
U.S. Department of Defense
Gastautor dieses Artikels ist Werner Müller. Seine Leidenschaft gehört der Luftfahrt und insbesondere der Verbindung der Luftfahrt zur Geschichte der Stadt Köln. Werner Müller ist der Initiator des „1. Tag der Kölner Stadtgeschichte“ und Eigentümer des Historischen Luftfahrtarchiv Köln.
Das Historische Luftfahrtarchiv Köln
Das Historische Luftfahrtarchiv Köln erforscht die Geschichte der Kölner Luftfahrt und veröffentlicht diese Geschichte auf der Website, in Fernsehdokumentationen und Berichten sowie in Ausstellungen und Vorträgen. Nach über zwanzig Jahren Forschung wurden bisher mehr als 145 Themen1Stand: April 2025 auf der Website des Luftfahrtarchivs veröffentlicht. Weitere Kapitel sind in Vorbereitung. Diese Webseite ist die weltweit größte Webseite zur Luftfahrtgeschichte einer Stadt – auch deswegen, weil Köln die weltweit reichste Luftfahrtgeschichte hat.
Für zukünftige Ausstellungen sind Anschauungsmodelle zur Kölner Luftfahrtgeschichte in Planung.

Weiterhin gesucht werden: Historische Unterlagen wie Fotos, Berichte oder Exponate zur Kölner Luftfahrt. Aber auch Interviews von Zeitzeugen sind gefragt.
Bei Interesse hält Werner Müller auch kostenlos einen Vortrag über die Geschichte der Kölner Luftfahrt. Die Eintrittsgelder gehen zu 100 Prozent an weltweite Hilfsprojekte. Kontakt:
Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Werner Müller
Fürstenbergstr. 33
51065 Köln
Mobil OI78/62225OO
E-Mail: WM51065@Yahoo.de
www.luftfahrtarchiv-koeln.de/
Bitte beachten: Das Historische Luftfahrtarchiv Köln ist ein rein privates und kein öffentliches Archiv.
In diesem Gastbeitrag räumt Werner Müller mit dem Gerücht auf, dass die Alliierten bei den Bombenangriffen auf die Stadt speziell den Dom verschont hätten.

Was Köln über zweitausend Jahre an Kultur und Geld reich gemacht hat, wurde der Stadt im Laufe des 2. Weltkriegs zum Verhängnis. Köln wurde 262 mal aus der Luft angegriffen. Die Innenstadt wurde zu 90% zerstört.
Und am Ende des Krieges stand der weltbekannte Kölner Dom fast alleine in dieser Trümmerwüste.
Viele sprachen in diesen hoffnungslosen Zeiten daher von einem „Wunder“ und die ersten Legenden nahmen ihren Lauf. Die Behauptung, dass die Alliierten den Kölner Dom verschont haben, hört man immer wieder. Dafür wurden verschiedenen Gründe genannt wie z. B. dass der Dom als Orientierungs- und Navigationspunkt diente. Wieder andere Experten erklären, dass die Alliierten den kunsthistorischen Wert des Kölner Doms erkannten und deshalb den Dom vor der Zerstörung schützen wollten. Aber auch Nachkommen der damaligen Bomberbesatzungen, selber entsetzt über die ungeheure Zerstörung Kölns, versuchen eine Entschuldigung für die verheerende Zerstörung durch alliierte Bomberverbände zu finden.
Doch eine Überprüfung dieser Aussagen lässt Zweifel aufkommen.
Aussage: Der Dom als Orientierungspunkt
Einzelne hohe Gebäude in einem Häusermeer waren keine sicheren Orientierungspunkte. Aus großer Höhe sind zum Beispiel Flussläufe wie die Bögen des Rheins und die grauen Flächen der Städte ein besseres Orientierungsmerkmal. Auch wurde die Funknavigation immer mehr verbessert, weshalb optische Orientierung kaum noch angewandt wurde.
Aussage: Schutz als historisch wertvolles Gebäude
Neben dem Kölner Dom gab es viele einzigartigen Gebäude in Köln. Einem Kunsthistoriker, der durchgesetzt hätte, dass der Dom nicht zerstört wird, wären auch die romanischen Kirchen bekannt gewesen. Eine ähnliche Denkweise hätte es dann auch für andere deutsche Städte gegeben. Aber es ist kein Fall bekannt, in welchem historische Bauwerke bei den Bombardierungen bewusst „verschont“ wurden.
Aber worin bestanden die wahren Gründe, die den Dom gerettet haben?
Wenn diese Aussagen nachweislich nicht korrekt sein können, bleibt die Frage, wo die wahren Gründe zu suchen sind, warum der Dom gerettet wurde.
Schwierigkeit: Angriffshöhe
Die Angriffshöhe lag damals bei ca. sechs Kilometer. Hier unten ein Satellitenfoto von Google Earth aus dieser Höhe. Versuchen Sie innerhalb von ca. 30 Sekunden aus dieser Höhe von ca. sechs km den Dom zu finden und stellen sie sich vor, sie müssten einen Bombenteppich so genau um den Dom herum platzieren, dass der Dom NICHT getroffen wird.

Erschwerend kommt dazu, dass Wolken und Rauch sowie der ungeheure Stress und die Todesangst der Besatzung den Einsatz erschwerten. Nach und nach verschwanden auch die Straßenzüge unter Trümmern, was eine Orientierung aus der Luft selbst bei sehr guten Verhältnissen schon schwierig macht. In der Nacht wird es fast unmöglich, Ziele genau zu lokalisieren.
Die Britische Royal Air Force flog ihre Angriffe bei Nacht. Um ein Areal zu zerstören, wurden durch „Pathfinder“-Flugzeuge wie die DeHavilland „Mosquito“ Leuchtbomben am Fallschirm mit einer Brenndauer von ca. 3 Minuten abgeworfen. Die nachfolgenden Bomber warfen ihre Bombenteppiche dann in dieses Areal. Diese Leuchtbomben bekamen von den Deutschen auf Grund der spitzen Form und des Leuchtens den Spitznamen „Christbäume“.

Später wurde das H2S (Bodenradar) zur Navigation eingesetzt. Aber auch auf diesem Radarbild konnten keine Einzelgebäude erkannt werden.
Hier unten ein verdunkeltes Satellitenfoto von Köln bei Nacht. Bitte versuchen Sie auch hier den Dom zu finden. Ein Angriff mit gelenkten Gleitbomben auf das Umfeld des Doms, um den Dom selber zu verschonen, wäre nicht möglich gewesen, da der Dom nicht zu sehen wäre. Außerdem war die Stadt voll Rauch und Feuer, was eine weitere Sichtbehinderung bedeutet hätte.

Angriffe aus Hauptbahnhof und Rheinbrücken – unmittelbar neben dem Dom
Direkt neben dem Dom liegt der Hauptbahnhof und in der Verlängerung die Hohenzollernbrücke. Dieser Bahnknotenpunkt trägt auch den bezeichnenden Spitznamen „Drehkreuz des Westens“. Die Hohenzollernbrücke war eine der wichtigsten Brücken über den Rhein zur Versorgung der deutschen Truppen im Westen. Oberste Priorität der Alliierten war also auch die Ausschaltung von Transportknotenpunkten. Auch das könnte ein Grund für die fast vollständige und sinnlose Zerstörung der Kölner Innenstadt sein, da es noch keine gelenkten Bomben gab.
Ironie der Geschichte: Was die Alliierten nicht geschafft haben, wurde durch die Wehrmacht erledigt. Die für die Logistik so wichtige Hohenzollernbrücke wurde von der Wehrmacht am 6. März 1945 zerstört, als US-Truppen das linksrheinische Köln fast vollständig befreit hatten.

Nur Deutschland hatte mit der Gleitbombe Fritz X eine Lenkwaffe in Serienproduktion. Ein gezielter Abwurf war aber nur möglich, wenn direkte Sicht auf das Ziel vom Trägerflugzeug aus bestand. Die Alliierten besaßen solche Waffen nicht. Stattdessen wurden ganze Bombenteppiche in ein Zielgebiet abgeworfen, bei denen es unmöglich war, einzelne Gebäude auszusparen.
Gotischer Baustil bietet geringe Angriffsfläche
Eine weiterer Grund, warum der Kölner Dom nicht zerstört wurde, ist seine filigrane offene gotische Bauweise, die den Druckwellen nur eine geringe Angriffsfläche bot. Die Druckwellen ging also praktisch durch den Dom hindurch. Im Gegensatz dazu wurden z.B. die Romanischen Kirchen auf Grund ihrer massiven Bauweise mit großen Mauerflächen und kleinen Fenstern fast zerstört. Dort trafen die Druckwellen fast ganz auf die Mauern.
Hier die Gegenüberstellung einer romanischen und einer gotischen Kirche. Man sieht deutlich die wesentlich größere Fensterfläche der gotischen Bauweise bzw. die geringere Wandfläche. Wobei natürlich die wertvollen Kirchenfenster aller Kirchen mit Beginn des Krieges ausgebaut und eingelagert wurde.

Strebewerk stützt Mauern
Aber auch die Strebewerke haben ihre Aufgabe mehr als erfüllt. Ein Großteil der Druckwelle ging durch die großen Fenster. Aber der Teil der Druckwellen, die auf die Wände trafen, wurden von den Strebewerken abgeleitet bzw. die Mauern wurden durch die Strebewerke gestützt.
Das Volumen des Doms ist so groß, dass die Wirkung kleinerer Bomben im Inneren fast verpufft und auch durch die großen Fensteröffnungen keine große Sprengwirkung auf das Gebäude ausüben konnten.

Tatsächlich knapp 70 Bombentreffer am Dom
Wenn die Alliierten den Dom verschonen wollten, warum wurde er dann von ca. fünfzig leichten und mittleren Bomben sowie neunzehn schweren (!) Bomben getroffen? Dabei wurden von 22 Gewölben neun zerstört. Entsprechend verheerend sah der Innenraum aus.

Der bekannteste Schaden wurde am Nordturm erzeugt. Dieser Bombentreffer wurde nach verschiedenen Erzählungen der Kölner durch KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, eine Pionierkompanie oder eine zufällig in Köln stationierte Einheit der Wehrmacht aufgemauert. Die sogenannte „Domplombe“ bewahrte den Nordturm und somit die ganze Kathedrale vor dem Einsturz.
Wie die ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner in Interviews erklärte, wurde diese Wunde durch eine reguläre Baufirma geschlossen. Die entsprechende Rechnung befindet sich im Archiv der Dombauhütte. Möglicherweise beschäftigte diese Firma aber KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, wie es damals in Deutschland üblich war. Diese Plombe aus Ziegelsteinen wurde erst 2005 wieder mit gotischem Mauerwerk verkleidet.2Das Interview vom 5. August 2020 ist bei Domradio verfügbar.

Wachmannschaft auf dem Dach
Eine besondere Anerkennung für Ihren Mut und ihre Weitsicht verdienen die Männer der Dombauhütte unter Dombaumeister Hans Güldenpfennig, die unter höchster Lebensgefahr während der Angriffe auf dem Dach des Doms Wache hielten, um Brandbomben sofort zu löschen.

Fazit: Wirkung des (vermeintlich) unversehrten Doms extrem groß
Auch wenn der Kölner Dom nur auf Grund seiner genialen Architekten und Handwerker überlebt hat, darf man nicht vergessen, welche ungeheure Wirkung der Dom auf die Kölner machte, deren Heimat zu 90% zerstört war, Viele Flüchtlinge und Soldaten kamen zurück in ihre Heimatstadt, in der kaum noch ein Stein auf dem anderen stand. Das ganze System war zusammengebrochen. Familienmitglieder und Freunde verstorben oder schwer verletzt. Keine Lebensmittelversorgung – keine Zukunft – keine Wohnung.
Die Lebensumstände waren katastrophal – aber in der Mitte der Stadt stand das Wahrzeichen von Köln: der Kölner Dom.
Da sprachen viele gerne von einem Wunder.

„Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann
Auch dank des Doms als Symbol der Hoffnung nach dem Krieg wurde das Lied von Willi Ostermann „Heimweh nach Köln“ zur inoffiziellen „kölschen Nationalhymne“ – bis heute.
Insbesondere die Zeilen im Refrain haben in dem Lied aus dem Jahr 1936 eine ganz besondere Wirkung auf heimkehrenden Kölnern gehabt:
Wenn ich su an ming Heimat denke
un sin d’r Dom su vör mir ston
mööch ich direk op Heim an schwenke,
ich mööch zo Foß no Kölle jon.
Ein großes DANKE an Werner Müller vom Luftfahrtarchiv für diesen Artikel.
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