Für die Mülheimer kam am 18. Mai 1888 eine große Erleichterung: Endlich konnten sie ohne Fähre von Mülheim nach Köln. Möglich machte dies eine neu eröffnete Pontonbrücke. Die aus Holz gefertigte Brücke lag auf 40 schwimmenden Nachen und verband das rechtsrheinische, damals noch eigenständige, Mülheim mit dem heutigen Köln-Riehl. Diese Brücke darf nicht mit einer ähnlichen Schiffbrücke verwechselt werden, welche das linksrheinische Martinsviertel mit Deutz verband.
Steckbrief Mülheimer Schiffbrücke
- Breite: 12 m
- Baubeginn: 1885
- Eröffnung: 18. Mai 1888
- Einstellung des Betriebs: 20. Juni 1927
Schiffe und Hochwasser erschweren Betrieb
So bequem die Brücke auch war, hatte sie doch einen großen Haken: Für die Durchfahrt der Schiffe auf dem Rhein musste die Brücke geöffnet werden. Dafür wurde der Mittelteil abgekoppelt, um den Schiffen die Passage zu ermöglichen. Da dies, so der Riehler Stadthistoriker Joachim Brokmeier, bis zu 30 Mal täglich geschah, war ein ordnungsgemäßer Betrieb kaum möglich. 1 Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022
Das zweite große Problem war der Wasserstand des Rheins. So musste bei Niedrigwasser und insbesondere Hochwasser der Betrieb der Brücke gesperrt werden. Und dann waren noch die Schiffe auf dem Rhein selber, welche zu einer Gefahr für die Brücke wurden. Bereits am Tag der Eröffnung rammte ein Schiff die schwimmende Brückenkonstruktion und beschädigte zwei Nachen so schwer, dass diese ersetzt werden mussten. Eine weitere große Gefahr für die Holzkonstruktion war Feuer. Deshalb war das Rauchen auf der Brücke streng untersagt.
Gebraucht gekauft – Refinanzierung durch Brückenmaut
Ursprünglich war diese Brücke in Mainz in Betrieb. Um die ungeliebte Rheinfähre durch die Schiffbrücke abzulösen, kaufte die Stadt Mülheim den Mainzern die schwimmende Brücke ab. Und griff Anfang 1888 dafür tief in die Tasche: Inklusive Transportkosten, den notwendigen Baumaßnahmen zur Verankerung der Einzelelemente und der Errichtung der Zufahrtsrampen belief sich die Investition auf rund 250.000 Mark. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverdienst eines Arbeiters lag in dieser Zeit bei etwa 660 Mark.
Dieses Geld musste irgendwie wieder eingespielt werden. Daher musste jeder, der die Brücke passieren wollte, eine Brückenmaut entrichten: Vier Pfennig für Fußgänger2Anfang 1915 wurde das Brückengeld auf 2 Pfennig reduziert, drei Pfennig für Kleinvieh, für die Passage eines Esels oder Rinds wurden zehn Pfennig fällig und Kutschen wurden mit 60 Pfennig zur Kasse gebeten. Diese Kosten schreckten aber nicht ab – die Brücke wurde rege genutzt. Allein im Jahr 1910 wurden 755.000 Fußgänger und 100.000 Karren oder Wagen gezählt.
Starke Beschädigung durch Eisgang
Erst ab 1920 wurde kein Brückengeld mehre erhoben. Allerdings war die Schiffbrücke auch bereits schwer in die Jahre gekommen. Am 27. Dezember 1926 hatte starker Eisgang auf dem Rhein die Schiffbrücke schwer beschädigt. Historiker Brokmeier dazu: „Einige Pontons wurden abgetrieben und kamen erst mit einigen Besatzungsmitgliedern führungslos in Merkenich an Land.“3Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022
Neubau einer Brücke
Im Zuge der Eingemeindungsverhandlungen zwischen Mülheim und der Stadt Köln hatte sich die Stadt Köln im Jahr 1914 dazu verpflichtet, eine feste Brücke zu errichten. Gleichzeitig war die altersschwache Schiffbrücke nicht mehr in der Lage, dem stark wachsenden Verkehr im beginnenden 20. Jahrhundert gerecht zu werden. So wurde am 20. Juni 1927 der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke eingestellt.
Am 13. Oktober 1929 eröffnete die erste Mülheimer Brücke – die damals mit einer Spannweite von 315 m die größte aller selbstverankerten Hängebrücken war. Die Zeit der anfälligen Schwimmbrücken war vorbei.
Aber dafür haben wir heute ganz andere Probleme mit den Kölner Brücken.
Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken
- Kölner Brücken: Das „Kölner Brückengrün“ – oder „Adenauer-Grün“
- Kölner Brücken: Die Deutzer Kettenhängebrücke – Todesfalle für Hunderte Menschen im Krieg
- Kölner Brücken: Die Konstantinbrücke – Kölns erste feste Rheinquerung
- Kölner Brücken: Die Liebesschlösser an der Hohenzollernbrücke
- Kölner Brücken: Die Mülheimer Schiffbrücke – anfällige Verbindung über den Rhein
- Kölner Brücken: Die Rodenkirchener Brücke – ein Hauch Kalifornien in Köln
- Kölner Brücken: Die Severinsbrücke – die schönste Brücke Kölns
- Kölner Brücken: Die Südbrücke – vernachlässigtes Schmuckstück
- Kölner Brücken: Die Zoobrücke – leichtes Schwanken inklusive
Riehler Geschichten
Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“ und hat mir Fotos für für diesen Beitrag zur zur Verfügung gestellt. Brokmeier ist ein Experte für Köln-Riehl und hat auch bereits mehrere Bücher über diesen Stadtteil veröffentlicht.
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