Der Rathausturm – Ausdruck kölschen Selbstbewusstseins

Der Rathausturm in Köln vom Alter Markt aus, Bild: Ansgar Koreng

Podcast Rathausturm, 29
 

Kein anderes Bauwerk in Köln repräsentiert das Selbstverständnis der Kölner so gut wie der mächtige Rathausturm. Vor dem Bau wurde die Skyline der Stadt ausschließlich durch die vielen Kirchtürme geprägt.

Mit der Fertigstellung des Rathausturms im Jahr 1414 wurde der erhabene Turm zum Symbol dafür, dass „Köln eine Stadt der Bürger ist und von Bürgern regiert wird“.1Dr. Ulrich Soénius im Grußwort zur Kölsch-Diplom-Arbeit von Heribert und Laura Günther mit dem Titel „Der Rathausturm in Köln“, Köln 2019 Somit ist der Rathausturm auch ein sichtbares Zeichen der Emanzipation von der Kirche.

Ältestes Rathaus Deutschlands

Die ältesten Urkunden, die ein Rathaus in Köln belegen, stammen aus dem Jahr 1135 und 1152. Dort wurde ein Haus erwähnt, in dem die Bürger zusammenkommen: „domus in quam cives conveniunt“.

Auch die Lage dieses Hauses lässt durch ein Dokument aus dem Jahr 1149 bestimmen: Dieses Haus lag im Judenviertel der Stadt: „domus inter judeos sita“ – exakt der Standort des heutigen Kölner Rathauses. Vermutlich hat es sich dabei um einen Bau im romanischen Stil mit zwei Geschossen gehandelt. In den Jahren 1328 bis 1330 wurde dieser romanische Bau massiv umgebaut, unter anderem entstand auch der repräsentative Hansasaal.

Das Kölner Rathaus, hier auf einem Kupferstich um etwa 1655, Bild: Künstler unbekannt, via Wikimedia Commons
Das Kölner Rathaus, hier auf einem Kupferstich um etwa 1655, Bild: Künstler unbekannt, via Wikimedia Commons

Der „Verbundbrief“ sichert Kaufleuten und Handwerker Teilhabe an der Macht

Köln war im 15. Jahrhundert eine der bedeutendsten und fortschrittlichsten  Städte Europas mit etwa 35.000 bis 40.000 Einwohnern. Der „Verbundbrief“,  eine Art „Verfassung “ der Stadt, wurde im Jahr 1396 verabschiedet. Über ein kompliziertes System erzwangen sich Kaufleuten und Handwerker erstmals Plätze im Stadtrat und somit eine Teilhabe an der Macht.

Dieses wachsende Selbstverständnis der Bürgerschaft sollte auch deutlich nach außen gezeigt werden. Daher wurde am 19. August 1406 beschlossen, einen repräsentativen und gleichzeitig auch funktionalen Rathausturm direkt am bereits bestehenden Rathaus zu errichten. Der Turm wurde in den Jahren 1407 bis 1414 von den Kölner Zünften errichtet. Ein beeindruckender Bau mit 61 Metern Höhe.

Neben der reinen Repräsentation erfüllte der Rathausturm aber auch praktische Funktionen:

  • Ganz oben war die Wachstube des Feuerwächters. Der große Höhe ermöglichte einen guten Blick über die Stadt, Feuer konnten rechtzeitig erkannt werden und mit einer „Feuerglocke“ wurde die Bevölkerung gewarnt.
  • Ganz unten gab es den „Keller zu der Steden Weynen“ – ein Weinkeller.
  • Im ersten Obergeschoß befand sich die Ratskammer.
  • In den Geschossen darüber gab es eine „Kammer zo der Stede Reyschap“. Hier wurde Waffen gelagert.
  • Zusätzlich gab es auch ein „Gevolwe zo der Stede Privilegien“ (Archiv) zur sicheren Lagerung der städtischen Urkunden.

Neben der Feuerglocke wurde auch noch die Ratsglocke aufgehangen. Mit dieser Glocke wurden Sitzungen des Stadtrates einberufen und deren Entscheidungen wurden mit einem Schlag dieser Glocke rechtskräftig.

Der zum größten Teil zerstörte Rathausturm im Jahr 1945, Fotograf: unbekannt
Der zum größten Teil zerstörte Rathausturm im Jahr 1945, Fotograf: unbekannt

Massive Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg – Wiederaufbau initiiert durch Bernhard Günther

Das Rathaus sowie der Rathausturm wurden im Zweiten Weltkrieg fast völlig zerstört. Vom Rathausturm stand gerade noch ein Drittel. Es gab sogar Überlegungen, den Turm gänzlich abzureißen und neu aufzubauen.

Dass es zu dem Wiederaufbau kam, ist maßgeblich Bernhard Günther (1906 – 1981) zu verdanken. Günther war Inhaber der Elektrofirma Günther, Präsident der Kölner Handwerkskammer, Stadtverordneter in Köln und von 1949 bis 1965 Mitglied des Deutschen Bundestags.

Der umtriebige Elektromeister Günther war glühender Verfechter des zügigen Wiederaufbaus des Rathausturms. Bei der ersten Vollversammlung am 21. August 1948 der Handwerkskammer erinnerte Bernhard Günther an die alte Zunft-Tradition: „… das Handwerk möge überlegen, ob wir … den renovierten Rathausturm der Stadt Köln zum Geschenk machen können.“ Sein Appell war erfolgreich, einstimmig gab die Vollversammlung ihre Zustimmung zu dem Vorhaben.

Gründung der „Bauhütte Rathausturm“

Bernhard Günther setzte den Wiederaufbau auch ganz praktisch um: Unter seiner Federführung wurde am 24. April 1950 der Bauhütte Rathausturm e.V. gegründet – mit ihm als Vorstand. Konrad Adenauer wurde Schirmherr.

Grundsteinurkunde für den Neubau des Rathausturmes (Kopie Stadtarchiv)
Grundsteinurkunde für den Neubau des Rathausturmes (Kopie Stadtarchiv)

Die Grundsteinlegung zum Wiederaufbau war am 26. Mai 1950. Der Grundstein erhielt die Inschrift

1407 – 1414 von den Zünften erbaut
1943 – 1945 im Bombenhagel zerschlagen
1950 vom Kölner Handwerk wiedererrichtet.

Geschichte wiederholt sich: So wurde der Rathausturm, nach der Errichtung durch die Zünfte Anfang des 15. Jahrhunderts, im 20. Jahrhundert von den Kölnern Handwerkern gerettet. Bis in das Jahr 1975 wurde an dem Rathausturm gebaut und das Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut.

Der Platzjabbeck streckt die Zunge raus

Der Rathausturm verfügt auch über eine Uhr und den „Platzjabbek“. Dies ist eine geschnitzte Fratzen-Figur gleich unter dem Zifferblatt der Uhr, welche jeweils zur vollen Stunde den Mund öffnet und die Zunge rausstreckt. Die Figur ist bereits seit dem 15. Jahrhundert am Rathaus zu finden. Aber erst seit 1913 kann der Platzjabbeck auch die Zunge rausstrecken.

Der Platzjabbeck am Rathausturm in Köln, Bild: Raimond Spekking
Der Platzjabbeck am Rathausturm in Köln, Bild: Raimond Spekking

So ergibt sich schnell die Interpretation, dass diese Figur den Stadtrat verspotten sollte. Naheliegend, aber falsch. Denn im Jahr 1445 hat der Rat diese Figur selbst in Auftrag gegeben und auch die Rechnung dafür bezahlt. Und das mit Sicherheit nicht, um sich selbst zu verspotten.

Tatsächlich steht der Platzjabbeck dafür, dass die stolzen Kölner Bürger genau wissen, wann sie „das Maul aufmachen“ und zuschnappen müssen. Dies geht auf eine Legende Karls des Großen zurück.2Der Sage nach soll Karl der Große seine drei Söhne aufgefordert haben, den Mund weit zu öffnen. Der erste Sohn weigerte sich, die anderen beiden folgten dem Wunsch ihres Vaters. Karl legte ihnen ein Stück Apfel in den Mund und übergab ihnen so einen Teil seines Reiches, während der erste Sohn leer ausging.
Die Moral von der Geschichte: Wer also zur rechten Zeit den Mund öffnet und zuschnappt, gewinnt Macht und Einfluss.

Diese Darstellung ist also eine bildliche Darstellung des (leider oft übersteigerten) kölschen Selbstbewusstseins.


Glockenspiel und Figurenprogramm

Für das Auge gibt es das Figurenprogramm des Rathausturms – 124 Persönlichkeiten der Kölner Stadtgeschichte. Für das Ohr sorgt das Glockenspiel vom Rathausturm. Mehr dazu in den folgenden Wochen.


Laura und Heribert Laura Günther: „Der Rathausturm in Köln“, Diplomarbeit, vorgelegt an der "Akademie för uns kölsche Sproch" (2019)
Laura und Heribert Laura Günther: „Der Rathausturm in Köln“, Diplomarbeit, vorgelegt an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ (2019)

Ein großes DANKE an Laura und Heribert Laura Günther. Die beiden haben mir für diesen Artikel ein Exemplar ihrer Diplomarbeit mit dem Titel „Der Rathausturm in Köln“ zur Verfügung gestellt, welche sie 2019 im Rahmen ihres Studiums an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ vorgelegt hatten.


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Kölner Brücken: Die Mülheimer Schiffbrücke – anfällige Verbindung über den Rhein

Ein Schiff passiert die geöffnete Mülheimer Schiffbrücke, Bildquelle: unbekannt, Public Domain, via Wikimedia Commons
Ein Schiff passiert die geöffnete Mülheimer Schiffbrücke, Bildquelle: unbekannt, Public Domain, via Wikimedia Commons

Für die Mülheimer kam am 18. Mai 1888 eine große Erleichterung: Endlich konnten sie ohne Fähre von Mülheim nach Köln. Möglich machte dies eine neu eröffnete Pontonbrücke. Die aus Holz gefertigte Brücke lag auf 40 schwimmenden Nachen und verband das rechtsrheinische, damals noch eigenständige, Mülheim mit dem heutigen Köln-Riehl. Diese Brücke darf nicht mit einer ähnlichen Schiffbrücke verwechselt werden, welche das linksrheinische Martinsviertel mit Deutz verband.


Steckbrief Mülheimer Schiffbrücke

  • Breite: 12 m
  • Baubeginn: 1885
  • Eröffnung: 18. Mai 1888
  • Einstellung des Betriebs: 20. Juni 1927 

Schiffe und Hochwasser erschweren Betrieb

So bequem die Brücke auch war, hatte sie doch einen großen Haken: Für die Durchfahrt der Schiffe auf dem Rhein musste die Brücke geöffnet werden. Dafür wurde der Mittelteil abgekoppelt, um den Schiffen die Passage zu ermöglichen. Da dies, so der Riehler Stadthistoriker Joachim Brokmeier, bis zu 30 Mal täglich geschah, war ein ordnungsgemäßer Betrieb kaum möglich. 1 Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022

Das zweite große Problem war der Wasserstand des Rheins. So musste bei Niedrigwasser und insbesondere Hochwasser der Betrieb der Brücke gesperrt werden. Und dann waren noch die Schiffe auf dem Rhein selber, welche zu einer Gefahr für die Brücke wurden. Bereits am Tag der Eröffnung rammte ein Schiff die schwimmende Brückenkonstruktion und beschädigte zwei Nachen so schwer, dass diese ersetzt werden mussten. Eine weitere große Gefahr für die Holzkonstruktion war Feuer. Deshalb war das Rauchen auf der Brücke streng untersagt.

Gebraucht gekauft – Refinanzierung durch Brückenmaut

Ursprünglich war diese Brücke in Mainz in Betrieb. Um die ungeliebte Rheinfähre durch die Schiffbrücke abzulösen, kaufte die Stadt Mülheim den Mainzern die schwimmende Brücke ab. Und griff Anfang 1888 dafür tief in die Tasche: Inklusive Transportkosten, den notwendigen Baumaßnahmen zur Verankerung der Einzelelemente und der Errichtung der Zufahrtsrampen belief sich die Investition auf rund 250.000 Mark. Zum Vergleich: Der durchschnittliche Jahresverdienst eines Arbeiters lag in dieser Zeit bei etwa 660 Mark.

Ab dem 1.Januar 1915 wurde das Brückengeld für die Mülheimer Schiffbrücke von vier auf zwei Pfennig für Fußgänger reduziert, Bild: Sammlung Brokmeier
Ab dem 1.Januar 1915 wurde das Brückengeld für die Mülheimer Schiffbrücke von vier auf zwei Pfennig für Fußgänger reduziert, Bild: Sammlung Brokmeier

Dieses Geld musste irgendwie wieder eingespielt werden. Daher musste jeder, der die Brücke passieren wollte, eine Brückenmaut entrichten: Vier Pfennig für Fußgänger2Anfang 1915 wurde das Brückengeld auf 2 Pfennig reduziert, drei Pfennig für Kleinvieh, für die Passage eines Esels oder Rinds wurden zehn Pfennig fällig und Kutschen wurden mit 60 Pfennig zur Kasse gebeten. Diese Kosten schreckten aber nicht ab – die Brücke wurde rege genutzt. Allein im Jahr 1910 wurden 755.000 Fußgänger und 100.000 Karren oder Wagen gezählt.

Starke Beschädigung durch Eisgang

Erst ab 1920 wurde kein Brückengeld mehre erhoben. Allerdings war die Schiffbrücke auch bereits schwer in die Jahre gekommen. Am 27. Dezember 1926 hatte starker Eisgang auf dem Rhein die Schiffbrücke schwer beschädigt. Historiker Brokmeier dazu: „Einige Pontons wurden abgetrieben und kamen erst mit einigen Besatzungsmitgliedern führungslos in Merkenich an Land.“3Kölner Stadt-Anzeiger vom 20.08.2022

Der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke wurde am 20. Juni 1927 wird eingestellt und es wurde "Brücken-Abschied" gefeiert, Bild: Sammlung Brokmeier
Der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke wurde am 20. Juni 1927 wird eingestellt und es wurde „Brücken-Abschied“ gefeiert, Bild: Sammlung Brokmeier

Neubau einer Brücke

Im Zuge der Eingemeindungsverhandlungen zwischen Mülheim und der Stadt Köln hatte sich die Stadt Köln im Jahr 1914 dazu verpflichtet, eine feste Brücke zu errichten. Gleichzeitig war die altersschwache Schiffbrücke nicht mehr in der Lage, dem stark wachsenden Verkehr im beginnenden 20. Jahrhundert gerecht zu werden. So wurde am 20. Juni 1927 der Betrieb der Mülheimer Schiffbrücke eingestellt.

Am 13. Oktober 1929 eröffnete die erste Mülheimer Brücke – die damals mit einer Spannweite von 315 m die größte aller selbstverankerten Hängebrücken war. Die Zeit der anfälligen Schwimmbrücken war vorbei.

Aber dafür haben wir heute ganz andere Probleme mit den Kölner Brücken.


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


Riehl - eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier
Riehl – eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier

Riehler Geschichten

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“ und hat mir Fotos für für diesen Beitrag zur zur Verfügung gestellt. Brokmeier ist ein Experte für Köln-Riehl und hat auch bereits mehrere Bücher  über diesen Stadtteil veröffentlicht.


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Kölner Köpfe – Kunst im Untergrund

Acht der 40 "Kölner Köpfe" in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel
Acht der 40 „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Etwa 25.000 Menschen sehen täglich die Mona Lisa im Louvre. Dafür steht man stundenlang an und zahlt einen hohen Eintritt. Ebenfalls ungefähr 25.000 Menschen steigen täglich am Appellhofplatz in die Bahn. Und sehen nicht nur ein Portrait, sondern gleich 40. Und das völlig kostenlos. Ohne anzustehen.

Seit 1990 gibt es die „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle. Hier kann man dem Schauspieler Willy Millowitsch, der Franziskanerin Schwester Ansgaria, dem Fußballer Pierre Littbarski und 37 weiteren bekannten und unbekannten Kölnerinnen und Kölnern in die Augen sehen.

Stencil – aus Schablonen entstehen Kunstwerke

Urheber dieses Kunstwerks sind die vier Freunde Justus Herrmann, Ralf Jesse, Hans-Peter Dürhager und Andreas Paulun, die sich Ende der 1980er  regelmäßig in Ehrenfeld trafen. Bei einem dieser Treffen im Jahr 1988 zeigte Paulun seinen Kumpels ein sogenanntes „Stencil“. Stencil ist der englische Begriff für Schablone. Mit einer solchen Schablone werden Graffitis hergestellt. Stencils stammen ursprünglich aus den 1970er Jahren aus Frankreich und werden dort „pochoir“, nach dem französischen Wort für Schablone, genannt.

Bei dem Stencil wird eine vorgefertigte Schablone auf einen Untergrund gedrückt und die Farbe durchgesprüht. Kombiniert man mehrere Schablonen, entstehen bunte Motive. Und diese können dann beliebig oft und sehr schnell in unterschiedlichen Farben wiederholt dargestellt werden – ideal für illegale Graffitis.

Doch den vier Freunden kam ein anderer Gedanke: Kein eilig nachts gesprühtes Graffiti irgendwo an einer Mauer in der Stadt, sondern geschützt an einem Ort. Nicht der Vergänglichkeit preisgegeben, sondern zeitlos.

Die Haltestelle Appellhofplatz, auf den Säulen in der Mitte: Die Kölner Köpfe, Bild: ReferenceBK, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Die Haltestelle Appellhofplatz, auf den Säulen in der Mitte: Die Kölner Köpfe, Bild: ReferenceBK, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Die U-Bahnhaltestelle als idealer Ort

Eine U-Bahnhaltestelle erschien den Künstlern als idealer Ort: Viele Passanten steigen dort täglich ein und aus, die kurze Wartezeit kann dem Kunstwerk gewidmet werden. Heute würde das so nicht mehr funktionieren: Die Menschen nutzen jede noch so kurze Möglichkeit und starren in ihr Smartphone. Daran war 1990, zur Eröffnung des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ an der Haltestelle Appellhofplatz, noch nicht zu denken.

Zusätzlich ist eine U-Bahnhaltestelle nicht der Witterung ausgesetzt. Als idealer Ort für die Stencils wurden die Säulen zwischen den Gleisen ausgemacht: Geschützt, aber trotzdem frei einsehbar.

Auch die Motive waren schnell klar: Menschen aus Köln, prominent oder unbekannt. Dabei ging es dem Künstlerkollektiv nicht darum, „einzelne Menschen hervorzuheben aus der anonymen Masse, sondern mit neuen Mitteln die alte Geschichte von Einzigartigkeit und Vielfalt, von deren gegenseitiger Bedingtheit und ihrer Bedrohung durch Anonymität und Masse neu zu erzählen.“1KölnTakt 2-2019, Zeitungsbeilage der KVB, September 2019

Idealerweise gibt es in der Haltestelle 20 Säulen. Auf jede Säule passen drei Portraits auf die Vorder- und drei auf die Rückseite. Macht insgesamt Platz für 120 Portraits. So konnte jeder der vier Künstler zehn Portraits in dreifacher Ausfertigung anfertigen.  

Thomas Kehr, Fahrradkurier

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"Kölner Köpfe", Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Die Auswahl der „Kölner Köpfe“

Gezeigt werden die Portraits von 40 Menschen, die in Stadt leben. Prominente und Lück wie ich und du. Und so ist ebenso der Kopf von Alfred Biolek neben dem Portrait von Thomas Kehr, einem Fahrradkurier, zu finden wie auch das Bild der Nonne Schwester Ansgaria, das neben Willy Millowitsch seinen Platz findet.  Der Travestiekünstler Fine de Cologne wurde abgebildet, genau wie der Boxer Milorad Jevremovic oder Anja Friehoff, die als „Frau des Augenblicks“ ihren Platz gefunden hat. Abgebildet wurden auch der Imbissbesitzer Adnan, Musiker Jürgen Zeltinger, Philosophieprofessor Günter Schulte und der Kölner Sammler Hermann Götting. Und 29 weitere Menschen.

Ein "Kölner Kopf": Straßenbahnfahrerin Lydia Prangenberg, geb. Rick, Bild: Uli Kievernagel
Ein „Kölner Kopf“: Straßenbahnfahrerin Lydia Prangenberg, geb. Rick, Bild: Uli Kievernagel

Auch die KVB-Mitarbeiterin Lydia Prangenberg, geb. Rick, ist ein „Kölner Kopf“. Früher wurde sie oft auf das Portrait angesprochen, heute zeigen ihre Enkel und Urenkel stolz das Bild von Oma oder Uroma ihren Freunden.  

Der unbekannte Künstler „Tabot Velud“

Für heutige Verhältnisse nahezu unvorstellbar: KVB und Stadt Köln stimmten der flott skizzierten Idee schnell und unkompliziert zu, als Hauptsponsor wurde Reynolds Tobaccos (Camel, Lucky Strike oder Pall Mall) gewonnen.

Plakette "Kölner Köpfe" in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel
Plakette „Kölner Köpfe“ in der U-Bahnhaltestelle Appellhofplatz, Bild: Uli Kievernagel

Als Künstler hinter dem Kunstwerk wurde „Talbot Velud“ genannt. Dieser Name hat keinerlei Bedeutung. Justus Herrmann dazu „Damit wollten wir nur möglichst viel Nebel verbreiten.“ Das ist bestens gelungen. In einem Artikel der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zu den Kunstwerken in der Kölner U-Bahn schreibt die Architektin und Kunsthistorikerin zu den „Kölner Köpfen“: “Ein Schild an der Schmalseite eines der Bahnsteige nennt neben dem Namen des Kunstwerks „Kölner Köpfe“ und seines Gestalters Tabot Velud auch einen großen Tabakkonzern als Sponsor. Über Velud habe ich sonst nichts weiter in Erfahrung bringen können.“2Barbara Schock-Werner: Kölner U-Bahn-Stationen in der Kritik  – Die Kunst in Kölns Untergrund, Kölner Stadt-Anzeiger vom 2.Dezember 2014.

Kunstwerk ist heute „rechtslos“

Heute würde man sich wünschen, dass die Verantwortlichen mal ein paar Eimer Farbe an die Säulen der Haltestelle werfen und insgesamt mal etwas saubermachen würden. Allerdings: Wieso sollte es hier anders sein, wenn doch die ganze Stadt eher knüsselich daherkommt?

Der ursprüngliche Nutzungsvertrag für die Säulen mit den „Kölner Köpfen“ wurde für zehn Jahre unterschrieben und ist bereits im Jahr 2000 ausgelaufen. Seitdem ist das Kunstwerk eigentlich „rechtslos“. Aber das kümmert in Köln keinen Menschen. Auch nicht die seit der Eröffnung des Kunstwerks im Jahr 1990 bereits etwa 300 Millionen Menschen, die dieses mittlerweile gesehen haben.

Da kann noch nicht einmal die Mona Lisa mithalten.


Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel
Die leere, verlassene Station Heumarkt. Und trotzdem fährt eine Bahn durch. Zumindest akustisch. Bild: Uli Kievernagel

Noch mehr Kunst in der U-Bahn gibt es am Heumarkt. Dort fährt täglich der Ghosttrain durch.


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Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der umfassenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, welche bis 2026 abgeschlossen sein soll, auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


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Kölner Brücken: Die Zoobrücke – leichtes Schwanken inklusive

 

Die Zoobrücke Köln, Bild: Raimond Spekking
Die Zoobrücke Köln, Bild: Raimond Spekking

Heute brettern täglich bis zu 125.000 Autos über die Zoobrücke. Ausgelegt wurde dieses Bauwerk auf gerade mal 12.000 Autos pro Tag. Kein Wunder, dass der Verschleiß an der meistbefahrenen Brücke Kölns enorm ist.

Diese zehnfach höhere Beanspruchung macht sich massiv bemerkbar. Genau wie die anderen Rheinbrücken ist auch die jüngste der Kölner Brücken sanierungsbedürftig. Ein Gutachten aus dem Jahr 2021 konstatiert „… bereichsweise schwerwiegende Schädigungen an den innenliegenden Entwässerungsleitungen … Die Leitungen sind stellenweise durchrostet und gerissen, mit der Folge, dass Oberflächenwasser der Fahrbahnen in die Hohlkästen der Spannbetonbrücke gelangt und weitere Schäden am Beton der Brücke verursacht…“

Deswegen hat der Rat Anfang Februar 2022 einstimmig fast 2 Mio. Euro zur schnellen Sanierung der Brücke bewilligt. Wie man aber die Kölner Brückenverhältnisse kennt, wird dies wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs an Sanierungskosten sein. Geprüft wird auch der Verdacht, dass beim Bau der Brücke zum Teil Stahl mit ungewöhnlichen Zusammensetzungen verwendet wurde. Dieser Stahl könnte die Haltbarkeit des Bauwerks gefährden.


Steckbrief Zoobrücke

  • Länge: 597 m
  • Breite: 33 m
  • Baubeginn: 1962
  • Fertigstellung: 1966
  • Eröffnung: 22. November 1966

Brücke der kölschen Superlative

Bereits 1953 wurde die Notwendigkeit einer weiteren Rheinbrücke festgestellt. In einem 1962 veranstalteten Gestaltungswettbewerb für die neue Brücke setzte sich ein alter Bekannter durch: Es gewann der Entwurf des Kölner Architekten Gerd Lohmer (1909 – 1981). Lohmer hatte bereits maßgeblichen Anteil am Bau der Deutzer Brücke und der Severinsbrücke.

Bau des Pfeilers der Zoobrücke, Aufnahme um 1962/63, Bild: Foto Peters, Sammlung Brokmeier
Bau des Pfeilers der Zoobrücke, Aufnahme um 1962/63, Bild: Foto Peters, Sammlung Brokmeier

Der 22. November 1966 war ein kalter, nasser Dienstag im Herbst. Trotzdem kamen viele Kölner, um an diesem die Einweihung ihrer neuen Rheinüberquerung zu feiern. Nach nur vierjähriger Bauzeit war die Verbindung zwischen den rechtsrheinischen Autobahnen und der nie vollendeten linksrheinischen Stadtautobahn fertig. Lohmers Entwurf sah ein schlankes Bauwerk mit nur einem asymmetrisch stehenden Brückenpfeiler vor, um den Blick auf den Dom nicht zu beinträchtigen.

Die massiven Kästen unter der Zoobrücke erhöhen die Tragfähigkeit, Bild: Knöchel, Franz-Josef / Landschaftsverband Rheinland, CC-BY
Die massiven Kästen unter der Zoobrücke erhöhen die Tragfähigkeit, Bild: Knöchel, Franz-Josef / Landschaftsverband Rheinland, CC-BY

Die Zoobrücke ist Kölns Brücke der Superlative: Sie ist die weltweit am weitesten gespannte Kastenträgerbrücke1Kastenbrücken sind Brückenbauwerke, welche an der Unterseite mit einer kastenförmigen Konstruktion zur Erweiterung der Tragfähigkeit versehen werden.. Sie war, bis zur „Verdopplung“ der Rodenkirchener Brücke, mit 33 Meter Kölns breiteste Brücke und zur Fertigstellung im Jahr 1966 auch Kölns teuerste Brücke.

Kölner Architekturpreis 1967

Die Zoobrücke wurde im Jahr 1967 mit dem Kölner Architekturpreis augezeichnet. Dieser Preis zeichnet vorbildliche Bauten in Köln und dem Umland aus und wird für herausragende baukünstlerische Leistungen vergeben. Dabei werden nicht nur die Leistungen der beteiligten Architekten, sondern ausdrücklich auch der verantwortungsvolle Part der Bauherren gewürdigt.

An Aufgang der linksrheinischen Seite der Zoobrücke wurde die Plakette "Architekturpreis Köln 1967" angebracht. Bild: Hartleib
An Aufgang der linksrheinischen Seite der Zoobrücke wurde die Plakette „Architekturpreis Köln 1967“ angebracht. Bild: Hartleib

Wohin mit der Seilbahn?

Bereits zur Bundesgartenschau 1957 wurde die Kölner Rheinseilbahn eröffnet. Die bei den Kölner äußerst beliebte Verbindung zwischen Zoo und Rheinpark stand der Zoobrücke im Weg. Also: Weg damit, um Platz für die Brücke zu schaffen. Außerdem, so die Mutmaßung vermeintlicher Experten, würden die Gondeln der Seilbahn die Autofahrer auf der Zoobrücke irritieren.

Doch hier erfuhren die Verantwortlichen der Stadt heftigen Gegenwind aus der Bürgerschaft. So ruderte der Rat der Stadt Köln zurück und beschloss im Juli 1964 eine leicht veränderte Trassenführung der Seilbahn. Nach zwei Jahren war es soweit: Am 22. August wurde die Seilbahn wieder in Betrieb genommen. Und noch ist kein Autounfall auf der Zoobrücke bekannt, der durch einen Blick auf die bunten Gondeln ausgelöst wurde.

Die Rheinseilbahn quert die Zoobrücke, Bild: Ebertplatz, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Die Rheinseilbahn quert die Zoobrücke, Bild: Ebertplatz, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Aus der Nordbrücke wird die Zoobrücke im „Kölner Brückengrün“

Ursprünglich sollte die Zoobrücke den eher langweiligen Namen „Nordbrücke“ tragen. Doch dann wurden die Leser einer Tageszeitung befragt und stimmten ab: Das Rennen machte der Name „Zoobrücke“ – immerhin liegt der Zoo nur wenige Meter von der linksrheinischen Auffahrt entfernt.

Bei der Farbgebung konnte sich Architekt Lohmer nicht durchsetzen: Statt des ursprünglich geplanten roten Anstrichs wurde die Brücke, genau wie die Mülheimer Brücke, die Deutzer Brücke2Hier allerdings nur der ältere Stahlteil und nicht der neuere Betonteil, die Rodenkirchener Autobahnbrücke und die Severinsbrücke im „Kölner Brückengrün“ gestrichen.

Leichtes Schwanken

Wenn man zu Fuß über die Zoobrücke geht, kann man merken, dass das Bauwerk je nach Verkehr ordentlich schwankt. Tatsächlich setzte Architekt Lohmer bei diesem Bauwerk auf eine Leichtbauweise – und diese schwankt bei höherer Beanspruchung gerne etwas.

Merke: Nicht jedes Schwanken in Kölle hängt mit dem Genuss von elf Kölsch zusammen!


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


Riehl - eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier
Riehl – eine Sradtteilgeschichte in Postkarten, Buch von Joachim Brokmeier (18,50 Euro, in jeder Buchhandlung erhältlich). Bild: Brokmeier

Riehler Geschichten

Ein großes DANKE an Joachim Brokmeier. Der Stadtteilhistoriker betreibt die lesenswerte Website „Riehler Geschichten“ und hat mir Fotos für für diesen Beitrag zur zur Verfügung gestellt. Brokmeier ist ein Experte für Köln-Riehl und hat auch bereits mehrere Bücher  über diesen Stadtteil veröffentlicht.


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Balzac auf dem Neumarkt – oder: Et kütt wie kütt!

Die Statue des Künstlers Auguste Rodin stellt den Schriftsteller Honoré de Balzac dar, Bild: Uli Kievernagel
Die Statue des Künstlers Auguste Rodin stellt den Schriftsteller Honoré de Balzac dar, Bild: Uli Kievernagel

Jetzt steht er da: Balzac. Am Neumarkt. Riesig, schwarz. Mehr als vier Meter hoch und acht Tonnen schwer. Köln ist um ein Kunstwerk im öffentlichen Raum reicher: Die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac befindet sich auf der östlichen Seite des Neumarkts.

Bewegte Geschichte des Kunstwerks

Um es gleich den Kritikern vorwegzunehmen: Die Stadt hat weder für die Skulptur noch für den Sockel etwas bezahlen müssen. Henrik Hanstein, Inhaber des Kunsthauses Lempertz, hat alle Kosten getragen.

Die Statue selber hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der renommierte Bildhauer François-Auguste-René Rodin (1840 – 1917) fertigte bereits 1891 ein lebensgroßes Gipsmodell des Dichters Honoré de Balzac an. Dieses Modell wurde in Paris ausgestellt – und kam überhaupt nicht gut an. Die, so die Kritiker, groteske Darstellung des Schriftstellers Balzac wäre unangemessen. Rodin, mindestens leicht beleidigt, brachte das Gipsmodell in sein Haus in Meudon, einem Vorort von Paris.

Detailansicht der Balzac-Statue von Rodin, Bild: Uli Kievernagel
Detailansicht der Balzac-Statue von Rodin, Bild: Uli Kievernagel

Mehr oder minder vergessen lagerte dort das Gipsmodell. Erst 1939, immerhin 22 Jahre nach dem Tod Rodins, wurde die Statue erstmals in Bronze gegossen und in Paris an der Ecke Boulevard du Montparnasse, Boulevard Raspail aufgestellt. Die in Köln aufgestellte Skulptur ist ein Bronzeabdruck des in Paris ausgestellten Originals.

Der Plan, die Skulptur mitten auf dem Neumarkt aufzustellen, wurde schnell verworfen, da damit die nutzbare Fläche des Platzes stark eingeschränkt wäre. So müsste zum Beispiel der Zirkus Roncalli, welcher regelmäßig seine Zelte auf dem Neumarkt aufschlägt, seine Artisten um Balzac drumherum jonglieren lassen. Daher wurde der Bereich am Rand des Platzes gewählt – unmittelbar vor dem Ladenlokal des Stifters. 

Problemzone Neumarkt

Andere Städte würden Köln um den Neumarkt beneiden: Ein großer, repräsentativer Platz. Mitten in der Stadt. Top Lage. Und auch verkehrstechnisch perfekt angebunden. Und genau hier liegt das  wesentliche Problem: Der Neumarkt ist ein verkehrsumtoster Platz. Bis zu drei Fahrspuren trennen den Platz von den Fußgängerbereichen, der tägliche Stau ist Normalität. Die Aufenthaltsqualität dort ist gleich Null.

Der Neumarkt - eine verkehrsumtoste Insel in der Stadt, Bild: Raimond Spekking
Der Neumarkt – eine verkehrsumtoste Insel in der Stadt, Bild: Raimond Spekking

Gleichzeitig ist der Neumarkt der Hotspot für Kölns Drogenszene. Es wird gedealt, und man muss sich nicht besonders anstrengen, Junkies zu finden, die sich auf offener Straße eine Nadel in die Vene rammen.

Kurzum: Auf dem Neumarkt hält man sich – wenn überhaupt- nur auf, um auf die Bahn zu warten, oder man versucht, sich diesen Platz auf dem Weihnachtsmarkt mit reichlich Glühwein schönzutrinken.

Aufwertung Neumarkt als Teil des Speer-Masterplans

Die Skulptur ist Teil einer Initiative, den Neumarkt aufzuwerten. Und diese Aufwertung ist wiederum Teil des „Masterplan Innenstadt Köln“, auch bekannt als „Speer-Masterplan“, welcher bereits seit 2009 vorliegt.

Aus ein paar Meter Entfernung wirkt die Rodin-Statue etwas verloren zwischen Ampeln, Autos und Leuchtreklame, Bild: Uli Kievernagel
Aus ein paar Meter Entfernung wirkt die Rodin-Statue etwas verloren zwischen Ampeln, Autos und Leuchtreklame, Bild: Uli Kievernagel

Die konkrete Idee im Masterplan zum Neumarkt: Die Nordseite (die Seite, an welcher die Schildergasse einmündet) soll vollständig autofrei werden und zusammen mit der Apostelnstraße eine große Fußgängerzone werden.

Und bis dies irgendwann mal geschieht, kann Balzac dem lauten Treiben und den Staus rund um den Neumarkt zusehen. Und irgendwie war Balzac extrem weitsichtig. Ihm wird dieses Zitat zugeschrieben, welches perfekt seine Sicht auf den Neumarkt und die Aufwertung des Platzes zusammenfasst:

Alle Macht des Menschen besteht
aus einer Mischung von Zeit und Geduld.
Honoré de Balzac (1799-1850)

Die kölsche Übersetzung dazu lautet:
Et kütt wie et kütt.


Umzug der Skulptur 2026

Im Januar 2024 hat die Bezirksvertretung Innenstadt entschieden, dass die Skulptur noch maximal zwei Jahre am Standort stehen bleiben soll. Bin mal gespannt, wie lange Rodin sich das Treiben am Neumarkt noch tatsächlich ansehen wird.


Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking
Sehenswürdigkeiten rund um den Kölner Neumarkt, Bilder: Uli Kievernagel, Raimond Spekking

Rund um den Neumarkt gibt es viel zu erkunden!

Am Neumarkt steht nicht nur die riesige Eistüte von Claes Oldenburg, sondern auch die von Rodin geschaffene Skulptur des französischen Schriftstellers Balzac. Etwas versetzt hinter der Neumarktgalerie, in der Richmodstraße, findet sich der Richmodisturm mit den beiden sagenumwobenen Päädsköpp. Auf der Südseite des Platzes steht ein Gebäude mit bewegter Geschichte: Das Bing-Haus. Und zu Geschäftszeiten lohnt sich ein Abstecher in die benachbarte Schalterhalle der Kreissparkasse – dort gibt es 4711 kostenlos.


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Die „Englische Siedlung“ in Raderthal – Gartenstadt nach britischem Vorbild

Eine Villa in Raderthal steht aktuell für 2,2 Mio. Euro zum Verkauf. Quelle: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben
Eine Villa in Raderthal steht aktuell für 2,2 Mio. Euro zum Verkauf. Quelle: Bundesanstalt für Immobilienaufgaben

2,2 Millionen Euro für eine 300 Quadratmeter große, freistehende Villa mit 2.000 Quadratmeter großem Garten – dies ist aktuell1Stand: 17. Juli 2023 das einzige Immobilienangebot in der Englischen Siedlung.

Diese bevorzugte Wohngegend im Kölner Süden ist extrem begehrt. Und die Häuser sind – wenn man denn überhaupt eines zum Kauf finden sollte – dementsprechend teuer. 

Großzügige Häuser auf Grundstücken mit viel Gartenfläche: Die "Englische Siedlung" in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel
Großzügige Häuser auf Grundstücken mit viel Gartenfläche: Die „Englische Siedlung“ in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Wohnraum für die Soldaten aus England

Angelegt wurde diese Siedlung ab 1949, um Wohnraum für die britischen Soldaten zu schaffen. Am 6. März 1945 befreiten die Amerikaner Köln. Nur gute drei Monate später, am 21. Juni 1945, übernahm die britische Armee von den US-Truppen die Verwaltung der neuen Nord-Rheinprovinz, zu der auch Köln gehörte. Der Wohnraum in der großflächig zerstören Stadt war äußerst knapp. Um die britischen Soldaten und deren Familien unterzubringen, wurden kurzerhand Wohnungen und ganze Häuser in den vergleichsweise wenig zerstörten Vierteln Marienburg und Junkersdorf requiriert.

Für die längerfristige standesgemäße Unterbringung der Offiziere wurde 1949 das Bauprogramm “JOINT“ und 1950 das „ZECO“-Bauprogramm aufgelegt. Das Ziel: Errichtung einer Gartenstadt nach englischem Vorbild. Die Briten machten exakte Vorgaben für die Häuser, die tatsächliche Planung und Ausführung wurde vom Land Nordrhein-Westfalen, der Stadt Köln, der Arbeitsgemeinschaft Besatzungsbauten Köln sowie der Gemeinnützigen Aktiengesellschaft für Wohnungsbau Köln (GAG Köln) übernommen. Renommierte Architekten wie zum Beispiel Wilhelm Riphahn, Fritz Schaller oder Theodor Kelter entwarfen die Bauten.

Einheitliches Gesamtbild in der Englischen Siedlung, hier ein Bild aus den 1960er Jahren, Bild: Josef Rosenzweig: Zwischen Judenbüchel und Sauacker
Einheitliches Gesamtbild in der Englischen Siedlung, hier ein Bild aus den 1960er Jahren, Bild: Josef Rosenzweig: Zwischen Judenbüchel und Sauacker

147 Häuser – basierend auf lediglich fünf Haus-Grundtypen

Die Ein- und Zweifamilienhäuser der „Englischen Siedlung“ basieren auf nur fünf Haus-Grundtypen: Die größeren Häuser, im inneren Bereich der Siedlung angelegt, waren für die Offiziere, die etwas kleineren in den Randbereichen für Unteroffiziere bestimmt. Die Häuser wurden versetzt und zum Teil gespiegelt errichtet. So herrscht in der Siedlung zwar ein einheitliches Gesamtbild, welches aber an keiner Stelle einförmig wirkt. Ergänzt wird das Ensemble durch drei Mehrfamilienhäuser mit jeweils zwölf Wohnungen und ein großes siebenstöckiges Wohnhochhaus mit 73 Wohnungen.

Das von Helmut Riphahn entworfene Hochhaus in der Englischen Siedlung, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das von Helmut Riphahn entworfene Hochhaus in der Englischen Siedlung, Bild: Elke Wetzig, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Volkspark Raderthal muss weichen

Der neuen Siedlung fielen wesentliche Teile des bereits ab 1923 errichteten Volksparks Raderthal zum Opfer. So büßte der Park etwa zwei Drittel seiner Fläche ein.

Vergleich Fritz-Encke-Volkspark damals und heute

Insgesamt entstand so eine attraktive Siedlung mit 147 freistehenden Häusern, großzügigen Gärten und geschwungene Straßen. Spezielle Versorgungseinrichtungen, wie zum Beispiel der Naafi-Shop2Navy, Army and Air Force Institutes, mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten für die im Ausland stationierten Soldaten und eine Schule für die Kinder der Soldaten sollten den im Ausland stationierten Soldaten den „british way of life“ ermöglichen.

Ein Zeitzeuge erinnert sich

Wilfried ist in Raderthal, unweit der englischen Siedlung, aufgewachsen und erinnert sich:

In der Vernicher Straße groß geworden war die englische Siedlung stets präsent in unserem Leben. Vater und Mutter gingen täglich durch die Siedlung zur Arbeit beim Leybold bzw. zum Deutschen Städtetag in der Lindenallee in Marienburg. Für uns Pänz wurde die „Englische Siedlung“ mehr und mehr zum Spielplatz. Leere Milchflaschen vor den Türen der Häuser haben wir gelegentlich stibitzt und gegen Pfand im Lebensmittelladen auf der Bonner Straße eingetauscht.

Sonntags spazierte die Familie zum Fritz-Encke-Volkspark und im dortigen Brunnentempel haben wir als Jugendliche unsere erste Zigarette probiert. Auf dem großen Parkplatz vor dem Naafi-Shop konnten wir ungestört Rollschuh fahren, nur rein in das geheimnisvolle Kaufhaus kamen wir nie.3Der Zutritt zum Naafi-Shop (Navy, Army and Air Force Institutes) mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten war exklusiv den im Ausland stationierten britischen Soldaten und deren Familien vorbehalten.

Für uns als Kinder fast schon ein Skandal: In den Häusern gab es keine Gardinen vor den Fenstern und die Frauen rauchten auf der Straße.

Skandale um die Nutzung der Wohnungen und Häuser

Ab 1957 wurden wesentliche Teile der britischen Armee aus Köln abgezogen4Die Royal Air Force räumte 1957 die Flugplätze Butzweilerhof und Köln-Wahn. Bis etwa Ende 1965 verließen die Briten die Wohnungen und Häuser der „Englischen Siedlung“. Der Bund als Eigentümer musste nun entscheiden, wie mit der begehrten Wohnlage im Kölner Süden umgegangen werden sollte.

Schnell wurden die Begehrlichkeiten geweckt. Die Soldaten der nur wenige Schritte entfernten Kaserne schauten aus ihren Büros sehnsüchtig auf die Villen der Siedlung – nur zu gerne wären die Offiziere sofort dort eingezogen. Doch ein Streit zwischen dem Verteidigungsministerium, dem Bundesschatzministeriums5Ein spezielles Ministerium zur Verwaltung der Gelder aus dem Marshall-Plan, welches 1969 aufgelöst wurde. und dem Bundeswohnungsministerium verhinderte eine schnelle Nutzung: Zwar gehörtem dem Bund die Immobilien, doch war die „Ausstattung der Wohnungen zu gut für die Angehörigen der Bundeswehr“6Erwin Fischer: „Für die Rheinarmee gut. Für die Bundeswehr zu gut“, Frankfurter Rundschau vom 1. Juli 1966, in: Homepage der Arbeitsgruppe Wohnungsfürsorge Heidekaul (abgerufen: 15. April 2022). Den bereits in die „Englische Siedlung“ umgezogenen Soldaten drohte zwischenzeitlich sogar eine Räumungsklage. Erst durch die Schadensersatzklage eines Oberstleutnants wurde dieser Schildbürgerstreich verhindert.

Das eigens für Wirtschaftsminister Karl Schiller umgebaute Haus Eckdorfer Straße 6, hier ein Bild aus dem Jahr 2018, Bild: Heinz Reutersberg
Das eigens für Wirtschaftsminister Karl Schiller umgebaute Haus Eckdorfer Straße 6, hier ein Bild aus dem Jahr 2018, Bild: Heinz Reutersberg

Neben den Soldaten weckten die attraktiven Villen aber auch das Interesse der führenden Bonner Politiker. Wirtschaftsminister Karl Schiller (1911 – 1994) ließ sich das Haus Eckdorfer Straße 6 gemäß seiner Wünsche umbauen und einrichten. Mit zehn Zimmern und großem Grundstück eine durchaus attraktive Immobilie – und das für gerade mal 972 DM monatliche Miete. Doch als die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wurde, trat -Schiller schnell den Rückzug an und verzichtete auf seine Kölner Villa.

„Kraut und Rüben beim Denkmalschutz“

Der Bund hat mittlerweile fast alle Ein- und Zweifamilienhäuser der Siedlung an private Käufer veräußert, nur das Hochhaus und die Mehrfamilienhäuser sind noch im öffentlichen Besitz. Die gesamte Siedlung wurde 1995 unter Denkmalschutz gestellt. Und die Auflagen des Denkmalschutzes sorgten für den nächsten Ärger in der Siedlung.

Im Juli 2018 berichtete der WDR über die von den Bewohnern der Häuser als willkürlich empfundene Auslegung der Denkmalschutzregeln. So musste ein Besitzer ein neu gedecktes Dach umbauen lassen, weil es einen leichten Dachüberstand gab. Exakt dieser Dachüberstand wurde bei Nachbarhäusern problemlos toleriert. Fenster sind mal bodentief, mal nicht. Die Türen sehen fast alle unterschiedlich aus, die Fensterrahmen sind mal weiß und mal grau. Ein Anwohner bezeichnete diese Denkmalschutz-Auslegungen noch sehr diplomatisch als „gewisse Willkür“.

Großzügige Gärten in der Englischen Siedlung in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel
Großzügige Gärten in der Englischen Siedlung in Köln-Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Und trotzdem bleibt die attraktive „Englische Siedlung“ bevorzugtes Wohngebiet. Und wenn denn dort etwas zu verkaufen zu vermieten ist, sind zwar die Preise gepfeffert, aber dank der Nachfrage findet hier jede Immobilie ihren Käufer oder Mieter.


Eines der Häuser attaktiven Häuser in der Englischen Siedlung (Rösberger Straße) in den 1960er Jahren, Bild: Simon Elliot-Kermp
In diesem Haus in der Rösberger Straße hat Simon gewohnt. Bild: Simon Elliot-Kermp

„… den ganzen Luxus hinter uns lassen“

Simon aus England hat mir geschrieben. Als Kind hat er in der Rösberger Straße gelebt, sein Vater war Schulleiter. Die Familie zog 1966 zurück nach Großbritannien:

„Es war tatsächlich ein wunderschönes, gut gebautes Haus. Das konnte selbst ein Kind zu schätzen wissen.
Als wir nach Großbritannien zogen, mussten wir den ganzen Luxus hinter uns lassen.“


 

Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Die „Englische Siedlung“ ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


DEFA Wochenschau (1952), „Der Augenzeuge - Besuch in Köln“, ab etwa 1 Minute 30 Sekunden wird die „Englische Siedlung“ gezeigt
DEFA Wochenschau (1952), „Der Augenzeuge – Besuch in Köln“, ab etwa 1 Minute 30 Sekunden wird die „Englische Siedlung“ gezeigt

Die DEFA Wochenschau aus der DDR hat im Jahr 1952 unter dem Titel „Der Augenzeuge – Besuch in Köln“ einen Bericht über Köln in der Nachkriegszeit veröffentlicht.

Ab etwa 1 Minute 30 Sekunden geht es in dem Bericht auch ausdrücklich über die „Englische Siedlung“ und der Riphahn-Bau wird gezeigt.

Ein großes DANKE an Ralf aus Köln für diesen Hinweis.


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Das „Friedenspulvermagazin“ wird zum Fritz-Encke-Volkspark in Raderthal

Luftbild Raderthaler Volkspark, etwa um 1930, im Vordergrund der Sender Raderthal
Luftbild Raderthaler Volkspark, etwa um 1930, im Vordergrund der Sender Raderthal

Bis zu 50.000 Tonnen hochexplosives Pulver lagerten noch bis 1918 im Kölner Süden. Im „Friedenspulvermagazin Raderthal“ wurde in friedlichen Zeiten die Munition gelagert, welche im Kriegsfall von den Festungswerken im äußeren Festungsring abgeschossen worden wäre. Zum Glück ist Köln in preußischer Zeit nie angegriffen worden – so wurde kein einziger „echter“ Schuss von den Verteidigungswerken abgegeben.

Gefährlicher Transport

Der zentrale linksrheinische Lagerort des Pulvers1Neben dem Raderthaler Pulvermagazin gab es noch das rechtsrheinische Friedenspulvermagazin Westhoven. war notwendig, weil die Munitionsräume der Forts in der Regel unterirdisch lagen und das Pulver dort wegen der Feuchtigkeit schnell unbrauchbar geworden wäre. Daher wurde an 1876 das Pulvermagazin direkt am Militärring angelegt. Von dort aus hätten Pferdefuhrwerke die Verteidigungsforts mit dem Pulver versorgt. Mit solchen Pferdefuhrwerken wurde das Pulver auch in das Pulvermagazin transportiert. Offensichtlich keine ungefährliche Angelegenheit, wie diese Beschreibung zeigt:

„Die Beförderung des Pulvers erfolgte … mittelst Pferdefuhrwerks. … Vorn am Wagen war eine rote Fahne angebracht, die mit einem P versehen war (Pulver!). Der Fuhrmann ging stets neben seinen beiden Pferden. Alle Personen waren, sobald der Wagen in Sicht kam, verpflichtet, die Pfeife oder Zigarre aus dem Mund zu nehmen und auf den Rücken zu halten. Erst wenn das Gefährt wieder verschwunden war, durfte weitergeraucht werden. Getreulich wurde diese Anordnung befolgt.“2 Quelle: „Friedenspulvermagazin Raderthal”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-96481-20140716-2 (Abgerufen: 13. März 2022)]

Erst 1914 wurde auf dem Militärring nur für die Versorgung der Forts eine Bahnstrecke angelegt.

Umwandlung in Volkspark

Gemäß den Bestimmungen des Versailler Vertrages wurden die meisten Verteidigungsanlagen Anfang der 1920er Jahre geschliffen oder zu anderen Zwecken umgewidmet. In Raderthal entstand 1923/24 auf dem großzügigen Gelände des Friedenspulvermagazins der Volkspark Raderthal, geplant von dem Gartenarchitekt Fritz Encke (1861 – 1931).

Die Hauptwiese des Fritz-Encke-Parks, Bild: Uli Kievernagel
Die Hauptwiese des Fritz-Encke-Parks, Bild: Uli Kievernagel

Enckes gestalterische Idee war, den Menschen der großen Mietskasernen ein „soziales Grün“ als Gartenersatz zu bieten. Daher waren seine Parkanlagen immer multifunktional angelegt: Blumenanlagen zum Flanieren, Sportanlagen und auch weite Grünflächen, die z.B. für ein Picknick genutzt werden konnten. Das Gelände des Pulvermagazins bot Encke ganz besondere Möglichkeiten.

Als "Reigenplatz" gedachtes Platz im Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel
Als „Reigenplatz“ gedachter Platz im Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Freiluft-Leseraum, Reigenplatz, Kaffeehaus und Brunnentempel

Ausgehend von einer großen, zentralen Wiese schuf Encke eine ursprünglich völlig symmetrisch gestaltete Anlage. Die in dem Gelände angelegten ringförmigen Wälle, welche ursprünglich im Falle einer Explosion den Sprengdruck aufhalten und nach oben ableiten sollten, integrierte der Gartenarchitekt in den Gesamtplan. Aus einem der Wälle wurde ein Freiluft-Leseraum mit integrierter Ausleihmöglichkeit für Bücher und Zeitschriften. Die weiteren Wälle sollten als Reigenplatz zum Tanz, als Naturtheater oder Planschbecken genutzt werden.

Der als "Freiluft-Leseraum" geplante Bereich im Fritz-Encke-Park, Bild: Uli Kievernagel
Der als „Freiluft-Leseraum“ geplante Bereich im Fritz-Encke-Park, Bild: Uli Kievernagel

Großzügige, mit vielen Blumen bepflanzte Schmuckgärten fassten den neuen Park ein. Durch spezielle Nischen mit Sitzmöglichkeiten entstanden kleine, intime Gärten. Ein Raderthaler Bürger dazu „In dä Ecke ham mer uch festjestallt, dat et zweierlei Minsche jov.“3In dem Park haben wir auch festgestellt, dass es zweierlei Menschen gibt.

Lauschige Ecken im heutigen Fritz-Encke-Park, früher von Jugendlichen gern zum gegenseitigen intensiven Kennenlernen genutzt,. Bild: Uli Kievernagel
Lauschige Ecken im heutigen Fritz-Encke-Park, früher von Jugendlichen gern zum gegenseitigen intensiven Kennenlernen genutzt,. Bild: Uli Kievernagel

Angeschlossen war der attraktive Brunnentempel mit einem Trinkbrunnen. Zusätzlich war eine Schänke oder ein Café vorgesehen.

Der vergessene Park

Leider wurden die reichhaltigen Angebote des Volksparks Raderthal nie entsprechend genutzt. Der Heimatforscher Josef Rosenzweig schreibt dazu:

„Der im Oktober 1923 begonnene Raderthaler Volkspark war 1926 fertiggestellt. Leider wurde er von der Bevölkerung nicht in dem Maße genutzt, wie er es verdient hätte. … Das vorgesehene Planschbecken und die Kaffeewirtschaft sowie das Volkshaus sind nicht über die Planung hinausgekommen.“4Josef Rosenzweig: „Zwischen Judenbüchel und Sauacker“

So wurde der Raderthaler Volkspark zum „vergessenen Park“. An der Stelle, an der ein Kaffeehaus geplant war, entstand 1927 der Sender Raderthal.

Ab 1950 wurden weitere Flächen des Parks genutzt, um für die britischen Besatzer eine Gartenstadt nach englischem Vorbild zu erschaffen – der Park schrumpfte auf etwa ein Drittel seiner ursprünglichen Größe, und es entstand auf dem Gelände des Parks die „Englische Siedlung“ mit Naafi-Shop5Navy, Army and Air Force Institutes, mit speziellen Einkaufsmöglichkeiten für die im Ausland stationierten Soldaten und einer Schule, welche heute von der Bundeswehr genutzt wird.

Umbenennung in Fritz-Encke-Volkspark

Seit 1980 stand der Raderthaler Volkspark als ursprüngliches Gartenbaudenkmal ersten Ranges unter Denkmalschutz – und verrottete zunehmend. Erst seit etwa 2001 wird der Park behutsam wieder gepflegt – auch Dank einer vorbildlichen Anwohnerinitiative. So wurden Beschilderungen angebracht, Bänke repariert, Rankgerüste angebracht und auch der Reigenplatz sowie der ursprünglich als „Leseraum“ geplante Platanenwall wiederhergestellt.

Um den genialen Gartenarchitekten Encke zu ehren6Encke hat neben diesem Park unter anderem auch den Blücherpark, den Friedenspark, den Beethovenpark und den Klettenbergpark sowie die Erweiterung des Zoos erschaffen. hat, wurde der Park im Jahr 2002 in „Fritz-Encke-Volkspark“ umbenannt.

Schmuckstück des Parks heute ist der Brunnentempel. Der bereits 1920 erbaute offene Rundbau wurde im Zweiten Weltkrieg weitgehend zerstört. Im Jahr 2006 konnte der wiederhergestellte Brunnentempel neu eingeweiht werden. Der Brunnentempel ist mit acht Figuren von Kindern geschmückt. Jeweils zwei Kinder stellen eine Jahreszeit dar.  Mein persönlicher Favorit ist der Junge mit däm Trömmelche (Bild 6 in der Bildergalerie).

Der Brunnentempel im Fritz-Encke-Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

Bild 1 von 11

Der Brunnentempel im Fritz-Encke-Volkspark Raderthal, Bild: Uli Kievernagel

2019 wurde die Anlage noch einmal vollständig saniert. Doch leider verschmieren immer wieder unbelehrbare und untalentierte Schmutzfinken den Brunnentempel mit hässlichen Graffits.

Schämt euch!


Lotsentour Raderberg und -Thal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel
Lotsentour Raderberg und Raderthal: Mit dem Fahrrad im Kölner Süden unterwegs, Bild: Uli Kievernagel

Lotsentour – Raderberg & Raderthal

Der Fritz-Encke-Park ist auch Bestandteil der Lotsentour Raderberg & Raderthal. Eine Stadtführung mit dem Fahrrad.


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Der Friedenswald in Rodenkirchen: Symbol für die Freundschaft der Staaten

Diese Zierkirsche im Friedenspark symbolisiert Äthiopien, Bild: Uli Kievernagel
Diese Zierkirsche im Friedenspark symbolisiert Äthiopien, Bild: Uli Kievernagel

In Eintracht stehen im Friedenswald die ehemalige Sowjetunion (Zirbelkiefer) und Polen (Lärche) nebeneinander. Nur ein paar Meter weiter findet sich die USA (Coloradotanne). Von Finnland (Sandbirke) bis nach Monaco (Esskastanie) sind es nur wenige Meter. Unterwegs kommt man noch an Kambodscha (Mammutbaum), Kolumbien (Amberbaum) und der Libanonzeder vorbei. Die ganze Welt spielt sich hier auf gerade mal 26 Hektar ab. Friedlich und in Harmonie. Der Friedenswald in Rodenkirchen, direkt am Fortbotanischen Garten gelegen, bildet mit jeweils typischen Bäumen aus aller Welt insgesamt 141 Länder ab.

Die Sibirische Zirbelkiefer, auch Sibirische Zeder genannt, symbolisiert die ehemalige Sowjetunion, Bild: Uli Kievernagel
Die Sibirische Zirbelkiefer, auch Sibirische Zeder genannt, symbolisiert die ehemalige Sowjetunion, Bild: Uli Kievernagel

Vielfalt, Offenheit und Freundschaft der Staaten

Die landestypischen Bäume stehen im Friedenswald für die Vielfalt, Offenheit und Freundschaft der Staaten. Dabei stellt diese Anpflanzung die Welt im Jahr 1980 dar. Berücksichtigt wurden Länder, zu denen die Bundesrepublik Ende im Jahr 1980 diplomatische Beziehungen unterhielt. Neue, seitdem gegründete Staaten sucht man im Friedenswald vergebens.1Deswegen ist auch die Ukraine dort nicht vertreten: Die Ukraine erklärte sich erst am 24. August 1991 unabhängig. Lediglich einzelne Tafeln wurden angepasst. So wurde z.B. aus der Sowjetunion mit der Zirbelkiefer die „ehemalige Sowjetunion“ und auch die DDR wird als „ehemalige Deutsche Demokratische Republik“ (Winterlinde) gekennzeichnet.

Da die typischen Bäume der tropischen Länder in unserem Klima nicht überleben würden, werden diese durch symbolische Bäume vertreten. Das erklärt auch den Zürgelbaum für Costa Rica oder die Schwarzbirke für Malaysia.

Die Anordnung der Bäume erfolgt nach Kontinenten. So ist es möglich, innerhalb von weniger als einer Stunde von Europa durch Afrika, weiter nach Australien und Asien bis Amerika zu spazieren. In der Mitte des Parks befindet sich ein großer, gut gepflegter Spielplatz. Und der kleine, aufgeschüttete Hügel im Friedenswald ist, sobald im Winter auch nur zwei Zentimeter Schnee in Köln fallen, ein beliebtes Rodelrevier für die Pänz.

Schöner ist es im Friedenswald allerdings im Frühling und Sommer, wenn man sich die Zeit nimmt und immer wieder rechts und links die typischen Bäume und die Flaggen der Welt anschaut. Und so auch lernt, dass die Flagge der Seychellen (Baum: Steinweichsel) zu den schönsten Flaggen der Welt gehört.

Im Friedenspark symbolisiert eine Steinweichsel (auch als Felsenkirsche oder Weichselkirsche bekannt) die Seychellen. Bild: Uli Kievernagel
Im Friedenspark symbolisiert eine Steinweichsel (auch als Felsenkirsche oder Weichselkirsche bekannt) die Seychellen. Bild: Uli Kievernagel

Der Friedenspark – ein Kind des Kalten Kriegs

Michael Waßerfuhr von den Kölschgängern hat noch vor knapp zwei Jahren, am 25. April 2020, über den Friedenswald geschrieben: „Er ist ein Kind des Kalten Krieges, der von 1947 bis 1991 ging, und der Wunsch nach Frieden wuchs. Wir wissen ja noch alle, als wir aufrüsteten, weil wir fast täglich auf Raketen aus dem Ostblock gewartet haben – die nie gekommen sind. Der Krieg blieb kalt.“

Heute haben wir auf einmal keinen „Kalten Krieg“ mehr. Der Krieg ist da. Ganz nah. Und die Aufrüstung läuft auf Hochtouren. Nur die Bäume im Friedenswald stehen in friedlicher Eintracht nebeneinander. Auch die Zirbelkiefer für die ehemalige Sowjetunion, die Lärche für Polen und die 139 anderen Bäume.


Bitte nicht verwechseln: Friedenspark und Friedenswald

Der Friedenspark mit dem Imagine-Denkmal befindet sich rund um das alte Fort I, direkt am Rheinufer, nicht weit weg von der Südbrücke. Der hier beschriebene Friedenswald ist in Rodenkirchen, direkt am Forstbotanischen Garten.


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Die Kölner Friedensstraße erinnert an den „Frieden von Frankfurt“

Die Kölner Friedensstraße, gelegen zwischen Martinsfeld und Perlengraben, Bild: Uli Kievernagel
Die Kölner Friedensstraße, gelegen zwischen Martinsfeld und Perlengraben, Bild: Uli Kievernagel

In Köln erinnert die gerade einmal 200 Meter lange Friedensstraße, gelegen zwischen Martinsfeld und Perlengraben, an das Kriegsende des Deutsch-Französischen Kriegs von 1870/71. Am 10. Mai 1871 schlossen die Französische Republik und das Deutsche Reich den „Frieden von Frankfurt“.

Blick in die Friedensstraße. Bild :Uli Kievernagel
Blick in die Friedensstraße. Bild :Uli Kievernagel

Krieg zwischen Deutschland und Frankreich

Am 19. Juli 1870 eskalierte der Streit um die spanische Thronkandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen in der Kriegserklärung Frankreichs an Preußen. Das Kalkül des französischen Kaisers Napoléon III., es nur mit den Preußen aufzunehmen, ging nicht auf. Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt schlossen sich Preußen an.

So kam es am 1. und 2. September 1870 zur entscheidenden „Schlacht von Sedan“ an der Maas in den Ardennen: Etwa 200.000 Soldaten der Preußen und ihrer Verbündeten trafen auf 130.000 französische Soldaten. Insgesamt kamen dort mehr als 11.500 Soldaten ums Leben, etwa 20.000 Menschen wurden verwundet. Die deutsche Seite konnte die Schlacht für sich entscheiden, die französischen Truppen kapitulierten und Kaiser Napoléon III. wurde gefangengenommen.

Bayrische Soldaten stürmen ein Haus in Bazeilles (Vorort von Sedan), Gemälde von Carl Röchling
Bayrische Soldaten stürmen ein Haus in Bazeilles (Vorort von Sedan), Gemälde von Carl Röchling

Deutsch-französische Erzfeindschaft

Der Friedensschluss, an welchen die Kölner Friedensstraße erinnert, hatte schwerwiegende Folgen für das deutsch-französische Verhältnis. In dem Friedensvertrag wurde neben Reparationszahlungen von Frankreich an das Deutsche Reich auch festgehalten, dass Frankreich große Gebiete des Elsass und Lothringens an Deutschlands abtreten musste. Große Bevölkerungsteile sowohl in Frankreich als auch im Deutschen Reich, betrachteten sich gegenseitig als „Erzfeinde“.

"Selbsterhaltung. Man muss der Bestie die Krallen abschneiden, damit man künftig Ruhe vor ihr hat." Karikatur bezüglich der Abtrennung Elsass-Lothringens von Frankreich nach den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 aus der Zeitschrift "Kladderadatsch" vom 4. September 1870
„Selbsterhaltung. Man muss der Bestie die Krallen abschneiden, damit man künftig Ruhe vor ihr hat.“ Karikatur bezüglich der Abtrennung Elsass-Lothringens von Frankreich nach den Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 aus der Zeitschrift „Kladderadatsch“ vom 4. September 1870

Angeheizt wurde diese Feindschaft auch durch Verse wie diese:

Auf, Deutschland, auf, und Gott mit dir!
Ins Feld! Der Würfel klirrt!
Wohl schnürt’s die Brust uns, denken wir
Des Bluts, das fließen wird!
Dennoch das Auge kühn empor!
Denn siegen wirst du ja:
Groß, herrlich, frei, wie nie zuvor!
Hurra Germania!
Hurra, Viktoria!
Hurra, Germania
(Ferdinand Freiligrath: Hurra, Germania!)

„Epilog zum Krieg“ von 1871 ist heute erschreckend aktuell 

Mahnende Stimmen, wie die von dem in Deutz geborenen Sozialisten und späteren Begründer der Sozialdemokratie, August Bebel (1840 -1913), zu diesen kriegstreibenden Worten, blieben ungehört. Und so ist heute das Gedicht „Epilog zum Kriege“, welches Georg Herwegh im Februar 1871 veröffentlichte, erschreckend aktuell:

Mir graut vor dir, ich glaube fast,
Daß du, in argen Wahn versunken,
Mit falscher Größe suchst zu prunken
Und daß du, gottesgnadentrunken,
Das Menschenrecht vergessen hast.

Wie gerne würde ich noch heute so manche Straße in Köln in „Friedensstraße“ umbenennen, wenn nur das Morden in der Ukraine ein Ende finden würde.


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