Das ehemalige Funkhaus der Deutschen Welle

Das schmalste Hochhaus Kölns, Bild: Uli Kievernagel
Das schmalste Hochhaus Kölns, Bild: Uli Kievernagel

Preisfrage: Wo stand Kölns schmalstes Hochhaus?
Antwort: Im Kölner Süden, am Raderberggürtel.

Es sah tatsächlich etwas seltsam aus: Ein Hochhaus mit knapp 140 Meter Höhe aber nur 12 x 15 Meter Grundfläche – wie ein riesiger, in den Boden gerammter Bleistift. Unwillkürlich fragte man sich: Was ist das?

Bei diesem Bleistift handelt es sich um den Aufzugsturm des ehemals aus drei Bauteilen bestehenden Gebäudes der Deutschen Welle. Ein imposanter Komplex, prägend für die Skyline des Kölner Südens. Tatsächlich handelte es sich nach dem Kölnturm im Mediapark und dem Colonia-Haus um das dritthöchste Hochhaus in Köln.

Das ist allerdings Geschichte. Anfang 2021 wurde der Abriss des Gebäudes abgeschlossen. Und so konnte das Uni-Center auf Platz drei der Kölner Hochhäuser vorrücken.

Das Gebäude entsteht im Kalten Krieg

Die Deutsche Welle ist der Auslandsrundfunk Deutschlands. Die Aufgabe des Senders ist sogar im „Deutsche-Welle-Gesetz“ festgeschrieben. Im § 4 lautet es: „Die Angebote der Deutschen Welle sollen Deutschland als europäisch gewachsene Kulturnation und freiheitlich verfassten demokratischen Rechtsstaat verständlich machen. Sie sollen deutschen und anderen Sichtweisen zu wesentlichen Themen vor allem der Politik, Kultur und Wirtschaft … ein Forum geben mit dem Ziel, das Verständnis und den Austausch der Kulturen und Völker zu fördern. … “.

Mitten im Kalten Krieg begannen 1974 die Bauarbeiten für das Funkhaus am Raderberggürtel. Das Gebäude war so konzipiert, dass selbst nach einem Atombombenangriff der Sendebetrieb weitergehen sollte. Dafür wurden eigens Bunker unter dem Gebäude angelegt und riesige Notstromaggregate hätten den für den Sendebetrieb notwendigen Strom geliefert. Fraglich ist allerdings, ob bei einem tatsächlichen Angriff noch viel vom Kölner Süden übriggeblieben wäre: Immerhin befindet sich in fast unmittelbarer Nachbarschaft die Zentrale des Militärischen Abschirmdiensts, dem mit Sicherheit mindestens ein eigener Kernsprengkopf gewidmet war.

Im Jahr 1980 wurde das riesige Gebäude bezogen. Dabei diente der blau-türkis verkleidete Teil des Gebäudes als Büroturm und der rote Teil als Studioturm. In der Mitte befand sich der 138 Meter hohe, schwarz verkleidete Aufzugsturm, der heute noch als „Bleistift“ zu sehen ist. Mehr als 1.100 Mitarbeiter produzierten hier zunächst Radio, ab 1992 auch TV-Sendungen. Und das in immerhin 30 Sprachen, darunter auch  Kisuaheli und Haussa.

Das Funkhaus der Deutschen Welle. Links der rote Studioturm, rechts der blau-türkise Büroturm und in der Mitte der Aufzugsturm. Bild: Riadismat
Das Funkhaus der Deutschen Welle. Links der rote Studioturm, rechts der blau-türkise Büroturm und in der Mitte der Aufzugsturm. Bild: Riadismat

Asbest-Belastung verursacht Probleme

Problematisch war die Asbest-Belastung. In dem Gebäude wurden nach Expertenschätzungen mehr als 500 Tonnen Asbest verbaut: Als Spritzasbest um die Stahlträger, im Putz, auf den Platten der Außenfassade, den Feuerschutztüren und vielen weiteren Bauteilen. Im Jahr 2003 zog die Deutsche Welle daher aus dem Gebäude aus. Neue Zentrale wurde der ursprünglich für Abgeordnetenbüros geplante Schürmannbau im Bonner Regierungsviertel.

Das Gebäude am Raderberggürtel fiel daraufhin für fast 15 Jahre in einen Dornröschenschlaf. Alle Ideen einer neuen Nutzung, wie zum Beispiel Büros oder Studentenwohnungen, scheiterten an den baulichen Voraussetzungen und an der Asbest-Belastung. Das war auch der Grund, weshalb Investoren sich scheuten, in dieser sehr attraktiven Lage neu zu bauen.

Im Rahmen eines Architektenwettbewerbs wurde 2015 die städtebauliche Planung für ein Konsortium, bestehend aus DIE WOHNKOMPANIE NRW GmbH und Bauwens Development GmbH & Co. KG, entwickelt und festgelegt.

Der Beginn des Rückbaus. Im Einsatz: Einer der größten mobilen Kräne Europas, Bild: Hans Jörg Michell, www.lindenthal.blog
Der Beginn des Rückbaus. Im Einsatz: Einer der größten mobilen Kräne Europas, Bild: Hans Jörg Michell

Rückbau statt Sprengung

Bevor gebaut werden kann, muss erst das alte Gebäude abgerissen werden. Ursprünglich war eine Sprengung aller drei Gebäudeteile geplant. Das wäre ein Weltrekord geworden: Noch nie wurde ein so hohes Gebäude gezielt gesprengt. Dies rief allerdings den benachbarten Deutschlandfunk auf den Plan: Eine Sprengung der durch eine gemeinsame Bodenplatte verbundenen Gebäude würden den Sendebetrieb gefährden. Auch die Nachbarschaft befürchtete, dass bei der Entkernung nicht gefundene Asbestfasern sich über den gesamten Kölner Süden verbreiten würden.

Die Gegner der Sprengung setzten sich schließlich durch und so wurde das Gebäude seit November 2019 konventionell von „oben nach unten“ abgerissen. Dazu wurden die größten mobilen Kräne Europas eingesetzt. Die Zahlen sind so eindrucksvoll wie das Gebäude selbst: 360.000 Kubikmeter umbauter Raum mit etwa 18.000 Tonnen Stahl und etwa 140.000 Tonnen Beton wurden zurückgebaut. Die Kosten für Rückbau und Entsorgung des asbestbelasteten Materials wurden auf mehr als 14 Mio. Euro geschätzt. Immerhin: Große Teile des Abbruchmaterials, selbstverständlich asbestfrei, wurden vor Ort aufbereitet und für die Verfüllung der Baugruben verwendet. Das sparte, so die beauftragte Entsorgungsfirma, mehr als 10.000 LKW-Betriebsstunden.

Peter Hutt hat den Fortschritt des Abrisses fotografiert und ein sehr sehenswertes Zeitraffervideo daraus gemacht.

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Beeindruckende Baustelle

Die Dimensionen der riesigen Baustelle erschließen sich erst aus der Luft. Mamuel Jakobi hat Bilder mit seiner Drohne gemacht und mir erlaubt, diese hier zu zeigen: 

Die beeindruckende Baustelle auf dem Gelände der Deutschen Welle, Bild: Manuel Jakobi

Bild 1 von 10

Die beeindruckende Baustelle auf dem Gelände der Deutschen Welle, Bild: Manuel Jakobi

Hohe Verdichtung

Wegen der hohen Kosten des Abrisses und der Entsorgung des asbechtverseuchten Materials hat die Stadt auch das kooperative Baulandmodell für dieses Areal ausgesetzt. Dieses Modell sieht bei solchen Bauprojekten einen Anteil von 30 Prozent Sozialwohnungen vor. Diese Quote muss bei diesem Projekt nicht erfüllt werden.

Gleichzeitig wird auf dem Gelände mit bis zu 700 Wohnungen auf etwa 55.000 Quadratmetern eine extreme Verdichtung des Wohnraums stattfinden.

Zukünftige Wohnbebauung auf dem Welle-Areal, Bild: Bauwens
Zukünftige Wohnbebauung auf dem Welle-Areal, Bild: Bauwens

 Allerdings hätte sich beim Festhalten an der Quote für die Sozialwohnungen und bei einer geringeren Verdichtung wohl kein Investor gefunden. Franz-Josef Höing, von 2012 bis 2017 Kölner Baudezernent konstatierte daher auch:

„Die hohe Dichte, die dort erforderlich ist,
hat mir zunächst Kopfschmerzen bereitet“
.

Mal sehen, wie sich dich diese Projekt nach der Fertigstellung in die bestehende Nachbarschaft einfügen wird.


Gerade mal 900 Meter Luftlinie entfernt befindet sich das alte WERAG-Funkhaus aus den 1920ern. Weniger als 300 Meter stadteinwärts findet ihr die sehenswerte Siedlung Wilhemsruh.


Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Das Areal der Deutschen Welle ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


Das verlassene Gebäude der Welle hatte vor dem Abriss immer wieder Abenteuerer animiert, dort herumzuklettern. Das spektakulärste Video dazu stammt von Bennet Encke

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Besonders sehenswert sind auch die Drohnenaufnahmen vom Abriss des Aufzugsturms. 

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Ein großes DANKE an das Bauwens-Team, besonders an Christina Hansen. Die Fachleute des Unternehmens haben mich mit Informationen rund um den Bau versorgt und auch das Bild der zukünftigen Wohnbebauung zur Verfügung gestellt.


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