Kölner Stadtteile: Libur – hier wohnen die glücklichsten Kölner!

Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.
Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.

Der kleine Stadtteil Libur ist Kölns Veedel der Rekorde:

  • Libur ist der, gemessen an der Zahl der Einwohner, kleinste Stadtteil Kölns. Stand 31. Dezember 2022 gab es genau 1.145 Liburer.
  • Libur hat auch niedrigste Bevölkerungsdichte innerhalb Kölns: Hier leben gerade einmal 180 Einwohner je Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Köln leben, im Durchschnitt über alle Veedel, die Menschen etwa 15x so gedrängt. Es sind exakt 2.679 Einwohner je Quadratkilometer. Noch krasser wird der Unterschied, wenn man sich enge Südstadt ansieht: Hier leben auf einem Quadratkilometer mehr als 13.000 Menschen.
  • Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.

Vielleicht sind das auch die Gründe, warum in Libur nachweislich die glücklichsten Kölner leben.

Haus am Grabhügel

Die Gegend um Libur wurde bereits vor sehr langer Zeit besiedelt. Eine dort gefundene Axt lässt vermuten, dass es dort bereits in der Jungsteinzeit (circa 5.500 – 4.900 v. Chr.) eine erste Siedlung der sogenannten „Bandkeramiker“1Die Bandkeramik bzw. bandkeramische Kultur ist die erste auf Ackerbau und Viehzucht basierende Kultur der Jungsteinzeit mit Verbreitungsgebieten in ganz Mitteleuropa.  Der Name „Bandkeramiker“ bezieht sich auf die bandartigen Verzierungen auf ihren Tongefäßen. gab.

Ausschnitt aus der "Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789“, hier ist Libur noch als „Liebour“ verzeichnet. Bild: Wilhelm Fabricius
Ausschnitt aus der „Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789“, hier ist Libur noch als „Liebour“ verzeichnet. Bild: Wilhelm Fabricius

Der erste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 1183. In einer Sammlung von Wunderberichten wird die Ortschaft „villula lebure“ erwähnt. In späteren Aufzeichnungen lautet der Name „Lebur“. Weitere Schreibweisen lauten Liebour und Liebuire. Die erste Silbe „Le“ im Althochdeutschen könnte „Obdach“ bedeuten, „bûr“ bezeichnet ein kleines Haus. Eine andere Interpretation geht davon aus, dass sich die erste Silbe auf „Leo“, einen Grabhügel bezieht. Zusammen mit „bûr“ könnte das Haus am Grabhügel“ bedeuten.

Schon seit dem Mittelalter gehörte Libur zum Herzogtum Berg. Während der französischen Besatzung des Rheinlands (von 1794 bis 1814/15) war Libur Teil des Grand-Duché de Berg et de Clèves2Die französische Bezeichnung für das Großherzogtum Berg., anschließend wurde es Teil der Preußischen Rheinprovinz. 1929 erfolgte die Eingemeindung nach Porz. Durch das von den Porzern so ungeliebte „Köln-Gesetz“ wurde auch Libur 1975 Teil der Stadt Köln.

Eigenständiger, dörflicher Charakter

Libur hat bis heute sein dörfliches Erscheinungsbild erhalten. Das liegt auch daran, dass Libur eher isoliert liegt und daher nicht mit den Nachbargemeinden, z.B. Lind oder Wahn, zusammengewachsen ist. So beschreibt auch die Stadt Köln Libur als „Weiler mit achteckigem Ortskern, auf den zahlreiche Straßen von den umliegenden Dörfern zulaufen. … Das immer noch etwas abgeschiedene Libur inmitten agrarisch genutzter Flächen hat noch einen Gutteil seines ländlichen Charakters bewahrt.“

Typische Backsteinbauten in der Pastor-Huthmacher-Straße in Köln-Libur, Bild: Franz-Josef Knöchel, Landschaftsverband Rheinland / CC BY 4.0
Typische Backsteinbauten in der Pastor-Huthmacher-Straße in Köln-Libur, Bild: Franz-Josef Knöchel, Landschaftsverband Rheinland / CC BY 4.0

Diese Abgeschiedenheit hat Libur zwar den eigenständigen, dörflichen Charakter gesichert, gleichzeitig ist die aber die Verkehrsanbindung des Ortes eher schlecht – es gibt gerade eine Buslinie. Trotzdem gibt es Verkehrslärm in Libur: Je nach Wind und Abflugrouten sind die startenden Flieger des nah gelegenen Flughafens Köln/Bonn leider gut zu hören.

Tausende Sprenggranten in der Liburer „Schullekul“

Im März 1957 stand das ruhige Libur auf einmal im Zentrum des Interesses. Der Kölner-Stadt-Anzeiger hatte berichtet, dass „… Schulkinder erzählt hätten, sie würden aus dem Teich Handgranaten, Flak- und Panzergeschosse herausholen, sie zerlegen, weiße Säckchen mit Pulver hervorholen und diese in der Abenddämmerung anzünden.“

Mit „dem Teich“ war der Liburer Löschteich gemeint. Dieser lag neben der Volksschule und wurde daher nur „Schullekul“ genannt. Es war zwar in Libur ein offenes Geheimnis, dass Wehrmachtssoldaten, kurz bevor die Amerikaner einrückten, ihre Spuren verwischten und die Waffen kurzerhand in dem Löschteich versenkten. Aber es gab keinerlei Aufzeichnung, wie viele und welche Waffen dort entsorgt wurden.

Der ehemalige Feuerlöschteich Schullekul wurde Ende der 1950er in einen Bolzplatz umgewandelt. Bild: Jotpe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der ehemalige Feuerlöschteich Schullekul wurde Ende der 1950er in einen Bolzplatz umgewandelt. Bild: Jotpe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Tatsächlich handelte es sich bei der Schullekul um ein stinkendes, modriges Gewässer, welches – unabhängig vom Fund der Kampfmittel – saniert werden sollte. Nur wollte weder die Porzer Stadtverwaltung noch die Bezirksregierung die Verantwortung und somit die Kosten dafür übernehmen. Erst mit dem Artikel im Stadt-Anzeiger und der somit öffentlich gewordenen Gefährdung der Dorfjugend kam Bewegung in die Angelegenheit und es wurde ein Dringlichkeitsbeschluss gefasst: Die Schullekul wurde ausgepumpt und die Kampfmittel-Räumer machten große Augen. Immerhin wurden

  • 522 Sprenggranten
  • 692 Infanterie-Patronen
  • 121 Stielhandgranaten
  • 14 Gewehre
  • 6 Maschinengewehre

sowie weitere diverse „Granaten und weitere Munition“ aus dem schlammigen Gewässer geborgen. Der Teich verschwand und an der Stelle ist heute ein Sportplatz zu finden.

Viel Land – wenig Menschen: Das dörfliche Libur. Bild: aachim3, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Viel Land – wenig Menschen: Das dörfliche Libur. Bild: aachim3, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Veedels-Check: Libur auf Platz 1

Heute ist Libur ganz vorne in Kölle: Im Veedels-Check des Kölner-Stadt-Anzeigers3aus dem Jahr 2018 machte Libur das Rennen und landete auf dem ersten Platz aller kölschen Veedel. Fast 80% der Bewohner gaben an, nicht aus Libur weg ziehen zu wollen. Dabei spielt auch der „kölsche Veedelscharakter“ des Dorfes eine Rolle: Auf die Frage, wie kölsch Libur ist, landete das kleine Libur auf Platz acht von allen 86 Kölner Stadtteilen.

Vergleich Bevölkerungsdichte, Graphik: Uli Kievernagel
Vergleich Bevölkerungsdichte, Graphik: Uli Kievernagel

Kleiner Wermutstropfen: Selbst die eingefleischten Libur-Fans bemängeln die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten und die eher schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

Aber das machen Initiativen wie der „Junggesellenverein Libur“, der Weihnachtsbasar der Katholischen Frauengemeinschaft und das Straßenfest „Der längste Desch vun Libur“ wieder wett. Und auch im Karneval pflegt das „Rekord-Dorf“ Libur eine ganz besonderen Tradition: Hier stehen die Jecken am Straßenrand und werfen Kamelle für die Pänz, die im Zoch mitgehen.

Also noch ein weiterer Rekord:
In Libur gibt es den „verkehrtesten“ Karnevalszoch von ganz Köln.


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Klettenberg wird in „Knollendorf“ umbenannt +++ Eilmeldung +++

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat am 1. April 2023 verkündet, dass der Stadtteil Klettenberg in Knollendorf umbenannnt wird. Bild: Jens Koch, Bearbeitung Uli Kievernagel

Eingeweihte wussten es schon länger – doch am 1. April 2024 wird es amtlich: Der Kölner Stadtteil „Klettenberg“ wird in „Knollendorf“ umbenannt.

Oberbürgermeister Henriette Reker dazu: „Wir folgen mit dieser Namensänderung einem starken Wunsch der Klettenberger Bürger. Schon lange wünschen sich die Bewohner dieses Veedels einen ausdrucksstarken Namen. Diesen haben wir mit Knollendorf gefunden.“

Ab jetzt immer pünktlich: In Knollendorf fahren Busse und Bahnen der KVB - Knollendorfer Verkehrs-Betriebe mit dem markanten Logo "Woosch un Öllig"
Ab jetzt immer pünktlich: In Knollendorf fahren Busse und Bahnen der KVB – Knollendorfer Verkehrs-Betriebe mit dem markanten Logo „Woosch un Öllig“

Unabhängiges Veedel entsteht

Mit dieser Namensänderung geht auch eine umfassende Verwaltungsreform einher: Das neue Viertel Knollendorf wird nicht länger Stadtteil des Stadtbezirks 3 (Lindenthal) sein, sondern es entsteht ein von der Stadt Köln komplett unabhängiges Veedel. So wird auch der beliebte Klettenbergpark in „Knollendorfpark“ umbenannt. Busse und Bahnen in Knollendorf fahren unter dem neuen Logo der KVB – Knollendorfer Verkehrs Betriebe. 

Stolz zeigt der Speimanes die Hänneschen-Blootwosch, Bild: Hänneschen-Theater
Der neue Veedels-Bürgermeister Hermann Speichel (rechts) ist immer da, wenn es um die Wurst geht. Links: Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Bild: Hänneschen-Theater

„Wir geben damit der Bevölkerung Knollendorfs größtmöglich Autarkie“, so Henriette Reker bei der heutigen Pressekonferenz. Die Oberbürgermeisterin weiter: „Veedels-Bürgermeister von Knollendorf wird Hermann Speichel, der bereits bewiesen hat, dass er – gerade wenn es um die Wurst geht – immer einen kühlen Kopf bewahrt.“

Der so geehrte Hermann Speichel, von den Knollendorfern nur zärtlich „Speimanes“ genannt, stand für ein persönliches Interview (gottseidank!) nicht zur Verfügung.

Tünnes, mit bürgerlichen Namen Anton Schmitz, ist gutmütig, hilfsbereit und ein einfach gestrickter Charakter, Bild: Hänneschen-Theater
Anton Schmitz freut sich auf günstiges Kölsch & Schabau, Bild: Hänneschen-Theater

Steuern auf Alkohol werden abgeschafft

Im Knollendorfer Gasthaus, ehemals bekannt als Petersberger Hof, reibt sich Wirt Peter Mehlwurm voller Vorfreude die Hände. Denn Bürgermeister Speichel hat ihm versprochen, als erste Amtshandlung die Steuern auf Alkohol abzuschaffen. „Dann kommen auch die Gäste aus Zollstock und Sülz. Das wird ein gutes Geschäft.“

Auch der im Veedel nur als „Tünnes“ bekannte Anton Schmitz freut sich, kann doch gerade der Freund von Kölsch und Schabau eine Menge Geld sparen.

Aus "Klettenberg" wird Knollendorf. Bild: Hänneschen Theater
Aus „Klettenberg“ wird Knollendorf. Bild: Hänneschen Theater, Bearbeitung: Uli Kievernagel

Kritische Stimmen

Die Ordnungsmacht im neuen Knollendorf wird vom schnauzbärtigen Dorfpolizisten Schnäuzerkowski repräsentiert. Sichtlich gestresst murmelt der Vertreter der Staatsgewalt: „Der janze Platz ist verhaftet.“

Wahrscheinlich übt der gesetztestreue Ordnungshüter bereits seinen Text, wenn Scharen trinkfreudiger Kölner aus den Nachbarvierteln im Knollendorfer Gasthaus einfallen. Der Vertreter der Schmier hat sichtlich Angst, dass es in seinem Viertel zu ähnlichen Bildern wie an Karneval im Kwartier Latäng kommen könnte.

Der Schäl, ein listiges Schlitzohr, Bild: Hänneschen-Thaater
Ist dieser Herr der anonyme Beschwerdeführer gegen Veedels-Bürgermeister Speichel? Bild: Hänneschen-Thaater

Es gibt aber auch andere kritische Stimmen. Unsere Redaktion haben anonyme Hinweise per e-mail erreicht. Ein gewisser Herr S. beschwert sich: „Ich wäre der bessere Bürgermeister. Hermann „Speimanes“ Speichel ist nicht geeignet, unser Veedel auch wirtschaftlich nach vorne zu bringen. Dafür bin ich dank meiner Kontakte der viel bessere Mann.“ Erste Recherchen haben ergeben, dass die Nachricht mit der Adresse „schael@knollendorf.de“ abgeschickt wurde. Das Investigativ-Team des Köln-Lotsen ist zuversichtlich, die Identität des S. schnell zu ermitteln.

Der junge und immer fröhliche Knollendorfer Johannes Knoll ist aber wie immer aufgeschlossen:

„Et kütt wie et kütt. Un et hätt noch immer joot jejange.
Ävver
mer losse doch he nit et Hännesche mit uns mache!“


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Das „Köln-Gesetz“ machte 1975 Köln zur Millionenstadt

Die Stadtbezirke und Stadtteile Kölns, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Die Stadtbezirke und Stadtteile Kölns, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Die Karnevalisten hatten es geahnt! Das Motto der Session 1974/75 lautete „Seid umschlungen Millionen“. Und tatsächlich hatte die Stadt Köln es pünktlich zum 1. Januar 1975 geschafft: Man war eine Millionenstadt.

Möglich wurde dies durch das „Köln-Gesetz“.1Bitte nicht verwechseln mit dem „Kölschen Grundgesetz“. Das ist etwas völlig anderes. Dieses Gesetz hieß im besten Amts-Deutsch „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Köln“ und war Teil einer ebenso umfassenden wie auch umstrittenen Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen.

Zu kleine Gemeinden kommen Aufgaben nicht nach

Auch die größten Kritiker dieser Gebietsreform mussten zugeben, dass die Gemeinden, Kreise und Städte in Nordrhein-Westfalen dringend neu geordnet werden sollten. Viele Kommunen waren zu schlichtweg zu klein, um ihren kommunalen Aufgaben wie Infrastruktur, Kultur, oder Finanzen eigenständig nachzukommen. 

Die kleinteilige Gliederung spiegelte sich auch in der Anzahl der Gemeinden wider: Es gab im Jahr 1965 insgesamt 2362 Gemeinden in NRW. Mehr als die Hälfte dieser Gemeinden hatten unter 1000 Einwohnern, die kleinste Gemeinde hatte gerade einmal drei Einwohner – eine Reform war dringend notwendig. Folglich startete CDU/FDP- Landesregierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) im Jahr 1966 ein erstes Neugliederungsprogramm, welches hauptsächlich den ländlichen Raum betraf.

Stadt Köln sieht Chance für schnelles Wachstum

Mit der zweiten Stufe der Neugliederung ab 1969 wurden auch die Grenzen der Kommunen in den Ballungsräumen neu geregelt. So brachte die SPD/FDP-Landesregierung unter Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) am 24. Mai 1974 einen Gesetzentwurf für das „Köln-Gesetz“ in den Landtag ein.

Die Stadt Köln hatte zu diesem Thema auch bereits 1972 eindeutig Stellung bezogen, sah man doch auch die Chance auf ein schnelles Wachstum:

„Die Grenzen der kommunalen Gebietseinheiten in unserem Lande stammen großenteils noch aus dem vorigen Jahrhundert;2Damit ist hier das 19. Jahrhundert gemeint sie hemmen nicht nur zahlreiche Gemeinden in ihrer Entwicklung, sondern wirken vielfach auch anachronistisch, da inzwischen vornehmlich in den Ballungsgebieten neue Lebens, Siedlungs- und Wirtschaftsräume entstanden sind. Dieser Entwicklung haben sich aber die Grenzen der kommunalen Einheiten nicht angepaßt.“3Quelle: Das Großzentrum Köln. Neuordnungsvorschlag der Stadt Köln zur kommunalen Gebietsreform. Herausgegeben von der Stadt Köln, 1972, Seite 5

Zweites Neugliederungsprogramm macht Köln zur Millionenstadt

Das „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Köln“ trat am 1. Januar 1975 in Kraft und machte Köln, dank den Eingemeindungen 192.000 neuer Bürger kurzfristig zu Millionenstadt.

Die Bevölkerungsentwicklung Kölns. Mit den Eingemeindungen 1975 wurde Köln zur Millionenstadt - allerdings nur kurz. Bild: Summer ... hier! (Diskussion), CC0, via Wikimedia Commons
Die Bevölkerungsentwicklung Kölns. Mit den Eingemeindungen 1975 wurde Köln zur Millionenstadt – allerdings nur kurz. Bild: Summer … hier! (Diskussion), CC0, via Wikimedia Commons

Der größte „Fang“ für die Domstadt war mit 83.000 Menschen Porz, gefolgt von Rodenkirchen mit ca. 45.000 Bürgern, 24.000 aus Lövenich, 10.000 Neu-Bürger aus Esch und 4.000 aus Widdersdorf.  Außerdem wurde auch Wesseling mit ca. 25.000 Bürgern eingemeindet. Auch flächenmäßig machte Köln einen gewaltigen Sprung von 25.000 auf 47.000 Hektar.

Der „Kölner Polyp, der weit ins Land greift“

Bis heute trauern viele Gemeinden der verlorenen Eigenständigkeit nach. Besonders ausgeprägt ist diese Einstellung in Köln-Porz. Der Historiker Frank Schwalm nennt diesen Lokalpatriotismus „Porztümelei“.4Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.01.2015 Dabei war, so Schwalm, „Porz eigentlich keine gewachsene Stadt. Sie entstand erst 1928 aus der Zusammenlegung von Wahn und Heumar“. Ein Redner in Düsseldorfer Landtag sprach in einer Sitzung sogar vom „Kölner Polyp, der weit ins Land greift“.

Die Porzer wehren sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung
Die Porzer wehren sich gegen die Eingemeindung

So schlossen sich die Porzer, wie auch die Rodenkirchener, einer Klage der Wesselinger gegen die Eingemeindung an. Doch während Wesseling Recht bekam und zum 1. Juli 1976 wieder eigenständig wurde, seien Porz und Rodenkirchen, so der Verfassungsgerichtshof, „eng genug mit der Nachbarstadt verknüpft“ und blieben Teile der Stadt Köln.

Mit Wesseling verlor Köln aber nicht nur den Zugriff auf die lukrativen Gewerbesteuerzahler der chemischen Industrie, sondern auch den Status als Millionenstadt. Es sollte bis 2010 dauern, bis Köln sich wieder mit dem Titel „Millionenstadt“ schmücken durfte.

Repräsentanten-Entlassungsprogramm

Selbstverständlich fielen durch die Reform viele Pöstchen in der kommunalen Verwaltung weg. Schnell machte das Schlagwort vom „Repräsentanten-Entlassungsprogramm“ die Runde. Damit würde auch, so der Vorwurf, die Bürgernähe verloren gehen. Immerhin wurde durch die Gebietsreform die Anzahl der Gemeinden von 2.362 auf 396 gesenkt.

Dem Vorwurf der fehlenden Bürgernähe entgegnete man mit den neu eingerichteten Bezirksvertretungen. Allerdings sind diese Bezirksvertretungen bis heute weder mit den notwendigen finanziellen Mitteln noch mit ausreichenden Rechten ausgestattet, um das durch die Gebietsreform verloren gegangene Gefühl der kommunalen Mitwirkung kompensieren zu können.

Die Wesselinger wehren sich erfolgreich gegen die Eingemeindung nach Köln, Bild: Stadtarchiv Wesseling
Die Wesselinger wehren sich erfolgreich gegen die Eingemeindung nach Köln, Bild: Stadtarchiv Wesseling

Keine 0221-Telefonvorwahl in Sürth oder Porz

Bis heute sind die Auswirkungen der Gebietsreform spürbar. Je nach Stadtteil haben die Telefonanschlüsse, z. B. in Sürth oder auch in Porz, andere Vorwahlen. Die Verwaltung und Gerichtsbezirke wurden neu geregelt, so müssen bis heute die Kölner aus Zollstock, Raderberg oder Marienburg ihre neuen Pässe in Rodenkirchen abholen.

Durch die rückgängig gemachte Eingliederung Wesselings konnte sich zumindest der vermasselte Einsatz Kölner Feuerwehrleute, die kurz nach der Reform in Wesseling eingesetzt wurden, nicht wiederholen: Weil ihnen unbekannt war, dass Wesseling über ein eigenes Krankenhaus verfügte, fuhren sie mit einem Patienten bis nach Köln.

Und die Karnevalisten wählten nach „Seid umschlungen Millionen“ (Session 1974/75) das Motto der nachfolgenden Session weniger verfänglich und widmeten die Session 1975/76 ihrem geliebten Kölner Komponisten: „Sang und Klang mit Willi Ostermann.

Dagegen konnten auch die Wesselinger nicht klagen.


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Kölner Stadtteile: Porz – acht gewaltige Schornsteine als Wahrzeichen

Das Rhenania-Phosphatwerk Porz am Rhein mit seinen markanten acht Schornsteinen um etwa 1920
Das Rhenania-Phosphatwerk Porz am Rhein mit seinen markanten acht Schornsteinen um etwa 1920

Vielleicht hat kein Stadtteil je ein so beeindruckendes Wahrzeichen gehabt wie Porz1Abgesehen von der Innenstadt mit dem Dom. Ungezählt sind die Postkarten, die das ehemalige Wahrzeichen von Porz zeigen.

Die acht Schornsteine des „Rhenania-Phosphatwerk Porz am Rhein“ (früher „Rheinische Portland Cementwerke“) thronten noch bis 1929 über dem Rheinufer. Bereits fünf Jahre zuvor hatte man das Werk, das Düngemittel herstellte, wegen seiner Unrentabiliät schließen müssen. 1930 wurde die Fabrik abgerissen und von 1964 bis 1967 das Porzer Krankenhaus auf dem Gelände errichtet. Deswegen sucht man die gewaltigen Schornsteine heute vergebens.

Neben dem Rhenania Phosporwerk siedelten sich zwei weitere Fabriken in Porz an: Die Eisenverarbeitung der Adelenhütte und die Spiegelglaswerke Germania.

Angestellten- und Arbeiterhäuser in der Germania-Siedlung Porz
Angestellten- und Arbeiterhäuser in der Germania-Siedlung Porz, Bild: gemeinfrei

Bedeutung als Gerichtsstätte

Doch trotz Industrie ist Porz nie eine reine Industriestadt und trotz des Namens wahrscheinlich auch keine römische Siedlung gewesen. Der älteste bekannte Beleg für Porz stammt aus dem Jahr 1019, dennoch wird der Name auf das Lateinische zurückgeführt, auf „porta“, Tor oder Tür, oder auf „portus“, der Hafen. Aufgrund der Lage scheint die Übersetzung Hafen näher zu liegen, obwohl das im Süden gelegene Zündorf über die Jahrhunderte hinweg einen weitaus größeren Einfluss als Hafen- und Handelsplatz hatte. Es habe sich vielmehr um eine kleine Anlegestelle für eine Fährverbindung zur anderen Rheinseite gehandelt, heißt es in der Forschung.

Sicher ist, dass Porz mehr als 500 Jahre lang eine große Bedeutung für die Rechtsprechung hatte. Bereits im Jahr 1286 wird Porz als eine so genannte übergeordnete Gerichtsstätte erwähnt. Nach einer großen Verwaltungsreform im Jahr 1555 wird dies bestätigt und die Zuständigkeit von Porz erweitert: Die herrschenden Grafen von Berg, deren Gebiet im Rechtsrheinischen an Köln, Deutz und Poll angrenzte, erheben Porz zum zentralen Hauptgericht für alle Landgerichte südlich der Wupper (das gesamte heutige rechtsrheinische Köln sowie Bensberg und Odenthal). Außerdem wird Porz zum Verwaltungszentrum für die umliegenden Dörfer. Das Gebiet entspricht in etwa dem heutigen Stadtbezirk Porz (ohne Poll, aber mit Heumar).

Konkurrenz mit Wahn und Heumar

Damit hatte Porz über Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte eine herausragende Rolle gespielt, ohne wirklich ein Zentrum zu sein. Im Jahr 1808, Porz dürfte so etwa 170 Einwohner zu dieser Zeit gezählt haben, erneuerte das Herzogtum Berg seine Verwaltung und Porz musste das erste Mal in seiner Geschichte eine Niederlage einstecken Der Einfluss der Gemeinde verschwand. Es entstanden die Bürgermeistereien Heumar mit den nördlichen und die Bürgermeisterei Wahn mit den südlichen Dörfern des heutigen Stadtbezirkes.

Porz mit den Nachbargemeinden um etwa 1820
Porz mit den Nachbargemeinden um etwa 1820

Eine Erhebung der Einwohnerzahlen aus dem Jahr 1828 verdeutlicht zumindest die Größe von Porz und der umliegenden Dörfer; allein in Niederzündorf wurden 640, in Oberzündorf 276 Einwohner gezählt. In Langel lebten damals 564, in Westhoven 304 und in Porz 268 Menschen.

Im Jahr 1875 wurde der Amtssitz von der Bürgermeisterei Heumar nach Porz verlegt, denn der Amtssitz folgte dem, der das Amt innehatte; 1910 schließlich wurde das Rathaus in Porz gebaut. 1928 wurde die Bürgermeisterei Heumar in Bürgermeisterei Porz umbenannt. Schon damals gab es erste Überlegungen, Porz nach Köln  einzugemeinden.

Selbstständigkeit bleibt erhalten – zunächst

Am 9. März 1919 war die Halle des Kölner Hofes am Rheinufer einfach zu klein, um allen interessierten Bürgern Einlass zu gewähren. Man stimmte damals zwar prinzipiell einer Eingemeindung zu, hielt „die augenblickliche Zeit aber nicht für geeignet (…), derselben näher zu treten.“ Köln, hieß es, könne wirtschaftliche und strukturelle Hilfe nicht im ausreichenden Maße bieten. Die Verbesserungen bei der Versorgung mit Wasserleitungen, Strom, Straßen oder auch Schulen konnte Köln damals nicht leisten, sodass der Gemeinderat sich am 12. Februar 1920 für die weitere Selbstständigkeit entschied.

Die Porzer wehren sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung
Die Porzer wehrten sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung

Auch nach dem Krieg konnte sich Porz einer Eingemeindung widersetzen. Noch immer sah man in dem Anschluss an Köln „weder für die Wirtschaft noch für den einzelnen Gemeindebürger einen Vorteil“. Stattdessen stieg die Zahl der Einwohner der Gemeinde Porz und überschritt zu Beginn der 1950er Jahre die 30.000er Marke. Auf Antrag erhielt Porz im September 1951 von der Landesregierung die Stadtrechte verliehen.

Eingemeindung nach Köln im Jahr 1975 

In den 1970er Jahren erlebte Porz die zweite Niederlage in seiner langen Geschichte. Man sah in der Stadt kein richtiges Mittelzentrum, das, wie etwa Leverkusen, neben Köln bestehen könne. Porz hatte erfolglos versucht, sich mit der Neugestaltung der Innenstadt in die Riege der modernen und großen Städte einzureihen. Die Experten meinten: Zu viele Menschen pendeln nach wie vor nach Köln; es fehlen Einrichtungen aller Art und Arbeitsplätze, als dass Porz unabhängig bleiben könne:

„Die Grenzen der kommunalen Gebietseinheiten in unserem Lande stammen großenteils noch aus dem vorigen Jahrhundert;2Damit ist hier das 19. Jahrhundert gemeint sie hemmen nicht nur zahlreiche Gemeinden in ihrer Entwicklung, sondern wirken vielfach auch anachronistisch, da inzwischen vornehmlich in den Ballungsgebieten neue Lebens, Siedlungs- und Wirtschaftsräume entstanden sind. Dieser Entwicklung haben sich aber die Grenzen der kommunalen Einheiten nicht angepaßt“3Quelle: Das Großzentrum Köln. Neuordnungsvorschlag der Stadt Köln zur kommunalen Gebietsreform. Herausgegeben von der Stadt Köln, 1972, Seite 5

 

Mit dem Köln-Gesetz des Landes Nordrhein-Westfalen endete nach gut 23 Jahren die Eigenständigkeit von Porz am 1. Januar 1975.


Teile dieses Textes durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Emons-Verlags aus dem Buch „Kölns 85 Stadtteile“ von Christian Schuh übernehmen.


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Kölner Stadtteile: Zollstock – das Maß aller Dinge!

Das Zollstockwappen: Unter den Drei Kronen des Kölner Wappens ist der Zollstock, das Zollhäuschen und das Pflaster des Zollstockswegs abgebildet.
Das Zollstockwappen: Unter den drei Kronen des Kölner Wappens ist der Zollstock, das Zollhäuschen und das Pflaster des Zollstockswegs abgebildet.

Wenn es bei der Kölner Fortuna im Südstadion gut läuft, erschallt neben den obligatorischen „Fortuna“-Rufen auch „Zollstock ist das Maß aller Dinge.“ Was zunächst vermessen scheint, ist aber tatsächlich die Wahrheit: Mit einem Zollstock lassen sich alle beliebigen Dinge vermessen. Nur hat der Name des Kölschen Veedels Zollstock nichts mit dem gleichnamigen Gliedermaßstab zu tun, sondern mit einer ehemaligen Zollgrenze.

Zollgrenze zwischen erzbischöflichem Gebiet und der freien Reichsstadt Köln

Bevor der eigentliche Stadtteil entstand, fanden sich auf dem Gebiet des heutigen Zollstocks nur Kappesboore1Bauern, die Kohl anbauen. und, dank des lehmreichen Bodens, einige Ziegeleien. Erst 1877 findet sich die erste Erwähnung des Ortsnamens Zollstock in „Grevens Adressbuch“. Doch den eigentlichen Zollstock, welcher die Zollgrenze bildete, gab es bereits etwa 100 Jahre früher.

Schon seit etwa 1770 wurden vor den Stadttoren der Stadt Köln Schlagbäume aufgestellt. Die Zollgrenze bildete der Bischofsweg. Dieser Bischofsweg2Nicht zu verwechseln mit dem heutigen Bischofsweg als Verbindung zwischen Bonner Straße und Vorgebirgsstraße. lief einmal rund um die damalige Stadt Köln und markierte die Grenze zwischen der Reichsstadt Köln und den vom Erzbischof kontrollierten Territorien, abgegerenzt durch Schlagbäume. Auch im heutigen Zollstock befand sich ein solcher Schlagbaum.

Der Bischofsweg folgt im Abstand der Stadtmauer und "umrundet" die Stadt Köln, Bild: Schweidkarte aus dem 17. Jahrhundert.
Der Bischofsweg folgt im Abstand der Stadtmauer und „umrundet“ die Stadt Köln, Bild: Schweidkarte aus dem 17. Jahrhundert.

Zuerst wenig wohnliche Gegend, später „Schutzmannshausen“

Ab ca. 1815/16 gehörte das heutige Zollstocker Gebiet zur Bürgermeisterei Rondorf. Die Lehmhütten in Zollstock und die Kiesgruben führten dazu, dass es in Zollstock, so der Bürgerverein Zollstock, „aussah wie eine Mondlandschaft: Brachgelände, Mulden, Erdhügel, einige größere Gruben am Gottes- und Zollstocksweg reichten sogar bis aufs Grundwasser.“

Verständlich, dass sich hier zunächst nur wenige Menschen niederlassen wollten. So wurden für das Jahr 1880 gerade einmal 102 Einwohner verzeichnet. Im Zuge der zahlreichen Eingemeindungen im Jahr 1888 wurde der Stadtteil nach Köln eingemeindet – ein Glücksfall für Zollstock. Denn mit dieser Eingemeindung siedelten  sich zahlreiche Unternehmen und damit auch deren Arbeitnehmer an.

So begann Zollstock ab dem Jahr 1900 massiv zu wachsen. Zahlreiche Wohnungsbaugenossenschaften errichteten Siedlungsbauten, vorrangig für Beamte. Schnell bürgerte sich daher der Begriff „Schutzmannshausen“ ein. Diese Wohnhäuser, unter anderem auch von Wilhelm Riphahn, prägen noch immer das Zollstocker Stadtbild. Heute leben mehr als 23.000 Menschen in diesem Stadtteil.

Die von dem renommierten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn 1927-30 konzipierte Wohnsiedlung in Zollstock, Bild: Asperatus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die von dem renommierten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn 1927-30 konzipierte Wohnsiedlung in Zollstock, Bild: Asperatus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Straßenbahn selber bezahlt?

Zollstock ist durch die Straßenbahnlinie 12 angebunden. Karlheinz Steimel, Vorsitzender des Zollstocker Bürgervereins im Jahr 2008, stellte klar, dass Zollstocker Geschäftsleute und Bürger schon ab 1900 für eine Anbindung ans Straßenbahnnetz kämpften. Doch der Bau der Straßenbahn wurde von der Stadt erst beschlossen wurde, nachdem die „Vereinigung der Fabrik-, Haus- und Grundbesitzer von Köln Zollstock“ 50.000 Goldmark dafür gesammelt hatte.

Angeblich hätten die Zollstocker 1904 als einziger Stadtteil für die Schienen der Straßenbahn selber zahlen müssen.

Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

„Man muss ja auch nicht alles glauben, was man so hört … – mer kann et ävver jot wigger verzälle!“, so der Ur-Zollstocker, Stadtführer, Buchautor und Liedermacher Günter Schwanenberg zu der „Ortslegende“ rund um die bezahlte Straßenbahn. Tatsächlich, so Schwanenberg, wurden wohl auch andere Stadtteile zur Kasse gebeten.

Kölns größer Friedhof liegt in Zollstock

Die Endhaltestelle der Zollstocker Straßenbahnlinie 12 ist heute an Kölns größtem Friedhof, dem Südfriedhof. Auch wenn die Promi-Dichte nicht so hoch ist wie auf dem Melatenfriedhof, haben auf dem Südfriedhof eine ganze Reihe bekannter Kölner ihre letzte Ruhe gefunden. Und da das Villenviertel Marienburg zum Beerdigungsbezirk des Südfriedhofs gehört, gibt es auch hier eine kleine „Millionenallee“. 

Licht und Schatten auf dem Kölner Südfriedhof, Bild: Thomas Salditt
Licht und Schatten auf dem Kölner Südfriedhof, Bild: Thomas Salditt

Der eher an einen Park erinnernde Friedhof, eröffnet am 1. April 1901, weist nicht das typische schachbrettartige Muster von Friedhöfen auf. Die bogenförmig angelegten Wege des ältesten Teils des Friedhofs laden dazu ein, nicht systematisch über das Gelände zu gehen. Eher lässt man sich treiben, erkundet auch kleinere Gräberfelder.

Indianer mitten in der Stadt?

Eine Besonderheit ist die sogenannten „Indianersiedlung“ in Zollstock. Auf einem Gelände in der Nähe des Südfriedhofs wurden Ende der 1920er Jahre für bedürftige Menschen Behelfssiedlungen zugelassen. Die Auflagen für den Bau waren, um die Kosten möglichst niedrig zu halten, sehr gering. Allerdings musste schnell nach Erteilung eines „Bauscheins“ mit dem Bau begonnen werden. Wie und was gebaut wurde, wurde den Bauherren überlassen.

So entstanden sehr individuelle Bauten, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Flüchtlingen und später von Studenten, die alternative Wohnformen suchten, genutzt wurden. 

Doch schon seit den 1960er Jahren wurde über eine Erweiterung des Südfriedhofs nachgedacht. Dafür wurden die sich im städtischen Besitz befindlichen Parzellen der Indianersiedlung geräumt, berichtet der ausgewiesene Zollstock-Kenner Günter Schwanenberg.  Die Parzellen, die sich im Besitz der Bahn befanden, blieben unangetastet.  

Die Indanersiedlung in Köln-Zollstock, Bild: Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Die Indanersiedlung in Köln-Zollstock, Bild: Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Allerdings waren die Hippies und Kommunarden in der Siedlung von Seiten der Stadt wenig erwünscht. Daher beschloss man 1978 eine Änderung des Flächennutzungsplans: Die Indianersiedlung sollte verschwinden, stattdessen sollte der Südfriedhof vergrößert und auch Gewerbeflächen angeboten werden. Doch die Siedler zeigten sich wehrhaft und organisierten sich erfolgreich. Sie gründeten eine Genossenschaft und kauften das Gelände Ende der 1990er Jahre.

Der Begriff „Indianersiedlung“ stammt von dem Autor Hans Conrad Zander, ebenfalls Bewohner dieser Siedlung. Er besuchte Indianer-Reservate und stellte Ähnlichkeiten mit der Siedlung in Zollstock fest. Diese sei, so Zander, ähnlich eigenwillig und naturverbunden und er prägte daher den Begriff „Indianersiedlung“.

Das Kölner Südstadion, Bild: Uli Kievernagel
Das Kölner Südstadion, Bild: Uli Kievernagel

Denn Fortuna, dat simmer all he

Auch wenn sich der SC Fortuna Köln immer als „Südstadtverein“ präsentiert: Tatsächlich liegen Stadion und Geschäftsstelle in Zollstock. Wenn die Vereins-Hymne am Spieltag durch das Stadion an der Vorgebirgsstraße schallt und sich alle bei „Dausend Fahne, nur ze ahne“ in den Armen liegen, ist allen leidgeprüften Fortuna-Fans klar, dass es irgendwann so weit sein wird:

Eines Tages wird’s geschehen,
ja dann fahren wir nach Mailand,
um Fortuna Köln zu sehen.“

Aus & für Zollstock: In diesem Veedel ist man bestens organisiert!
Aus & für Zollstock: In diesem Veedel ist man bestens organisiert!

Zollstocker sind gut organisiert!

Auch unabhängig von den „Indianern“ zeigt sich Zollstock sehr gut organisiert. Nicht nur wegen des Bürgervereins Zollstock, immerhin einer der größten und ältesten Bürgervereine Kölns, sondern auch wegen zahlreicher Initiativen und Vereine wie zum Beispiel

 

 Der idyllische Kalscheurer Weiher, links befinden sich Büdchen und Bootsverleih, Bild: Unclesam999, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der idyllische Kalscheurer Weiher, links befinden sich Büdchen und Bootsverleih, Bild: Unclesam999, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia CommonsEiner der schönsten Biergarten Kölns befindet sich in Zollstock, am Kalscheurer Weiher. Im Grüngürtel betreibt eine Bürgerinitiative seit ein paar Jahren liebevoll ein Büdchen, für welches mehr als 40.000 Euro an Spenden eingeworben und viele tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit geleistet wurden. Für die Freizeitkapitäne gibt es einen Bootsverleih.

Zollstock aus Zollstock

Und wie war das jetzt mit „Maß aller Dinge“? Der Zollstocker Bürgerverein hat das mit dem „Zollstock aus Zollstock“ wörtlich genommen und zum 111jährigen Jubiläum tatsächlich einen Zollstock mit dem Zollstocker Wappen produzieren lassen.

Der „Zollstock aus Zollstock“ vom Allgemeinen Bürgerverein Zollstock e.V.
Der „Zollstock aus Zollstock“ vom Allgemeinen Bürgerverein Zollstock e.V., Bild: Uli Kievernagel

Jood jemaht!


111 Jahre Allgemeiner Bürgerverein Zollstock

Zum 111jährigen Jubiläum im Jahr 2019 hat der Allgemeine Bürgerverein Zollstock eine Festschrift herausgegeben. Der Ur-Zollstocker Günter Schwanenberg hat die Geschichte des Bürgervereins, die untrennbar mit der Geschichte des Veedels verbunden ist, aufgearbeitet.

Anders als übliche Festschriften, die oft nur aus Werbung des lokalen Einzelhandels bestehen, hat Schwanenberg akribisch, zum Teil kritisch, aber immer mit einem Augenzwinkern die 111 Jahre des Bürgervereins in 52 äußerst lesenswerte Seiten gefasst.


Der Theophanoplatz mitten in Zollstock, Bild: Quadworks, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der Theophanoplatz mitten in Zollstock, Bild: Quadworks, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Zollstock: „Du häs Charme, ävver kei Minsch erkennt dat“

Die Bläck Föös haben neben der Fortuna-Vereinshymne auch noch einen zweiten Titel zu Zollstock im Repertoire. Im Lied „Zollstock“ aus der Feder von Hans Knipp heißt es:

„Joot versteck zwesche drei Täler,
Linden-, Bayen- un Raderthal,
recks Du Dich däm Himmel entjäje,
doch däm es dat völlich ejal.“

Und mit einem Augenzwinkern weist der Text auch auf Zollstocks größte Sehenswürdigkeit hin:

„Doch eine letzte Wunsch, dä hätt ich,
deef en Zollstock bejrave ze sin.“


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Kölner Stadtteile: Deutz – Veedel zwischen Historie und Moderne

Deutz um 1900 mit der geöffneten Schiffbrücke und dem Bahnhof Schiffbrücke am Deutzer Rheinufer, Bild: Wilhelm Scheiner, Public domain, via Wikimedia Commons
Deutz um 1900 mit der geöffneten Schiffbrücke und dem Bahnhof Schiffbrücke am Deutzer Rheinufer, Bild: Wilhelm Scheiner, Public domain, via Wikimedia Commons

Im Kölner Lokal-Anzeiger war es am 1. April 1888 nur eine Meldung auf Seite drei unter „Locales“, für das stolze, eigenständige Deutz aber das Ende der Eigenständigkeit: Nach mehr als 1.500 Jahren wird Deutz nach Köln eingemeindet und hört auf, als eigenständiger Ort zu existieren.

Die Eingemeindung vieler bis 1888 eigenständiger Gemeinden nach Köln als Meldung auf Seite 3 unter "Locales" im Kölner Local-Anzeiger vom 1. April 1888
Die Eingemeindung vieler bis 1888 eigenständiger Gemeinden nach Köln als Meldung auf Seite 3 unter „Locales“ im Kölner Local-Anzeiger vom 1. April 1888

Die Eingemeindung betraf aber nicht nur Deutz, sondern viele weitere bis dahin eigenständige Gemeinden. Unter anderem Ehrenfeld, Müngersdorf, Nippes oder auch das rechtsrheinische Poll.

Doch die Deutzer hatten etwas besser verhandelt: So wurde der Bürgermeister von Deutz Beigeordneter in Köln, das Standesamt verblieb im Deutzer Rathaus, und es gab Geld für verschiedene Baumaßnahmen. Trotzdem war es für die traditionell freiheitsliebenden, stolzen Deutzer schwer zu verkraften: Ab diesem Tag war das wirtschaftlich prosperierende Deutz nur noch ein Stadtteil von Köln.

Modell des Kastells Divitia, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0
Modell des Kastells Divitia, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Keimzelle: Das römische „Kastell Divitia“ 

Begonnen hatte alles um das Jahr 308 n. Chr. herum: Um die wichtige Colonia Claudia Ara Agrippinensium, unser heutiges Köln, vor den rechtsrheinischen Germanen zu schützen, wurde in Deutz das Kastell Divitia errichtet. Der Rhein bildete die eigentliche Grenze, das Kastell diente als Brückenkopf der Römer im „Land der Barbaren“. Geschützt wurde dadurch auch die Konstantinbrücke, die erste feste Brücke über den Rhein.

Darstellung der Konstantinbrcke aus dem Jahr 1608 mit viel künstlerischer Freiheit, so gab es z.B. keinen Turm in der Brückenmitte
Darstellung der Konstantinbrücke aus dem Jahr 1608 mit viel künstlerischer Freiheit, so gab es z.B. keinen Turm in der Brückenmitte

Nachdem die Franken ab etwa 355 n. Chr. regelmäßig Köln angriffen, geben die Römer die Stadt im Jahr 462 n. Chr. auf. Aus dem Kastell wurde später ein fränkischer Königshof. Die genaue Entwicklung von Deutz in diesen Jahren ist unklar. Erst mit Erzbischof Heribert, der an der Stelle des Hofes im Jahr 1003 ein Benediktinerkloster gründete, nahm die Entwicklung von Deutz wieder Fahrt auf. Im Jahr 1230 wurde Deutz zur Stadt erhoben.

Deutz im Machtkampf zwischen Köln und den Grafen von Berg

Und genau diese Stadt Deutz stand im Zentrum der Machtkämpfe zweier Rivalen: Auf der linksrheinischen Seite die Freie Reichsstadt Köln, auf der rechtsrheinischen Seite die Grafen von Berg.

Mehrfach wurde Deutz überfallen, geplündert, gebrandschatzt. Der Ort verlor die Stadtrechte und wurde zu einer „Vrijheit“1Eine Art „Stadtrechte light“. herabgestuft. Im Jahr 1538 verbrannten durch eine Brandstiftung große Teile von Deutz. Im sogenannten „Kölner Krieg“ 1583 zerstörten marodierende Truppen die Ortschaft sogar nahezu vollständig.

Gleichzeitig wurde der rechtsrheinische Ort zur Zuflucht für die 1424 aus dem linksrheinischen Köln vertriebenen Juden, später auch für die im „Hillije Kölle“ so ungeliebten Protestanten. So entwickelte sich Deutz und wurde liberaler, freier, aufgeschlossener und fremdenfreundlicher als das linksrheinische Köln und erlebte so nach dem Ende des Dreißigjährigen Kriegs (1618 – 1648) einen Wirtschaftsaufschwung.

Das Kürassier-Denkmal "Lanzenreiter" an der Deutzer Rheinpromnenade erinnert an die Preußische Garnison in Deutz, Bild: Raimond Spekking
Das Kürassier-Denkmal „Lanzenreiter“ an der Deutzer Rheinpromnenade erinnert an die Preußische Garnison in Deutz, Bild: Raimond Spekking

Die Preußen verändern Deutz massiv

Mit der Neuordnung Europas auf dem Wiener Kongress 1814/15 änderte sich für Köln und Deutz fast alles: Die Preußen erschufen aus Köln die „Festung Cöln“. Auch rechtsrheinisch wehte ein neuer, stark militärisch geprägter Wind. In Deutz entstand die große Dragoner Kaserne, der größte Teil der Deutzer Bevölkerung bestand aus Soldaten oder Mitarbeitern der Militärverwaltung.

Die Deutzer Schiffbrücke um 1900, Bild: US- Library of Congress
Die Deutzer Schiffbrücke um 1900, Bild: US- Library of Congress

Gleichzeitig stieg die Bedeutung von Deutz als Verkehrsknotenpunkt. Die Deutzer Schiffbrücke, errichtet 1822, war die erste Kölner Brücke nach der Konstantinbrücke. Vorher mussten sich die Kölner etwa 900 Jahre mit Fähren behelfen, um die Rheinseiten zu wechseln.

Deutz wird bedeutender Industriestandort und Eisenbahnknotenpunkt

In Köln entwickelte Nicolaus August Otto einen neuartigen Motor – eine Erfindung, die die Welt und auch Deutz grundlegend verändern sollte. Zusammen mit Eugen Langen gründete er die Motorenfabrik „N.A. Otto & Cie“. Doch der Platz in der Servasgasse, fast noch im Schatten des Doms, reichte nicht aus. Ein neues Werksgelände entstand in Deutz. Ähnlich ging es der ursprünglich am Kartäuserwall befindlichen Seilerei Felten & Guilleaume2Von den Kölnern gerne als „faul & gemütlich“ bezeichnet., die genau wie auch die Chemische Fabrik Kalk im Rechtsrheinischen weitläufige Produktionsstätten errichtete.

Um die neuen Industriegebiete zu erschließen und dem stetig wachsenden Bedarf nach Mobiltät gerecht zu werden, konkurrierten mit der „Bergisch Märkischen Eisenbahn“ (BME) und der „Cöln- Mindener-Eisenbahn“ (CME) zwei Eisenbahngesellschaften, wobei jede ihr eigenes, exklusives Schienennetz betrieb. So entstanden zwei große Kopfbahnhöfe und zwei kleinere Bahnhöfe in Deutz – viele Eisenbahnstrecken durchzogen den Stadtteil und schnitten Deutz vom Rheinufer ab.

Der Bahnhof Schiffbrücke direkt am Deutzer Rheinufer, vorne das Stammhaus der Brauerei Sünner an der Deutzer Freiheit, Bild: Wilhelm Scheiner, Public domain, via Wikimedia Commons
Der Bahnhof Schiffbrücke direkt am Deutzer Rheinufer, vorne das Stammhaus der Brauerei Sünner an der Deutzer Freiheit, Bild: Wilhelm Scheiner, Public domain, via Wikimedia Commons

Deutzer Eisenbahnjammer

Diese Entwicklung machte aus dem zuvor beschaulichen Örtchen ohne Rücksicht auf Verluste einen Industriestandort. Insbesondere die Tatsache, dass das Rheinufer durch Bahndämme Deutz faktisch vom Fluss abschnitt, erzürnte die Deutzer und führte zum „Deutzer Eisenbahnjammer“:

Der "Deutzer Eisenbahnjammer" in der Kölnischen Zeitung vom 23. April 1899
Der „Deutzer Eisenbahnjammer“ in der Kölnischen Zeitung vom 23. April 1899

Der Autor beklagte:

„Was ist aus unserm schönen Deutz geworden! Einst ein blühendes Städtchen am Rheinufer … Kein Ort am ganzen Rheinstrom vermochte den malerischen Zauber, die behagliche Geselligkeit darzubieten … uns arme Deutzer hat man durch einen garstigen Eisenbahndamm vom Rheine abgetrennt.  … Tempi passati…“

Gleichzeitig entwickelte sich Deutz zum Amüsierviertel, denn die bis zur Eingemeindung dort eingeräumten Freiheiten führten auch dazu, dass sich insbesondere auf der Prachtstraße Deutzer Freiheit zahllose Gaststätten, Glücksspielbetriebe, Tanzlokale und – für die katholisch geprägten linksrheinischen Kölner unerhört – „Lusthäuser“ ansiedelten.

Rege Bautätigkeit

Schnell entstanden wichtige Infrastrukturprojekte wie der Deutzer Hafen (1907), der Deutzer Bahnhof (1913) und die Messehallen (1923), welche zur „Pressa – Internationalen Presseausstellung“ (1928) massiv ausgebaut werden.  

Die Nationalsozialisten hatten ganz besondere  Pläne für Deutz. Dort sollte ein riesiges „Gauforum“ mit gigantischen Parteibauten und einem großem Aufmarschgelände entstehen. Dafür wäre Deutz nahezu verschwunden. Gut, dass diese Spinnereien nie verwirklicht wurden.

Die Kriegsfolgen waren auch in Deutz verheerend. Hier traf es das rechtsrheinische Köln genau so heftig wie den linksrheinischen Innenstadtbereich. Mit dem Wiederaufbau bekam auch die Entwicklung von Deutz wieder positive Impulse. Die Brücken wurden wieder instandgesetzt, bereits 1947 fanden wieder erste Ausstellungen und Messen statt, bis 1950 standen bereits 52.000 Quadratmeter Hallenfläche wieder zur Verfügung.

Deutz wird Sitz des LVR und der Lufthansa

Mit der umstrittenen Ansiedlung der Hauptverwaltung des Landschaftsverbandes Rheinlandes in Köln3Der Sitz auch der Vorgängerinstitutionen war traditionell in Düsseldorf. Ende der 1950er Jahre nahm Deutz weiter Schwung auf. Die Ford-Werke richteten mitten in Deutz im sogenannten „Ford-Hochhaus“ zahlreiche Großraumbüros ein. Auch die Lufthansa hatte von 1970 bis 2007 im Lufthansa-Hochhaus, heute Lanxess Tower, direkt am Rhein ihren Hauptsitz. Im Deutzer Rheinpark fanden 1957 und 1971 jeweils eine Bundesgartenschau statt.

Prachtstück in Deutz: Der Rheinboulevard, Bild: Raimond Spekking
Prachtstück in Deutz: Der Rheinboulevard, Bild: Raimond Spekking

„Boomtown Deutz“: Düx kütt üvver Kölle

1998 wurde die Kölnarena eröffnet, zeitgleich mit dem „Technischen Rathaus“ der Stadt. Die alten Messehallen wurden im Jahr 2010 neue Heimat des Fernsehsenders RTL und Versicherers HDI. Neue ICE-Gleise im Deutzer Bahnhof ermöglichen Hochgeschwindigkeitsfahrten. So ist der Frankfurter Flughafen von Deutz aus in nur 48 Minuten zu erreichen.

Fazit: Deutz hat eine erfolgreiche Entwicklung genommen. Zwar nennen die Kölner Deutz immer noch spöttisch „Schäl Sick“ – doch mittlerweile ist das schon anerkennend gemeint. Und wenn schon die kölschen Lokalheiligen, die Bläck Fööss, der Schäl Sick huldigen, dann hat Deutz alles erreicht:

Hey Kölle, pass op! Jetz ändert sich die Zick.
Düx kütt üvver Kölle, jetz es et bal su wick.4
„Schal Sick“, Bläck Fööss


Lotsentour „Schäl Sick is schick!“  

Meine Stadtführung „Schäl Sick is schick!“ bietet einen wunderbaren Einblick in dieses ganz besondere Veedel.


Michael Kriegel: Deutz – Vom römischen Kastell zur Köln Arena Emons Verlag Köln ISBN 978-3-7408-1565-3 12,00 Euro, erhältlich in jeder Buchhandlung
Michael Kriegel: Deutz – Vom römischen Kastell zur Köln Arena

Der Autor Michael Kriegel hat sein Herz an Deutz verloren, seit er Mitte der 1970er Jahre auf der „Schäl Sick“ studiert hat. Und diese Liebe hat er in dem lesenswerten Buch „Deutz – vom Römischen Kastell zur Köln-Arena“ verewigt.


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Kölner Stadtteile: Klettenberg – zunächst der Park, dann die Siedlung

Luftbild von Klettenberg aus dem Jahr 2017, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Luftbild von Klettenberg aus dem Jahr 2017, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

In Sachen „Grünanlagen“ hat Köln unter den deutschen Städten zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine führende Rolle gespielt. Unter der Regie von Fritz Encke, der 1903 von Berlin nach Köln wechselte und neuer Gartenbaudirektor wurde, entstanden bis Mitte der 1920er Jahre mehr als ein Dutzend städtischer Parks und Grünanlagen. Das erste größere Werk von Fritz Encke war der Klettenbergpark im Jahr 1905.

Bis dahin war Klettenberg ein mehr oder minder unbeschriebenes Blatt gewesen: Im Jahr 1888 hatte die Stadt Köln das weitgehend unbebaute Gebiet zwischen heutiger Luxemburger Straße und den Bahngleisen eingemeindet. Neben dem Gut Klettenberg war auf der gegenüberliegenden Seite der Luxemburger Straße (heutiges Sülz) noch eine Handvoll Häuser, in denen gerade mal 26 Menschen lebten. Es sollte für das neue Kölner Veedel noch 13 Jahre dauern, bis im Jahr 1901 eine Bauplanung vorgelegt wurde.

Der „Feurige Elias“

In der Zwischenzeit hatte am 20. Januar 1898 der „Feurige Elias“ seine regelmäßigen Fahrten von Bonn über das Vorgebirge und die Luxemburger Straße bis zum Barbarossaplatz aufgenommen. 1906 nahm zudem die „Cölnische Straßenbahn-Gesellschaft“ eine Linie über die Luxemburger Straße in Betrieb, die bis zur heutigen Sülzburgstraße verkehrte.

Die Vorgebirgsbahn "Der Feurige Elias", hier um 1900 auf dem Marktplatz in Brühl
Die Vorgebirgsbahn „Der Feurige Elias“, hier um 1900 auf dem Marktplatz in Brühl

Bevor also mit dem Bau des neuen Wohnortes Klettenberg begonnen wurde, waren Eisenbahn, Straßenbahn und auch der Klettenbergpark schon fertig. Geplant war das Siedlungsgebiet für finanziell gut gestellte Menschen wie Kaufleute, Beamte oder leitende Angestellte. Klettenberg sollte etwas Besonderes sein und vor allem Grünflächen bieten.

Siebengebirgsallee und Petersbergstraße sind heute bevorzugte und teure Wohnlagen

Bis heute ist die Siebengebirgsallee, die am Gottesweg die Luxemburger Straße bogenförmig verlässt und diese an der Geisbergstraße wieder erreicht, ein bevorzugtes Wohngebiet. Die Gründerzeithäuser wurden alle zwischen 1905 und 1914 errichtet, 337 Häuser waren zu Beginn des Ersten Weltkrieges fertig gestellt und bezogen worden.

Ein Haus an der Siebengebirgsallee, eine bevorzugte Wohngegend in Klettenberg, Bild: Hac60, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Ein Haus an der Siebengebirgsallee, eine bevorzugte Wohngegend in Klettenberg, Bild: Hac60, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Klettenbergpark wird zum Besuchermagenten

Mindestens genauso beliebt wie die Siebengebirgsallee ist der zuvor erwähnte Klettenbergpark. Gartenbaudirektor Fritz Encke errichtete innerhalb weniger Monate zwischen Nassestraße, Siebengebirgsallee und Luxemburger Straße diesen Park. Die ehemalige Kiesgrube und das brache Gelände gestaltete er mit einem Teich, einem Restaurant, über 250 großen Bäumen, zahllosen Rosen und 50 laufenden Metern Bank. Mit viel Erfolg – der neue Park wurde sehr schnell zu einem Magneten für die Kölner. Bereits kurz nach der Eröffnung erwies sich die provisorische Gastwirtschaft als viel zu klein.

Zu den 100 Tischen sollten noch weitere 50 aufgestellt werden. Außerdem genehmigte die Stadtverordnetenversammlung im April 1909 ein größeres  Restaurationsgebäude. Mit knapp 100.000 Mark war es um einige wenige tausend Mark teurer als die gesamte Parkanlage selbst. Das Restaurant wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Der Rosengarten im Klettenbergpark, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der Rosengarten im Klettenbergpark, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Erfolgreich waren auch die Häuser und Wohnungen in Klettenberg: Viele Bürger aus Sülz gaben gern als Adresse Klettenberg an, obwohl sie eindeutig auf Sülzer Gebiet wohnten. Schließlich galt Klettenberg als die vornehmere Adresse, die Heimstatt für die so genannten besseren Kreise. Andere Sülzer hingegen störten sich daran nicht und stempelten die Klettenberger kurzerhand als hochmütig ab.

Mit dem Bau der Häuser und dem Park verschwand das, was eigentlich Klettenberg seit dem Jahr 1225 gewesen war: ein Gutshof mit einem Park voller Obstbäume, Gemüsegärten, einem kleinen Teich sowie vielen Alleebäumen und einem Berg. Das Gut Klettenberg begann einmal dort am Gottesweg, wo die Siebengebirgsallee auf die Luxemburger Straße stößt, war also weiter stadteinwärts als der heutige Klettenbergpark.

„Cletenbergh“ oder „Cleytenberch“ oder „Clettenbergh“

Auch wenn das Gartengut verschwand, so blieb doch wenigstens der Name; mal schrieb man „Cletenbergh“, mal „Cleytenberch“ oder auch „Clettenbergh“. Dem ersten Teil des Namens ist bislang noch niemand auf die Spur gegangen, zumindest wenn es um Köln-Klettenberg geht. In den Nachschlagewerken findet man unter Klettgau, Klettbach, Kleestadt, Clete als gemeinsame Wurzel „kled“, was so viel wie „klebrige Feuchtigkeit“ bedeuten soll.

Man könnte den ersten Namensteil Kletten- von Klettenberg aber auch auf das mittellateinische „cleta“ zurückführen, das keltischen Ursprung hat. Es steht für „Geflecht“ oder „Einzäunung“.

Als dritte Möglichkeit käme aber auch die Bedeutung „fester Ton, Lehm“ in Frage, wenn man Kletten- auf das mittelniederdeutsche „klei“ zurückführt. Nicht unwahrscheinlich, denn im Laufe der Jahrhunderte schrieb man unter anderem auch Cleytenberch.

Während die „klebrige Feuchtigkeit“ (zahlreiche tote Rheinarme in der Kölner Bucht) wie auch „der feste Ton, Lehm“ (zahlreiche Kiesgruben und Ziegeleien im 19. Jahrhundert unter anderem auch im benachbarten Sülz) durchaus mit Klettenberg in Verbindung gebracht werden können, leuchten die Worterklärungen „Geflecht“ und „Einzäunung“ nicht ohne weiteres ein.

Sprachwissenschaftler führen Clettemberg im Kreis Hohenstein auf die Bedeutung „Geflecht, Einzäunung“ zurück. Was für dieses ferne Clettemberg gilt, kann auch für unser Klettenberg gelten – kann, muss aber nicht.

Der zweite Teil des Namens Klettenberg weist eindeutig auf das Gelände hin, einen Berg, eine Anhöhe. So war im Volksmund die Formulierung „auf dem Klettenberg“ über Jahrhunderte gängig.


Kardinal Joseph Frings im Jahr 1959, Bild: City Archives Kerpen, CC BY 4.0
Kardinal Joseph Frings im Jahr 1959, Bild: City Archives Kerpen, CC BY 4.0

Kardinal Frings in Klettenberg 

Stefan hat selber lange in Klettenberg gewohnt. Und mir erzählt, dass Kardinal Frings seine Reden im Brunosaal1Das ist der Gemeindesaal der Klettenberger Brunokirche. gerne mit den Worten „Liebe Männer und Frauen aus Sülz, sehr geehrte Damen und Herren aus Klettenberg, …“ eingeleitet hat.

Dieses Bonmot ist, so Stefan, überliefert von einem Zeitzeugen aus dem Klerus. Vielen Dank für diese Ergänzung! 


Teiles dieses Texts durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Emons-Verlags aus dem Buch „Kölns 85 Stadtteile“ von Christian Schuh übernehmen.


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Kölner Stadtteile: Hahnwald – kein Hahn aber viele Promis

Der Kölner Stadtteil Hahnwald, exklusiv und mit hoher Promi-Dichte, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Der Kölner Stadtteil Hahnwald, exklusiv und mit hoher Promi-Dichte, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Der Hahnwald ist eines der Kölner Villenviertel. Zwar gab es bereits, ähnlich wie in Marienburg, auch im Hahnwald die ersten Villen bereits um 1930. Doch der größere Bauboom begann dort mit der Eweiterung des Stadtteils ab den 1970er Jahren. In diesem neuen Teil wurden die Grundstücksgrößen auf 1.000 m² begrenzt.1In dem älteren Teil sind die Grundstücke mit etwa 2.000 m² doppelt so groß.. Bekannte Architekten konzipierten dort ausgefallene Villen. 

Tatsächlich hat dieser Stadttteil ein ganz anderes Flair als das ehrwürdige Marienburg. Die Kölner bringen es mit folgender Aussage auf den Punkt: „In der Marienburg wohnt das „alte Geld“, im Hahnwald sind die Neureichen zu Hause.“     

Name kommt vom Federvieh, von „Hain“ oder vom „Herr von Hahn“  

Den ersten Nachweis von Hahnwald findet man bereits im Jahr 1231 als „Hanen by Sorden“ (… bei Sürth); in einer weiteren Urkunde aus dem Jahr 1335 heißt es „Hanen an der Bunre straissen“ (… an der Bonner Straße). Mit „Hanen“  ist der Bezug auf das gleichnamige Federvieh, den „Hahn“, deutlich. Doch es ist fraglich, welche herausragende Bedeutung der Vogel dort gespielt haben soll.

Da es im Kölner Süden im ersten Jahrtausend ein großes Waldgebiet gegeben hat, von dem nur Teile erhalten blieben, liegt es näher, Hanen mit einem geschlossenen Waldstück in Verbindung zu bringen. So wird im althochdeutschen ein Hain als „hagan“ bezeichnet. Als 1951 der neue Stadtteil gegründet wurde, hat sich die Gemeinde Rondorf (ab 1961 Rodenkirchen) jedenfalls an diese Herleitung gehalten.

„Der Name geht zurück auf die Flurbezeichnung „Zum Hendtgen“, das ist Hainwald, denn früher hat hier ein Buchenwald (Hainbuche) gestanden.“

Eine andere Erklärung des Namens ist mündlich überliefert. Sie besagt, dass ein Herr von Hahn große Teile des heutigen Gebietes von Hahnwald besessen hat. An ihn soll der Name erinnern.

Besiedlung in drei Schritten

Die Besiedlung von Hahnwald vollzog sich in drei Schritten: Das erste Gebäude und lange Zeit das einzige ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet worden: Es war der Hermannshof (früher auch Zehnpfennigshof), der heute noch bewirtschaftet wird. Die Äcker des Bauern liegen inzwischen jedoch in Rondorf und Immendorf, da Hahnwald vollständig bebaut ist. 

Zum Wohnort – besser gesagt – Villenviertel wurde Hahnwald in den 1920er Jahren erkoren. Initiiert von Ernst Leybold und Theodor Merrill wird ab 1926 der Hahnwald für eine Villenbebauung erschlossen, ein zweites Marienburg wurde geplant.

Das 1935/36 "Haus Birkhof" (2016 abgerissen) war zunächst das Wohnhaus des Fabrikanten Alfons Mauser und von 1970 bi2 2006 die nResidenz des Botschafters der Republik Niger, Bild: Leit, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das 1935/36 errichtete „Haus Birkhof“ (2016 abgerissen) war zunächst das Wohnhaus des Fabrikanten Alfons Mauser und von 1970 bis 2006 die Residenz des Botschafters der Republik Niger, Bild: Leit, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Bebauung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die weitere Bebauung, der zweite Schritt, erfolgte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals hatte Hahnwald seinen Namen eigentlich gar nicht verdient; zumindest den zweiten Teil nicht, die Bezeichnung Wald. Dort, wo einmal das Villenviertel errichtet werden sollte, stand kein Baum weit und breit. Der Waldbestand war längst abgeholzt worden. Erst mit den neuen Bewohnern wurden wieder Bäume gepflanzt.

Nördlich der Siedlung wurde zudem der Forstbotanische Garten angelegt. Im Süden wird der Hahnwald von Industrieanlagen abgegrenzt, die mittlerweile zu Godorf zählen. Durch die Bebauung nach dem Zweiten Weltkrieg und die steigende Einwohnerzahl – 1950 sind gerade einmal 234 Einwohner nachgewiesen – kommt es dann 1951 zur Gründung eines eigenen Stadtteils. Der Bau immer neuer Villen lässt die Zahl der Bewohner im Jahr 1967 auf 805 ansteigen.

Promis, Stars und Sternchen lassen sich im Hahnwald nieder 

Schließlich setzt der dritte Schritt der Besiedlung ein: Mit der Erschließung des östlichen Hahnwald-Teils. Ab ca. 1970 wurden dort extravagante Villen von bekannten Architekten relalsiert. Aktuell leben ziemlich genau 2.000 Menschen in Hahnwald.2Stand: 31.12.2021

Das Haus X1, Wohnhaus des Architekten Peter Neufert, erbaut 1961–1962, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Das Haus X1, Wohnhaus des Architekten Peter Neufert, erbaut 1961–1962, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Extravagante Architektur

Für Furore haben einige eigenwillige Villenbauten gesorgt. In die Geschichte eingegangen ist vor allem die Villa von Peter Neufert. Nach den Plänen des Architekten entstand 1961 das Haus X1 (Am Zehnpfennigshof 9). Es ist ein zweistöckiger Glasbau, dessen Dach im Halbrund über das ganze Gebäude reicht.

Das "Farina Haus", erbaut in den Jahren 1977-1978. Bild: Farina-Archiv , CC-BY
Das „Farina Haus„, erbaut in den Jahren 1977-1978. Bild: Farina-Archiv , CC-BY

Prominente Bewohner 

Die großzügigen Grundstücke und die Exklusivität des Stadtteils haben auch viele Prominente angezogen. Und diese Bewohner haben ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Gemeinsam finanzieren die Hahnwald-Bewohner einen eigenen Sicheheitsdienst.  Mit Erfolg: Der Hahnwald weist die niedrigste Kriminalitätsrate von ganz Köln auf.  

Heute3Stand Februar 2023 wohnen dort unter anderem die Fußballer Timo Horn oder Toni Kroos und der Fußball-Trainer Christoph Daum. Aber auch Stars und Sternchen aus den Medien haben sich im Hahnwald niedergelassen, zum Beispiel Oliver Pocher, Stefan Raab, Pietro Lombardi oder Hans Meiser. Einer der prominentesten Bewohner Hahnwalds ist aber sicherlich der Maler Gerhard Richter.


Teile dieses Textes durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Emons-Verlags aus dem Buch „Kölns 85 Stadtteile“ von Christian Schuh übernehmen.


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Das Kölner Stadtmodell: „Klein-Köln“ oder „Kölsches Miniaturwunderland“

Fast die ganze Stadt auf einen Blick: Das Kölner Stadtmodell. Bild: Uli Kievernagel
Fast die ganze Stadt auf einen Blick: Das Kölner Stadtmodell. Bild: Uli Kievernagel

Von der Südbrücke bis zum Gürzenich sind es nur ein paar Schritte. Auch vom Barbarossaplatz zum Rathausturm ist es nur ein Katzensprung. Einfach fantastisch: Eine Stadtbesichtigung im Schnelldurchlauf. 

Möglich macht dies das Kölner Stadtmodell. Dabei handelt es sich um ein Modell der Innenstadt im Maßstab 1:500. So werden die 1,5 Kilometer von der Kölnarena zum Schokoladenmuseum zu gerade mal drei Metern, von der Hohenzollernbrücke zum Südstadion sind es nur sechs Meter. Und wie bei einem Rundflug über Köln kann man große Teile der Stadt auf einen Blick erfassen.

Im Modell gute 30 cm hoch: Der Kölner Dom, im Vordergrund der Hauptbahnhof, Bild: Uli Kievernagel
Im Modell gute 30 cm hoch: Der Kölner Dom, im Vordergrund der Hauptbahnhof, Bild: Uli Kievernagel

1993 entstehen erste Teile des Modells

Das Kölner Stadtmodell ist ein detailgenauer Nachbau der Stadt – ein Kölner Miniaturwunderland. Bereits seit den 1950er Jahren wurde von Architekten über ein solches Projekt diskutiert. Die Idee: In einem solchen Modell können Bauprojekte im städtebaulichen Zusammenhang geprüft und beurteilt werden bevor die Bagger rollen.

Doch erst im Jahr 1991 wurde die Idee für ein solches Stadtmodell von den beiden Architekten Dörte Gatermann und Kaspar Kraemer1Kraemer ist auch der Architekt von Kölns größtem Wasserstandsmelder: Dem Pumpwerk Schönhauser Straße. konkretisiert. 1993 entstanden die ersten jeweils 1 x 1 Meter großen Platten des Modells. Danach unternimmt das stetig wachsende Modell – es umfasst 1996 bereits 30 Platten – eine wahre Odyssee durch die Stadt. Aufstellungsorte waren die alte Druckereihalle des Stadthauses und die Halle des Technischen Rathauses in Deutz. Seit 2004 steht das Modell im Spanischen Bau des Rathauses.

Aktuell umfasst das Modell 64 einzelne Platten und deckt den innerstädtischen Bereich zwischen Mediapark und Südbrücke (Nord-Süd-Richtung) sowie Kalk und Belgisches Viertel (Ost-West-Richtung) ab.

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Modellbau ist aufwändig

Zu den ersten Modellbauern gehörte Christof Krautwig. Obwohl schon längst im Ruhestand kümmert er sich immer noch liebevoll um das Modell. Alleine seine regelmäßige Reinigung des gesamten Modells dauert etwa zwei Monate.

Heute baut seine Nachfolgerin, die Aachenerin Anikó Krén, weiter an dem „Klein-Köln“. Sobald neue Veedel in das Modell aufgenommen werden, nutzt die Architektin und Modellbauerin zunächst die bestehenden Pläne. Zusätzliche Luftaufnahmen geben eine Information über Gebäudehöhen und Dachformen. Um auch wirklich alle Besonderheiten zu berücksichtigen, fährt Anikó Krén zu den Veedeln in „echt“ und fotografiert Fassaden, Gebäude und Straßenzüge. Erst dann beginnt der aufwändige Modellbau.

Im Modell wird die besondere Architektur sichtbar: Der Mediapark im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel
Im Modell wird die besondere Architektur sichtbar: Der Mediapark im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel

Die Gebäude im Modell werden aus speziellen Kunstharzen (Ureol oder Ecpocel) hergestellt. Die durchgängig weiße Lackierung hilft, den Überblick zu behalten. Um Neubauvorhaben umsetzen zu können, sind die Modelle aller Gebäude so auf den Platten verschraubt, dass diese sehr einfach ausgetauscht werden können.

Ausgewählte Bauwerke werden detailliert ausgeführt. Dazu gehören zum Beispiel die Kölnarena, die Brücken, die romanischen Kirchen und selbstverständlich der Dom. Allein die Dom-Nachbildung besteht aus über 20.000 Einzelteilen.

Die Kölnarena im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel
Die Kölnarena im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel

Dieser Aufwand hat seinen Preis: Die Erstellung eines Quadratzentimeters des Modells kostet 1,50 Euro, eine ganze Platte 15.000 Euro. Deswegen ist der Trägerverein des Modells auf Spenden angewiesen. Spender können zum Beispiel den Modellnachbau ihres eigenen Hauses, den Bau ausgewählter städtischer Gebäude oder eine gesamte Modellplatte finanzieren.

Als Spender ist man in guter Gesellschaft – bisher haben mehr als 200 Personen, Unternehmen und Initiativen das Modell unterstützt. Die Liste reicht von A wie ADAC über K wie Kaufhof bis hin zu Z wie Züblin Bauunternehmung AG.

Die neue, noch nicht realisierte, Bebauung des Deutzer Hafens ist im Kölner Stadtmodell bereits zu sehen. Bild: Uli Kievernagel
Die neue, noch nicht realisierte, Bebauung des Deutzer Hafens ist im Kölner Stadtmodell bereits zu sehen. Bild: Uli Kievernagel

Planung von Neubauprojekten

Besonders spannend ist der Einsatz des Modells für geplante Bauprojekte. Mit Hilfe des Modells können Planungen sehr frühzeitig im Gesamtzusammenhang visualisiert, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. So ist schon heute der geplante Endausbau des Deutzer Hafens mit der ehemaligen Ellmühle im Modell integriert. Das Modell dient Bauherren, Rat und Architekten als praktische Entscheidungshilfe im Städtebau.

Und für den interessierten Kölner ist es einfach spannend, Orte wie das Südstadion, den Volksgarten oder die Messe von oben zu sehen ohne in ein Flugzeug steigen zu müssen.


Hinter diesem Eingang des Spanischen Baus (Rathausplatz) befindet sich das Kölner Stadtmodell, Bild: Raimond Spekking
Hinter diesem Eingang des Spanischen Baus (Rathausplatz) befindet sich das Kölner Stadtmodell, Bild: Raimond Spekking

Besichtigung des Kölner Stadtmodells

Das Kölner Stadtmodell kann während der Öffnungszeiten des Rathauses im Spanischen Bau besichtigt werden, der Eintritt ist frei.

Öffnungszeiten:
Mo., Mi., Do. 8.00 –16.00 Uhr
Di. 8.00 – 18.00 Uhr
Fr. 8.00 – 12.00 Uhr


Logo Trägerverein Kölner Stadtmodell

Spenden an die Initiative Kölner Stadtmodell

Träger der Initiative ist der Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V. Die Bankverbindung für Spenden lautet:

IBAN: DE60 3705 0299 0000 0199 94
Kreissparkasse Köln, BIC: COKSDE33
Stichwort „Kölner Stadtmodell“

Auf Wunsch wird eine steuerrechtlich anerkannte Spendenbescheinigung ausgestellt.


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Ein neues Buch über Deutz – vom Römischen Kastell zur Köln-Arena

Michael Kriegel: Deutz – Vom römischen Kastell zur Köln Arena Emons Verlag Köln ISBN 978-3-7408-1565-3 12,00 Euro, erhältlich in jeder Buchhandlung
Michael Kriegel: Deutz – Vom römischen Kastell zur Köln Arena

Das ist tatsächlich ein ideales Weihnachtsgeschenk: Ein flammneues Buch über den lange völlig unterschätzten Stadtteil Deutz. Der Autor Michael Kriegel ist Stadtführer in Köln und hat sein Herz an Deutz verloren, seit er Mitte der 1970er Jahre auf der „Schäl Sick“ studiert hat.

Lange war Deutz für viel Kölner so etwas wie Ausland – es lag ja auf der vermeintlich „falschen Seite“ des Rheins. Und damit lag man nicht ganz falsch, denn Deutz war bis zur Eingemeindung eine selbstständige Stadt. Kriegel beschreibt den Weg des von den Kölschen liebevoll „Düx“ genannten Stadtteils von der Gründung des Kastells Divitia im Jahr 310 bis hin zum heute angesagten Viertel mit Messe, Köln-Arena und Rheinboulevard.

Darstellung der Konstantinbrcke aus dem Jahr 1608 mit viel künstlerischer Freiheit, so gab es z.B. keinen Turm in der Brückenmitte
Die Konstantinbrücke, hier eine Darstellung aus dem Jahr 1608, war die erste feste Brücke zwischen Köln und Deutz 

Wendepunkt: Eingemeindung im Jahr 1888

Im Zuge der Kölner Stadterweiterung wurden im Jahr 1888 zahlreiche zuvor eigenständige Städte eingemeindet. Dazu gehörten unter anderem Ehrenfeld, Longerich, Nippes und auch Deutz. Dabei war gerade Deutz eine – im Vergleich zu Köln – liberale und freie Stadt. Kriegel schreibt dazu:

„Deutz ist nicht der einzige (oft mit Stadtrechten ausgestattete) Vorort Kölns, der 1888 „aufhört“ eigenständig zu existieren. Aufgrund seiner geostrategischen Lage ist der rechtsrheinische Ort aber schon seit Römerzeiten von zentraler Bedeutung – allerdings nicht immer zum Wohl seiner Bevölkerung. Leid und Zerstörung ziehen sich wie ein roter Faden durch die Deutzer Geschichte. Die Ortschaft ist über viele Jahrhunderte hinweg kriegerischen Auseinandersetzungen ausgesetzt, nicht zuletzt bedingt durch die vom Kölner Konkurrenzdenken herbeigeführte Wehrlosigkeit. Deutz ist Spielball politischer und strategischer Rangeleien und wird mehr als einmal von Naturkatastrophen wie Hochwasser und Eisgang heimgesucht. Die Deutzer lassen sich aber nicht unterkriegen. Deutz bleibt über viele Jahrhunderte autonom, wenngleich auch immer unter argwöhnischer Beobachtung der linksrheinischen Metropole. Als Schmelztiegel unterschiedlicher Glaubensrichtungen (Katholiken, Protestanten, Juden) sowie verschiedener Bevölkerungsgruppen und Berufe wird Deutz ein lebendiges urbanes Quartier. Es gibt Epochen (insbesondere im Spätmittelalter), da kann Deutz sogar mit Fug und Recht von sich behaupten, aufgeschlossener, freier und fremdenfreundlicher zu sein als das gegenüberliegende Köln.“

Kult: Die Gaststätte Lommerzheim in Deutz, Bild: Andreas Lofner
Kultkneipe in Deutz: Die Gaststätte Lommerzheim, Bild: Andreas Lofner

Ein Stadtteil zwischen Historie und Moderne

Heute ist Deutz ein aufstrebender, spannender Stadtteil. Eingebettet zwischen historischen Bauwerken boomt Deutz: Messe, RTL, Köln-Arena und Rheinboulevard ziehen Touristen und Kölner gleichermaßen an.

Diesen ganz besonderen Spagat zwischen Historie und Moderne trägt das Buch von Michael Kriegel Rechnung: Es gibt, durch eingebettete QR-Codes, den „Blick über das Buch hinaus“. So kommt zum Beispiel der Kölner Publizist und Kabarettist Martin Stankowski in mehreren Videos zu Wort, und wir können von den Bläck Fööss das Lied über die „Kölsche Bröck“ hören. Zahlreiche weitere intermediale Verknüpfungen führen zu spannenden Bildern, Interviews und viel Musik.

Dadurch nimmt Kriegel uns mit auf einen Rundgang durch Deutz. Er erzählt, dass Deutz durch das Wasser unterhalb des Rheinparks sogar über eine Heilquelle verfügt, deckt auf, wo der berühmte „Kölner Keller“ mit seinen Videoschiedsrichtern zu finden ist und erklärt, dass man die „Deutzer Platte“ nicht essen kann.

Das Bronze-Modell des Kastells in einer ganz besonderen Perspektive, Bild: Silke Koenen
Das Bronze-Modell des Kastells Divitia in einer ganz besonderen Perspektive, Bild: Silke Koenen

Luur ens vun Düx noh Kölle

Egal wie man zu Deutz steht: Ludwig Sebus wusste schon vor 50 Jahren, dass der Ausblick von Deutz auf den Dom mit Rhein und Altstadtpanorama die schönste Perspektive ist:

„Luur ens vun Düx noh Kölle,
vum Zauber bes do platt,
luur ens vun Düx noh Kölle,
wie schön es doch uns Stadt!“


Michael Kriegel: Deutz – Vom römischen Kastell zur Köln Arena Emons Verlag Köln ISBN 978-3-7408-1565-3 12,00 Euro, erhältlich in jeder Buchhandlung

Michael Kriegel: Deutz – Vom römischen Kastell zur Köln Arena

Emons Verlag Köln
ISBN 978-3-7408-1565-3
12,00 Euro, erhältlich in jeder Buchhandlung, auch außerhalb Kölns


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