Die Schmitz-Säule: Adel verpflichtet

Die Schmitz-Säule vor Groß St. Martin in der Kölner Altstadt, Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0
Die Schmitz-Säule vor Groß St. Martin in der Kölner Altstadt, Bild: Horsch, Willy, CC BY 3.0


 

Der Familienname „Schmitz“ ist echter kölscher Adel: Mehr als 1.700 Kölsche mit dem Namen „Schmitz“ listet das Telefonbuch auf. Die Schmitz nehmen mehr als fünf Seiten in dem Druckwerk ein.

So ist auch jeder Kölsche stolz, einen „Schmitz“ in der Ahnenreihe zu haben. Als sich zum Beispiel ein Trierer, ein Mainzer und ein Kölner trafen, wollte jeder der drei seine altehrwürdige Herkunft unterstreichen:

Der Trierer: „Ihr wisst ja, dass Trier die älteste Stadt Deutschlands ist und somit g25t auch mein Stammbaum zurück in die römische Zeit“.
Antwort des Mainzers: „Respekt, das ist wahrhaftig ein beeindruckender Stammbaum. Jedoch, mein Stammbaum geht schon zurück auf Adam und Eva“.
Darauf sagte der Kölner „Wo du jerade „Eva“ sagst – war dat nit ne jeborene Schmitz?“

Der Ursprung aller Schmitze: Die Schmitz-Säule im Martinsviertel, Bild: MiriJäm, CC BY-SA 3.0
Der Ursprung aller Schmitze: Die Schmitz-Säule im Martinsviertel, Bild: MiriJäm, CC BY-SA 3.0

Römisch-kölsches Fisternöllche führt zu den ersten Schmitzens

In Stein gemeißelt ist diese kölsche Selbstverständlichkeit der adeligen Herkunft in der Schmitz-Säule, fast direkt an Groß St. Martin. Die etwa 4,5 Meter hohe Säule dokumentiert die Herkunft der Schmitze. Nach umfangreicher und wissenschaftlich exakt fundierter Recherche hatten hier römische Legionäre und kölsche Mädchen ein Fisternöllche, so zumindest die Inschrift auf der Säule.

Tatsächlich könnte sich das so zugetragen haben. Denn wo sich heute die Altstadt befindet, war bis etwa 1.000 nach Christus die Martinsinsel. Auf der Insel gab es vermutlich ein römisches Bad. Und dass dort die römischen Legionäre Spaß an und mit den blonden Ubiermädchen hatten, liegt auf der Hand. Ganz nebenbei wurden so die ersten „Schmitze“ gezeugt. Echter Kölscher Adel.

Die Schmitz-Säule und die Mondlandung, Bild: MiriJäm, CC BY-SA 3.0
Die Schmitz-Säule und die Mondlandung, Bild: MiriJäm, CC BY-SA 3.0

Die Schmitz-Säule und die Mondlandung

Die Dokumentation dieser ubisch-römischen Vereinigung haben wir der Initiative von Josef „Jupp“ Engels (1909–1991) zu verdanken. Der Mäzen, der auch bereits für den Kallendresser verantwortlich war, spendete 1965 das Geld zum Bau der Säule. Kaum vier Jahre später war die Säule fertig. Errichtet aus von Jupp Engels gestifteten alten Steinen der römischen Hafenanlage. Eingeweiht wurde die Säule im Jahr 1969.

Und hier schlägt wieder der kölsche Größenwahn zu: Die Einweihung der Säule war mitten im Mondfieber des Jahres 1969. Und so wurde der kleine erste Schritt auf dem Mond zu einem gewaltigen Sprung für die Kölschen. Denn die Einweihung eines so wichtigen Bauwerks wie der Schmitz-Säule ist dem Ereignis einer Mondlandung (mindestens) ebenbürtig. Daher wurde auf dem Sockel der Säule auch der Mondlandung gedacht. So ist der erste Fußabdruck von Neil Armstrong auf dem Mond exakt 389 994 km und 100 Meter entfernt. Gut, dass diese Zahl von Bochumer Wissenschaftlern ausgerechnet wurde. 

Jede Wette, dass ein kölscher Wissenschaftler auf 389 994 km und 111 Meter gekommen wäre.


Die Hochwassermarke an der Schmitz-Säule, Bild: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0
Die Hochwassermarke an der Schmitz-Säule, Bild: Frank Vincentz, CC BY-SA 3.0

Erinnerung an den Eisgang im Jahr 1784 

Ein anderes Detail auf der Schmitz-Säule ist aber tatsächlich korrekt: Eine Marke kennzeichnet die Höhe des katastrophalen Eis-Hochwassers von 1784, welches große Teile des damals noch selbständigen Mülheims vernichtete.


Der kölsche Musiker Jupp Schmitz (1901 - 1991), Bild: Uli Kievernagel
Der kölsche Musiker Jupp Schmitz (1901 – 1991), Bild: Uli Kievernagel

Jupp Schmitz – Der Mann, der den Frohsinn komponierte

Ein ganz wichtiger Vertreter der Schmitzens in Kölle ist der Komponist und Sänger Jupp Schmitz.  Sein Repertoire umfasst nachdenkliche Lieder wie „Ming herrlich Kölle“ über die im Krieg zerstörte Stadt, Karnevalshits wie „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ oder auch Klassiker wie „Wer soll das bezahlen?“.

Die ganze Geschichte zu diesem ganz besonderne Künstler inklusive dem Eklat um den „Hirtenknaben von St. Kathrein“ auf der Prinzenproklamation 1964 gibt es in diesem Köln-Ding der Woche.


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung

„Der treue Husar“ – ein Lied zwischen Trömmelche und Tränchen

Hoch zu Pferd: Zwei Husaren im Einsatz, Bild: Public Domain
Hoch zu Pferd: Zwei Husaren im Einsatz, Bild: Public Domain

Jeder Kölsche kennt dieses Lied:

Es war einmal ein treuer Husar
Der liebt´ sein Mädchen ein ganzes Jahr
Ein ganzes Jahr und noch viel mehr
die Liebe nahm kein Ende mehr.

Dieses Lied singen wir Kölner an Karneval voller Inbrunst. Auch wenn es so absolut nichts mit dem Karneval zu tun hat – dä Fastelovend kommt in dem Lied  an keiner Stelle vor.

Und was kaum jemand weiß: Eigentlich ist dieser schmissige Marsch ein sehr trauriges Lied. Doch da in Köln immer nur die erste Strophe gesungen wird, kennt kaum jemand den ernsten Hintergrund. Denn das Lied hat insgesamt zwölf Strophen. Dabei geht es um Liebe, Tod und viele Tränen.

Trömmelche un Tränche

Tatsächlich wird die große Liebe eines jungen Husaren besungen. „Husaren“ waren damals eine militärische Einheit, die aus zu Pferd kämpfenden Soldaten besteht. Heute sind die „Treuen Husaren“ eines der Traditionskorps in Köln.

Dieser junge, im Lied namenlose Husar erhält die Nachricht, dass seine Liebste zuhause todkrank ist. Und entgegen jeder militärischen Gepflogenheit meldet er sich nicht ab, sondern schwingt sich aufs Pferd und reitet los:

Und als der Knab’ die Botschaft kriegt,
Daß sein Herzlieb am Sterben liegt,
Verließ er gleich sein Hab und Gut,
Wollt seh’n, was sein Herzliebchen tut.

Er kommt gerade noch rechtzeitig, um sich von seiner Geliebten zu verabschieden. So lautete es im Text, als er an ihr Sterbebett tritt:

Grüß Gott, grüß Gott, Herzliebste mein!
Was machst du hier im Bett allein?“
„Hab dank, hab Dank, mein treuer Knab‘!
Mit mir wird’s heißen bald: ins Grab!“

Tatsächlich stirbt sie in seinen Armen. Eine Geschichte voller Schmerz, bei der man an so ziemlich an alles denkt – nur nicht an Karneval:

Er nahm sie gleich in seinen Arm,
Da war sie kalt und nimmer warm;
Und als das Mägdlein gestorben war,
Da legt er’s auf die Totenbahr.

Willy Millowitsch (1909 - 1999 ) sang den Marsch vom "Treuen Husar"
Willy Millowitsch (1909 – 1999 ) sang den Marsch vom „Treuen Husar“

Karneval kann auch Tiefe

Aber in Kölle läuft vieles anders. Hier wird aus der tieftraurigen Ballade ein Karnevalsmarsch. Seit über hundert Jahren ertönt beim Schunkeln in der Kneipe, auf den Karnevalssitzungen oder im Rosenmontagszug aber immer nur die erste Strophe.

Besonders bekannt ist die sehr schmissige Version von Willy Millowitsch, die kann jeder Karnevalist auch noch nach dem 15. Kölsch mitsingen. Und dabei verkennen die Kölschen die ganze Tragik.

Vom Volkslied zur kölschen Hymne

Dabei hat der „Treue Husar“ mit Köln nicht viel zu tun. Die Spuren des Lieds führen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Verschiedene Versionen finden sich in Volksliedsammlungen quer durch Deutschland. Und in den meisten Versionen wurde auch kein „Treuer Husar“, sondern ein „Roter Husar“ besungen.

Mitglieder der KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V. im Rosenmontagszug, Bild: Yogibaer08720, via Wikimedia Commons
Mitglieder der KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V. im Rosenmontagszug, Bild: Yogibaer08720, via Wikimedia Commons

Erst Heinrich Frantzen machte 1924 aus dem Lied einen Marsch. Das Traditionskorps „Treuer Husar“ bezeichnet das Lied als „vereinseigenen Büttenmarschs“ und bescheinigt sogar in typisch kölscher Bescheidenheit dem Lied einen „weltweiten Siegeszug“. So lautet es in der Chronik des Vereins:

1926: Mit dem ersten öffentlichen Auftritt der Husaren begann der weltweite Siegeszug des vereinseigenen Büttenmarschs „Es war einmal ein treuer Husar“, komponiert von Heinrich Franzen. Dessen Sohn Jupp Franzen schrieb später den heute geläufigen Text dazu. 1„Unsere Husarenchronik von 1925 bis heute“, KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V. https://treuerhusar.de/gesellschaft/historie/, abgerufen am 09.09.2025

Ob es sich tatsächlich um einen „weltweiten Siegeszug“ handelt, bleibt offen. Aber eindeutig wird dieses Lied erst seit diesem Zeitpunkt mit dem Karneval in Verbindung gebracht. Und wurde zur kölschen Hymne. Allerdings nur die erste Strophe.

Der "Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner, Bild: Nicola, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der „Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner, Bild: Nicola, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Karneval kann so viel mehr als Trallala

Einen ganz besonderen Moment hat das Lied vom „Treuen Husar“ am 11. Juli 2025 erlebt. Dem „Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner wurde an diesem Tag den Rheinlandtaler verliehen.2Der „Rheinlandtaler“ wurde 1976 vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) ins Leben gerufen, um „hervorragende Verdienste um die rheinische Kulturpflege“ zu ehren.

Ein bemerkenswerter Moment bei dieser Verleihung war die Dankesrede von Wolfgang Oelsner. In dieser Rede präsentierte er die „Anderswelt Karneval“. Oelsner erklärte darin auch, dass „Karneval so viel mehr kann als Trallala, er kann auch Substanz.“ Und er erklärte dies am Beispiel des Lieds vom „Treuen Husar“. Der Kölner-Stadt-Anzeiger berichtete von dieser Veranstaltung:

Die virtuose Stadtkapelle schmetterte den Marsch, so wie ihn der Militärkapellmeister Heinrich Frantzen 1924 komponiert hat. Dann sang Ex-Bläck Fööss Sänger Kafi Biermann mit der Band Knippschaff den kompletten Text des alten Volksliedes so leise und fein arrangiert, dass manchem im Saal die Tränen kamen. So spürte jeder, was Oelsner meint, wenn er vom „Wechselbad der Gefühle“ berichtet, in dem Melancholie auf Lebenslust trifft. 3Kölner-Stadt Anzeiger vom 12. Juli 2025

Das Glockenspiel am 4711-Haus in der Glockenglasse spielt stündlich das Lied "Der Treue Husar", Bild: Raimond Spekking
Das Glockenspiel am 4711-Haus in der Glockenglasse spielt stündlich das Lied „Der Treue Husar“, Bild: Raimond Spekking

Und so singen wir Kölschen weiter aus voller Brust das Lied von dem doch so treuen Husaren – mit flotten Rhythmus und eingängiger Melodie.

„Der treue Husar“ wird auch stündlich4zwischen 9 bis 19 Uhr von dem Glockenspiel im 4711-Stammhaus in der Kölner Glockengasse gespielt.

Aber auch hier erklingen immer nur ein paar wenige Töne, die nicht erahnen lassen, welche traurige Wendung das Lied nimmt.


Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Der treue Husar
(Heinrich Frantzen, 1924)
hier auch auf YouTube in der Version der Bläck Fööss zu hören

Es war einmal ein treuer Husar,
Der liebt’ sein Mädchen ein ganzes Jahr,
Ein ganzes Jahr und noch viel mehr,
 Die Liebe nahm kein Ende mehr.

Der Knab’ der fuhr ins fremde Land,
Derweil ward ihm sein Mädchen krank,
Sie ward so krank bis auf den Tod,
Drei Tag, drei Nacht sprach sie kein Wort.

Und als der Knab’ die Botschaft kriegt,
Daß sein Herzlieb am Sterben liegt,
Verließ er gleich sein Hab und Gut,
Wollt seh’n, was sein Herzliebchen tut.

Ach Mutter bring’ geschwind ein Licht,
Mein Liebchen stirbt, ich seh’ es nicht,
Das war fürwahr ein treuer Husar,
Der liebt’ sein Mädchen ein ganzes Jahr.

Und als er zum Herzliebchen kam,
Ganz leise gab sie ihm die Hand,
Die ganze Hand und noch viel mehr,
Die Liebe nahm kein Ende mehr.

„Grüß Gott, grüß Gott, Herzliebste mein!
Was machst du hier im Bett allein?“
„Hab dank, hab Dank, mein treuer Knab‘!
Mit mir wird’s heißen bald: ins Grab!“

„Grüß Gott, grüß Gott, mein feiner Knab.
Mit mir wills gehen ins kühle Grab.“
„Ach nein, ach nein, mein liebes Kind,
Dieweil wir so Verliebte sind.“

„Ach nein, ach nein, nicht so geschwind,
Dieweil wir zwei Verliebte sind;
Ach nein, ach nein, Herzliebste mein,
Die Lieb und Treu muß länger sein.

Er nahm sie gleich in seinen Arm,
Da war sie kalt und nimmer warm;
„Geschwind, geschwind bringt mir ein Licht!
Sonst stirbt mein Schatz, daß’s niemand sicht.“

Und als das Mägdlein gestorben war,
Da legt er’s auf die Totenbahr.
Wo krieg ich nun sechs junge Knab’n,
Die mein Herzlieb zu Grabe trag’n?

Wo kriegen wir sechs Träger her?
Sechs Bauernbuben die sind so schwer.
Sechs brave Husaren müssen es sein,
Die tragen mein Herzliebchen heim.

Jetzt muß ich tragen ein schwarzes Kleid,
Das ist für mich ein großes Leid,
Ein großes Leid und noch viel mehr,
Die Trauer nimmt kein Ende mehr.


mailpoet_form id=“1″]
*Datenschutzerklärung

Das Hansahochhaus – in Rekordzeit errichteter Prestigebau

Das Hansahochhaus in Köln, errichtet von 1924/25, Bild: Raimond Spekking

Im Jahr 1924 hatten die Düsseldorfer mit dem Wilhelm-Marx-Haus das höchste Eisenbetonbauwerk in Europa fertigggestellt. Die Farbe war noch nicht trocken, da bekam dieses Haus Besuch: Eine Delegation des Kölner Städtebauausschusses machte eine Dienstreise nach Düsseldorf, um genau dieses Gebäude in Augenschein zu nehmen.

Kaum zurück in Köln wurden die Pläne konkretisiert, auch in Köln ein Hochhaus zu errichten. Allerdings musste dieses Gebäude – entsprechend dem kölschem Selbstverständnis – höher als das Düsseldorfer Hochhaus werden.

So wurden die Pläne des Architekten Jacob Koerfer, am Hansaring ein 65 Meter hohes Haus zu errrichten, zügig im Städtebauausschuss durchgewunken. Denn: Dieses Gebäude sollte satte 13 Meter höher als das Düsseldorfer Wilhelm-Marx-Haus werden. Und auch der Name „Hansahochhaus“ sollte an die glorreichen Zeiten Kölns als führendes Mitglied der Hanse erinnern.

Adenauer will Köln aufwerten

Dieses Gebäude war Teil der Strategie Konrad Adenauers, Köln massiv aufzuwerten. Der damalige Bürgermeister hatte daher seine Finger bei vielen Bauprojekten im Spiel, dazu gehörten unter anderem

  • die Universität,
  • das Müngersdorfer Stadion,
  • die Messe,
  • der Niehler Hafen,
  • die Ford-Werke,
  • die Mülheimer Brücke oder auch
  • die Autobahn Köln-Bonn.

Das Hansahochhaus passte genau in Adenauers Plan: Kühn, ehrgeizig und aufsehenerregend. Deswegen schrieb er auch im April 1924 an den Architekten des Gebäudes:

Schreiben von Konrad Adenauer an Jacob Koerfer, Architekt des Hansahochhauses, vom 24. April 1924, Quelle: Koerfer'sche Verwaltungsgesellschaft mbH
Schreiben von Konrad Adenauer an Jacob Koerfer, Architekt des Hansahochhauses, vom 24. April 1924, Quelle: Koerfer’sche Verwaltungsgesellschaft mbH

Architekt und Unternehmer Jacob Koerfer

Treibende Kraft hinter dem Hansahochhaus war der Architekt und Unternehmer Jacob Koerfer (1875 – 1930). Koerfer, ursprünglich beim Kölner Hochbauamt beschäftigt, hatte bereits mehrere Wohnhäuser in Klettenberg sowie Büro- und Geschäftshäuser in der Innenstadt errichtet.

Der findige Unternehmer war bei vielen Projekten auch gleichzeitig Bauherr, der seine errichteten Immobilen nach Fertigstellung verkaufte, um mit dem erwirtschafteten Kapital neue Projekte realisieren zu können. So erwarb er auch verschiedene Grundstücke mit dem Ziel, diese zu einem späteren Zeitpunkt bebauen zu können.

Das Hansahochhaus in Köln, errichtet von 1924/25, Bild: Uli Kievernagel
Das Hansahochhaus in Köln, errichtet in nur 15 Monaten, Bild: Uli Kievernagel

Nur 15 Monate Bauzeit

Das neue Hochhaus sollte am Hansaring entstehen. Das Grundstück, direkt an den Gleisen der Bahn gelegen, erschien nicht sonderlich attraktiv. So willigte die Stadt ein, einen Grundstückstausch vorzunehmen: Verschiedene Grundstücke, die im Besitz von Koerfer waren, sollten mit dem Preis für das Baugrundstück des Hansahochhauses verrechnet  werden.

Die Verwaltung nahm, vermutlich auch auf Druck Adenauers, ein unglaubliches Tempo auf: Am 11. Januar 1924 stellte Koerfer seinen Plan vor und nur eine Woche später lag der Beschluss vor, das Hansahochhaus zu errichten. Die Arbeiten begannen unverzüglich und schon am 25. Oktober 1924 war der Rohbau fertig. Dieses für heutige Verhältnis unglaubliche Tempo konnte nur deswegen erreicht werden, weil man sich bei den Amerikanern die Stahlskelettbauweise abgeschaut hatte.

Allerding forderte das hohe Tempo auch Opfer: So berichtete die „Bergische Post“ vom 16. Dezember 1924 von einem Unfall auf der Baustelle des Hansahochhauses. Beim Einsturz eines Gerüsts kamen zwei Bauarbeiter ums Leben. 

Die "Bergische Post" vom 16. Dezember 1924 zum Unfall auf der Baustelle des Hansahochhauses
Die „Bergische Post“ vom 16. Dezember 1924 zum Unfall auf der Baustelle des Hansahochhauses

Hyperinflation führt zu Finanzierungsproblemen

Während der eigentliche Bau zügig voranschritt, kämpfte Bauherr und Architekt Koerfer mit erheblichen Finanzierungsproblemen. Die Hyperinflation führte zu explodierenden Preisen. Während im Juni 1923 ein Kilo Kartoffeln „nur“ 5.000 Mark kostete, schnellte dieser Preis bis Dezember 1923 auf 90 Milliarden Mark hoch.

Aus Angst, dass das Prestigeprojekt scheitern und man sich vor den Düsseldorfern mit den ehrgeizigen Kölner Plänen blamieren könnte, stimmte der Stadtrat einem Vorschlag Koerfers zu: Die auf dem Grundstückstausch basierende Finanzierung wurde angepasst, Zinsen wurden gesenkt, die Tilgung von Darlehen zum Teil ausgesetzt und behördliche Gebühren erlassen.

Trotz aller finanziellen Probleme wurde das Hansahochhaus in nur 15 Monaten Bauzeit im Juni 1925 fertiggestellt. Die eigentliche Bautätigkeit betrug sogar nur 135 Arbeitstage. 

Backsteinexpressionismus: Ornamentale Formensprache mit spitzen Elementen

Durch die dunkelroten Klinker wirkt das Gebäude, trotz Stahlskelett, wie ein Massivbau. Ganz im Stil der Zeit wurden Art-Déco-Elemente verwendet und verschiedene Skulpturen von Tieren und Menschen angebracht. Leider sind die fünf Figuren, welche die fünf Kontinente symbolisierten, nicht mehr vorhanden. Vermutlich wurden diese im Krieg zum Schutz abgebaut und sind anschließend verschollen.

Detailansicht: Affenskulptur am Hansahochhaus, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Detailansicht: Affenskulptur am Hansahochhaus, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Das gesamte Ensemble besteht aus einem Hauptbau, auf dem das eigentliche Hochhaus aufgesetzt ist. In dem Gebäudeensemble befanden sich Büros, Ausstellungsflächen ein Café und ein großer Kinosaal mit 1.200 Plätzen. Dieses Kino wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, an seiner Stelle befindet sich heute ein Parkhaus.

Die größte Attraktion war der heute noch in Betrieb befindliche Paternoster. Dieser war bis 1965 der höchste Paternosteraufzug der Welt.

Der Paternoster im Hansahochhaus, Bild: Duhon, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Der Paternoster im Hansahochhaus, Bild: Duhon, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Unrühmliche Nutzung in den Jahren 1944 und 1945

Im Informationssystem KuLaDig wird auch auf die unrühmliche Nutzung des Gebäudes zwischen hingewiesen:

„Zwischen 1944 und 1945 wurden der dritte und der vierte Stock des Hauses von der Reichsbahn als Zwangsarbeitslager verwendet. Über 800 Zwangsarbeiter*innen wurden dort unter unwürdigen Bedingungen untergebracht und mussten schwere und gefährliche Aufräum- und Reparaturarbeiten an Bahnanlagen vornehmen.“1Julian Weller: „Hansahochhaus in Neustadt-Nord”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-343141 (Abgerufen: 2. Mai 2023)

Heute bekannt als Saturn-Hochhaus

Bereits 1961 eröffneten Fritz und Anni Waffenschmidt unweit des Hansahochhauses den ersten Saturn-Markt. Für die Kölner war diese Ecke der Stadt damals noch etwas „anrüchig“. Waffenschmidt über die Anfänge seines Medienunternehmens:

„ … tja, meine Damen und Herren, und als ich dann meinen sehr einfach gestrickten Plattenladen auch noch am Hansaring eröffnete, wo junge, hübsch aufgemachte Damen durch Schwenken kleiner Täschchen viel Geld verdienten, haben mich alle für bekloppt gehalten.“2Danke für diese Information an Meta Schnorrenberg, die Fritz Waffenschmidt persönlich auf einem Vortrag im Marketingclub Köln/Bonn erlebt hat.

Gestartet mit nur 120 Quadratmetern Verkaufsfläche entwickelte sich nach und nach ein großes Medienunternehmen. Im Jahr 1977 zog Saturn in das Hansahochhauses und sollte dieses für die nächsten Jahrzehnte prägen. Die damals „größte Schallplattenschau der Welt“ war Anziehungspunkte für Jugendliche, die dort ihr Taschengeld in Vinylplatten umsetzten.

Für alle nahezu unfassbar: Es gab einen Mitarbeiter der Platten-Abteilung, der war das „menschliche Shazam“. Man musste diesem Mann nur eine paar Zeilen vorsummen oder einen Begriff aus dem Titel nennen und er erkannte das sofort und schickten den Kunden zum richtigen Regal.

Und dazu gab es auch ein Pendant in der Klassik-Abteilung, wie Thomas Frings berichtet:

„Ich war schon als Jugendlicher in der Klassikabteilung. Und da saß auch ein „menschliches Shazam“. Das war eine Frau. Mein ganz konkretes Erlebnis war, dass ich eine ganz bestimmte Arie von Bach suchte und ich konnte ihr nur den Titel nennen „Schafe können sorglos weiden“. Daraufhin sagte sie, ohne irgendwie in einem Katalog zu blättern: „Da gehste mal da hinten runter, dort wo der Herr steht, drittes Regal und da stehen einige Aufnahmen dazu.“ Ich war fassungslos.“   

Nachts weit sichtbar: Die leuchtende Saturn-Reklame auf dem Hansahochhaus, Bild: Julian Weller / CC BY 4.0
Nachts weit sichtbar: Die leuchtende Saturn-Reklame auf dem Hansahochhaus, Bild: Julian Weller / CC BY 4.0

Seit 1993 strahlt die Saturn-Leuchtreklame von der Spitze Hansahochhauses. Auch deswegen nennen die Kölner das Gebäude liebevoll „Saturn-Haus“.

Und wenn wir Kölner uns heute über lange Bauzeiten der Nord-Süd-Stadtbahn oder der Oper ärgern, schauen wir uns das Hansahochhaus an und denken:

Wir konnten auch mal schnell bauen!


E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung