Die NS-Gedenkstätte Gremberger Wäldchen

Der etwa zwei Meter große Findling mit kyrillscher Inschrift auf der NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen. Bis heute ins unbekannt, wer den Stein aufgestellt hat.Bild: Uli Kievernagel
Der etwa zwei Meter große Findling mit kyrillscher Inschrift auf der NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen. Bis heute ist unbekannt, wer den Stein aufgestellt hat. Bild: Uli Kievernagel

Still ist es hier schon seit langer Zeit nicht mehr. Eingezwängt zwischen der A4, dem Östlichen Zubringer und der S-Bahn liegt das Gremberger Wäldchen. Zwar wurde das Wäldchen um etwa 1900 speziell als Naherholungsgebiet konzipiert, aber durch das stetige Rauschen des Verkehrslärms kann das Wäldchen diese Funktion heute nicht mehr erfüllen. Und wird es in Zukunft noch weniger, wenn der geplante Ausbau der A4 erfolgen sollte.

Mittendrin liegt die „Gedenkstätte Gremberger Wäldchen“. Diese Gedenkstätte erinnert an osteuropäische Zwangsarbeit*innen, die hier zwischen 1941 und 1945 von den nationalsozialistischen Machthabern ermordet wurden.

Eher unscheinbare Gedenkstätte

Eingefasst von einem Jägerzaun erscheint das Gelände zunächst wie ein kleiner Friedhof mitten im Wald. Am Eingang erklärt eine Tafel, aufgestellt von der Stadt Köln, dass es sich um eine Gedenkstätte handelt.

Die NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen, Bild: Uli Kievernagel
Die NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen, Bild: Uli Kievernagel

Auf dem Gelände befindet sich ein knapp zwei Meter hoher Findling mit kyrillischer Inschrift. Wer diesen Findling aufgestellt hat, ist bis heute nicht bekannt.1Kölner Stadt-Anzeiger: Kölns geheimnisvollste Orte vom 4. Februar 2019, https://www.ksta.de/koeln/das-sind-koelns-geheimnisvollste-orte-sote-239029, abgerufen am 15. März 2024 Kurz nach dem Krieg stand der Stein auf einmal dort. Und ohne russische Sprachkenntnisse war auch die Inschrift nicht zu lesen.

Erst 1985 wurde auf Initiative der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes eine Steintafel mit der Übersetzung der kyrillischen Inschrift des Findlings am Eingang aufgestellt:

Die Inschrift der Platte ist eine Übersetzung des kyrillschen Texts auf dem Findling, Bild: Uli Kievernagel
Die Inschrift der Platte ist eine Übersetzung des kyrillschen Texts auf dem Findling, Bild: Uli Kievernagel

Der Text auf Steintafel lautet:

„Hier sind 74 sowjetische Bürger begraben, die während ihrer Gefangenschaft unter dem Faschismus in den Jahren 1941 bis 1945 ermordet wurden.“

An dieser Steintafel am Eingang ist auf einem Sockel ein Relief angebracht. Dieses Relief zeigt das Keramikrelief „Trauernde Eltern“ des Künstlers Klaus Balke. Ursprünglich war dieses Relief aus Bronze gefertigt. Allerdings wurde diese Bronzeplastik im Jahr 2020 gestohlen und im Januar 2022 durch das motivgleiche Relief aus Keramik ersetzt.

Auf dem Sockel ist ein Zitat aus der „Kriegsfibel“ von Bertolt Brecht angebracht:

„Und alles Mitleid, Frau, nenn ich gelogen,
das sich nicht wandelt in den roten Zorn,
der nicht mehr ruht, bis endlich ausgezogen,
dem Fleisch der Menschheit dieser alte Dorn.“

Das Relief „Trauernde Eltern“ von Klaus Balke, Bild: Uli Kievernagel
Das Relief „Trauernde Eltern“ von Klaus Balke, Bild: Uli Kievernagel

Krankensammellager als Sterbeort

Die Gedenkstätte zeigt nicht annähernd, welches unvorstellbare Grauen sich hier ereignet hat. In der Nähe der Gedenkstätte befand sich von Anfang der 1940er Jahre bis 1945 ein Krankensammellager. Hier wurden kranke Menschen und Schwangere, die als Zwangsarbeiter in Köln arbeiten mussten, dem Sterben überlassen. Insbesondere an Tuberkulose erkrankte Menschen starben hier einen unwürdigen Tod.

Matthias Lammers hat sich im Rahmen seiner Masterarbeit „Gefangen im Wäldchen“ intensiv mit dem Gremberger Wäldchen beschäftigt. Er spricht von einem „Sterbelager“. Es ist davon auszugehen, dass mindestens 60 Prozent der in diesem Krankensammellager eingelieferten Menschen starben.2Krankensammellager für Zwangsarbeiter im Gremberger Wäldchen: Vergessen und durch Ausbau der A4 bedroht, report-K, https://www.report-k.de/krankensammellager-fuer-zwangsarbeiter-im-gremberger-waeldchen-vergessen-verdraengt-und-durch-den-ausbau-der-a4-bedroht/ abgerufen am 28. März 2024

Diese Menschen wurden auf dem „Slawenfeld“ (Westfriedhof) verscharrt, da gemäß der NS-Ideologie die als „Untermenschen“ bezeichneten Slawen nicht zusammen mit den Toten der „Herrenrasse“ begraben werden durften.

Der Tag des Grauens am 8. April 1945

Die Amerikaner erreichen am 5. März 1945 Köln und besetzen die linksrheinischen Stadtteile. Erst Wochen später erfolgt die Besetzung des rechtsrheinischen Kölns. In dieser Zeit versuchen die Nationalsozialisten alle Spuren ihrer Gräueltaten zu verwischen und räumen auch das Lager im Gremberger Wäldchen am 8. April 1945 wegen angeblicher „Seuchengefahr“.

Ein Mob aus NS-Funktionären, Männern aus dem Volkssturm und der Hitlerjugend feuerten wahllos in die Baracken. Akten der britischen Armee belegen, dass ein 17-Jähriger Hitlerjunge direkt unter Krankenbetten Feuer legte. Ein Gleichaltriger tötete Häftlinge des Lagers durch Genickschuss.

Dem Massaker fielen unzählige Menschen zum Opfer. Es ist davon auszugehen, dass diese an Ort und Stelle verscharrt wurden. Exakte Zahlen zu den Opfern liegen nicht vor. Erst am 12. April 1945 befreiten die Amerikaner die Überlebenden.

Obwohl britische Behörden die deutschen Strafverfolgungsbehörden später über die Gräueltaten informierten, wurden diese Täter nie verfolgt, es wurde noch nicht einmal ein Aktenzeichen angelegt.3Kölner Stadt-Anzeiger: Kölns geheimnisvollste Orte vom 4. Februar 2019, https://www.ksta.de/koeln/das-sind-koelns-geheimnisvollste-orte-sote-239029, abgerufen am 15. März 2024 Gebhard Aders, ehemaliger Leiter des Porzer Stadtarchivs, hatte nach intensiven Recherchen die Namen von zwei Tätern ermitteln können. Allerdings waren beide kurz zuvor gestorben. So sind diese Taten bis heute ungesühnt.

Exakte Lage bis heute unklar

Unstrittig ist, dass das Barackenlager größer war als die heutige Gedenkstätte. Allerdings ist bis heute unklar, wo sich exakt das Lager befunden hat und wo genau die Opfer verscharrt wurden.

Eingezwängt zwischen Autobahn und S-Bahnstrecke: Das Gremberger Wäldchen. Der geplante Ausbau der A4 gefährdet die Gedenkstätte, Karte: OpenStreetMap
Eingezwängt zwischen Autobahn und S-Bahnstrecke: Das Gremberger Wäldchen. Der geplante Ausbau der A4 gefährdet die Gedenkstätte, Karte: OpenStreetMap

Die Internetzeitung report-K hat bei der Stadt Köln nachgefragt und von Simone Winkelhoog, stellvertretende Pressesprecherin der Stadt Köln mitgeteilt bekommen: „Die Existenz des Lagers und dessen unheilvolle Geschichte sind im Ortsarchiv des Römisch-Germanischen Museums bekannt. Da es unter Wald liegt, ist es vor Überbauung/Überplanung geschützt. Da die genaue Abgrenzung bislang nicht möglich ist, ist die Fläche nicht als Bodendenkmal eingetragen. Hierfür wären entsprechende Quellenrecherchen und Bestandserkundungen erforderlich.“4Krankensammellager für Zwangsarbeiter im Gremberger Wäldchen: Vergessen und durch Ausbau der A4 bedroht, report-K, https://www.report-k.de/krankensammellager-fuer-zwangsarbeiter-im-gremberger-waeldchen-vergessen-verdraengt-und-durch-den-ausbau-der-a4-bedroht/ abgerufen am 28. März 2024

Ausbau der A4 gefährtdet Orzt des Gedenkens

Zurzeit laufen die Planungen, die A4 zu verbeitern, auf Hochtouren. Ab etwa 2030 soll es auch im Gremberger Wäldchen mit den Bauarbeiten losgehen. Mangels exakter Ortung des Lagers und auch der möglichen Grabstätten besteht die Gefahr, dass diese schlichtweg weggebaggert werden. Daher lautet die eindeutige Forderung an die Verantwortlichen der Stadt Köln und der für die Arbeiten zuständigen Autobahn GmbH:

Man darf nicht vergessen!
Die Geschichte dieses Kriegsverbrechens muss aufgearbeitet werden bevor die Bagger anrollen.


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Das Schiffswrack in der Eigelsteintorburg

Das Wrack des Rettungsbootes der Cöln hängt in der Kölner Eigelsteintorburg, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de
In der Kölner Eigelsteintorburg hängt ein ganz besonderes Schiffswrack, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de

Der Eigelstein bietet 2.000 Jahre Geschichte auf nur 570 Metern. Insofern gibt es hier viel zu sehen. Auch das berühmt-berüchtigte „Kölner Millieu“ verkehrte hier. Allerdings ist es in der Tat sehr verwunderlich, dass am Ende des Eigelsteins, direkt an der Eigelsteintorburg, das Wrack eines Bootes hängt. Dieses Schiffswrack ist das letzte Überbleibsel des Kreuzers Cöln.

„Kleiner Kreuzer“ Cöln

Die Cöln wurde als Teil der deutschen Kaiserlichen Marine am 5. Juni 1911 in Dienst gestellt. Es handelte sich um einen „Kleinen Kreuzer“ mit immerhin 130 Meter Länge. Dieser Schiffstyp wurde als Aufklärer, Torpedobootszerstörer und auch im Handelskrieg eingesetzt.

Der "Kleine Kreuzer Cöln", hier auf einem Bild von ca. 1912
Der „Kleine Kreuzer Cöln“, hier auf einem Bild von ca. 1912

Im Ersten Weltkrieg tobte der Seekrieg auf der Nordsee. Am 28. August 1914 fand ein heftiges Seegefecht bei Helgoland statt. Die „Kleinen Kreuzer“ Frauenlob, Mainz und Stettin sowie mehrere Torpedoboote der Kaiserlichen Marine waren den Angriffen der Royal Navy eindeutig unterlegen. Zur Unterstützung lief die Cöln aus Wilhemshaven aus. Eigentlich sollten die schweren, fast doppelt so großen Schlachtkreuzer der Marine zur Hilfe kommen. Doch diese lagen im Hafen in Jade fest und konnten wegen des zu niedrigen Wasserstandes  nicht auslaufen.

509 Menschen sterben

Zunächst nahm die Cöln den Kampf mit dem britischen Kreuzer Arethusa und acht Zerstörern auf. Unterstützt wurde die Cöln durch den „Kleinen Kreuzer“ Straßburg. Kritisch für die deutschen Kriegsschiffe wurde es mit dem überraschenden Eingreifen von fünf britischen Schlachtkreuzern.

Die Kaiserliche Marine war eindeutig unterlegen. Die Cöln erhielt mehrere Treffer, konnte aber zunächst entkommen. Doch der britische Schlachtkreuzer Lion nahm die Verfolgung auf und versenkte das Schiff.

Etwa 300 Menschen an Bord waren sofort tot. Ungefähr 200 Besatzungsmitglieder überlebten den Untergang. Da aber an diesem Tag extrem ungünstige Wetterverhältnisse herrschten – es war dichter Nebel – wurden die Schiffbrüchigen von Suchmannschaften nicht gefunden. So starben mit dem Untergang der Cöln insgesamt 509 Menschen.

Der einzige Überlebende: Oberheizer Adolf Neumann, hier auf einem Bild nach dem Untergang der "Cöln", Bild: https://frk-koeln.de/gedenkstaette/kurzvideo/, CC0, via Wikimedia Commons
Der einzige Überlebende: Oberheizer Adolf Neumann, hier auf einem Bild nach dem Untergang der „Cöln“, Bild: https://frk-koeln.de/gedenkstaette/kurzvideo/, CC0, via Wikimedia Commons

Nur ein Überlebender

Der Oberheizer Adolf Neumann (1891 – 1964) war der einzige Überlebende des Untergangs der Cöln. Sein Überlebenskampf dauerte 76 Stunden. Der Kölner Express1vom 29.08.2018 zitiert Neumann wie folgt:

„Nach einigen Stunden starben die ersten Kameraden an Wunden und Erschöpfung. Den Kopf im Wasser, trieben sie zwischen uns. Es traf sich, dass ich mit einem Oberheizer, der an einem größeren Stück Holz hing, zusammenkam. Ihm schloss ich mich an, und bald hatten wir richtiges Gleichgewicht. Die einen hofften noch immer, dass Hilfe unterwegs sei. Andere meinten, wir müssten in der Nähe von Land sein und sollten versuchen, es schwimmend zu erreichen (…). Wir schwammen wohl über zwei Stunden, doch sahen wir kein Land. Es wurde abermals Abend und Nacht. Unser Häuflein Menschen war bis auf einen kläglichen Rest zusammengeschrumpft.“

Zum Glück für Neumann tauchte ein Rettungskutter der Cöln auf – allerdings auch bereits halb zerschossen. Die zwei Mann an Bord zogen den völlig entkräfteten Neumann sowie zwei weitere Kameraden in das schwer ramponierte Boot. Von den fünf Mann an Bord des Rettungskutters überlebte allerdings nur Adolf Neumann. Er wurde drei Tage später von einem Torpedoboot gerettet.

Der fast völlig zerstörte Rettungskutter der Cöln wurde drei Tage später auf Norderney angetrieben. Und es sind exakt die Reste dieses Bootes, welche heute in der Eigelsteintorburg hängen.

Gedenktafel zur Erinnerung an den Untergang der "Cöln" an der Eigelsteintorburg, Bild: Peng (talk), CC0, via Wikimedia Commons
Gedenktafel zur Erinnerung an den Untergang der „Cöln“ an der Eigelsteintorburg, Bild: Peng (talk), CC0, via Wikimedia Commons

Untergang der Cöln markiert Wendepunkt in der Wahrnehmung des Kriegs

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Wahrnehmung des noch jungen Kriegs geprägt von Erfolgsmeldungen der verschiedenen Schlachten. Der Marinehistoriker Dr. Heinrich Walle über die Bedeutung des Untergangs der Cöln

„Erst der Untergang der „Cöln“ machte den Menschen in Deutschland bewusst, dass ein grausamer Krieg herrschte. Bis dahin wurden nur verschleiernde Siegmeldungen von den Schlachten in Belgien und Frankreich verbreitet.“2Express vom 29.08.2018

Die morderne Korvette "Köln" soll 2025 in Dienst gestellt werden, Bild: ZamameeZuka, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die morderne Korvette „Köln“ soll 2025 in Dienst gestellt werden, Bild: ZamameeZuka, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Verschiedene Marineschiffe mit den Namen Köln

Bisher gab es fünf verschiedene Marineschiffe mit dem Namen „Köln“. Das letzte Schiff mit diesem Namen, eine Fregatte, wurde 2012 außer Dienst gestellt.

Allerdings wird zur Zeit die Korvette Köln bei Blohm & Voss ausgerüstet. Dieses Schiff (Länge 90 Meter, spätere Besatzung 58 Personen) wurde durch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker am 21. April 2022 getauft und soll voraussichtlich 2025 in Dienst gestellt werden.

Hoffentlich bleibt dieser Korvette „Köln“ das Schicksal des Kreuzers „Cöln“ erspart.


Die Figur des "Kölschen Boor" an der Eigelsteintorburg, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de
Die Figur des „Kölschen Boor“ an der Eigelsteintorburg, Bild: Hans Peter Schaefer, http://www.reserv-a-rt.de

Der Kölsche Boor bewacht die Eigelsteintorburg

Auf der anderen Seite der Torburg kann man den „Kölschen Boor“ bewundern. Die Statue ist eine Kopie, das Original ist im Rathaus ausgestellt.


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Kölsche Wörter: „fringsen“ und das 7. Gebot: Du sollst nicht stehlen!

Josef Kardinal Frings (1887 - 1978), hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1959, Bild: City archives Kerpen, CC BY 4.0
Josef Kardinal Frings (1887 – 1978), hier eine Aufnahme aus dem Jahr 1959, Bild: City archives Kerpen, CC BY 4.0

Podcast Frings Folge 4

Die Kölner hatten stets ein gespaltenes Verhältnis zu ihrem jeweiligen Bischof. Eine echte Ausnahme war Joseph Kardinal Frings. Im Hungerwinter 1946/47 fehlt es in der zerstörten Stadt Köln an allem. Und der in der Bevölkerung sehr beliebte „Rheinische Kardinal“ Frings steht Silvester 1946 auf der Kanzel der Kirche St. Engelbert in Riehl und predigt:

„Wir leben in Zeiten, da in der Not auch der Einzelne das wird nehmen dürfen, was er zur Erhaltung seines Lebens und seiner Gesundheit notwendig hat, wenn er es auf andere Weise, durch seine Arbeit oder Bitten, nicht erlangen kann“.

Im Klartext: Die Kirche erlaubt von höchster Stelle aus den Diebstahl von überlebensnotwendigen Dingen.

Die handschriftliche Vorlage der berühmten Silvesterpredigt 1946 vom Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings, Bild: Erzbistum Köln
Die handschriftliche Vorlage der berühmten Silvesterpredigt 1946 vom Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings, Bild: Erzbistum Köln

„fringsen“ geht in den Wortschaft ein

Und die Kölner nehmen ihren Bischof beim Wort. Ab 1947 nimmt zum Beispiel der „Kohlenklau“ deutlich zu. Menschen klettern auf Eisenbahnwaggons und „organisieren“ sich Brennmaterial, um den bitterkalten Winter zu überleben – man geht „fringsen“. Ein Wort, welches in den Sprachgebrauch einer ganzen Region eingegangen ist.

Was übrigens gerne vergessen wird: Frings hatte auch deutlich darauf hingewiesen, dass man doch den späteren Schadensersatz nicht vergessen dürfe:

„Aber ich glaube, dass in vielen Fällen weit darüber hinausgegangen worden ist, und da gibt es nur einen Weg: unverzüglich unrechtes Gut zurückgeben, sonst gibt es keine Verzeihung bei Gott!“

Diesen Teil der Predigt überhörten die Kölner aber wohl.


Erinnerung an das „fringsen“ von Zeitzeugen 

Helmut ist in Köln aufgewachsen und lebt heute in Kanada. An das „fringsen“ hat er folgende Erinnerung:
 
„Dat wore Klütte, die mer orjanisiert han. Do sin mer Pänz neven dem Zoch herjelaufe un han de Hevel opjeschlaje, un minge Fründ han se in de Foos jeschosse die Soldate die im letzte Wage oven hu soße. Dat wor am Bahndamm Antwerpener Stross am Grönguerdel. Un dann kom de Razzia un de han us de Klüttesack avjenomme un ne Tritt in the Fott ham och kräje, wenn de uns krigge kunte.“
 
Evelin ist ein echt kölsches Mädchen und lebt heute in Schweden. Auch Sie erinnert sich an daran, dass sie gefringst hat:
 
In der „Hungerzeit“, wie meine Eltern sagten, hab ich selbst als 7jährige „mitgefringst“, hauptsächlich als „Kohlenklau“. Die Nachbarjungen sprangen hinten auf die Lastwagen und warfen Briketts auf die Straße, wir „Kleinen“ sammelten alles auf. Anschließend wurde der Schatz brüderlich geteilt.
 

„Köln hat wieder einen Frings“

Thomas Frings, Geistlicher und Großneffe von Josef Kardinal Frings, wohnt seit Oktober 2017 in Köln. In meiner Reihe „Ein paar Fragen an … „ stand Thomas Frings auch bereits Rede & Antwort.


Kardinal Frings "Der Rheinische Kardinal", von Friedhelm Ruf (J.P. Bachem Verlag, 2015, ISBN: 978-3761629512, nur noch antiquarisch erhältlich) 
Kardinal Frings „Der Rheinische Kardinal“

Mehr über Kardinal Frings gibt es in dem lesenswerten Buch „Der Rheinische Kardinal“, von Friedhelm Ruf (J.P. Bachem Verlag, 2015, ISBN: 978-3761629512, nur noch antiquarisch erhältlich) 


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Plakat „Nie wieder Krieg“ im Kölner Käthe Kollwitz Museum

Käthe Kollwitz: Nie wieder Krieg, 1924, Bild: Public domain, via Wikimedia Commons
Käthe Kollwitz: Nie wieder Krieg, 1924, Bild: Public domain, via Wikimedia Commons

Die weltweit umfangreichste Sammlung von Werken der Künstlerin Käthe Kollwitz (1867 – 1945) ist im Kölner Käthe Kollwitz Museum zu finden. Direkt am Neumarkt werden Werke der Graphikerin, Zeichnerin und Bildhauerin ausgestellt.

Käthe Kollwitz hat in ihrem eigenem Leben Leid und Trauer durch den Krieg erfahren. Ihr Sohn Peter fiel im Oktober 1914 mit nur 18 Jahren beim Kampf an der belgischen Kanalküste in Westflandern. Zur Erinnerung an ihren Sohn hat sie die Plastik „Trauerndes Elternpaar“ geschaffen. Das Original dieser Plastik steht auf dem Deutschen Soldatenfriedhof Vladslo in Belgien. Eine Kopie, angefertigt von Joseph Beuys und Erwin Heerich, steht in Alt St. Alban in der Innenstadt.

Plastik "Trauerende Eltern", Kopie in Alt St. Alban, Köln. Das Original von Käthe Kollwitz steht auf dem Soldatenfriedhof in Vladslo, Belgien, Bild: Uli Kievernagel
Plastik „Trauerende Eltern“, Kopie in Alt St. Alban, Köln. Das Original von Käthe Kollwitz steht auf dem Soldatenfriedhof in Vladslo, Belgien, Bild: Uli Kievernagel

Zentrale Themen im Werk von Käthe Kollwitz sind auf der einen Seite Krieg, Armut und Tod, auf der anderen Seite aber auch das Ringen um Frieden. Dieses eindringliche Bekenntnis zum Frieden spiegelt sich auch in dem Plakat „Nie wieder Krieg“ wieder.

Plakat „Nie wieder Krieg“

Zum 10. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs finden im Jahr 1924 in Deutschland Massenkundgebungen statt, die vor den Gefahren eines neuen Kriegs warnen. Auch die Sozialistische Arbeiterjugend beteiligt sich mit dem „Mitteldeutschen Jugendtag“ an diesen Veranstaltungen. Als Auftragsarbeit fertigt Käthe Kollwitz das Plakat „Nie wieder Krieg“ an.

Es zeigt einen jungen Menschen, der laut „Nie wieder Krieg“ ausruft. Die rechte Hand ist zum Schwur erhoben, die linke Hand liegt auf seinem Herz. Der junge Mann scheint im Gegenwind zu stehen, die Haare wehen, der Gesichtsausdruck ist angestrengt. Die erhobene rechte Hand beherrscht das ganze Bild und überlagert wie ein Ausrufezeichen die handschriftliche Eintragung. Um die Eindringlichkeit der Forderung „Nie wieder Krieg“ ganz deutlich zu machen, sind die Worte unterstrichen, der Begriff „Krieg“ sogar doppelt.

Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat.“

Käthe Kollwitz ist stark in der Friedensbewegung der 1920er Jahre engagiert. So notiert sie am 21. Oktober 1922 in ihrem Tagebuch:

„Wenn ich mich mitarbeiten weiß in einer internationalen Gemeinschaft gegen den Krieg, habe ich ein warmes, durchströmtes und befriedigtes Gefühl. … Ich bin einverstanden damit, daß meine Kunst Zwecke hat.“

Käthe Kollwitz (1906), Bild: Philipp Kester, Public domain, via Wikimedia Commons
Käthe Kollwitz (1906), Bild: Philipp Kester, Public domain, via Wikimedia Commons

Kollwitz wendet sich damit ausdrücklich gegen die Position „L’art pour l’art“ (sinngemäß „die Kunst um der Kunst willen“). Nach dieser Auffassung soll die Kunst sich selbst genügen und keinen eigenen Zweck verfolgen. Dies ist der Künstlerin Kollwitz zu wenig, sie will ausdrücklich eine nachhaltige Wirkung erzielen. Zum Plakat „Nie wieder Krieg“ schreibt sie im Dezember 1922 in einem Brief:

„Vom internationalen Gewerkschaftsbund habe ich den Auftrag bekommen, ein Plakat gegen den Krieg zu arbeiten. Das ist eine Aufgabe, die mich freut. Mag man tausendmal sagen, daß das nicht reine Kunst ist, die einen Zweck in sich schließt. Ich will mit meiner Kunst, solange ich arbeiten kann, wirken.“

Diese eindringliche Wirkung des Plakats hat die Zeit überdauert. Auch die Friedensbewegung der 1970er Jahre bis heute nutzt dieses Plakat, um für den Frieden zu werben.

Somit lag Käthe Kollwitz in ihrer Einschätzung, dass ihre „Kunst Zwecke hat.“ eindeutig richtig.


Das Käthe Kollwitz Museum am Neumarkt in Köln
Das Käthe Kollwitz Museum am Neumarkt in Köln

Das Kölner Käthe Kollwitz Museum bietet aktuell eine hochaufgelöste Version des Plakats für private, nicht kommerzielle Zwecke, kostenlos zum Download an.


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Der „Kölsche Boor en Iser“: Spenden sammeln durch Nägel einschlagen

Der Kölsche Boor in Iser, Bild: Uli Kievernagel
Der Kölsche Boor in Iser, Bild: Uli Kievernagel

Er ist stattlich, massiv, wehrhaft. Und mehr als drei Meter hoch. Und genau das wird ihm jetzt zum Verhängnis: Der „Kölsche Boor en Iser“ passt nicht in das Übergangsquartier des Stadtmuseums im ehemaligen Kaufhaus Sauer. „Man würde keinen Museums-Neubau so planen.“ sagt Stefan Lewejohann, Kurator im Stadtmuseum, und meint damit, dass ein ehemaliges Kaufhaus nur bedingt als Museum genutzt werden kann. Derzeit ist offen, was mit der geschichtsträchtigen Figur des Kölschen Boors passiert.

Spenden sammeln durch Nägel einschlagen

Vielleicht könnte man dä Boor wieder dort aufstellen, wo die ganze Geschichte vor 106 Jahren begann: Am Gürzenich. Dort wurde im Juni 1915 die 3,25 Meter hohe Statue aus vergoldetem Lindenholz in einem Pavillon aufgestellt. Es handelte sich um eine der zu dieser Zeit populären Nagelfiguren. Solche Figuren wurden aufgestellt, um Spenden zu sammeln. Die Idee stammte aus Österreich, wo man in Wien das Ritterstandbild „Wehrmann in Eisen“ aufgestellt hatte. Jeder konnte für einen bestimmten Betrag einen Nagel in die Figur schlagen.

Plakat von Franz Brantzky zum Kölsche Boor
Plakat von Franz Brantzky zum Kölsche Boor

Die Variante in Köln, der „Kölsche Boor in Iser“ („Der Kölsche Bauer in Eisen“), entpuppte sich als gigantischer Spendensammel-Erfolg. Nach zwölf Monaten wurden bereits mehr als 700.000 Reichsmark an Spenden eingenommen, bis 1919 verdoppelte sich diese Summe auf ca. 1,5 Millionen Reichsmark. Umgerechnet auf heutige Verhältnisse wären das mehr als 14 Millionen Euro.

Eine Schulklasse im Jahr 1916 vor dem "Kölsche Boor". Auf der linken Seite sind noch Teile des Schriftzugs "Witwen- und Waisenfond" zu erkennen, rechts steht eine Geschütz-Lafette. Bild: Privatbesitz Michael Osieka
Eine Schulklasse im Jahr 1916 vor dem „Kölsche Boor“. Auf der linken Seite sind noch Teile des Schriftzugs „Witwen- und Waisenfond“ zu erkennen, rechts steht eine Geschütz-Lafette. Bild: Privatbesitz Michael Osieka

Symbol der Wehrhaftigkeit der Stadt

Dabei war es kein Zufall, dass ausgerechnet der „Kölsche Bauer“ als Galionsfigur für die Spenden-Kampagne in Köln ausgewählt wurde. Bis heute steht der Kölner Bauer für die Wehrhaftigkeit und Unsterblichkeit der Stadt. Auch der Bauer im Dreigestirn verkörpert diese Eigenschaften. Wer meint, dass dieser Bauer nur einen harmlosen Landwirt darstellen soll, liegt vollkommen falsch. Der „Kölsche Boor“ repräsentiert die Wehrhaftigkeit der Stadt. Er trägt ein Kettenhemd, auf sehr alten Darstellungen auch ein Schwert. Der schwere, eisenbewehrte Dreschflegel des Bauern ist weniger dafür gedacht, Korn zu dreschen, sondern eher die Feinde der Stadt zu Brei zu schlagen. 

Ne staatse Buur! Deutlich zu erkennen: Das Kettenhemd. Bild: Norbert Bröcheler
Ne staatse Buur! Deutlich zu erkennen: Das Kettenhemd. Bild: Norbert Bröcheler

Ostermann schreibt patriotisches Marschlied  

Die Nagelfigur des Kölsche Boor ist schnell über und über mit Nägeln gespickt, nur noch der Kopf zeigt die ursprüngliche goldene Lackierung. Wieviele Nägel es tatsächlich sind, kann niemand sagen. Neben der „Nagel-Spende“ werden die Kölner auch im nahegelegenen „Geschäftslokal des Kölschen Boor“1Bitte nicht mit der schönen Gaststätte „Em Kölsche Boor“ am Eigelstein verwechseln, diese beiden Einrichtungen haben nur den Namen gemeinsam.zur Kasse gebeten. Waren es anfangs noch Spenden für die Witwen und Waisen der aus Köln stammenden gefallenen Soldaten, sollten die Kölner in dem Geschäftslokal Gold gegen Papiergeld tauschen, um die Rüstungsindustrie bezahlen zu können.

Größere Spender werden per Plakette namentlich genannt und in einer eigens zu diesem Zweck erscheinenden Wochenzeitschrift aufgeführt. Der Besuch beim Boor und die entsprechende Spende wurde zur patriotischen Pflicht hochstilisiert, Spendenunwillige werden als Vaterlandsverräter verunglimpft.

Im Zuge dieser Euphorie dichtet Willi Ostermann 1915 das Marschlied „Dä kölsche Boor en Iser“:

„Kölschen Boor, do ließ dich kamisöle,
kölschen Boor, wat ließ do dich vernäle;
dat es rääch, do kölschen Boor, halt Stand!
Et jeiht för dich un för et Vaterland.

Et es nit jedemein jejevve,
met vören an der Front zo sin.
Doch jeder, der doheim jeblevve,
jitt wat hä kann met Freuden hin. …“

Übersetzung:
Kölscher Bauer, du lässt dich verprügeln,
Kölscher Bauer, was lässt du dich vernageln;
Das ist recht, du Kölscher Bauer, halte Stand!
Es geht um dich und um das Vaterland.

Es ist nicht jedem gegeben,
mit vorne an der Front zu sein.
Doch jeder, der daheim geblieben,
gibt was er kann mit Freuden hin.

Der User „Swanny Swenumsen“ hat dieses Lied auf YouTube veröffentlicht.  Swanny Sewmunsen dazu auf YouTube: „Tatsächlich ist dies die einzige Platte, die mir in allen Jahren begegnet ist. Der Text ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß man 1915 noch an einen Sieg in diesem Krieg glaubte und sich der Schrecken der folgenden Materialschlachten noch nicht gezeigt hatte.“

Wohin jetzt mit dem Koloss?

Im Januar 1919 wurde der von oben bis unten mit Nägeln beschlagene Kölsche Boor in den Gürzenich gebracht, anschließend stand er im „Haus der Rheinischen Geschichte“ am Rheinufer. Seit 1984 ist er im Stadtmuseum zu finden. Doch wohin mit dem Koloss nach dem Umzug ins Übergangsquartier?

Ist doch ganz einfach: Bringt ihn dahin zurück, wo er herkam: In den Gürzenich.


Der User „Swanny Swenumsen“ hat auf YouTube ein historisches Dokument aus der Zeit des ersten Weltkrieges, von dem – wie es scheint – nur sehr wenige Exemplare überlebt haben, veröffentlicht. Willi Ostermann singt das Lied „Dä kölsche Boor in Iser“

Swanny Sewmunsen dazu auf YouTube: „Tatsächlich ist dies die einzige Platte, die mir in allen Jahren begegnet ist. Der Text ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß man 1915 noch an einen Sieg in diesem Krieg glaubte und sich der Schrecken der folgenden Materialschlachten noch nicht gezeigt hatte.“


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Hummerich: Das Millionen-Grab auf dem Südfriedhof

Die Grabstätte Hummerich - einst ein echtes "Millionen-Grab", Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0
Die Grabstätte Hummerich – einst ein echtes „Millionen-Grab“, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0

Der Melatenfriedhof hat seine bekannte „Millionenallee“ – hier befinden sich die Gräber der kölschen (Geld-)Prominenz. Und auch auf dem Südfriedhof ist eine solche Millionenallee zu finden. Hier fanden viele reiche Kölner ihre letzte Ruhe, denn immerhin gehört das noble Viertel Marienburg zum Beerdigungsbezirk des Südfriedhofs. Tatsächlich aber trägt die Millionenallee auf dem Südfriedhof ihren Namen  mit vollem Recht, denn hier war einst ein millionenschwerer Schatz versteckt.

Bomben zerstören die Stadt – Amerikaner marschieren von Westen aus Richtung Rhein

Es ist September 1944. Der Krieg hat tiefe Wunden in der Stadt hinterlassen. Bombenangriffe haben Wohnungen verwüstet, die meisten Kölner haben ihre in vielen Teilen unbewohnbare Stadt bereits verlassen. Das VII. US-Korps überschritt am 12. September 1944 die deutsche Grenze, bereits zwei Tage später wurden Teile von Aachen eingenommen.

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild:
U.S. Department of Defense

Selbst der NSDAP-Gauleitung war klar, dass die Truppen auf dem weiteren Vormarsch sind und nur noch wenig Zeit bleibt, bis die großen Städte im Westen des Reichs, darunter auch Köln, eingenommen werden. Daher wurde befohlen, die Wertgegenstände der Stadt, insbesondere das vorhandene Bargeld und Wertpapiere, sicher in einer anderen Stadt unterzubringen.

Geniales Versteck auf dem Friedhof

Von dieser Idee hält der Kämmerer der Stadt Köln, Oskar Türk, wenig. Seit 1936 ist für die Finanzen der Stadt verantwortlich. Türk bringt das städtische Geld in Sicherheit, aber anders, als es die Gauleitung vorsieht: Er will das Geld sicher verstecken – in einem Grab.

Die Wahl fällt auf die repräsentative Grabstätte der Familie Hummerich auf dem Südfriedhof, ganz nah am Haupteingang. In der Nacht vom 13. auf den 14. September 1944 ist es dann so weit: In einer echten „Nacht-und-Nebel-Aktion“ werden insgesamt 230 Mio. Reichsmark und Wertpapiere im Wert von etwa 70 Mio. Reichsmark zum Südfriedhof geschafft. Nur drei Männer sind eingeweiht: Kämmerer Türk und zwei Sparkassendirektoren. Sie heben den Deckel der Hummerich-Gruft an und verstauen den Millionenschatz in der darunter liegenden Grabkammer. Die drei Männer vereinbaren striktes Stillschweigen. Erst nach Kriegsende sollte das Geheimnis gelüftet werden.

In den folgenden Monaten kann sich Oskar Türk bei unauffälligen Spaziergängen auf dem Südfriedhof davon überzeugen, dass das Hummerich-Grab unangetastet ist – die Kölner Stadtfinanzen sind sicher untergebracht.

Schatz war verschwunden

Nach dem Krieg forschten die amerikanischen und britischen Besatzer auch nach dem Verbleib der Wertgegenstände der Stadt. Und Türk führte sie zum Hummerich-Grab auf dem Südfriedhof. Doch das Grab war leer, der Millionenschatz verschwunden. „Die Stadtverwaltung hatte das Geld schon herausgeholt“, erklärte Türk in einem Interview des Kölner Stadt-Anzeigers.

Und so saß die Stadt Köln in der unmittelbaren Nachkriegszeit auf einem Millionenschatz. Fraglich ist allerdings, welchen Wert dieser Schatz tatsächlich noch hatte. Dem reinen Nennwert1Dem auf den Geldscheinen aufgedruckten Werten. nach waren es tatsächlich Millionenwerte, allerdings war die echte Kaufkraft erheblich geringer. Nur zum Vergleich: Eine Zigarette kostete 1946 auf dem Schwarzmarkt bis zu 10 Reichsmark, ein Pfund Butter zwischen 150 und 250 Reichsmark, Kaffee wurde für mehr als 2.000 Reichsmark je Pfund gehandelt.

Aber immerhin kann man heute noch von einer „echten“ Millionenallee auf dem Südfriedhof sprechen.


Tatsächlich haben viele Menschen gegen Ende des Kriegs Geld Wertpapiere und sonstige Wertgegenstände versteckt: Vergraben im Garten, eingemauert im Keller, im Dachgebälk versteckt etc. Angeblich wurden auch Friedhöfe als Versteck genutzt. Allerdings will offensichtlich niemand darüber reden – es finden sich kaum belastbare Belege dafür, dass Geld oder ähnliches in Gräbern versteckt wurde.


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Die Entschuttung des Gürzenichs: Vom Aprilscherz zur Realität

Das Dreigestirn der Session 1949 mit Schüpp und Hau am Gürzenich. Bild: koelner-karneval.info

Immer wieder schicken einen nette Mitmenschen „in den April“. Woher der Brauch kommt, ist unklar. Aber die lustigen Ideen der Zeitungen, im Fernsehen und im Radio sorgen immer wieder für Lacher – egal, ob es um Spaghetti-Bäume oder fliegende Pinguine geht. Ein ganz besonderer Coup zum 1. April 1949 ist dem damaligen Kölner Dreigestirn gelungen.  Ein Aprilscherz in fünf Akten:

1. Akt: Ein Gespräch wird belauscht – angeblich

Am 31. März 1949 erschien ein anonymer Leserbrief in der Kölnischen Rundschau. Ein aufmerksamer Leser behauptete, in einer Gaststätte zufällig ein Gespräch des Kölner Dreigestirns belauscht zu haben. Ein Gespräch, welches es nie gegeben hat.

Angeblich hätten Prinz Theo I. (Theo Röhrig), Bauer Andreas (Andreas Müller) und Jungfrau Friedel (Fred Reulen) Pläne für die nahe Zukunft geschmiedet: Man würde mit „Schüpp un Hau“ zum zerstörten Gürzenich gehen und den Schutt dort wegräumen um „… auch im grauen Alltag etwas für die Stadt Köln zu tun.“

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild:
U.S. Department of Defense

Und grau war der Alltag im Jahr 1949 in Köln tatsächlich. Ausgebombte Ruinen säumen die notdürftig freigeräumten Straßen. Der größte Teil aller Häuser wurde zerstört. Alle Menschen sehnen sich nach Normalität, und dazu hat auch der Karneval beigetragen: Im Williams-Bau finden seit 1947 erste Karnevalssitzungen und Bälle statt, und im Februar 1949 geht der erste Rosenmontagszug durch Köln – wegen der kritischen britischen Besatzer nicht als „D´r Zoch“ sondern als „Erweiterte Kappenfahrt“1[Dieser Titel erinnert an den ersten Rosenmontagszug nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1927, der ebenfalls den damaligen britischen Besatzern als „Kappenfahrt“ verkauft wurde.] durch die in Trümmern liegende Stadt.

In dieser grauen Zeiten sind positive Nachrichten sehr willkommen. Deswegen erregt der als Aprilscherz gedachte Leserbrief über die angebliche Aktion des Dreigestirns eine hohe Aufmerksamkeit.

Prinz Theo I., Bauer Andreas und Jungfrau Friedel bei der Arbeit am Gürzenich, Bild: Bild: koelner-karneval.info
Prinz Theo I., Bauer Andreas und Jungfrau Friedel bei der Arbeit am Gürzenich, Bild: Bild: koelner-karneval.info

2. Akt: Das Dreigestirn nimmt den Ball auf

Auch Prinz Theo I. liest in der Zeitung den Bericht über die angebliche Entschuttung des Gürzenichs und fasst sofort einen Plan: „Mer mache dat!“. Eilig werden Bauer und Jungfrau eingebunden, ein Lastwagen wird organisiert und siehe da: Am 1. April um 11 Uhr stehen die drei am Gürzenich und fangen eifrig an, Schutt zu schippen.

Regierungspräsident Wilhelm Warsch gratuliert dem Dreigestirn, Bild: koelner-karneval.info
Regierungspräsident Wilhelm Warsch gratuliert dem Dreigestirn, Bild: koelner-karneval.info

3. Akt: Auch die Medien und die Politik wollen mit dabei sein

Selbstverständlich sollte diese Aktion nicht geheim bleiben. So drängen sich am 1. April bereits die vorab informierten Reporter mit ihren Kameras vor dem Gürzenich. Und wo Kameras sind, sind auch die Politiker nicht weit entfernt. Regierungspräsident Wilhelm Warsch freute ich darüber, dass „aus einem Aprilscherz eine so beziehungsvolle Wirklichkeit geworden sei.“

4. Akt: Die ganze Stadt zieht nach

Die Entschuttung des Gürzenichs wird zu einem stadtweiten Anliegen. Karnevalsgesellschaften, Sportvereine, Unternehmen und einzelne Bürger kommen mit Schüpp und Hau zum Gürzenich. Auch Menschen, die selber in einfachsten Behausungen leben müssen, fassen mit an, um „Kölns gute Stube“ wieder zu einem Festsaal zu machen.

So wurde das Karnevalsmotto der 1949er Session

„Mer sin widder do un dun, wat mer künne.“

gelebte Realität in einer vom Krieg schwer gezeichneten Stadt. Im Zuge der Dynamik dieses Aprilscherzes beschließt der Stadtrat zügig, den Gürzenich wieder aufzubauen.

Feierliche Wiedereröffnung des Gürzenichs am 2. Oktober 1955, Bundesarchiv, B 145 Bild-F002968-0007 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0
Feierliche Wiedereröffnung des Gürzenichs am 2. Oktober 1955, Bundesarchiv, B 145 Bild-F002968-0007 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0

5. Akt: Die Wieder-Einweihung des Gürzenichs

Es sollte noch ein paar Jahre dauern, aber am 2. Oktober 1955 war es endlich so weit: Der Gürzenich wurde wieder eingeweiht.

Und so führte ein Aprilscherz dazu, dass sich eine ganze Stadt organisierte, um „ihren“ Gürzenich wieder aufzubauen. Prinz Theo I. schrieb später dazu „Durch diesen Scherz wurde es offensichtlich, dass allen Bevölkerungsschichten Kölns der Wiederaufbau unserer guten, alten Stube mehr am Herzen liegt, als es die Stadtverwaltung und die Planer Kölns angenommen hatten.“

In diesem Sinne trifft sich das aktuelle Dreigestirn am Donnerstag, 1. April, um 11 Uhr an der Oper, um dort aufzuräumen. Um 13 Uhr geht es weiter an die Baustelle der Nord-Süd-Stadtbahn, damit es auch dort zügig weitergeht. Um 15 Uhr werden dann vom Bauer Fundamente für die Leverkusener Brücke gegossen, während Prinz und Jungfrau den hässlichen Musical-Dome abreißen. So kann es in unserer Stadt endlich mal vorangehen.


Der Gürzenich und Alt St. Alban: Orte der Gegensätze

 
Der Gürzenich und Alt St. Alban - Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)
Der Gürzenich und Alt St. Alban – Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)

In dem Gebäudekomplex des Gürzenichs ist auch die Ruine von Alt St. Alban als Mahnmal gegen den Krieg integriert. So liegen Freude und Trauer direkt nebeneinander.


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Das Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz in Dünnwald

Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz am ehemaligen Schießplatz Dünnwald, Bild: Uli Kievernagel
Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz am ehemaligen Schießplatz Dünnwald, Bild: Uli Kievernagel

„Was kann man besseres tun als den Krieg zu verraten.“

Jakob Brock wurde nur 23 Jahre alt. Der an der Ostfront eingesetzte Soldat hatte während eines Fronturlaubs im Februar 1945 geheiratet und deswegen einen Urlaubs-Verlängerungsantrag gestellt. Dieser Antrag wurde telefonisch bestätigt. Eine schriftliche Bestätigung kam aber in den Wirren der bevorstehenden Kriegsniederlage nie bei seinem Kommandeur an. Daher galt Jakob Brock als „Fahnenflüchtiger“. Ein Standgericht verurteilte Brock am 7. April 1945 zum Tode. Ein Erschießungskommando vollstreckte noch am gleichen Tag in Dünnwald das Urteil.

Jakob Brock wurde am 7. April 1945 erschossen. Er wurde nur 23 Jahre alt. Bild: Familie Jakob Brock
Jakob Brock wurde am 7. April 1945 erschossen. Er wurde nur 23 Jahre alt. Bild: Familie Jakob Brock

Ermordung von „Wehrkraftzersetzern“ oder „Fahnenflüchtigen“

Jakob Brock war einer der 23 Männer, die in einem Dünnwalder Schießstand und der nahegelegenen Kiesgrube als „Wehrkraftzersetzer“ oder „Fahnenflüchtige“ erschossen wurden. Der Jüngste unter ihnen war gerade 18 Jahre alt. Nur im Klingelpütz wurden noch mehr Soldaten ermordet: Durch das Fallbeil fanden dort etwa 70 Deserteure den Tod.

„Bis vor Kurzem hatten wir nur eine vage Idee, dass dort [in Dünnwald, Anm. d. Red.] Erschießungen stattgefunden haben“ sagte Karola Fings 2016 im Kölner Stadt-Anzeiger1https://www.ksta.de/koeln/wo-in-koeln-einst-soldaten-hingerichtet-wurden-sote-23465516. Die im Jahr 2016 stellvertretende Direktorin des NS-Dokumentationszentrums hatte bei spärlicher Quellenlage die Geschichte der Erschießungen in Dünnwald recherchiert.

Hinrichtungen in Dünnwald, Quelle: Jahresbericht 2014 des NS-Dokumentationszentrums Köln, Seite 100
Hinrichtungen in Dünnwald, Quelle: Jahresbericht 2014 des NS-Dokumentationszentrums Köln, Seite 100

Der Dünnwalder Schießplatz

Den Ort des Geschehens kannten viele Dünnwalder nur als „den Schießplatz“. Dieser wurde 1887 von der Preußischen Armee in der Kützeler Heide in Dünnwald angelegt. Auf sechs Schießbahnen mit bis zu 600 Meter Länge wurde Schießen geübt. Die Bahnen waren jeweils mit Erdwällen abgetrennt. Nur diese sind heute noch zu erahnen. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg musste die Anlage wegen der Bestimmungen des Versailler Vertrags stillgelegt werden.

Übungsschießen auf dem Dünnwalder Schießstand, Bilder: Werner Müller, Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Übungsschießen auf dem Dünnwalder Schießstand, Bilder: Werner Müller, Historisches Luftfahrtarchiv Köln

Mit der Aufrüstung der Wehrmacht fanden dort ab 1936 wieder militärische Übungen statt. Ab Oktober 1940 wurden auf dem Schießplatz und in einer nahe gelegenen Kiesgrube die Exekutionen an den Deserteuren durchgeführt. Das dort Erschießungen stattgefunden hatten, war vielen Dünnwaldern unbekannt.

Stele als Denkmal

Zur Erinnerung an dieses finstere Kapitel wurde vor fast exakt einem Jahr, am 29. September 2019, ein Denkmal für die Opfer der NS-Militärjustiz am ehemaligen Schießplatz Dünnwald eingeweiht. Die Initiative dafür hatten Dünnwalder Vereine und Einzelpersonen ergriffen. Die Aufstellung der Stele wurde von der Bezirksvertretung Mülheim einstimmig, bei Enthaltung von drei Stimmen aus der CDU-Fraktion, beschlossen.

Unter Federführung des NS-Dokumentationszentrums wurden Ruedi und Vera Baur beauftragt, dieses Denkmal zu errichten. Die beiden Künstler hatten bereits 2009 das Deserteurdenkmal am Appellhofplatz errichtet. Das Denkmal, so die Historikerin Fings, soll „die Geschichte der Militärjustiz erhellen, wobei wir den Schwerpunkt auf die Opfer legen.“ Entstanden ist eine schlanke Stele mit einem Zitat des ehemaligen Wehrmachtsdeserteurs Ludwig Baumann:
„Was kann man Besseres tun als den Krieg verraten.“

Erinnerung an Deserteure dringend notwendig

Die letzten NS-Urteile gegen Kriegsdienstverweigerer, Wehrkraftzersetzer, Wehrmachtdeserteure und Kriegsverräter wurden erst 2009 vom Deutschen Bundestag für nichtig erklärte. Nach dem Kriegsende galt diese Gruppe als Feiglinge oder Verräter, die Angehörigen wurden oft diskriminiert und erhielten keine Hinterbliebenenrenten.

Die junge Witwe von Jakob Brock erfuhr erst nach der Erschießung vom Tod ihres Mannes. Seine erst im November 1945 geborene Tochter hat ihren Vater nie kennenlernen können.


Stolperstein zur Erinnerung an Jakob Brock, Bild: Familie Jakob Brock
Stolperstein zur Erinnerung an Jakob Brock, Bild: Familie Jakob Brock

Ein Stolperstein zur Erinnerung an Jakob Brock

Am 18. Oktober 2022 wurde zur Erinnerung an Jakob Brock ein Stolperstein in der Neunkircher Straße 6 in Ostheim verlegt. Dort hatte Jakob Brock mit seiner Frau gelebt. Vielen Dank an Heike Mörs, eine Enkelin von Jakob Brock. Sie hat mir das Bild des Stolpersteins zur Verfügung gestellt.

Außerdem erinnert der „Jakob-Brock-Weg“ an am 7. April 1945 erschossenen Jakob Brock.


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Der Gürzenich und Alt St. Alban: Orte der Gegensätze

Der Gürzenich und Alt St. Alban - Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)
Der Gürzenich und Alt St. Alban – Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)

Auf der eine Seite ausgelassene Party, kostümierte Menschen, laute Musik. Gleich daneben tiefste Trauer und die Erinnerung an den Tod in einer Kirchenruine. In keinem anderen Ort in Köln liegen die Gegensätze so nah beieinander wie beim Gebäudeensemble des Gürzenich und der Ruine Alt St. Alban.

Der Gürzenich ist „Kölns gute Stube“. Erbaut von 1441 bis 1447 diente dieser prächtige gotische Bau als Kauf- und Lagerhaus. Namensgeber war das Stadthaus der aus Düren stammenden „Herren der Burg Gürzenich“, welches sich an der Stelle des heutigen Gürzenichs befand. Der Gürzenich wurde als Repräsentationshaus der Stadt errichtet. Hier wurden Kaiser empfangen, feinste Bankette ausgerichtet und 1505 sogar ein Reichstag abgehalten.

Mit dem Bedeutungsverlust Kölns ab dem 16. Jahrhundert schwand auch die Bedeutung des Gürzenichs. Doch die findigen Kölner nutzten das Gebäude doppelt: Zwar wurden hier Lebensmittel, Häute, Seide, Öle oder Seife gelagert und gehandelt, aber das Obergeschoss wurde regelmäßig leergeräumt, um Platz für Feierlichkeiten aller Art zu haben. Es war also schon immer so: Der Kölner an sich feiert gerne. Und deswegen werden seit 1822 bis heute Karnevalsveranstaltungen im Gürzenich abgehalten. Von 1857 bis zur Fertigstellung der Philharmonie im Jahr 1986 war der Gürzenich auch Heimat des renommierten Gürzenich-Orchesters.

Ab 1865 wurde der Gürzenich vom kombinierten Lager- und Festsaal in einen reinen Festsaal umgewandelt. Durch Um- und Anbauten wurde der Gebäudekomplex vergrößert, zusätzliche Säle entstanden.

Bildergalerie Gürzenich

Wiederaufbau im Stil der 1950er Jahre

Im zweiten Weltkrieg wurde der Gürzenich fast vollständig zerstört, nur die Außenmauern des Gebäudes standen noch. Der Wiederaufbau und die Innenausstattung im Stil der 1950er machen das Gebäude zu einem der wichtigsten Denkmäler dieser Zeit in Köln. Dabei wurde die Ruine von Alt St. Alban mitten in den Komplex integriert. Das führt dazu, dass man vom großzügigen Foyer des Gürzenichs durch die Fenster einen direkten Blick in die Ruine hat. Dieser Blick wird auf die Figurengruppe „Trauerndes Elternpaar“, im Original von Käthe Kollwitz, gelenkt.1Das Original der Skulpturen steht heute auf dem Deutschen Soldatenfriedhof in Vladslo, Belgien. In der Ruine von Alt St. Alban steht eine Kopie, die von Joseph Beuys und Erwin Heerich angefertigt wurde. Die beiden Figuren strahlen die unendliche Trauer über den im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn aus.

Skulptur "Trauernde Eltern", Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Skulptur „Trauernde Eltern“, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Die Feste des Lebens vor den Hintergrund des Todes

Und da ist er – der krasse Gegensatz. Das hat auch Holger Kirsch, Prinz Holger I. im Dreigestirn 2015, erlebt. In der Euphorie seiner bevorstehenden Proklamation ging er im vollen Ornat die Treppe hinauf in den großen Saal. Voller Freude und Glück. Und dann schaut er durch das Fenster des Gürzenichs in die Kirchenruine Alt St. Alban und sieht „dieses plötzliche Gegenüber von totalem Glück und absoluter Trauer“, so Kirsch in einem Interview des WDR.

So hat Rudolf Schwarz, einer der Architekten des Ensembles aus St. Alban und Gürzenich, Recht  behalten. Er schrieb zu dieser ganz besonderen Architektur: „Die Feste des Lebens werden vor den Hintergrund des Todes gestellt.“


Erleben kann man diesen Gegensatz am besten von Innen. Aber auch bei einem Blick von außen in die Ruine von Alt St. Alban kann man in die Fenster des Foyers sehen. Unbedingt mal hingehen!


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Is et am rääne? – Büttenredner Karl Küpper

Gedenktafel für Karl Küpper am Haus Kalker Hauptstr. 215 in Köln-Kalk.
Gedenktafel für Karl Küpper am Haus Kalker Hauptstr. 215 in Köln-Kalk.

 

Der Karneval und das Dritte Reich sind ein dunkles Kapitel. Zu den lobenswerten Ausnahmen gehört der Büttenredner Karl Küpper. Als „Ne Verdötschte“  machte sich Küpper auf Kölns Karnevalsbühnen über die Nazis lustig. Ein Klassiker waren seine Auftritte, die Hand zum Hitlergruß ausgetreckt und die Frage in den Raum „Is et am rääne?“ oder auch „Su huh litt der Dreck bei uns im Keller.“

Seine subversiven Auftritte blieben nicht ohne Folgen. Im Jahr 1939 belegten die Nazis ihn mit einem lebenslangem Rede- und Auftrittsverbot. Einer Verhaftung umging er mit seiner freiwilligen Meldung zur Wehrmacht. Das Redeverbot wurde aufgehoben und Küpper spielte im Fronttheater.

Zurück aus Kriegsgefangenschaft war Küpper wieder Redner im Karneval – und prangerte die Einflussnahme der alten Nazis in Wirtschaft und Gesellschaft an. So hob er bei einem Auftritt im Karneval 1951 den rechten Arm und rief in den Saal „Et es widder am rähne!“. Und wieder wurde er Opfer der vermeintlichen Eliten und mit einem faktischen Auftrittsverbot im Karneval bestraft. Küpper beendete 1960 seine Karriere als Büttenredner und wurde Gastwirt in Köln-Kalk. 1970 verstarb Karl Küpper im Alter von 64 Jahren. Sein Grab ist auf Melaten zu finden.

Im Jahr 2011 hat die Stadt einen Platz in der Innenstadt nach Karl Küpper benannt. Die aber wohl schönste Ehrung für Küpper stammt von der Stunksitzung: Präsident Jürgen Becker hat eine Rede des „Verdötschten“ im originalen Wortlaut vorgetragen.


November 2019: AfD will das Gedenken an Karl Küpper missbrauchen

Gleich zweimal wurde Karl Küpper von den Nazis von den Bühnen verbannt: Zunächst 1939 mit einem ausgesprochenen Auftrittsverbot durch die braunen Machthaber. In der Nachkriegszeit wurde er zum zweiten Mal Opfer der vermeintlichen Eliten. Die alten Nazis, die es in Politik und Gesellschaft wieder zu Ruhm und Ehre gebracht haben, stellten ihn mit einem faktischen Auftrittsverbot kalt.

Und jetzt, 80 Jahre später, vergreifen sich wieder Politiker von Rechtsaußen an dem verdienten Karnevalisten. Ausgerechnet die AfD, deren Protagonist sogar laut Gerichtsbeschluss Faschist genannt werden darf, will einen „Karl Küpper Preis“ für die beste politische Büttenrede der Session ins Leben rufen. Also eine Partei, die eindeutig rechtes Gedankengut vertritt, will einen erklärten Gegner für ihre perfiden Zwecke missbrauchen.

Um eins klarzustellen: Würde Karl Küpper heute noch leben, wäre er entschiedener Gegner der widerlichen Politik der AfD. Sein Sohn, Gerhard Küpper, wendet sich auch ganz entschieden gegen diese Provokation. Er schreibt in einem Brief an unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker „Mein Vater war zu seinen Lebzeiten strikt gegen jede Form nationalsozialistischen Gedankenguts und hat sie mit allen Mitteln unter Lebensgefahr bekämpft; würde er heute noch leben, würde er diesen Kampf auch mit der AfD aufnehmen.“.

In aller Deutlichkeit

Wenn eine tiefbraune Partei sich ausgerechnet an einem Gegner der NS-Diktatur vergreift, um diesen für ihre populistischen Zwecke zu missbrauchen, müssen wir alle unsere Stimme dagegen erheben. Also liebes Festkomitee, liebe Präsidenten der Karnevalsgesellschaften, liebe aktive Büttenredner – höre ich euch?

Ich habe diesen Aufruf an Büttenredner und Funktionäre der Karnevalsgesellschaften geschickt. Die Rückmeldungen dazu findet ihr hier: Stimmen zum Beitrag „Is et am rääne?“ – Büttenredner Karl Küpper


Der Unbeugsame – der Widerstand des Karl Küpper

Theaterstück "Der Unbeugsame - der Widerstand des Karl Küpper" in der Volksbühne am Rudolfplatz
Theaterstück „Der Unbeugsame – der Widerstand des Karl Küpper“ in der Volksbühne am Rudolfplatz

In der Volksbühne am Rudolfplatz lief das Stück „Der Unbeugsame – der Widerstand des Karl Küpper“. Gerd Köster spielte Karl Küpper.

Ob und wann es weitere Vorstellungen geben wird wird auf der Website der Volksbühne veröffentlicht.


Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper

Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper
Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper

Der Historiker und Publizist Fritz Bilz hat das lesenswerte Buch „Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper“ veröffentlicht. 

Fritz Bilz
Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper
3. erweiterte Auflage, Köln 2020
20 Euro, erhältlich in jeder Buchhandlung


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