Fronleichnams-Prozession „Mülheimer Gottestracht“: Wenn der Himmel den Rhein berührt

Die Mülheimer Gottestracht, eine Prozession, die auch auf dem Wasser stattfindet, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Mülheimer Gottestracht, eine Prozession, die auch auf dem Wasser stattfindet, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Wenn an Fronleichnam die Schiffe bunt geschmückt über den Rhein schippern, Weihrauch durch die Gassen zieht und singende Menschen am und auf dem Rhein unterwegs sind, dann ist klar: Es ist wieder Zeit für die Mülheimer Gottestracht – eine der wohl außergewöhnlichsten Fronleichnamsprozessionen weit und breit. Und mit zahlreichen Begleitschiffen und Booten auch eine der größten Schiffsprozessionen auf einem Fluss.

Was wird an Fronleichnam gefeiert?

Fronleichnam ist ein katholisches Hochfest, bei dem die Gegenwart Christi in der Eucharistie gefeiert wird. Das klingt erstmal sehr kirchlich, bedeutet aber ganz einfach: Christen glauben, dass Jesus Christus in der geweihten Hostie, dem „Allerheiligsten“, anwesend ist.

Die Monstranz der Mülheimer Gottestracht, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Die Monstranz der Mülheimer Gottestracht, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Deshalb wird dieses „Allerheiligste“ nicht nur in der Kirche verehrt, sondern feierlich durch die Straßen getragen – in einer prachtvollen Monstranz1Die Monstranz ist ein kostbares liturgisches Schaugefäß. In der Monstranz wird in einem kleinen Fenster eine sogenannte konsekrierte Hostie zur Verehrung und Anbetung aufbewahrt. „Konsekriert“ bedeutet, dass die Hostie der Leib Christi ist. Deswegen sagt man auch „Allerheiligstes“ dazu. unter einem Traghimmel, begleitet von Gesang, Gebeten, Altären am Wegesrand – und in Mülheim sogar mit der großen Schiffsprozession auf dem Rhein.

Die Gottestracht – Mülheims ganz spezielles Fronleichnamsfest

In Mülheim hat Fronleichnam eine ganz besondere Form angenommen. Hier heißt die Prozession nicht einfach Fronleichnamsprozession, sondern Gottestracht – also wörtlich: „Das Tragen Gottes“.

Anders als klassische Prozessionen, die meist einen festen Weg von A nach B nehmen, ist die Mülheimer Gottestracht eine Rundprozession – zu Land und zu Wasser. Die Prozession startet an der Mülheimer Liebfrauenkirche. Dann zieht der Festzug durch das Veedel bis ans Rheinufer. Dort wartet schon ein großes Schiff aus der Flotte der Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt. Auf diesem großen Schiff wird die Monstranz transportiert. Begleitet wird diese Schiffsprozession von etwa 100 weiteren Booten.

Der Schiffskorso der Mülheimer Gottestracht unter der Zoobrücke, Bild: Rolf Heinrich, Köln, via Wikimedia Commons
Der Schiffskorso der Mülheimer Gottestracht unter der Zoobrücke, Bild: Rolf Heinrich, Köln, via Wikimedia Commons

Der Schiffskorso gleitet feierlich stromaufwärts bis zur Zoobrücke und stromabwärts Richtung Stammheim – jeweils bis zu den alten Grenzen der Stadt Mülheim. Vom Rhein aus ergeht der Segen über „Strom und Land“.

Warum wird die Gottestracht auf dem Wasser gefeiert?

Dass die Prozession auch über den Rhein führt, hat nicht nur praktischen, sondern auch tief symbolischen Wert. Der Strom wird hier zum Zeichen für das Leben selbst – immer in Bewegung, verbindend, kraftvoll.

Auch vom Ufer aus verfolgen die Menschen die "M;ülheimer Gottestracht", Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Auch vom Ufer aus verfolgen die Menschen die „Mülheimer Gottestracht“, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Und so verbindet auch die Gottestracht die Menschen: Alt und Jung, Alteingesessene und Zugezogene, Menschen aus Köln und der ganzen Welt kommen zusammen, um Fronleichnam gemeinsam zu feiern.

Auf Spurensuche: Die alten Wurzeln der Prozession

Der Mülheimer Heimatforscher Norbert Krütt-Hüning hat fast 30 Jahre lang die Ursprünge der Gottestracht erforscht. Seine spannende These: Die Wurzeln reichen bis in vorchristliche Zeiten. Die Prozession folge auffällig genau den alten Grenzen Mülheims, vermutet Krütt-Hüning, und diene so  möglicherweise dem symbolischen Schutz des Orts.

Die Mülheimer Gottestracht auf einer Postkarte von 1906
Die Mülheimer Gottestracht auf einer Postkarte von 1906

Die Vorstellung, dass die Gottestracht ein Überbleibsel älterer, vielleicht germanischer, Rituale sein könnte, lässt aufhorchen. Zumindest seit dem 16. Jahrhundert ist belegt, dass das Heilige Sakrament durch Feld und Wald bis nach Dünnwald getragen wurde. Andere Quellen erzählen von alten Wegkreuzen, von Böllerschüssen in Buchheim, Stammheim und Schönrath, von langen Märschen durch den Weidenbruch – und immer wieder vom Rhein als zentralem Teil der Route.

Tatsächlich haben sich die Mülheimer mit der Eingemeindung im Jahr 1914 vertraglich zusichern lassen, dass die Stadt Köln für den Erhalt der Mülheimer Gottestracht eintritt.

Zeitungsanzeigen von Wirten speziell zur Mülheimer Gottestracht in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819
Zeitungsanzeigen von Wirten speziell zur Mülheimer Gottestracht in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819

Prozession wird auch zum Geschäft für die Wirte

Noch heute ist die Mülheimer Gottestracht ein echter Zuschauermagnet. Menschen stehen auf den Brücken und am Ufer und verfolgen diese ganz besondere Prozession. 

Es ist aber davon auszugehen, dass die Strahkraft dieser Veranstaltung vor etwa 200 Jahren noch wesentlich größer war.  So annoncierte der Wirt Johann Joseph Kellerhoven in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819, dass er anlässlich der Prozession „mit gutem Weine, Maitrank, Kaffeee, Thee, Punsch und Schokolade“ seine Gästen aufwartet.   

Auch der Wirt des Lokals „Zur schönen Aussicht am Thürmchen“ inseriert zu diesem Anlass. Bei ihm gibt es neben feinem Kaffee und Weinwirtschaft auch eine „reinliche und prompte Bedienung“.

Für die Gläubigen mehr als ein folkloristisches Spektakel

Was heute wie ein folkloristisches Spektakel daherkommt, ist für viele Gläubige mehr als nur Brauchtum. Es ist Ausdruck von Hoffnung und Gemeinschaft. Oder, wie Pfarrer Stefan Wagner es ausdrückt: „Da, wo Menschen einander in Liebe und Gerechtigkeit begegnen, ist Gott selbst am Werk.“

Und so berührt vielleicht tatsächlich an Fronleichnam der Himmel den Rhein. In Mülheim.


Norbert Krütt-Hüning hat ein Buch über die Mülheim Gottestracht geschrieben.
Norbert Krütt-Hüning hat ein Buch über die Mülheim Gottestracht geschrieben.

Buch: „Die Bedeutung der Gottestracht für Mülheim am Rhein“

Wer mehr über die Geschichte der Gottestracht erfahren möchte, sollte einen Blick in das Buch „Die Bedeutung der Gottestracht für Mülheim am Rhein“ von Norbert Krütt-Hüning werfen. Das Buch ist für 18 Euro direkt beim Autor erhältlich (kruett@web.de). Ein echtes Stück kölscher Heimatforschung.


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