Imhoff vor seinem wahr gewordenen Traum: Der Schokoladenbrunnen in seinem Schokoladenmuseum, Bild: Schokoladenmuseum Köln
„Ich wiege 100 Kilogramm, davon sind 80% aus Schokolade“ – so der Kölner „Schokoladen-König“ Hans Imhoff in einem Interview. Ob das tatsächlich stimmt? Eindeutig aber: Der Vollblutunternehmer hatte auf jeden Fall ein Herz aus Schokolade.
Hans Imhoff wurde am 12. März 1922 in Köln geboren. Nach dem Besuch der Handelsschule und einer kaufmännischen Lehre war er nur kurz im Kriegseinsatz. Wegen eines Augenleidens wurde er 1943 ausgemustert.
Seine unternehmerische Karriere begann im Oktober 1945. Imhoff erhielt von den Besatzungsmächten in Alf an der Mosel die Genehmigung, mit Lebensmittel zu handeln. Hart am Rande der Legalität maggelt1Mit „maggeln“ bezeichnet der Kölner Geschäfte, die mindestens fragwürdig, oft aber auch illegal sind. Imhoff mit Waren aller Art. Besonders lukrativ: Er tauschte Wein von der Mosel gegen Gebrauchsgegenstände aller Art, zum Beispiel Werkzeug, Rasierklingen, oder Lebensmittel.
Keine Maschinen, keine Experten, keine Rohwaren – aber eine Vision
Im Juni 1948 gründete er in Bullay eine Schokoladenfabrik. Der Beginn einer erstaunlichen Karriere. Imhoff hatte zum Start der Schokoladenproduktion nichts: Keine Maschinen, keine Experten – nur eine Vision: Imhoff will ein großer Schokoladenproduzent werden.
Doch dazu fehlte ihm vor allem die wichtigste Zutat: Kakao. Aber der findige Imhoff hat auch hier eine Lösung: Er tauschte Lebensmittel gegen Schokolade aus Care-Paketen und schmilzt diese ein. Mit einer auf dem Schwarzmarkt beschafften Maschine entstanden so seine ersten Pralinen. Das Unternehmen wächst, Mitte 1958 beschäftigt Imhoff bereits 400 Mitarbeiter. Er wird zu Deutschlands jüngstem Millionär. Sein offenes Geheimnis: Er war ein „Kostenkiller“. Er investierte viel Geld, um möglichst preiswert zu produzieren. Immer nach dem neuesten Stand der Technik.
Produziert wurde Massenware, welche in den Discountern sehr günstig angeboten wird. Die etablierten Markenhersteller wie Stollwerck oder Sprengel rümpfen die Nase, wenn der, aus ihrer Sicht, „Parvenü“ Imhoff auf Messen oder Kongressen der Branche erscheint. So verweigert ihm Dr. Bernhard Sprengel, Inhaber der Sprengel-Werke in Hannover, sogar auf einem Branchentreffen den Handschlag. Diese Ablehnung kränkte auf der einen Seite den selbstbewussten Imhoff, spornte ihn aber auf der anderen Seite an, ein eigenes Schokoladenimperium zu erschaffen.
Hans Imhoff – Vollblutunternehmer mit einem „Herz aus Schokolade“. Bild: Schokoladenmuseum Köln
Wegfall der Preisbindung für Schokolade wird zu Risiko und Chance für Imhoff
Der direkte Wettbewerb der Schokoladenhersteller untereinander wurde seit 1952 durch eine staatliche festgelegte Preisbindung nahezu unterbunden. Erst 1964 wurde diese Regel aufgehoben. Für Imhoff war das zunächst negativ: Die Markenschokolade wurde deutlich günstiger, die Kunden griffen nach dem Wegfall der Preisbindung eher zur Markenschokolade statt zu den günstigen Produkten aus der Imhoff-Produktion. Aber auch hier erkannte der Unternehmer Imhoff seine Chance: Er produzierte in seinen Werken für die Tobler-Werke, die nicht über genügend eigene Produktionskapazitäten verfügten.
Obwohl der Vertrag mit Tobler lukrativ war, wusste Imhoff, dass er nur dann zu den ganz großen der Branche gehören konnte, wenn er über eine eigene, anerkannte Marke verfügen würde. Diese Chance ergab sich 1970. Und Imhoff griff zu.
Imhoff übernimmt Stollwerck
Im Jahr 1970 geriet der Schokoladenkonzern Stollwerck in die Krise – die Gebrüder Stollwerck hatten sich übernommen. Die enorme Produktvielfalt, der Historiker Ulrich Soénius spricht von mehr als 1.400 Produkten, veraltete Maschinen und Fehlentscheidungen des Managements führten zu einem Verlust in Höhe von 7,8 Millionen DM. Das Wirtschaftsmagazin Capital bezeichnete die Stollwerck AG als die „Versager des Jahres“.
In dieser Krise steigt auch noch die Deutsche Bank, bis zu diesem Zeitpunkt Stollwerck-Großaktionär, aus. Hans Imhoff griff zu und erwarb von der Deutschen Bank das Aktienpaket. Er wurde mit 46,5 % Großaktionär von Stollwerck. Bis 2002 sollte sein Anteil auf 96% der Aktien anwachsen.
Und Imhoff begann unmittelbar mit der Sanierung des Unternehmens. Er streicht das überbordende Stollwerck-Sortiment von 1.400 Produkten auf weniger als 100. Gleichzeitig entließ er etwa 25% der Belegschaft und verkaufte das Stollwerck-Areal in der Südstadt. Hans Imhoff dazu: „Das Ganze ist zu alt. Wir haben industrielle Anlagen und Versorgungsanlagen, die über 100 Jahre hier stehen und die Kosten sind einfach zu hoch. Man kann ein altes Auto nicht uneingeschränkt fahren, eines Tages muss das auf den Schrottplatz.“ Ein neues Werk in Porz wurde gebaut.
„Dat is keine Kölsche“
Mit diesen Methoden machte sich der Schokoladenfabrikant wenig Freunde in Köln. Und als er dann auch noch die Produktion von kostengünstigen Kamelle für den Rosenmontagszug aus dem Sortiment strich, platzte den Honorationen der ehrwürdigen kölschen Karnevalsgesellschaften der Kragen. „Dä nemp uns die Kamelle fott. Dat is keine Kölsche.“ verlautete aus den Führungsetagen der Korps und Gesellschaften.
Das knallharte Verhalten des Geschäftsmanns Imhoff führte zu einer gesellschaftlichen Isolation. Seine zweite Ehefrau Gerburg Imhoff konstatierte: „So richtige Kölner Freunde hatten wir in dieser Zeit nicht.“ Doch das spornte den Unternehmer immer weiter an. Neben Stollwerck werden auch die Werke von Eszet und Waldbaur Teile des Imhoff-Konzern.
Bieterstreit mit Peter Ludwig um Sprengel
Auch Sprengel aus Hannover schlitterte in die Krise und sollte verkauft werden. Der Aachener Unternehmer Peter Ludwig war die unbestrittene Nummer Eins im europäischen Schokoladengeschäft. Mit ihm lieferte sich Imhoff ein wahres Bietergefecht um die renommierte Marke Sprengel.
Schlussendlich kam Imhoff zum Zuge und Sprengel wurde Teil des Imhoff-Schokoladen-Imperiums. Ausgerechnet Sprengel, dessen Chef Bernhard Sprengel dem aufstrebenden Unternehmer Imhoff einst den Handschlag verweigerte. Eine große Genugtuung für Imhoff, der zeitlebens um Anerkennung und Respekt kämpfte.
Jahreshauptversammlungen werden zur „Hans-Imhoff-Show“
Das Unternehmen expandierte, Imhoff gründet die Wäsche-Leasingfirma Larosé und erwirbt eine Fleisch- und Wurstwarenfabrik. Auch im Ausland wächst das Unternehmen. So entstanden neue Schokoladen-Fabriken in Ungarn, Polen und Russland.
In dieser Zeit der nahezu unbegrenzten Euphorie werden die Jahreshauptversammlungen der Stollwerck AG zu einer wahren Hans-Imhoff-Show. Das Handelsblatt vergleicht diese Hauptversammlungen mit dem Karneval. In „der Bütt“ steht Hans Imhoff. Ohne Manuskript erzählt er Witzchen, zu finanziellen Kennzahlen des Konzerns veranstaltet er ein Ratespiel: Richtige Antworten zur Bilanz werden mit 100-DM-Scheinen belohnt. Die Aktionäre erhalten eine opulente Bewirtung und üppige Schokoladenpakete. Hans Imhoff ist auf dem Zenit seiner Karriere.
Hans Imhoffs Vermächtnis: Das Schokoladenmuseum, Bild: Raimond Spekking
In dem Multimillionär Imhoff reifen in dieser Zeit auch die Gedanken, wie er sich zum einen in Köln verewigen kann, zum anderen, wie eine mögliche Nachfolge aussehen könnte. Sein Denkmal wird das unübersehbare Schokoladenmuseum direkt am Rhein. Allerdings ist die Nachfolgefrage ungeklärt. Imhoffs Tochter Annette traut sich zwar zu, ein Unternehmen zu leiten, aber nicht den gesamten Konzern.
Anfang der 2000er Jahre zeigt der jahrelange Stress seine Folgen, Hans Imhoff leidet zunehmend an gesundheitlichen Problemen. Gleichzeitig erlebte das Unternehmen eine veritable Krise. Der Handel mit den Discountern machte immer weniger Gewinn, Sprengel in Hannover machte große Verluste. Das Werk dort wurde 2001 geschlossen.
Im April 2002 verkauft Imhoff den gesamten Konzern für 175 Millionen Euro an den Schweizer Schokoladenkonzern Barry Callebaut AG. In Köln wird noch bis 2005 Schokolade produziert – dann endet die Ära der Stollwerck-Schokolade.
Das Grab der Familie Imhoff auf Melaten, Bild: MSchnitzler2000, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Hans Imhoff stirbt nach langer Krankheit am 21. Dezember 2007 und wird Im Familiengrab auf Melaten beigesetzt.
Die gemeinnützige Imhoff Stiftung wurde im Dezember 2000 von Hans Imhoff nach dem Verkauf des Stollwerck-Konzerns gegründet. Sein Wunsch war es, seiner Heimatstadt Gutes zu tun. Er saß der Stiftung gemeinsam mit seiner Ehefrau Gerburg Klara Imhoff bis zu seinem Tod im Dezember 2007 vor.
Bis Februar 2018 war Gerburg Klara Imhoff Vorstandsvorsitzende; seitdem ist sie Ehrenmitglied des Beirates. Seit Februar 2018 ist Susanne Imhoff Vorsitzende des Stiftungsvorstandes.
Das Museumsgebäude des Schokoladenmuseums gehört der Imhoff-Stiftung. Der Clou: Die Mieteinahmen fließen in die Stiftung, welche wiederum Projekte in Köln fördert. So sind seit 2001 etwa 19 Millionen Euro in unterschiedliche Projekte ausgeschüttet worden. Beispiele:2Weitere geförderte Projekte werden auf der Website der Imhoff-Stiftung vorgestellt.
Plant-for-the-Planet-Akademie
Spezielle Veranstaltungen, auf denen Kinder zu Botschaftern für Klimagerechtigkeit ausgebildet werden.
SingPause: Musikalische Ausbildung von Grundschulkindern
Ausgebildete Singleiter/innen besuchen regelmäßig die Klassen und arbeiten mittels der renommierten Ward-Methode mit den Kindern.
Zentrum für Therapeutisches Reiten Köln e.V.
In diesem speziellen Reitstall wurden 240.000 Therapieeinheiten für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit unterschiedlichsten Behinderungen und Förderbedarf angeboten.
Anträge auf Förderung können über die Website der Imhoff-Stiftung gestellt werden. Gefördert werden Projekte aus den Bereichen :
Kunst und Kultur
Bildung
Kulturpädagogik
Wissenschaft und Forschung
Therapeutisches Reiten
Öffentliche Gesundheitspflege
Denkmalpflege
Heimatkunde
Ein wichtiges Förderkriterium: Das Projekt muss innerhalb Kölns initiiert und realisiert werden. Außerdem können Anträge nur von einer steuerbegünstigten Körperschaft oder einer Körperschaft des öffentlichen Rechts gestellt werden, in deren Freistellungsbescheid mindestens ein Stiftungszweck der Stiftung erfüllt ist. In jedem Fall muss das Projekt bzw. das Ergebnis des Projektes ist der Öffentlichkeit zugänglich oder zu ihrem Nutzen sein.
Die Hans-Imhoff-Straße in Deutz, Bild: Uli Kievernagel
50 Meter hoch, knallrot lackiert ragt die Skulptur Standortmitte in den Himmel, Bild: Initiative RESPEKT
Jeder kölsche Autofahrer kennt die rote Stele mitten im Verteilerkreis: 50 Meter hoch, weithin sichtbar, ragt die rot lackierte Skulptur in den Himmel. In Bonn, am dortigen Endpunkt der Autobahn 555, reckt sich eine identische Stele in den Himmel.
Exakt 22 Kilometer trennen die beiden Stelen – doch bilden diese identischen Skulpturen eine Einheit, welche die Städte Köln und Bonn verbindet. Der Name dieses Kunstwerks lautet „Standortmitte“. Geschaffen wurde es vom Kölner Künstler Lutz Fritsch, der zwar zwei eigenständige Stelen entworfen hat, diese aber untrennbar verbunden sieht:
„Durch das Wissen um den jeweils anderen Teil der Skulptur erlebt man räumliche Distanz als Nähe, empfindet die Souveränität des einzelnen Ortes und erkennt doch die Zusammengehörigkeit.“
Die A 555 verbindet die Domstadt und die Beethovenstadt
Die kurze A 555 ist die direkte Verbindung zwischen Köln und Bonn. Die älteste deutsche Autobahn wurde 1932 von Konrad Adenauer eingeweiht. Sie beginnt in Köln am „Bonner Verteiler“ und endet ebenfalls in einem Kreisverkehr im Bonner Norden.
Wie zwei Stecknadeln verbinden die beiden Stelen Köln und Bonn, Skizze: Lutz Fritsch.
Die beiden Stelen am Anfang und Ende der Autobahn wirken wie zwei Stecknadeln, die die beiden Rheinmetropolen Köln und Bonn verbinden. Michael Kohler schreibt dazu im Kölner Stadt-Anzeiger „So verbindet die beiden rheinischen Städte nicht nur der Asphalt, sondern auch ein unsichtbares Band der Kunst.“1Plädoyer für die bedrohte „Standortmitte“, Kölner Stadt-Anzeiger vom 13. Januar 2025
Lutz Fritsch hat die Standortmitte entworfen, die Finanzierung sichergestellt und auch die gesamte Ausführung übernommen. Im Gegenzug haben die Städte Köln und Bonn dem Künstler das Urheberrecht vertraglich zugesichert und damit die Skulptur und die sie umgebenden Verteilerkreise zu rechtlich geschützten Kunstwerken erhoben.
In Bonn findet sich die Skulptur Standortmitte am Potsdamer Platz, Bild: Hans-Dieter Weber, CC-BY 4.0
Trasse der Stadtbahn bedroht Kunstwerk
Doch dieses Kunstwerk ist in akuter in Gefahr: Die Stadt plant, mitten durch den Verteiler eine Trasse zur Verlängerung der Stadtbahnlinie 5 zu bauen. Diese Trasse würde unmittelbar an der Stele vorbeiführen. Nicht nur für Lutz Fritsch ist klar, dass damit der ursprünglich zugesicherte Gesamteindruck zerstört würde.
Visualisierung der von der Stadt geplanten Trassenführung unmittelbar an der Stele vorbei, Bild: Agentur 923b
Ascan Egerer, der Verkehrsdezernent der Stadt, sieht dies völlig anders und auch keine Notwendigkeit für eine Umplanung, die Fritsch angeregt hat. Der Künstler hatte, zusammen mit Experten der Technischen Hochschule Köln, vorgeschlagen, die Trasse für die Stadtbahn an ein geplantes Parkhaus an der Bonner Straße zu verlegen und die Trassenführung in einer weiten Kurve an dem Kunstwerk vorbeizuführen. Damit wäre, so Fritsch, nicht nur das Kunstwerk gerettet, sondern auch der Umstieg vom öffentlichen Nahverkehr auf das Auto sicherer und bequemer.
Der Vorschag von Lutz Fritsch sieht vor, die Bahntrasse in einer weiten Kurve an dem Kunstwerk vorbeizuführen. Entwurf: Lutz Fritsch Montage: Kai Baedorf/Jan Rothstein
Kein Geld und keine Zeit für Umplanung
Die Stadt Köln nennt zwar „planerische Lösungen vorstellbar“, lehnt jedoch eine generelle Umplanung der Bahntrasse kategorisch ab. Weil, so Verkehrsdezernent Ascan Egerer, dann das gesamte Bauvorhaben vollständig neu geplant und genehmigt werden müsste. Und eine solche neue Planung würde schlichtweg zu viel Zeit und Geld kosten.
Andere Lösungen, wie zum Beispiel einen Tunnel, scheiden aus. Der Verteilerkreis liegt in einem Wasserschutzgebiet, welches eine unterirdisch verlaufende Alternativen unmöglich macht.
Und die Stadt zieht auch noch weitere Argumente gegen eine neue Planung heran. Die „Standortmitte“ stehe nationalen und internationalen Klimaschutzzielen im Weg, so die Stadt in einem Gutachten. Also bleibt es bei der Planung „ab und durch“ – und das Kunstwerk Standortmitte würde seine besondere Wirkung verlieren.
Engagement nicht erwünscht – Kunstbeirat tritt geschlossen zurück
Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Stadt das Kunstwerk bei der Planung schlichtweg übersehen hat. Das hat auch den Kunstbeirat auf den Plan gerufen. Der Kunstbeirat ist ein vom Rat der Stadt Köln bestelltes ständiges Gutachtergremium. Er berät in allen Fragen von Kunst im öffentlichen Raum.
In der Geschäftsordnung des Kunstbeirates lautet es:
„Der Kunstbeirat berät als ständiges Gutachter-Gremium den Rat und seine Ausschüsse sowie die Bezirksvertretungen in allen Fragen von Kunst im öffentlichen Raum. Er soll die Verwendung öffentlicher Mittel nach künstlerischen Gesichtspunkten ermöglichen, indem er über die in vielen Fällen bestehenden konkurrierenden ästhetischen Wertungen einzelner Kunstwerke und über das Spannungsverhältnis zwischen einem Kunstwerk und seinem öffentlichen Umfeld informiert.“
Ständige Mitglieder des Kunstbeirates mit Stimmrecht sind acht sachkundige Bürger/innen. Weitere Mitglieder sind, allerdings nur mit beratender Stimme, der jeweilige Dezernent für Kunst und Kultur und der Dezernent für Planen und Bauen.
Selbstverständlich hat der Kunstbeirat auch eine Stellungnahme zur „Standortmitte“ verfasst. Doch diese Stellungnahme wurde nicht beachtet. Der Kunstbeirat wurde auch in die Beratungen nicht einbezogen. Diese Ignoranz hat am 21. November 2024 zu einem Eklat geführt: Alle acht stimmberechtigten Mitglieder traten geschlossen zurück. In ihrer gemeinsamen Stellungnahme lautet es:
„Der Kunstbeirat ist keine selbstgeschaffene Interessenvertretung der Kunstszene, wie in Politik und Verwaltung mitunter angenommen wird. Die diesem Gremium vom Stadtrat selbst zugewiesene Funktion zu beraten und ggf. Empfehlungen zu anstehenden Entscheidungen auszusprechen, wurde in den letzten zehn Jahren nur teilweise oder gar nicht genutzt und in den jeweiligen Beschlüssen oftmals ignoriert. In vielen Fällen wurde der Kunstbeirat – entgegen der bestehenden Geschäftsordnung – weder befragt noch gehört. Seine (oft ungefragt verfassten) Stellungnahmen zu unterschiedlichen Themen blieben immer wieder unbeachtet”
Der Kunstwissenschaftler und Autor Kay von Keitz ist der Sprecher der des Kunstbeirates. Er moniert zu Recht, dass der Kunstbeirat zwar vom Rat der Stadt eingesetzt ist, aber von den Spitzen in Politik und Verwaltung schlichtweg ignoriert werde.
Diese Nichtbeachtung des Beirats im Fall des Kunstwerks „Standortmitte“ ist aber kein Einzelfall. Kay von Keitz weist darauf hin, dass fast alle Vorschläge, Empfehlungen und auch selbstständig entwickelten Konzepte der acht Fachleute ständig ignoriert wurden. Mit dem Rücktritt aller acht stimmberechtigten Mitglieder ist der Kunstbeirat nicht mehr beschlussfähig.2Stand: 14.03.2025
Weitere Entwicklung bleibt spannend
Am 25. März 2025 tagt der Ausschuss „Kunst und Kultur“. In einer Anfrage vom 14. März 2025 hat die SPD-Fraktion im Rat darum gebeten, folgende Anfrage auf die Tagesordnung zu setzen:
„Mit Bedauern haben wir zur Kenntnis genommen, dass die stimmberechtigten Mitglieder des Kunstbeirats geschlossen zurückgetreten sind. In ihrer Stellungnahme begründen sie diesen Schritt mit der fortgesetzten Missachtung ihrer fachlichen Expertise sowie der Dysfunktionalität des Gremiums. Bereits die vorhergehende Generation des Kunstbeirats hatte ähnliche Kritik geäußert und auf Reformbedarf hingewiesen. Vor diesem Hintergrund bittet die SPD-Fraktion um die Beantwortung der folgenden Fragen:
Welche Gespräche hat die Verwaltung in den letzten Jahren mit dem Kunstbeirat geführt, um die kritisierten Missstände zu adressieren, und welche konkreten Maßnahmen wurden ergriffen, um die Arbeitsfähigkeit des Gremiums zu verbessern?
Welche Schritte unternimmt die Verwaltung, um das durch den Rücktritt der stimmberechtigten Mitglieder entstandene Vakuum zeitnah zu füllen?
Gibt es bereits Überlegungen oder Pläne zur strukturellen oder inhaltlichen Neuausrichtung des Kunstbeirats?
Wie bewertet die Verwaltung die in der Rücktrittserklärung geäußerte Kritik?
Welche Konsequenzen zieht die Verwaltung aus dem Rücktritt der stimmberechtigten Mitglieder für die künftige Einbindung fachlicher Expertise im Bereich Kunst im öffentlichen Raum?
Die Antworten darauf soll es in der Sitzung am 25. März 2025 geben. Fraglich ist tatsächlich, ob sich noch Persönlichkeiten finden, die ehrenamtlich in einem Gremium mitarbeiten, welches regelmäßig übergangen wird.
Die Kulturinitiative RESPEKT, Logo von Birgit Mager und Steffen Missmahl
RESPEKT – eine Kulturinitiative für Köln
Der Künstler Lutz Fritsch lässt sich mittlerweile von Yasmin Mahmoudi, Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz, vertreten. Aber auch die Stadtgesellschaft macht mobil. So hat sich die Initiative RESPEKT gegründet. Zu den Initiatoren gehören unter anderem
Birgit Mager, Design-Professorin der TU Köln,
Bruno Wenn, Vorsitzender des Kölner Kulturrats,
Jochen Heufelder, Kurator,
Peter Pauls, Vorsitzender Kölner Presseclub,
Barbara Hosmann, Vorstand der Freunde der Artothek Köln und
Ulrich S. Soénius, Historiker und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs.
Ulrich S. Soénius, Sprecher der Kulturinitiative REPEKT und Direktor des Rheinisch-Westfälischen Wirtschaftsarchivs, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Soénius verurteilt die Planung der Stadt deutlich: „Moderne Stadtplanung achtet historische Strukturen, hält sich an Verträge und vermeidet Betonungetüme, die auf Jahrzehnte hinaus das Stadtbild verschandeln. Alles dies beachten die Brückenplaner und Verantwortlichen in der Stadt mit den vorgelegten Plänen am Verteilerkreis nicht.“
Nach eigener Aussage wünscht sich die Initiative mehr Respekt. „Allein der Sachzwang regiert. Standortmitte ist für uns ein herausragendes Beispiel für die vielen Respektlosigkeiten in der Stadt Köln. Wir wünschen dieser Stadt, an der wir alle hängen, mehr Respekt. Für andere und damit für sich selbst.“
„RESPEKT – eine Kulturinitiative für Köln“ lädt alle Interessierten ein, sich für eine Stadt einzusetzen, in der ein Wort gilt, ein Vertrag respektiert wird und in der verantwortungsvoll mit der Entwicklung einer respektvollen Zukunft umgegangen wird.
Das klingt wunderbar – aber aktuell leider nicht nach Köln.
Film zur „Standortmitte“ am 30. März 2025 (11.30 Uhr) im Odeon Kino
Der Film beobachtet die komplizierte und teilweise spektakuläre Herstellung der riesigen Stelen, in der schwerer Stahlbau auf exklusive Feinmechanik trifft. In Zusammenarbeit mit Firmen aus der Region betritt Fritsch auch in technischer Hinsicht Neuland – es darf nichts Geringeres entstehen als das perfekte Rohr. Gleichzeitig gibt der Film einen Einblick in die künstlerische Konzeption des Projektes Standortmitte und die Innenwelt des Künstlers Lutz Fritsch.
Nach der Aufführung wird Künstler Lutz Fritsch im Gespräch mit dem Autor des Films Gerhard Schick und Initiatoren der Kulturinitiative RESPEKT über das Projekt und den aktuellen Status sprechen.
„Ich engagiere mich, weil mir die Kultur in Köln und ein respektvoller Umgang mit ihren Künstler*innen und deren Kunstwerken am Herzen liegt und dies auch in den städtischen Planungen erkennbar sein muss“.
Barbara Hosmann, Vorstand Freunde der artothek Köln
RESPEKT sucht Mitstreiter
Alle Informationen zur Kulturinitiative RESPEKT sind auf der Website, auf Instagramm und auf LinkedIn zu finden.
Der imposante Eingang des Melaten-Friedhofs an der Aachener Straße. Die Inschrift „Funeribus Agrippinensium Sacer Locus“ bedeutet „Für die Gräber der Kölner heiliger Ort“, Bild: Raimond Spekking
Friedhöfe sind immer ganz spezielle Orte. So auch Kölns bekanntester Friedhof Melaten.
Der KöbesColonius mit einer Gruppe auf dem Friedhof Melaten, Bild: Guido Hofmann
Rundgang mit dem „KöbesColonius“ Guido Hofmann über Melaten
Und einer kennt sie alle: Der Kölner Stadtführer und Melaten-Experte Guido Hofmann. Als „KöbesColonius“ führt er seit 2015 Menschen durch Köln – und auch über den Melaten-Friedhof.
Frank und Uli durften im Podcast „Das Köln-Ding der Woche“ mit Guido einen kleinen Rundgang über diesen Friedhof machen. Alles zu den Touren & Terminen des KöbesColnius gibt es gibt es auf seiner Website.
Der „KöbesColonius“ Guido Hofmann auf der berühmten Bank am Grab von Dirk Bach, Bild: leff richter
Genau wie alle anderen Menschen in der Rubrik „Ein paar Fragen an …“ hat auch Guido zu meinen „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.
Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du wohnen? Und warum gerade dort? Kommt nicht in Frage
Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus? Immer positiv denken – et hät noch emmer jot jejange !
Was würdest du morgen in unserer Stadt ändern? Alle Baustellen fertig zaubern
Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte. Baustellen- und Verkehrs-Chaos, das Un-koordinierte an vielen Stellen in der Stadt
Wo auch sonst? Vor, um und im Dom hält sich der KöbesColonius am liebsten auf, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln? Vor, um und im Dom
Welche KölnerInnen haben dich beeinflusst / beeindruckt? Willy Millowitsch, Hans Süper, Wolfgang Oelsner
Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch? Feiern – und keine Stadtführungen
Und was zwischen Aschermittwoch und Weiberfastnacht? Stadtführungen und bei vielen Gelegenheiten feiern und Köln besuchen
Wat hät für dich noch immer jood jejange? Am Ende gab es bei den vielen Herausforderungen in 2.000 Jahren Kölner Geschichte immer eine Lösung
Wo drüber laachs de dich kapott? Colonia Duett, Der Sitzungspräsident
Guidos kölsche Lieblingskneipe: Der „Lommi“ in Deutz, Bild: Andreas Lofner
Neumarkt-Galerie, Köln mit Skulptur „Dropped Cone“ von Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen, Bild: Raimond Spekking
Kölns größte Eistüte befindet sich am Neumarkt. Mehr als zwölf Meter hoch ragt das riesige Objekt in den Himmel. Satte drei Tonnen, oder umgerechnet so schwer wie 37.500 Eisbällchen, wiegt das Kunstwerk „Dropped Cone“ von Claes Oldenburg (1929 – 2022) am Gebäude der Neumarktgalerie.
„Wat soll dä Quatsch?“
Touristen rätseln und auch Einheimische fragen sich „Wat soll dä Quatsch?“. Und damit hat Oldenburg sein Ziel erreicht. Er selbst hat die Bedeutungslosigkeit seiner Kunst zum Konzept erklärt: „Die Bedeutung darin wird zweifelhaft und uneinheitlich bleiben – und genau so sollte es sein.“ Und so formte Oldenburg reichlich Alltagsgegenstände – immer in XXL-Varianten. Etwa eine riesige Spitzhacke, einen gigantischen Lippenstift, einen Stecker in der Größe einer Garage oder die gigantische Kölner Eistüte.
Oldenburg-Skulptur „Spitzhacke“, Bild: Cherubino, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Mit seinen Kolossalobjekten wurde der 1929 in Stockholm geborene und am 18. Juli 2022 in New York verstorbene Oldenburg neben Roy Lichtenstein und Andy Warhol zu einem der bedeutendsten Vertreter der Pop Art.
Oldenburg-Skulptur „Plantoir“, Bild: Manuelvbotelho, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Vielfältige Interpretationen der Kölner Eistüte
Die Kölner Eistüte wurde im März 2001 auf dem Gebäude der Neumarkt Galerie, ein Einkaufszentrum direkt am Neumarkt, installiert. Die Betreiber der Neumarkt Galerie zahlten auch die Kosten in Höhe von 3 Mio. DM für dieses Kunstwerk.
Ganz im Sinne von Oldenburg wurde seit dem Tag der Installation munter interpretiert, was denn die Bedeutung der Skulptur sein könnte. So wurde das schmilzende Eis schnell als Symbol der „Vergänglichkeit des Konsums“ ausgelegt.
Köln als eine „Stadt der Kirchtürme“ zu bezeichnen ist nicht ganz von der Hand zu weisen, hier ein Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Eine andere Sichtweise wird auf Oldenburgs Kollegin und Ehefrau Coosje van Bruggen (1942 – 2009) zurückgeführt. Oldenburg und seine Frau hatten sich Postkarten von Köln zeigen lassen und Coosje van Bruggen hatte angemerkt, dass Köln offensichtlich eine Stadt der Kirchtürme sei. Und somit wurde der Eistüte eine fast schon sakrale Aussage angedichtet, weil diese an die Kirchtürme der Kölner Skyline erinnern würde. Und diese Interpreation ist auch mein Favorit – als eine Huldigung ans „Hillije Kölle“ in der Geschmacksrichtung Vanille. Unbestätigten Aussagen zufolge waren urspünglich sogar zwei Eishörnchen geplant, die an die beiden Türme des Doms erinnern sollten.
Noch einen Schritt weiter geht die Auslegung, dass mit diesem „Kirchturm aus Eis“ die Neumarktgalerie mit ihren Geschäften zum „Tempel des Konsums“ uminterpretiert wird.
Die Künstler selber wiesen auch darauf hin, dass im Namen der Skulptur „Dropped Cone“ sogar Buchstaben des Stadtnamens „Cologne“ zu finden sind.
Der legendäre Domkran als Vorbild
Volker Hein hat recht: Der Domkran muss die Vorlage für Oldenbourgs Plastik „Dropped Cone“ gewesen sein. Bild: Auszug aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531 (links), Foto von Volker Hein (rechts)
Die vielleicht schönste Interpretation stammt vom Schauspieler und Stadtführer Volker Hein: Er hat erkannt, dass das Eishörnchen von Claes Oldenbourg fast exakt dem Domkran entspricht.
Dieser hölzerne Drehkran wurde im 14. Jahrhundert auf dem Südturm des Kölner Doms installiert und war zwar nur etwa 50 Jahre lang im Einsatz, prägte aber als Wahrzeichen das Kölner Stadtbild bis zu seinem Abbau im Jahr 1868. Und die Ähnlichkkeit zwischen Eishörnchen und Domkran ist tatsächlich erstaunlich.
Ganz einfach: Köln bietet zu wenig Platz für Kunst!
Auch wenn es reichlich Spekulationen über die Aussage des Kunstwerks gibt ist der Hintergrund für die Platzierung der Skulptur eindeutig.
Oldenburg dazu: „Da wir den genauen Standort für das Werk frei wählen konnten, suchten wir nach einem Platz im Freien und entschieden uns, unsere Skulptur auf dem Dach des Einkaufszentrums zu platzieren, da die Straßen in Köln so überfüllt sind.“
Und wer den verkehrsumtosten Neumarkt und die beengten Kölner Verhältnisse kennt, kann dem weltberühmten Künstler nur beipflichten.
Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking