozialistischen Deutschland, konnte er einen GAG-Auftrag für eine Wohnsiedlung in Lindenthal erhalten. Seine wirtschaftliche Existenz sicherten ihm aber private Bauherren. 1939 reiste er in die USA und überlegte, ob er auswandern sollte. Schlussendlich kam er aber zurück nach Köln.

Schutz vor dem Bombenhagel des Zweiten Weltkriegs findet Riphahn zusammen mit seiner Familie in Engelskirchen. Schnell ist ihm klar, dass er wesentlich zum Wiederaufbau beitragen kann. Seine These: „Köln wird wie­der ent­ste­hen, ja es wird sich, wenn auch in spä­ter Zu­kunft, zur gro­ßen Me­tro­po­le West­eu­ro­pas ent­wi­ckeln“. 

Das von Riphahn 1958 - 1961 konzipierte Gebäude der Dresdner Bank, Unter Sachsenhausen, Bild: © Raimond Spekking

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Das von Riphahn 1958 - 1961 konzipierte Gebäude der Dresdner Bank, Unter Sachsenhausen, Bild: © Raimond Spekking

Prägende Architekt des Kölner Wiederaufbaus

Als freier Architekt wird Riphahn Berater der „Köl­ner Wie­der­auf­bau­ge­sell­schaft“. Der Visionär setzt sich für einen durch­grün­ten und durch­lüf­te­ten Stra­ßen­rau­m ein und setzt dabei wesentliche Akzente in Köln. Beim Wiederaufbau der Hahnenstraße konzipiert er prägende Bauten wie die Kunst­ga­le­rie Mo­el­ler und das bri­ti­sche Kul­tur­in­sti­tut „Die Brü­cke“ (1950).

Pünktlich zum Karnevalsbeginn am 11. November 1948 werden die von ihm geplanten Sartory-Säle fertig, 1953 das Institut Français am Sachsenring und 1959 als erster Erweiterungsbau der Kölner Universität das WiSo-Gebäude. Auch der Neubau der Mülheimer Brücke stammt aus seinem Büro. 

Die Oper: Der „Aida-Bunker“

Mit dem Wiederaufbau wurden die Stimmen immer lauter, Kulturbauten in der Innenstadt rund um den Dom zu konzentrieren. Der Standort des alten Opernhauses am Rudolfplatz (heute steht dort das Steigenberger Hotel) erschien daher eher ungeeignet. Mit dieser Idee setzte sich Riphahn in einem Architekturwettbewerb durch und ergriff die Gelegenheit, mit dem Ensemble aus Oper und Schauspielhaus sowie weiterer umliegenden Bauten ei­nen gan­zen in­nerstäd­ti­schen Be­reich mit sei­nen Planun­gen zu prägen.

Die Oper im Jahr 2010 - vor der aufwändigen Sanierung, Bild: Raimond Spekking
Die Oper im Jahr 2010 – vor der aufwändigen Sanierung, Bild: Raimond Spekking

1957 wurde die neue Oper am Offenbachplatz eingeweiht. Bis 1963 folgten das Schau­spiel­hau­ses und die Opernterras­sen. Wolfgang Schmidtlein war als Architekt bei Wilhelm Riphahn angestellt und wesentlich in die Gestaltung der Oper eingebunden. Das für das Opernhaus ein ägyptischer Tempel Pate stand, weist er in einem Interview in das Reich der Legende.

Die Oper im Jahr 2017, mit fast fertiggestellter Außensanierung. Gut zu erkennen: Die Balkone, Bild: Raimond Spekking
Die Oper im Jahr 2017, mit fast fertiggestellter Außensanierung. Gut zu erkennen: Die Balkone, Bild: Raimond Spekking

Tatsächlich gab es praktische und ästhetische Gründe für den Bau. Senkrechte Türme, so Schmidtlein, hätten diesen Teil der Innenstadt gestalterisch erschlagen. Und für die Betrieb der Oper waren unterschiedliche Raumtiefen erforderlich. So entstanden die bekannten Schrägen. Und auch die Balkone sind aus einer praktischen Erwägung entstanden. Da die Werkstätten viel Licht benötigen und eine schräge Verglasung extrem teuer gewesen wäre, die zudem die Räume extrem aufgehitzt hätte, entschied man sich für die Balkone. So konnten Kosten gespart werden.

Viele Kölner konnte das Gebäude bis heute nicht überzeugen. „Hässlich, wie ein Hotel auf Mallorca“, so eine Meinung. Auch als „Aida-Bunker“ oder „Grabmal des unbekannten Intendanten“ wurde die Oper bezeichnet.  

Das höhenmäßig versetzten Balkons in der Kölner Oper mit frontalen Blick auf die Bühne, Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004427-0001 / Teubner / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Die höhenmäßig versetzten Balkons in der Kölner Oper mit frontalem Blick auf die Bühne, Bild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F004427-0001 / Teubner / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Seit Juni 2012 läuft die umstrittene Sanierung der Oper – eines der bislang teuersten Kulturprojekte in Deutschland. Die Gesamtsumme (inkl. Finanzierungskosten und Betrieb von Ausweichspielstätten) beträgt mittlerweile rund und eine Milliarde Euro. Als Fertigstellungstermin wurde der 22. März 2024 genannt.

Bescheiden und kein Mann der großen Worte

Wilhelm Riphahn hat diese Irrungen und Wirrungen über sein Bauwerk nicht mehr erlebt. Er starb nicht lange nach der Eröffnung des Schauspielhauses am 27. Dezember 1963. Sein Grab ist auf Melaten.

Dieser Architekt hat Köln maßgeblich geprägt. Und war gleichzeitig bescheiden und eher wortkarg. Als er 1931 zu einer Rede bei der Eröffnung des UFA-Palasts gedrängt wurde, bestand diese aus den Worten

„Ich kann über meinen Kram nichts sagen, seht ihn euch selber an.“


DANKE an Joachim Brokmeier

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier für eine wertvolle Ergänzung zu diesem Artikel. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“.


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Das Hansahochhaus – in Rekordzeit errichteter Prestigebau

Das Hansahochhaus in Köln, errichtet von 1924/25, Bild: Raimond Spekking
Das Hansahochhaus in Köln, errichtet von 1924/25, Bild: Raimond Spekking

Im Jahr 1924 hatten die Düsseldorfer mit dem Wilhelm-Marx-Haus das höchste Eisenbetonbauwerk in Europa fertigggestellt. Die Farbe war noch nicht trocken, da bekam dieses Haus Besuch: Eine Delegation des Kölner Städtebauausschusses machte eine Dienstreise nach Düsseldorf, um genau dieses Gebäude in Augenschein zu nehmen.

Kaum zurück in Köln wurden die Pläne konkretisiert, auch in Köln ein Hochhaus zu errichten. Allerdings musste dieses Gebäude – entsprechend dem kölschem Selbstverständnis – höher als das Düsseldorfer Hochhaus werden.

So wurden die Pläne des Architekten Jacob Koerfer, am Hansaring ein 65 Meter hohes Haus zu errrichten, zügig im Städtebauausschuss durchgewunken. Denn: Dieses Gebäude sollte satte 13 Meter höher als das Düsseldorfer Wilhelm-Marx-Haus werden. Und auch der Name „Hansahochhaus“ sollte an die glorreichen Zeiten Kölns als führendes Mitglied der Hanse erinnern.

Adenauer will Köln aufwerten

Dieses Gebäude war Teil der Strategie Konrad Adenauers, Köln massiv aufzuwerten. Der damalige Bürgermeister hatte daher seine Finger bei vielen Bauprojekten im Spiel, dazu gehörten unter anderem

  • die Universität,
  • das Müngersdorfer Stadion,
  • die Messe,
  • der Niehler Hafen,
  • die Ford-Werke,
  • die Mülheimer Brücke oder auch
  • die Autobahn Köln-Bonn.

Das Hansahochhaus passte genau in Adenauers Plan: Kühn, ehrgeizig und aufsehenerregend. Deswegen schrieb er auch im April 1924 an den Architekten des Gebäudes:

Schreiben von Konrad Adenauer an Jacob Koerfer, Architekt des Hansahochhauses, vom 24. April 1924, Quelle: Koerfer'sche Verwaltungsgesellschaft mbH
Schreiben von Konrad Adenauer an Jacob Koerfer, Architekt des Hansahochhauses, vom 24. April 1924, Quelle: Koerfer’sche Verwaltungsgesellschaft mbH

Architekt und Unternehmer Jacob Koerfer

Treibende Kraft hinter dem Hansahochhaus war der Architekt und Unternehmer Jacob Koerfer (1875 – 1930). Koerfer, ursprünglich beim Kölner Hochbauamt beschäftigt, hatte bereits mehrere Wohnhäuser in Klettenberg sowie Büro- und Geschäftshäuser in der Innenstadt errichtet.

Der findige Unternehmer war bei vielen Projekten auch gleichzeitig Bauherr, der seine errichteten Immobilen nach Fertigstellung verkaufte, um mit dem erwirtschafteten Kapital neue Projekte realisieren zu können. So erwarb er auch verschiedene Grundstücke mit dem Ziel, diese zu einem späteren Zeitpunkt bebauen zu können.

Nur 15 Monate Bauzeit

Das neue Hochhaus sollte am Hansaring entstehen. Das Grundstück, direkt an den Gleisen der Bahn gelegen, erschien nicht sonderlich attraktiv. So willigte die Stadt ein, einen Grundstückstausch vorzunehmen: Verschiedene Grundstücke, die im Besitz von Koerfer waren, sollten mit dem Preis für das Baugrundstück des Hansahochhauses verrechnet  werden.

Die Verwaltung nahm, vermutlich auch auf Druck Adenauers, ein unglaubliches Tempo auf: Am 11. Januar 1924 stellte Koerfer seinen Plan vor und nur eine Woche später lag der Beschluss vor, das Hansahochhaus zu errichten. Die Arbeiten begannen unverzüglich und schon am 25. Oktober 1924 war der Rohbau fertig. Dieses für heutige Verhältnis unglaubliche Tempo konnte nur deswegen erreicht werden, weil man sich bei den Amerikanern die Stahlskelettbauweise abgeschaut hatte.

Allerding forderte das hohe Tempo auch Opfer: So berichtete die „Bergische Post“ vom 16. Dezember 1924 von einem Unfall auf der Baustelle des Hansahochhauses. Beim Einsturz eines Gerüsts kamen zwei Bauarbeiter ums Leben. 

Die "Bergische Post" vom 16. Dezember 1924 zum Unfall auf der Baustelle des Hansahochhauses
Die „Bergische Post“ vom 16. Dezember 1924 zum Unfall auf der Baustelle des Hansahochhauses

Hyperinflation führt zu Finanzierungsproblemen

Während der eigentliche Bau zügig voranschritt, kämpfte Bauherr und Architekt Koerfer mit erheblichen Finanzierungsproblemen. Die Hyperinflation führte zu explodierenden Preisen. Während im Juni 1923 ein Kilo Kartoffeln „nur“ 5.000 Mark kostete, schnellte dieser Preis bis Dezember 1923 auf 90 Milliarden Mark hoch.

Aus Angst, dass das Prestigeprojekt scheitern und man sich vor den Düsseldorfern mit den ehrgeizigen Kölner Plänen blamieren könnte, stimmte der Stadtrat einem Vorschlag Koerfers zu: Die auf dem Grundstückstausch basierende Finanzierung wurde angepasst, Zinsen wurden gesenkt, die Tilgung von Darlehen zum Teil ausgesetzt und behördliche Gebühren erlassen.

Trotz aller finanziellen Probleme wurde das Hansahochhaus in nur 15 Monaten Bauzeit im Juni 1925 fertiggestellt. Die eigentliche Bautätigkeit betrug sogar nur 135 Arbeitstage. 

Backsteinexpressionismus: Ornamentale Formensprache mit spitzen Elementen

Durch die dunkelroten Klinker wirkt das Gebäude, trotz Stahlskelett, wie ein Massivbau. Ganz im Stil der Zeit wurden Art-Déco-Elemente verwendet und verschiedene Skulpturen von Tieren und Menschen angebracht. Leider sind die fünf Figuren, welche die fünf Kontinente symbolisierten, nicht mehr vorhanden. Vermutlich wurden diese im Krieg zum Schutz abgebaut und sind anschließend verschollen.

Detailansicht: Affenskulptur am Hansahochhaus, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Detailansicht: Affenskulptur am Hansahochhaus, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Das gesamte Ensemble besteht aus einem Hauptbau, auf dem das eigentliche Hochhaus aufgesetzt ist. In dem Gebäudeensemble befanden sich Büros, Ausstellungsflächen ein Café und ein großer Kinosaal mit 1.200 Plätzen. Dieses Kino wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, an seiner Stelle befindet sich heute ein Parkhaus.

Die größte Attraktion war der heute noch in Betrieb befindliche Paternoster. Dieser war bis 1965 der höchste Paternosteraufzug der Welt.

Der Paternoster im Hansahochhaus, Bild: Duhon, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Der Paternoster im Hansahochhaus, Bild: Duhon, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Unrühmliche Nutzung in den Jahren 1944 und 1945

Im Informationssystem KuLaDig wird auch auf die unrühmliche Nutzung des Gebäudes zwischen hingewiesen:

„Zwischen 1944 und 1945 wurden der dritte und der vierte Stock des Hauses von der Reichsbahn als Zwangsarbeitslager verwendet. Über 800 Zwangsarbeiter*innen wurden dort unter unwürdigen Bedingungen untergebracht und mussten schwere und gefährliche Aufräum- und Reparaturarbeiten an Bahnanlagen vornehmen.“1Julian Weller: „Hansahochhaus in Neustadt-Nord”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-343141 (Abgerufen: 2. Mai 2023)

Heute bekannt als Saturn-Hochhaus

Bereits 1961 eröffneten Fritz und Anni Waffenschmidt unweit des Hansahochhauses den ersten Saturn-Markt. Für die Kölner war diese Ecke der Stadt damals noch etwas „anrüchig“. Waffenschmidt über die Anfänge seines Medienunternehmens:

„ … tja, meine Damen und Herren, und als ich dann meinen sehr einfach gestrickten Plattenladen auch noch am Hansaring eröffnete, wo junge, hübsch aufgemachte Damen durch Schwenken kleiner Täschchen viel Geld verdienten, haben mich alle für bekloppt gehalten.“2Danke für diese Information an Meta Schnorrenberg, die Fritz Waffenschmidt persönlich auf einem Vortrag im Marketingclub Köln/Bonn erlebt hat.

Gestartet mit nur 120 Quadratmetern Verkaufsfläche entwickelte sich nach und nach ein großes Medienunternehmen. Im Jahr 1977 zog Saturn in das Hansahochhauses und sollte dieses für die nächsten Jahrzehnte prägen. Die damals „größte Schallplattenschau der Welt“ war Anziehungspunkte für Jugendliche, die dort ihr Taschengeld in Vinylplatten umsetzten.

Nachts weit sichtbar: Die leuchtende Saturn-Reklame auf dem Hansahochhaus, Bild: Julian Weller / CC BY 4.0
Nachts weit sichtbar: Die leuchtende Saturn-Reklame auf dem Hansahochhaus, Bild: Julian Weller / CC BY 4.0

Seit 1993 strahlt die Saturn-Leuchtreklame von der Spitze Hansahochhauses. Auch deswegen nennen die Kölner das Gebäude liebevoll „Saturn-Haus“.

Und wenn wir Kölner uns heute über lange Bauzeiten der Nord-Süd-Stadtbahn oder der Oper ärgern, schauen wir uns das Hansahochhaus an und denken:

Wir konnten auch mal schnell bauen!


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