Kölner Stadtteile: Riehl – mehr als nur Zoo und Flora

Ich bin sehr stolz, in der Reihe über die „Kölschen Veedel“ heute einen prominenten Gastautor begrüßen zu dürfen: Joachim Brokmeier ist ein ausgewiesener Kenner der Kölner Stadtgeschichte.

Der ausgewiesene Köln-Kenner und Riehl-Experte Jochaichm Brokmeier, rechts eines seiner Bücher über Riehl. Bilder: Joachim Brokmeier
Der ausgewiesene Köln-Kenner und Riehl-Experte Jochaichm Brokmeier, rechts eines seiner Bücher über Riehl. Bilder: Joachim Brokmeier

Der Spezialist für den Stadtteil Riehl hat bereits mehrere Bücher über dieses Veedel veröffentlicht und publiziert regelmäßig in Tages- und Fachzeitungen. Heute schreibt er im „Köln-Ding der Woche“ über diesen ganz besonderen Stadtteil.

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier!


Kölner Stadtteile:
Riehl – mehr als nur Zoo und Flora

Im Jahr 1936 sorgte Riehl mit einem Mordfall über Wochen für Schlagzeilen – ein „Mord ohne Leiche“. Vermisst wurde die Witwe Grass, die alleine mit ihrem Verwalter Josef Ludwigs auf dem mittlerweile abgebrochenen Pilgram’schen Hof1Am Botanischen Garten 1-3 lebte. 

Eines Tages war die Witwe verschwunden. Schnell fiel der der Verdacht auf Josef Ludwig, der jedoch beteuerte, die Witwe wäre nur krank. Seltsam nur, dass Ludwig auf einmal jede Menge Geld in Kölner Lokalen verprasste. Selbstverständlich wurde er von der Polizei befragt – und Riehl wurde wegen dieses Falls weit über die Grenzen Kölns hinaus bekannt.

Tatsächlich ist Riehl aber mehr als nur der Tatort einer Kriminalgeschichte.

In Riehl ließen die Kölner Erzbischöfe ihre Münzen prägen

Beim Bau der Mülheimer Brücke wurden römische und im weiteren Riehl fränkische Funde gemacht. Riehl war, bis zur Säkularisierung im Jahr 1803, über 400 Jahre eine „Herrlichkeit“ des Klosters Altenberg.2„Herrlichkeit“ bedeutet, dass das Kloster Altenberg das Lehnsrecht und die Gerichtsbarkeit über Riehl ausübte.

Obwohl das Gebiet vorrangig landwirtschaftlich geprägt war, gab es dort auch eine Münzprägestätte der Kölner Erzbischöfe. Noch heute erinnert der Straßenname „An der Münze“ daran. Diese Straße gehört nunmehr zum Stadtteil Neustadt-Nord.

Riehl im Jahr 1789 (gelb schraffierte Fläche) und heute (rote Markierung), Karte: Burgbann von Köln, Wilhelm Fabricius
Riehl im Jahr 1789 (gelb schraffierte Fläche auf der linksrheinischen Seite) und heute (rote Markierung), Karte: Burgbann von Köln, Wilhelm Fabricius

Tatsächlich ist Riehl „geschrumpft“: Reichte es ursprünglich vom Rhein bis zur Niehler Straße und von der heutigen Einfahrt zum Niehler Hafen bis zur Kölner Stadtmauer, so sind heute die Grenzen des Stadtteils von der Mülheimer Brücke bis zur Zoobrücke und vom Rhein bis zur Amsterdamer Straße. Hier leben heute3Stand: September 2024 ca. 12 000 Einwohner.

Nach der Säkularisierung wurde Riehl 1802 der Gemeinde Longerich zugeordnet. 1886 bildete Riehl mit Nippes eine eigenständige Gemeinde. Das war aber nur von kurzer Dauer. Bereits 1888 wurde auch Riehl – wie viele andere Gemeinden, zum Beispiel Marienburg, Raderberg mit Raderthal, Zollstock oder Deutz – nach Köln eingemeindet.

Der alte Zooeingang mit den Hirschen, Bild: Sammlung Brokmeier
Der alte Zooeingang mit den Hirschen, Bild: Sammlung Brokmeier

Flora, Zoo und Vergnügungspark ziehen die Kölner an

Riehl entwickelte sich rasch zu einem bedeutenden Vergnügungsviertel von Köln. Bereits 1860 wurde der Kölner Zoo eröffnet und fand bei den Kölnern wegen der exotischen Tiere großen Zuspruch. Die 1864 eröffnete Flora war eher etwas für die „Hautevolee“ von Köln. Den Eintritt konnten sich nur wenige Reiche leisten. Das Festhaus glänzte mit seinem 57 Meter langen Glaskuppeldach und auch das französische Parterre4Ein prächtig gestalteter Bereich mit Blumenrabatten, ornamentalen Rasenflächen und Tortenbeeten. konnte vom Tor aus bewundert werden – ohne Eintritt zu bezahlen.

Der Eingang zur Flora, Bild: Sammlung Brokmeier
Der Eingang zur Flora, Bild: Sammlung Brokmeier

1909 entstand dann auf dem Gelände der Gaststätte Hohenzollerngarten5an der Riehler Straße von der Frohngasse bis zum Neußer Wall der „Amerikanische Vergnügungspark“ mit vielen Attraktionen wie Wasserrutsche, Gebirgsbahn, Lachhaus (Spiegelkabinett) und einem Karussell. In der „Münchener Bierhalle“, der „Kölnischen Bierhalle“ oder auch im „Café am See“ gab es Bier, Kaffee und mehr für die Ausflügler.

Der Amerikanische Vergnügungspark, Bild: Sammlung Brokmeier
Der Amerikanische Vergnügungspark, Bild: Sammlung Brokmeier

Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Gelände in „Luna Park“ umbenannt, aber bereits 1927 geschlossen, weil der Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer beschloss, den Grüngürtel bis zum Rhein zu verlängern.

Da der Zoo, die Flora, der Vergnügungspark und der Festplatz (heute Skulpturenpark) besonders an Wochenenden viele Besucher anzogen, entstand an der Ecke Frohngasse / Riehler Straße / Rheinuferstraße eine „Fressmeile“. Der Kurfürstengarten, die Süddeutsche Bierhalle, das Fischerhaus Gerstenbroich und das Wattlers Fischerhaus waren die bekannteren Häuser. In der Nähe des Zoos gab es auch das Riehler Haus, das Café Zillisch und den „Blauen Affen“.

Von den zahlreichen Gasthäusern an der Frohngasse existiert nur noch Wattler's Fischerhaus, heute Restaurant Richters, Bild: Sammlung Brokmeier
Von den zahlreichen Gasthäusern an der Frohngasse existiert nur noch Wattler’s Fischerhaus, heute Restaurant Richters, Bild: Sammlung Brokmeier

Doch auch die diese Gasthäuser an der Frohngasse sind durch den Ausbau des Grüngürtels 1927 verschwunden. Lediglich Wattler’s Fischerhaus am Rhein – heute Restaurant Richters – überlebte.

 Die Riehler Radrennbahn

Ein besonderes sportliches Highlight war die „Riehler Radrennbahn“, die 1889 zunächst als Sandbahn – gesponsert durch die Gummiwerke Clouth – eröffnet wurde. Hier fanden viele internationale Rennen statt. Das Gelände der Radrennbahn wurde aber auch für andere Veranstaltungen genutzt: So war unter anderem 1890 Buffalo Bill mit seiner Wild West Show dort zu Gast. Im Jahr  1910 demonstrierten hier etwa 15.000 Menschen gegen das Dreiklassenwahlrecht.

Die Riehler Radrennbahn, Bild: Sammlung Brokmeier
Die Riehler Radrennbahn, Bild: Sammlung Brokmeier

Als dann ab 1920 das Müngersdorfer Stadion mit einer Radrennbahn ausgebaut wurde, verblasste der Glanz und 1955 wurde die Riehler Radrennbahn endgültig geschlossen. Heute befindet sich genau an dieser Stelle der Elefantenpark und der Spielplatz im Zoo.

Um 1900 war Riehl der größte Militärstandort von Köln

Nach Gründung des Deutschen Reiches wurde Riehl zum größten Militärstandort in Köln ausgebaut. So entstand 1893 die Kaserne für das Feldartillerie-Regiment Nr. 59 an der Ecke Amsterdamer Straße / Barbarastraße. Heute befindet sich dort das Bundesverwaltungsamt. Diese Anlage wurde 1899 nach Osten wesentlich erweitert, wobei ein gewisser Herr Fischer die Bauten finanzierte und diese an den Fiskus verpachtete. Noch heute gehört diese Anlage einer Erbengemeinschaft.

Die Wache des Infanterie Regiments 65 in der Kaserne Boltensternsstraße, Bild: Sammlung Brokmeier
Die Wache des Infanterie Regiments 65 in der Kaserne Boltensternsstraße, Bild: Sammlung Brokmeier

1890 wurden an der Boltensternstraße in Höhe der Hittoffstraße fünf Militärbaracken errichtet. Das Gelände für eine spätere Kasernenstadt an dieser Stelle in Richtung Rhein musste zunächst um zwei Meter aufgeschüttet werden, um dort ca. 80 Kasernenbauten zu errichten. In dieser Kasernenstadt fanden dann ein Infanterieregiment und zwei Pionierbataillone Unterkunft.

Der Schießstand nördlich der Kaserne Boltensterstraße, Bild: Sammlung Brokmeier
Der Schießstand nördlich der Kaserne Boltensterstraße, Bild: Sammlung Brokmeier

Die im Norden angrenzende „Mülheimer Heide“ war das Übungsgelände für die Soldaten mit einem Schießstand. Dort ist es heute viel friedlicher: Hier wurden u.a. Schrebergärten, Wohnhäuser und der Niehler Hafen angelegt. Nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Riehler Kasernenbauten bis 1926 durch die englischen Soldaten belegt.

Hochwasser in der Boltensternstraße - die Kaserne war nur per Boot erreichbar, Bild: Sammlung Brokmeier
Hochwasser in der Boltensternstraße – die Kaserne war nur per Boot erreichbar, Bild: Sammlung Brokmeier

Der Rhein mit seinem Hochwasser gefährdet Riehl

Die Hochwasser des Rheins waren eine ständige Gefahr für Riehl. Um überhaupt dort bauen zu können, wurden alle geplanten Baugrundstücke und geplanten Straßen um bis zu zwei Meter angehoben.

Am linken Bildrand der Deich und rechts das Vorflutgelände Rheinaue, Bild: Sammlung Brokmeier
Am linken Bildrand der Deich und rechts das Vorflutgelände Rheinaue, Bild: Sammlung Brokmeier

Aber auch diese Anhebung bot keinen dauerhaften Schutz vor den Fluten des Rheins. Daher wurde, im Zusammenhang mit dem Bau der Mülheimer Hängebrücke (1927-1929), ein Deich zum Schutz von Riehl gebaut und ein Vorflutgelände zum Schutz von Mülheim angelegt. Da ist heute die „Rheinaue“

Bis heute ein wichtiger Rheinübergang

Der Rheinübergang bei Riehl war seit jeher ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Bereits 1268 gab es eine Fährgerechtsame6Eine Fährgerechtsame ist das Recht zur Erhebung von Gebühren für die Übersetzung von Personen, Gütern oder Fahrzeugen mit einer Fähre über einen Fluss. nach Mülheim.

Die Einweihung der Hängebrücke im Jahr 1929, Bild: Sammlung Brokmeier
Die Einweihung der Hängebrücke im Jahr 1929, Bild: Sammlung Brokmeier

Um 1700 wurde eine Gierponte7Eine Gierponte wird auch Gierseilfähre, Gierfähre, oder „Fliegende Brücke“ genannt. Das Prinzip ist, dass ein Floß zur Fortbewegung die Strömung des zu überquerenden Flusses ausnutzt. eingerichtet. 1888 wurde die Mülheimer Schiffbrücke in Betrieb genommen. Allerdings reichte deren Kapazität nicht aus, um das stetig steigende Verkehrsaufkommen zu bewältigen. So wurde von 1927 – 1929 eine Hängebrücke errichtet, die nach der Kriegszerstörung 1951 wieder in Betrieb genommen wurde und nun bereits seit vielen Jahren8Stand: September 2024 saniert wird.

Die Seilbahn im Jahr 1957 mit Blick auf den Fordturm, der 1963 abgerissen wurde. Bild: Sammlung Brokmeier
Die Seilbahn im Jahr 1957 mit Blick auf den Fordturm, der 1963 abgerissen wurde. Bild: Sammlung Brokmeier

Die Rheinseilbahn

Seit 1957 verfügt Riehl auch über ein ganz besonderes Verkehrsmittel: Zur Bundesgartenschau wurde die Rheinseilbahn eröffnet – die erste einen Fluss überquerende Seilbahn Deutschlands. Doch dieses bei Kölnern und Besuchern äußerst beliebte Verkehrsmittel wurde im September 1963 wegen des Baus der Zoobrücke demontiert. Doch das war mit den Kölner nicht zu machen! Auf Druck der Bevölkerung beschloss der Stadtrat die Wiederinbetriebnahme mit einer etwas veränderten Trassenführung mit gleichzeitiger Überquerung der Zoobrücke.

In der "Goldenen Hochzeitsgondel" der Kölner Seilbahn können Brautpaare den Bund fürs Leben schließen, Bild: Kölner Seilbahn-Gesellschaft mbH
In der „Goldenen Hochzeitsgondel“ der Kölner Seilbahn können Brautpaare den Bund fürs Leben schließen, Bild: Kölner Seilbahn-Gesellschaft mbH

Und so verbindet diese Seilbahn heute immer noch das Deutzer Parkgelände mit dem Zoo und der Flora. Für Kölnerinnen und Kölner, die sich auf ewig binden wollen, besteht seit 2008 die Möglichkeit, in einer goldenen Hochzeitsgondel standesamtlich zu heiraten. Kleiner Haken: In die Gondel passen nur das Brautpaar und der Standesbeamte oder die Standesbeamtin.

Eindrucksvolle Villen

Der alte bauliche Kern von Riehl entstand um 1900 an der heutigen Stammheimer Straße zwischen der Hittorfstraße und der Pionierstraße. Es waren meist dreigeschossige Häuser und erst Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Erdgeschosswohnungen in Geschäfte umgebaut. In diesem Bereich lag auch das Postgebäude, die erste Riehler Schule und gegenüber an der Ecke Pionierstraße die Riehler Katholische (Not)Kirche.

Stammheimer-Str. 9-11 vor1945, Bild: Sammlung Brokmeier

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Stammheimer-Str. 9-11 vor1945, Bild: Sammlung Brokmeier

Am Anfang der Stammheimer Straße, in Höhe des Zoos, entstanden um 1900 sehr prachtvolle Stadthäuser im neuklassizistischen Stil, im Neobarock und im Jugendstil, welche fast alle heute noch existieren und das Flair von Riehl bestimmen.

In Köln war in den 1920 Jahren die Wohnungsnot sehr groß und die Familien wollten raus aus den Mietskasernen in der Innenstadt. So plante der Architekt Manfred Faber an dem Riehler Tal eine lichtdurchflutete Wohnanlage mit 631 Wohnungen, die 1929 bezogen wurden und unter dem Namen „Naumannsiedlung“ bekannt ist.

Das Naumannviertel, Bild: Sammlung Brokmeier
Das Naumannviertel, Bild: Sammlung Brokmeier

Der heutige Wohnwert in Riehl ist durch die noch erhaltenen Villen für die englischen Besatzungssoldaten von 1919 bis 1926 geprägt. Zwischen der Straße Am Botanischen Garten und der Amsterdamer Straße sind damals etwa 100 Gebäude – meist Einfamilienhäuser – für die höheren Dienstgrade entstanden.

Kasernen werden zu den „Riehler Heimstätten“

Da das Rheinland nach dem ersten Weltkrieg entmilitarisiert wurde und die englischen Soldaten abgezogen waren, standen die Kasernenbauten an der Boltensternstraße leer. Die damalige Leiterin des Wohlfahrtsamtes, Dr. Hertha Kraus, hatte die Idee, einen Teil der Häuser in eine Alteneinrichtung umzuwandeln. Ihr Ziel war es, die Wohnungsnot in Köln zu lindern, die Krankenhäuser in Köln von Pflegefällen zu entlasten und einen Ersatz für das baufällige Siechenheim in der Quentelstraße zu schaffen.

rst Kaserne Boltensternstraße und dann Riehler Heimstätten, heute SBK – die Sozial-Betriebe-Köln. Bild: Sammlung Brokmeier
rst Kaserne Boltensternstraße und dann Riehler Heimstätten, heute SBK – die Sozial-Betriebe-Köln. Bild: Sammlung Brokmeier

So entstanden im Jahr 1927 die „Riehler Heimstätten“ – eine modellhafte dreistufige Einrichtung für Menschen mit und ohne Pflegebedarf:

  • Gruppe 1: Ein Wohnstift mit 730 Senioren, die sich selbst versorgen konnten.
  • Gruppe 2: Ein Versorgungsheim für 420 Menschen, die nicht pflegebedürftig waren, sich aber nicht alleine versorgen konnten.
  • Gruppe 3: Ein Pflegeheim für 680 hilfsbedürftige Menschen.

Aus den „Riehler Heimstätten“ wurden die SBK – die Sozial-Betriebe-Köln. Diese Einrichtung genießt bis heute einen guten Ruf in der Seniorenbetreuung.

Die Kirche St. Engelbert von Dominikus Böhm, Bild: Sammlung Brokmeier
Die Kirche St. Engelbert von Dominikus Böhm, Bild: Sammlung Brokmeier

Die „Zitronenpressse“ von Böhm in Riehl

Für die Riehler Einwohner gab es viele Kirchen, wie z. B. die katholische Notkirche an der Pionierstraße, die Kreuzkapelle an der Stammheimer Straße für die evangelischen Christen mit dem Nachfolgebau, der Stephanuskirche an der Brehmstraße.

Von ganz besonderer Bedeutung ist aber die St. Engelbert-Kirche am Riehler Gürtel, erbaut von 1930 bis 1932. Die eigenwillige Architektur des Architekten Dominikus Böhm irritierte nicht nur die Gemeindemitglieder, sondern auch die Geistlichkeit. Auf hohem Podest erheben sich die parabelförmigen, mit Backsteinen verblendeten Außenwände. Das Metalldach ist zwischen den einzelnen Wandstücken tief eingekerbt und heruntergezogen. Der Chor springt aus dem achtteiligen Kreisgrundriss hervor. Bei den Riehler Bürger war das Gotteshaus schnell als „Zitronenpresse“ bekannt.

Riehl heute ist klein und fein un "e Jeföhl". Foto Happe, Sammlung Brokmeier
Riehl heute ist klein und fein un „e Jeföhl“. Foto Happe, Sammlung Brokmeier

Heute ist Riehl „klein aber fein“

Nach wie vor extrem beliebt sind Flora und Botanischer Garten. Insbesondere seit diese ab den 1920er Jahren auch für die breite Öffentlichkeit zugänglich wurden.

Die Rheinaue mit dem Deich, der durch eine Lindenallee bis zur Mülheimer Brücke bekrönt ist, lädt zum Sonnen, zum Grillen, zum Radfahren und zu Spaziergängen ein. Zur Bundesgartenschau 1975 wurde ein Teil des Geländes mit einbezogen und auch das bekannte Tivoli bestand hier einige Zeit.

Heute ist Riehl „klein aber fein“. Die lang zurückreichende Geschichte, Ausflugsziele wie Zoo und Flora und auch die direkte Nähe zum Rhein machen Riehl zu einem der bevorzugten Kölner Veedel, das auch durch viele Vereine und Gemeinschaftsaktivitäten belebt wird.

Und wie war das jetzt mit der Witwe Grass?

Der schlagzeilenträchtige Fall der Witwe Grass mündete 1936 in einem spektakulären Indizienprozess: Der von der Polizei befragte Verwalter Josef Ludwigs, der dadurch auffiel, dass er sehr viel Geld in Kölner Gasthäusern verprasste, verstrickte sich bei seiner Vernehmung in Widersprüche. Doch nach wie vor war die Leiche der Witwe nicht aufzufinden. Allerdings bemerkten die Nachbarn einen „widerlichen Brandgeruch“.

Schlagzeile aus dem "Oberbergischen Boten" vom 7. April 1936 zum Urteil gegen Josef Ludwigs
Schlagzeile aus dem „Oberbergischen Boten“ vom 7. April 1936 zum Urteil gegen Josef Ludwigs

Ludwigs wird verhaftet, wegen Mordes angeklagt und schließlich auch zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt – allerdings fehlte der echte Beweis seiner Schuld.

Aber: Der Leichnam der Witwe wurde nicht gefunden. Bis heute.


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Wo ist der Mittelpunkt von Köln? Ein überraschende Antwort!

Nicht der Dom, sondern der Hühnerfranz ist der Mittelpunkt von Köln, Bilder: Jörg Braukmann, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Dom), Uli Kievernagel (Hühnerfranz)
Nicht der Dom, sondern der Hühnerfranz ist der Mittelpunkt von Köln, Bilder: Jörg Braukmann, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons (Dom), Uli Kievernagel (Hühnerfranz)

Jedes (kölsche) Schulkind weiß: Dat Hätz vun d´r Welt, jo dat es Kölle. Und auch, dass hinger Kölle d´r Dschungel anfängt. Somit ist Köln der (selbsternannte) Nabel der Welt.

Es bleibt aber die Frage, wo genau denn der Mittelpunkt unserer Stadt zu finden ist. Wo ist Köln am kölschesten? Um es vorweg zu nehmen: Die Antwort auf diese Frage ist überraschend!

Der Dom als Mittelpunkt Kölns

Fragt man die Stadt, ist der Mittelpunkt unzweifelhaft der Dom:

„Als geographischer Mittelpunkt der Stadt wird häufig die Spitze des Vierungsturms des Kölner Doms im Zentrum der Stadt angegeben (WGS 84: Geographische Breite: 50° 56′ 29″, Geographische Länge: 6° 57′ 30).1Stadt Köln, Amt für Stadtentwicklung und Statistik: „Die Kommunale Gebietsgliederung. Ein räumlicher Bezug für statistische Daten“, Köln 2022, Seite 3, https://www.stadt-koeln.de/mediaasset/content/pdf15/statistiksonstige/die_kommunale_gebietsgliederung.pdf

109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
Der Vierungsturm des Kölner Doms, laut Stadt Köln der Mittelpunkt Kölns, Bild: CEphoto, Uwe Aranas

Und wer will hier schon widersprechen? Kann es einen kölscheren Punkt als unsere majestätische Kathedrale geben? Wohl kaum. Deswegen würden die meisten Kölner dieser Angabe wohl sofort zustimmen: Köln ist da, wo der Dom ist. Und exakt in der Vierung, also die Stelle, wo sich Haupt- und Querschiff des Doms treffen, steht der Vierungsturm. Passt also: Hier ist der Mittelpunkt der Stadt.

Überraschung: Der „Hühnerfranz“ ist Kölns Mittelpunkt

Etwas anders sieht die Lage aus, wenn man verschiedene Kartendienste befragt. Lässt man sich eine beliebige Route anzeigen und gibt als Zielpunkt nur „Köln“ ein, landet man auf unterschiedlichen Punkten im Martinsviertel:

Wenn man sich mehrere Kartendienste anschaut stellt man fest, dass der "Hühnerfranz" eigentlich Kölns Mitte ist. Karte: Open Street Maps, Bearbeitung: Uli Kievernagel
Wenn man sich mehrere Kartendienste anschaut stellt man fest, dass der „Hühnerfranz“ eigentlich Kölns Mitte ist. Karte: Open Street Maps, Bearbeitung: Uli Kievernagel

Bemerkenswert: Schaut man sich die verschiedenen Mittelpunkte dieser Kartendienste genau an, könnte man auf den Gedanken kommen, dass diese Dienste sich als kölschen Mittelpunkt auf den Hühnerfranz, ein in der Kölner Schwulenszene beliebter Treffpunkt, geeinigt haben. Der Hühnerfranz liegt tatsächlich in der Mitte der jeweiligen Mittelpunkte.

Der "Hühnerfranz" in der Hühnergasse in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Der „Hühnerfranz“ in der Hühnergasse in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Zustand des Hühnergassen-Viertels kritisch

Wenn man sich im Mittelpunkt Kölns rund um den Hühner-Franz umsieht ist es erschreckend: Dreck an allen Ecken und Enden, der Müll steht mitten auf der Straße, viele der Ladenlokale stehen leer, die Fenster sind abgeklebt.

Allerdings liegt das anscheinend nicht an dem Investor.  Karl-Heinz Koch, Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft KPI dazu im Kölner Stadt-Anzeiger2Ausgabe vom 17.09.2024: „Ich bin der Eigentümer von drei Immobilien und möchte hier umfangreich sanieren.“ Der Stillstand, so Koch, liegt am Wohnungsamt der Stadt.

Das Hühnergassenviertel mitten in der Stadt. Links oben ist der Heumarkt zu erkennen, unten rechts die Dächer des Rathauses. Bild: Raimond Spekking
Das Hühnergassenviertel mitten in der Stadt. Links oben ist der Heumarkt zu erkennen, unten rechts die Dächer des Rathauses. Bild: Raimond Spekking

Koch hatte 2021 ein Grundstück zwischen Unter Käster, der Hühnergasse und dem Alter Markt gekauft. Auf diesem Grundstück befinden sich drei Immobilien. Aber leider wird es für Koch äußerst kompliziert, hier umzubauen. Es geht unter anderem um die fehlende Barrierefreiheit, die nur durch einen Abbruch und Neubau erreicht werden kann. Allerdings liegt unter dem Haus der Tunnel der U-Bahn. Daher verlangt die KVB im Falle des Abbruchs ein „messtechnisches Monitoring-Konzept“, welches alleine schon ca. 250.000 Euro kosten soll. Sollte es zur einer Gefährdung des Tunnels kommen, ist ein sofortiger Baustopp vorgesehen. Für beides müsste Koch als Bauherr die Kosten tragen. So wird der Umbau zu einem risikoreichen Unterfangen.

Sollte Karl-Heinz Koch allerdings doch das Vorhaben angehen, steht die nächste Schwierigkeit im Raum: Der Immobilienunternehmer plant, in dem Neubau Kurzzeitvermietungen anzubieten. Und so steht das nächste Problem im Raum: Die Stadt würde das Vorhaben als Hotelgewerbe beurteilen, welches das Wohnungsamt aber nur in einem Teil des Gebäudeensembles zulassen würde. Alle denkbaren Varianten, dieses Vorhaben doch umzusetzen, indem zum Beispiel Wohnraum als Kompensation geschaffen wird, scheitern bisher an den äußerst komplexen Vorschriften.

Koch ist von der Stadt genervt: “Die Warterei macht dich seelisch kaputt.“ Und auch finanziell wird das Hühnergassen-Projekt zu einem teuren Vorhaben: Nach eigenen Angaben hat Karl-Heinz Koch bereits 300.00 Euro Verlust hier gemacht. Aber solange es hier nicht weitergeht, bleibt es im Mittelpunkt der Stadt dreckig und wenig attraktiv.

GPS-Referenzpunkt in Deutz

Am Deutzer Rheinufer, fast direkt an der Hohenzollernbrücke, befindet sich der GPS-Referenzpunkt für Köln. Allerdings bezeichnet dieser Punkt nicht den Mittelpunkt der Stadt, sondern dient als Kalibrierung für GPS-Geräte.

Privat genutzte Geräte können in der Regel nur auf 3 bis 30 Meter genau eine Position bestimmen. Um aber eine Position auf wenige Zentimetern genau zu bestimmen, gibt es GPS-Referenzpunkte.

Dieser Punkt in Deutz liegt exakt auf

  • 50°56,4666‘ nördl. Breite,
  • 06°58,1161‘ östl. Länge und
  • 55,38 Meter über Normalhöhennull.

Wer es ganz genau wissen will: Diese Daten beziehen sich exakt auf den Punkt in der Mitte der Bronzeplatte.

Der GPS-Referenzpunkt Köln am Deutzer Rheinufer, Bild: Raimond Spekking
Der GPS-Referenzpunkt Köln am Deutzer Rheinufer, Bild: Raimond Spekking

Jeder Jeck ist anders!

Allerdings sind wir Kölschen dafür bekannt, es nicht immer so ganz genau zu nehmen. Daher definiert jeder Kölner seinen „Kölschen Mittelpunkt“ anders: In seinem Veedel, in seiner Wohnung oder in seiner Stammkneipe: Wer mich sucht, findet mich an meinem ganz persönlichen kölschem Mittelpunkt. Die Koordinaten lauten:

50.905935, 6.958400


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Bestemo, Besteva, Bap und dä Ühm: Kölsche Wörter für die Verwandtschaft

Collage Verwandschaft

Die Bläck Fööss singen ein wunderschönes Lied über Familienfeste:

Wenn sich de Famillich triff
kütt nur von allem et Bess op de Desch.
Dann wed jesonge, jeschwaad un jelaach.
Dat jit en herrlich, herrlich, herrlich –
Dat jit en herrlich lange Naach.

Und wenn sich eine kölsche Familich trifft, dann kommen die Bestemo, der Besteva, dä Bap und dä Ühm zusammen. Doch wer ist wer? Wie sind die kölschen Bezeichnungen für die verschiedenen Verwandten?

Fangen wir mit den älteren Herrschaften an:

Bestemo – die Oma

Bestemo kommt von „Beste Moder“. Im Hänneschen gibt es die Figur der Bestemo. Sie ist eine herzensgute alte Frau, die jedoch ihre Liebe regelmäßig durch Gekeife ausdrückt. Der Besteva hat regelmäßig unter ihr zu leiden.


Besteva – der Opa

Der Begriff „Besteva“ für den Opa stammt von „Bester Vader“. Auch diese Figur gibt es im Hänneschen. Der Besteva ist dort ein gutmütiger, ruhiger Opa mit einer Schwäche für das Kartenspiel und Kölsch. Er steht unter der Fuchtel der Bestemo.


Dä Ühm – der Onkel

Ühm (oder auch Ohm) ist abgeleitet von Oheim. Dieser Begriff meint ursprünglich nicht jeden Onkel, sondern nur den Bruder der eigenen Mutter, also den Onkel mütterlicherseits. Diese Verwandtschaftsbeziehung hatte früher eine ganz besondere Bedeutung: Der Bruder übernahm die Vormundschaft über ledige oder verwitwete Frauen.


Die Möhn – die Tante

Der Begriff wird heute oft als „Ahl Möhn“ abschätzig für ältere Frauen verwendet. Im Karneval gibt es, je weiter man in Richtung Eifel oder Niederrhein kommt, jede Menge Frauenkarnevalsvereine, die sich selbst „Möhne“ nennen und auch Veranstaltungen, wie z.B. der Möhneball. Übrigens ist „Möhnebier“ Malzbier, da es als Frauenbier gilt.

Koelsche_Paenz_S. Hofschaeger_pixelio.de
Kölsche Pänz, Bild: S. Hofschaeger / pixelio.de

Die Pänz – die Kinder

Dieser Begriff meint schlichtweg „Kinder“. Früher war dieser Begriff eher negativ belegt, doch diese Bedeutung ist im Laufe der Zeit verschwunden. Mehr dazu gibt es hier: Wo mer jeit un steit nur Pänz, Pänz, Pänz


Dä Broder – der Bruder

Okay – das ist einfach. Schwieriger wird es bei der Schwester.


Die Söster – die Schwester

Im kölschen Karneval gab es sogar die (zwischenzeitlich aufgelöste) Band „Sösterhätz“. Gegründet (na klar) von zwei Schwestern.


Wolfgang Niedecken mit Background-Sängerin Karen Schweitzer-Faust bei einem BAP-Konzert in der Sporthalle (1991) , Bild: Achim Scheidemann
Wolfgang Niedecken mit Background-Sängerin Karen Schweitzer-Faust bei einem BAP-Konzert in der Sporthalle (1991) , Bild: Achim Scheidemann

Dä Papp oder Bap – der Vater

Das wohl berühmteste Denkmal für einen Bap hat Wolfgang Niedecken mit seiner Band BAP für seinen Vater gesetzt.


Die Mamm – die Mutter

Das Herz der Familie. Und auch die Ernährerin, nicht zuletzt, wenn Sie Rievkooche macht. In dem passenden Lied der Bläck Fööss lautet es: „Mamm, Mamm, schnapp d’r de Pann, Fuffzehn Stück pack op d’r Mann.“


Willi Ostermann: Wenn du eine Schwiegermutter hast, Loblied auf die Schwiegermutter, 1928, Bild: Willi Ostermann Gesellschaft Köln
Willi Ostermann: Wenn du eine Schwiegermutter hast, Loblied auf die Schwiegermutter, 1928, Bild: Willi Ostermann Gesellschaft
Köln

Schwiejermo / Schwiejermoder / Schwijersch – die Schwiegermutter

Schwiegermüter genießen – insbesondere bei den Witzen der Büttenrednern im Karneval – einen zweifelhaften Ruf.  Dabei wusste bereits Willi Ostermann, warum Schwiegermütter eigentlich unendlich wichtig sind:

Willi Ostermann: Wenn du eine Schwiegermutter hast,
Loblied auf die Schwiegermutter, 1928

Wenn du eine Schwiegermutter hast,
dann betrachte sie als süße Last.
Denn wo kämen all die Mädchen her,
gäb‘ es keine Schwiegermütter,
Schwiegermütter, Schwiegermütter,
gäb‘ es keine Schwiegermütter
Schwiegermütter mehr


Schweijerva / Schwiejervader / Schjwiejervatter – der Schwiegervater

Anders als die Schwiegermutter ist der Schwiegervater nur äußerst selten Opfer von Witzen.


Schwoger / Schwöjer – der Schwager

Im „Kölsche Beiere-Leed“ von Jakob Packenius (1851-1903) lautet es:

Dume, Finger, Elleboge,
nemm mi Schwester,
weeschte minge Schwojer.

Die Schwägerin  ist die Schwiejersch oder auch Schwöjersch.


Broderschtochter – Nichte / Broderschson – Neffe

Der Broder ist der Bruder, folglich sind dessen Kinder Nichten und Neffen. Offen bleibt die die Frage nach den Kindern einer Schwester, die auch Neffen und Nichten sind. 


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Kölsche Originale: Der Lehrer Welsch – Dreimol Null es Null, bliev Null

Gedenktafel, in d'r Kayjass Nummer Null (Kaygasse, Ecke Großer Griechenmarkt),Bild: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Gedenktafel, in d’r Kayjass Nummer Null (Kaygasse, Ecke Großer Griechenmarkt),Bild: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Jedes kölsche Schulkind kennt diesen Text:

„En d’r Kayjass Nummer Null steiht en steinahl Schull,
un do hammer dren studeet.
Unser Lehrer, dä hieß Welsch,
sproch en unverfälschtes Kölsch ...
… Dreimol Null es Null, bliev Null,
denn mer woren en d‘r Kayjass en d’r Schull.“

Bei dem von den „Drei Laachduve“ aus der Session 1938/39 besungenen Lehrer handelt es sich um Heinrich Welsch, und genau dieser Lehrer Welsch hat tatsächlich ein musikalisches Denkmal verdient.

Allerdings war Welsch nie in der Kaygasse tätig, sondern leitete im rechtsrheinischen Kalk eine Sonderschule für Kinder, die einer besonderen Fürsorge bedurften. Man kann davon ausgehen, dass die „Drei Laachduve“ Welsch wegen des Reims in die Kaygasse versetzt haben, denn die ursprüngliche Schule lag in der Hollweghstraße . Das hätte doch das Reimschema arg strapaziert.

Geburtshaus von Heinrich Welsch in Arzdorf, Bild: Wolfgang Lietzau
Geburtshaus von Heinrich Welsch in Arzdorf, Bild: Wolfgang Lietzau
Welsch – ein Pädagoge mit Herz

Heinrich Welsch wurde 1848 in Arzdorf, heute ein Ortsteil von Wachtberg, geboren. Er war ausgebildeter Lehrer mit einem Examen des Königlich Preußischen Lehrerseminars in Brühl. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Worringen und Sülz, kam er 1881, mitten in der industriellen Revolution, nach Kalk. Erschreckt über die Verhältnisse in der Arbeiterschaft erkannte Welsch sehr schnell, dass Bildung der Schlüssel zum sozialen Erfolg seiner Schüler war. Im Jahr 1905 gründete er die „Hilfsschule“ in Kalk. Der Lehrer Welsch kümmerte sich rührend um seine Schüler – nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der der Rohrstock noch als pädagogisches Mittel galt. So brachte er zum Beispiel Mädchen, die wegen einer ungewollten Schwangerschaft verstoßen wurden, wieder zurück zu ihren Familien.

Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin
Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin

Zu seinen Bemühungen um die Bildung gehört auch, dass Welsch 1884 mit 1.700 von ansässigen Betrieben gespendeten Büchern die erste Volksbibliothek in Kalk gründete. Heinrich Welsch schied im Jahr 1914 aus dem Schuldienst aus und verstarb 1935. Sein Grab auf der dem Friedhof in Kalk ist ein Ehrengrab, die Stadt Köln kümmert sich um die Grabpflege.

Lehrer-Welsch-Preis

Neben dem bekannten Lied lebt Heinrich Welsch aber auch im Lehrer-Welsch-Sprachpreis weiter. Die Kölner Sektion des Vereins Deutsche Sprache verleiht diesen seit 2004 an Personen oder Institutionen, die sich um die Hochsprache und den Erhalt der kölschen Sprache verdient gemacht haben.  Der Sänger Ludwig Sebus, selbst Preisträger im Jahr 2008, dazu im Kölner-Stadt-Anzeiger „Das Vermächtnis des legendären Lehrers Welsch ist doch viel mehr als Drei mal Null. Er verkörperte die kölsche Seele. Als Lehrer hat er alle Menschen gleich gesehen und gleich behandelt.“.  Erster Preisträger war Alexander von Chiari der im Motto des Rosenmontagszugs 2005 das Wort „Kids“ durch „Pänz“ ersetzte. Weitere Preisträger waren unter anderem „Die Sendung mit der Maus“ oder die Wise Guys.


Peter Kievernagel (1935 - 2023) war bei seinen Schülern als "Papa gnädig" bekannt. Bild: Uli Kievernagel
Peter Kievernagel (1935 – 2023) war bei seinen Schülern als „Papa gnädig“ bekannt. Bild: Uli Kievernagel

Ein andere Lehrer, bekannt als „Papa gnädig“

Ich widme dieses „Köln-Ding der Woche“ ausdrücklich meinem am 2. April 2023 verstorbenen Vater Peter Kievernagel, ebenfalls Lehrer. Seine Schüler sprachen von ihm als „Papa gnädig“, weil er bei Prüfungen auch schon mal gerne ein Auge zudrückte.

Ganz in der Tradition von Heinrich Welsch.


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


Zwar stammt das Lied von der „steinahl Schull“ im Original von den  „Drei Laachduve“, allerdings ist die überarbeitete Version der „Vier Botze“ die heimliche Hymne Kölns.


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