Der Kallendresser zeigt uns die bläcke Fott

Der Kallendresser am Alter Markt, Bild: Elke Wetzig (elya) [CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)]
Der Kallendresser am Alter Markt, Bild: Elke Wetzig (elya) [CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)]

+++ TOP AKTUELL: Film „Der Kallendresser lebt!“  +++

Am 19. April 2023 war die Welturaufführung: Der Kölner Filmemacher Bruno Neurath-Wilson hat seine sehenswerte Dokumentation „Der Kallendresser lebt“ veröffentlicht. 
Ganz am Anfang des Films kommt auch ein ganz bestimmter Kölner Stadtführer zu Wort. Schaut da unbedingt mal rein!


Unerhört!
Da hockt ein kleines Männlein hoch über unseren Köpfen und streckt uns die bläcke Fott (hochdeutsch: das nackte Gesäß) entgegen. Offensichtlich ist es gerade dabei, in de Kall ze drisse (hochdeutsch: seine Notdurft in der Regenrinne zu verrichten). Und das mitten in der Stadt. Am Alter Markt. Diese kleine Männlein wird von den Kölschen liebevoll Kallendresser genannt. Ihr findet es am Alter Markt, Hausnummer 24.

Das Kallendresser-Leed

Die Kölschen lieben diese kleine Figur, es gibt sogar ein eigenes Lied dazu:

Ki-Ka Kallendresser,
hev et Hembche huh!
Kik-Ka Kallendresser,
mähs de Minsche fruh.
Häste Ärger un Verdross,
mähste deer nix druus,
denkste nor wie Goldschmitsjung
un stipps dä Mond erus. 

Übersetzung:
Ki-Ka Kallendresser,
hebt das Hemdchen hoch,
Kik-Ka Kallendresser,
machst die Menschen froh.
Hast du Ärger und Verdruss,
mach dir nichts draus,
denke nur wie ein Lehrling der Goldschmiedekunst1Denken wie ein Goldschmittsjung“ ist eine (heute kaum noch gebräuchliche) Redensart für (vornehm gesagt) „Du kannst mich mal.“
und streckst den Mond2hier: Das Hinterteil heraus.

Verschiedene Legenden zur Herkunft

Genau wie beim Halven Hahn gibt es auch beim Kallendresser verschiedene Legenden zur Entstehung:

  • Am Alter Markt war es anscheinend schon immer etwas lauter. Besonders jedoch störte sich ein Schneider daran, dass unter ihm ein – offensichtlich weniger talentierter – Musiker Tuba übte. Nach vielen Ermahnungen wegen der Ruhestörung wurde es dem Schneider zu bunt, und er hockte sich an die Dachkall und zielte ganz genau …

oder:

  • Für Dachdecker ist es natürlich mühsam, für das „Geschäft“ eine Toilette aufzusuchen. Viel einfacher ist es doch, die Regenrinne zu benutzen.

oder:

  • Die oberen Stockwerke wurden früher von den Dienstboten bewohnt. Selbstverständlich gab es dort oben keine Toilette. Und dann war der Weg zur Dachrinne nicht so weit wie der Weg zum Plumpsklo im Hinterhof.

oder: 

  • Meine Lieblingsgeschichte leitet sich vom Standort des Kallendressers ab: Dreht man sich einmal um, sieht man das Rathaus. Und plötzlich wird der nackte Hintern der Figur zum politischen Statement.

Wie in Kölle so üblich: Zu vielen Legenden gibt es eine ganze Reihe Erklärungen, wobei gilt: Was am Ende richtig ist, ist egal. Hauptsache, die Geschichten sind schön!

Der Kallendressers als Synonym für das Aufbegehren gegen die Obrigkeit

Tatsächlich gab es einen Vorläufer der Figur des Kallendressers. Dieser erste Kallendresser wurde von den Kölner Bürgern am „Haus zur Sonne“ am Alter Markt angebracht. Besonders pikant: Ausgerichtet war der nackte Hintern in Richtung des Klostereingangs von St. Martin.

Die Mönche des Klosters hatten sich den Zorn der Bürgerschaft zugezogen, als sie einen Verbrecher, der sich in der vermeintlichen Immunität des Klosters sicher fühlte, an die städtischen Behörden auslieferten. Die empörten Bürger errichteten daraufhin die provokante Figur. Auch eine Klage des Klosters gegen die Figur des Kallendressers wurde abgewiesen. 

Drastischere Darstellung von Ewald Mataré

Dieser „Vorläufer“ des heutigen Kallendressers, der im Krieg stark beschädigt wurde, war in der Darstellung etwas zurückhaltender. Man erkannte zwar, welcher Beschäftigung die Figur nachging, jedoch war diese mit einem langen Hemd bekleidet. Also war kein Blick auf bläcke Fott möglich. Leider konnte man diese Figur wegen der Beschädigungen nicht mehr aufhängen. 

Dass der Kallendresser überhaupt noch existiert, ist der Initiative von Josef „Jupp“ Engels (1909–1991)3Jupp Engels stiftete übrigens auch das Geld und Material zur Schmitz-Säule. verdanken. Der Mäzen und Freund des kölschen Brauchtums sicherte sich in einem typisch kölschen Deal die Figur des Kallendressers: Er tauschte einen mittalterlichen Torbogen, den er beim Bau eines Hauses gefunden hatte, gegen die Rechte an der Figur des Kallendressers ein.

Nachdem er sich die Rechte gesichert hatte, beauftragte Engels seinen Freund, den renommierten, in Düsseldorf tätigen Künstler Ewald Mataré, eine neue Figur zu schaffen. Und – genau wie beim Rosenmontagszug – scheinen die Düsseldorfer immer etwas drastischer in ihren Darstellungen zu sein. Mataré gestaltete die Nachbildung in grünpatiniertem Kupferblech. Ohne Nachthemd, dafür aber mit freiem Blick auf das entblößte Gesäß. Und so hängt er da oben – sehr zu Belustigung der Passanten.

Der Kallendresser-Orden

Jupp Engels gründete auch den Kallendresser-Orden. In diesen Orden können nur Menschen aufgenommen werden, die sich um das Kölner Brauchtum verdient gemacht haben. Selbstverständlich war Engels als Oberkallendresser Präsident dieses Ordens.

HELLERS Kallendresser ist ein wohlschmeckender und wohltuender Kräuterlikör mit 32% Alkohol, Bezug über https://www.hellers.koeln/
HELLERS Kallendresser ist ein wohlschmeckender und wohltuender Kräuterlikör mit 32% Alkohol

Verschiedene Versionen des Kallendresser in ganz Köln – und sogar in Rumänien und Barcelona

Die Brauerei Heller vertreibt den Kallendresser als Getränk: Ein wohlschmeckender Kräuterlikör mit 32% Alkohol.  Und über der Theke im Hellers Brauhaus an der Roonstraße reckt auch ein kleiner Kallendresser seinen Hintern in Richtung Besucher. 

In Junkersdorf und in Seeberg zeigen jeweils kleine Kallendresser ihre bläcke Fott, wobei die Figur in Seeberg ihren Hintern ausdrücklich in Richtung eines ungeliebten Nachbarn streckt. Genau wie in Rumänien: In der Kleinstadt Braila hat ein Kölner Unternehmer einen Kallendresser an seinem Haus montiert – ebenfalls als Zeichen gegen einen missgünstigen Nachbarn.

Der Caganer, unverzichtbarer Bestandteil jeder katalanischen Weihnachtskrippe und offensichtlich ein Verwandter des kölschen Kallendressers. Bild: Slastic, via Wikimedia Commons
Der Caganer, unverzichtbarer Bestandteil jeder katalanischen Weihnachtskrippe und offensichtlich ein Verwandter des kölschen Kallendressers. Bild: Slastic, via Wikimedia Commons

Und dann gibt es auch noch einen entfernten Verwandten des Kallendressers: In keiner katalanischen Krippe darf der Caganer4katalanisch für Scheißer fehlen. Diese Figur stellt stellt eine Person mit heruntergelassenen Hosen dar, die sich im Umfeld der Geburt Jesu erleichtert. Es ist für Kinder aus Barcelona ein beliebtes Spiel, den Caganer in der Krippe zu finden.

Und die Moral von der Geschichte?

Bruno Neurath-Wilson fasst in seinem Film „Der Kallendresser lebt“ die Intention des Kallendressers perfekt zusammen:

  1. Welche der Legenden zur Entstehung des Kallendressers richtig ist, ist am Ende egal – Hauptsache, die Geschichten sind schön! 
  2. Etwas mehr Kallendresser würde uns allen gut tun: Weniger Streiterei, weniger Gerichtsverfahren. Stattdessen einfach mal die bläcke Fott zeigen und gut ist.

Bei der Lotsentour Innenstadt werfen wir auch einen Blick auf den Kallendresser.


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Stolpern über Geschichte(n): Stolpersteine und das EL-DE-Haus in Köln

Sieben von mittlerweile etwa 100.000 verlegten Stolpersteinen, davon etwa 2.500 in Köln, Bild: Axel Hindemith
Sieben von mittlerweile etwa 100.000 verlegten Stolpersteinen, davon etwa 2.500 in Köln, Bild: Axel Hindemith

Von Zeit zu Zeit veröffentliche ich Texte von Gastautoren im „Köln-Ding der Woche“. Dieser Beitrag stammt von Andreas „Andy“ Artmann. Der Journalist und Creative Director war einmal der der jüngste Zeitschriften-Verleger Kölns, leitete den Straßenvertrieb der Kölner Illustrierten und erstellte mit „20 Minuten Köln“ die erste echte Onlinezeitung Deutschlands.

In diesem Beitrag schreibt Andy Artmann über die Stolpersteine und das EL-DE-Haus in Köln. Vielen Dank, dass ich diesen Text hier veröffentlichen darf.


Stolpern über Geschichte(n):
Stolpersteine und das EL-DE-Haus in Köln

von Andreas „Andy“ Artmann

Vorab:

Das Kunst- und Erinnerungsprojekt „Stolpersteine“ meines Kollegen Gunter Demnig startete 1995 in Köln. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG), bezeichnet die „Stolpersteine“ als „unerträglich“. Nach Knoblochs Meinung, würden die Namen ermordeter Menschen mit Füßen „…getreten“. Im Dezember 2005 hatte ich Gelegenheit über Demnigs Werk zu schreiben. 

Stolperstein Juliska Artmann, Aachener Straße 28, 50674 Köln, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0
Stolperstein Juliska Artmann, Aachener Straße 28, 50674 Köln, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0

Aachener Straße: Kebab-Buden, Cafés, kleine Buchantiquariate, schräg gegenüber das Volkstheater Millowitsch1heute die „Volksbühne“. Freundliches Wetter. Die Menschen flanieren. Mein Blick bleibt an einem zehn mal zehn Zentimeter großen Pflasterstein hängen. Darauf glänzt eine Messingplatte in der Wintersonne. In diese sind Worte eingetrieben: „Hier wohnte Juliska Artmann, geb. Fellner, Jg 1891, deportiert 1941 nach Riga.“ Ein Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig. Seit 1995 verlegt er sie, kleine Gedenkstätten auf zehn Quadratzentimetern.

Demnig pflastert die Stadt mit Erinnerungen. Jeder einzelne Stein widmet sich dem Schicksal eines Menschen, den die Nazis zunächst „aussortierten“ und anschließend „auslöschten“. Widerstandskämpfer, Behinderte, Mitglieder von Minderheiten wie die deutsch-jüdischen Bewohner oder die im damaligen Amtsdeutsch als „Zigeuner“ bezeichneten Angehörigen der Sinti und Roma. So kehren diese Opfer der Tyrannei ins Bewusstsein der Passanten zurück. Wer aber war Juliska Artmann?

NS-Dokumentationszentrum und Gedenkstätte im EL-DE-Haus

Mein Interesse ist durch den Stolperstein geweckt, teile ich mit der Unbekannten doch den Familiennamen: „Artmann“. Über das Internet gelange ich auf die Seite des EL-DE-Hauses, benannt nach den Initialen des Erbauers und Besitzers Leopold Dahmen. Bis Kriegsende war das Gebäude die Zentrale der Gestapo (Geheime Staatspolizei) des damaligen „Gaus Köln“. Heute ist es NS-Dokumentationszentrum und Gedenkstätte. Dort erfahre ich, dass Juliska der jüdischen Glaubensgemeinschaft angehörte. Ich beschließe, die Spurensuche im EL-DE-Haus fortzusetzen.

Appellhofplatz Nummer 23 – fußläufig zum weltbekannten deutschen Wahrzeichen Kölner Dom. Neben dem Haus liegt St. Maria in der Kupfergasse, eine alte Wallfahrtskirche, davor zwei Bettler. Gegenüber das Amtsgericht. Bereits am 8. November 1938, einen Tag vor der „Reichskristallnacht“, zerrten dort Nazis die Amtsrichter jüdischer Abstammung heraus und fuhren sie auf Müllkarren durch die Stadt.

Der aus einer kölsch-jüdischen Familie stammende Künstler Manfred Weil erinnert sich später an die Straßenszene. Sein Vater Emil sagte damals: „Wenn die das mit den Richtern machen, weißt Du, was uns geschehen wird.“

Das EL-DE-Haus, NS-Dokumentationszentrum und Gedenkstätte in Köln, Bild: Raimond Spekking
Das EL-DE-Haus, NS-Dokumentationszentrum und Gedenkstätte in Köln, Bild: Raimond Spekking

Das EL-DE-Haus ist ein solides gräuliches Gebäude, Neoklassizismus. Unkompliziert hilft mir dort Barbara Becker-Jèkli bei der Spurensuche. Die Historikerin der Stadt Köln dokumentiert im EL-DE-Haus die Stolpersteine. In ihrem Büro sucht sie eine Karteikarte aus dem Archiv. Juliska Artmanns eingetragener Beruf ist „Heimarbeiterin“. In Köln-Sülz war sie als Schneiderin gemeldet. Später lebte sie in der Richard-Wagner-Straße, heute gibt es hier Comic- und Musikgeschäfte. Das Haus in der Aachener Straße mit dem Stolperstein davor, der Juliskas Namen trägt, scheint ein Ghetto-Haus gewesen zu sein. Darauf deuten die vielen Namen anderer Deportierter in der Kartei hin.

Was mit Juliska weiter passierte, verliert sich in den Wirren von Umquartierung, Deportation und Vernichtung. Insgesamt wurden etwa 25.000 deutsche Juden nach Riga deportiert. Die Überlebensquote, sofern die Frau das Ghetto überhaupt lebend erreicht hat, war gering. In der Bibliothek des EL-DE-Hauses versorge ich mich mit weiteren Informationen. 

Detailansicht einer Wandinschrift in einer Zelle des EL-DE-Hauses, Bild: Elya, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Detailansicht einer Wandinschrift in einer Zelle des EL-DE-Hauses, Bild: Elya, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Beeindruckende Gedenkstätte im Keller

Danach besuche ich die Dauerausstellung über den Nationalsozialismus. Es empfiehlt sich eine Führung. Im zweiten Stockwerk verharre ich vor einem riesigen Luftbild des 1945 zu mehr als 90 Prozent zerstörten Kölns.

Ein schlechter Treppenwitz der Geschichte: Die Bomben der Alliierten verschonten das EL-DE-Haus – und damit ausgerechnet das Folterhaus der Gestapo.

Die Dauerausstellung erläutert, wie Menschen ausgegrenzt werden. Ein schleichender Prozess, wie aus übler Nachrede vermeintliches Allgemeinwissen, aus Propaganda verquere Wahrheit wird. Die eigentliche Gedenkstätte befindet sich im Keller. Der Zellentrakt ist erhalten geblieben. Knapp 1800 Inschriften an den Wänden zeugen vom Martyrium der Inhaftierten. Teilweise mit Fingernägeln in die Wände gekratzt, versuchten die Opfer, Botschaften zu hinterlassen. Ein Gefangener schrieb an die Zellenwand: „Kämen doch bloß die Amerikaner.“

Claus Hinrich Casdorff (1925 – 2004), späterer Gründer des WDR-Magazins „Monitor“, war hier im letzten Kriegsjahr als junger Wehrmachtsoffizier inhaftiert. Casdorff ein Mitwisser des Putschversuches vom 21. Juli 1944 (Tag des Stauffenberg Attentats auf Adolf Hitler): „Eigentlich wusste ich nichts. Da kam ich nur lebend raus, weil Kameraden schweigend in den Tod gingen, ohne meinen Namen zu nennen. Das Gedenken an diese Widerständler war mein Antrieb, Journalist zu werden.“

Die Zelle 9, eine von zehn insgesamt zehn Zellen im EL-DE-Haus, Bild: Factumquintus, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Zelle 9, eine von insgesamt zehn Zellen im EL-DE-Haus, Bild: Factumquintus, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Folter- und Hinrichtungsstätte mitten in der Stadt 

Der Folterkeller befindet sich noch eine Etage tiefer im zweiten Untergeschoss. Die Schreie der Gequälten, worttäuschend als „Schutzhäftlinge“ bezeichnet, sollten nicht nach draußen dringen; so blieb die ordentliche Fassade des NS-Staates gewahrt. Die überlebende Insassin Käthe Brinkler schildert später, dass ihre Tortur pünktlich um zwölf Uhr unterbrochen und um 13 Uhr fortgesetzt wurde: Mittagspause im Deutschen Reich.

1944 waren die verbliebenen Kölner an Tod und Verwüstung gewöhnt, jetzt wurden im Hof des Hauses die ersten Menschen hingerichtet. Hunderte weitere Hinrichtungen sind belegt. Wie viele Häftlinge genau durch Folter, Schnellgerichte oder Krankheit hier starben, weiß heute niemand.

An einige wenige Menschen erinnern in den Straßen von Köln die Stolpersteine von Gunter Demnig.

Nachtrag:

Der Artikel erschien im Dezember 2005 in der Urversion »Erinnerung: Stolpern über Geschichte« in »Y. Magazin der Bundeswehr« (12/2005, Seite 100 f.) als Arbeit für die Frankfurter Societät (Mediengruppe Frankfurt). Dies rund zehn Jahre nach der ersten Verlegung eines Probe-Stolpersteines in der Kölner Thieboldsgasse (1995). Dieser Text wurde von überarbeitet und durch eine Passage meines persönlichen Gespräches mit Claus Hinrich Casdorff (1925 bis 2004) und eines Satzes von Manfred Weil (1920 bis 2015) ergänzt. Casdorff lernte ich 1996 für Reporter ohne Grenzen Deutschland in seiner Funktion als Chef des Kölner Presseclubs kennen und schätzen.

Andreas „Andy“ Artmann


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Kölner Stadtteile: Klettenberg – zunächst der Park, dann die Siedlung

Luftbild von Klettenberg aus dem Jahr 2017, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Luftbild von Klettenberg aus dem Jahr 2017, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

In Sachen „Grünanlagen“ hat Köln unter den deutschen Städten zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine führende Rolle gespielt. Unter der Regie von Fritz Encke, der 1903 von Berlin nach Köln wechselte und neuer Gartenbaudirektor wurde, entstanden bis Mitte der 1920er Jahre mehr als ein Dutzend städtischer Parks und Grünanlagen. Das erste größere Werk von Fritz Encke war der Klettenbergpark im Jahr 1905.

Bis dahin war Klettenberg ein mehr oder minder unbeschriebenes Blatt gewesen: Im Jahr 1888 hatte die Stadt Köln das weitgehend unbebaute Gebiet zwischen heutiger Luxemburger Straße und den Bahngleisen eingemeindet. Neben dem Gut Klettenberg war auf der gegenüberliegenden Seite der Luxemburger Straße (heutiges Sülz) noch eine Handvoll Häuser, in denen gerade mal 26 Menschen lebten. Es sollte für das neue Kölner Veedel noch 13 Jahre dauern, bis im Jahr 1901 eine Bauplanung vorgelegt wurde.

Der „Feurige Elias“

In der Zwischenzeit hatte am 20. Januar 1898 der „Feurige Elias“ seine regelmäßigen Fahrten von Bonn über das Vorgebirge und die Luxemburger Straße bis zum Barbarossaplatz aufgenommen. 1906 nahm zudem die „Cölnische Straßenbahn-Gesellschaft“ eine Linie über die Luxemburger Straße in Betrieb, die bis zur heutigen Sülzburgstraße verkehrte.

Die Vorgebirgsbahn "Der Feurige Elias", hier um 1900 auf dem Marktplatz in Brühl
Die Vorgebirgsbahn „Der Feurige Elias“, hier um 1900 auf dem Marktplatz in Brühl

Bevor also mit dem Bau des neuen Wohnortes Klettenberg begonnen wurde, waren Eisenbahn, Straßenbahn und auch der Klettenbergpark schon fertig. Geplant war das Siedlungsgebiet für finanziell gut gestellte Menschen wie Kaufleute, Beamte oder leitende Angestellte. Klettenberg sollte etwas Besonderes sein und vor allem Grünflächen bieten.

Siebengebirgsallee und Petersbergstraße sind heute bevorzugte und teure Wohnlagen

Bis heute ist die Siebengebirgsallee, die am Gottesweg die Luxemburger Straße bogenförmig verlässt und diese an der Geisbergstraße wieder erreicht, ein bevorzugtes Wohngebiet. Die Gründerzeithäuser wurden alle zwischen 1905 und 1914 errichtet, 337 Häuser waren zu Beginn des Ersten Weltkrieges fertig gestellt und bezogen worden.

Ein Haus an der Siebengebirgsallee, eine bevorzugte Wohngegend in Klettenberg, Bild: Hac60, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Ein Haus an der Siebengebirgsallee, eine bevorzugte Wohngegend in Klettenberg, Bild: Hac60, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Klettenbergpark wird zum Besuchermagenten

Mindestens genauso beliebt wie die Siebengebirgsallee ist der zuvor erwähnte Klettenbergpark. Gartenbaudirektor Fritz Encke errichtete innerhalb weniger Monate zwischen Nassestraße, Siebengebirgsallee und Luxemburger Straße diesen Park. Die ehemalige Kiesgrube und das brache Gelände gestaltete er mit einem Teich, einem Restaurant, über 250 großen Bäumen, zahllosen Rosen und 50 laufenden Metern Bank. Mit viel Erfolg – der neue Park wurde sehr schnell zu einem Magneten für die Kölner. Bereits kurz nach der Eröffnung erwies sich die provisorische Gastwirtschaft als viel zu klein.

Zu den 100 Tischen sollten noch weitere 50 aufgestellt werden. Außerdem genehmigte die Stadtverordnetenversammlung im April 1909 ein größeres  Restaurationsgebäude. Mit knapp 100.000 Mark war es um einige wenige tausend Mark teurer als die gesamte Parkanlage selbst. Das Restaurant wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Der Rosengarten im Klettenbergpark, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der Rosengarten im Klettenbergpark, Bild: Maximilian Schönherr, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Erfolgreich waren auch die Häuser und Wohnungen in Klettenberg: Viele Bürger aus Sülz gaben gern als Adresse Klettenberg an, obwohl sie eindeutig auf Sülzer Gebiet wohnten. Schließlich galt Klettenberg als die vornehmere Adresse, die Heimstatt für die so genannten besseren Kreise. Andere Sülzer hingegen störten sich daran nicht und stempelten die Klettenberger kurzerhand als hochmütig ab.

Mit dem Bau der Häuser und dem Park verschwand das, was eigentlich Klettenberg seit dem Jahr 1225 gewesen war: ein Gutshof mit einem Park voller Obstbäume, Gemüsegärten, einem kleinen Teich sowie vielen Alleebäumen und einem Berg. Das Gut Klettenberg begann einmal dort am Gottesweg, wo die Siebengebirgsallee auf die Luxemburger Straße stößt, war also weiter stadteinwärts als der heutige Klettenbergpark.

„Cletenbergh“ oder „Cleytenberch“ oder „Clettenbergh“

Auch wenn das Gartengut verschwand, so blieb doch wenigstens der Name; mal schrieb man „Cletenbergh“, mal „Cleytenberch“ oder auch „Clettenbergh“. Dem ersten Teil des Namens ist bislang noch niemand auf die Spur gegangen, zumindest wenn es um Köln-Klettenberg geht. In den Nachschlagewerken findet man unter Klettgau, Klettbach, Kleestadt, Clete als gemeinsame Wurzel „kled“, was so viel wie „klebrige Feuchtigkeit“ bedeuten soll.

Man könnte den ersten Namensteil Kletten- von Klettenberg aber auch auf das mittellateinische „cleta“ zurückführen, das keltischen Ursprung hat. Es steht für „Geflecht“ oder „Einzäunung“.

Als dritte Möglichkeit käme aber auch die Bedeutung „fester Ton, Lehm“ in Frage, wenn man Kletten- auf das mittelniederdeutsche „klei“ zurückführt. Nicht unwahrscheinlich, denn im Laufe der Jahrhunderte schrieb man unter anderem auch Cleytenberch.

Während die „klebrige Feuchtigkeit“ (zahlreiche tote Rheinarme in der Kölner Bucht) wie auch „der feste Ton, Lehm“ (zahlreiche Kiesgruben und Ziegeleien im 19. Jahrhundert unter anderem auch im benachbarten Sülz) durchaus mit Klettenberg in Verbindung gebracht werden können, leuchten die Worterklärungen „Geflecht“ und „Einzäunung“ nicht ohne weiteres ein.

Sprachwissenschaftler führen Clettemberg im Kreis Hohenstein auf die Bedeutung „Geflecht, Einzäunung“ zurück. Was für dieses ferne Clettemberg gilt, kann auch für unser Klettenberg gelten – kann, muss aber nicht.

Der zweite Teil des Namens Klettenberg weist eindeutig auf das Gelände hin, einen Berg, eine Anhöhe. So war im Volksmund die Formulierung „auf dem Klettenberg“ über Jahrhunderte gängig.


Kardinal Joseph Frings im Jahr 1959, Bild: City Archives Kerpen, CC BY 4.0
Kardinal Joseph Frings im Jahr 1959, Bild: City Archives Kerpen, CC BY 4.0

Kardinal Frings in Klettenberg 

Stefan hat selber lange in Klettenberg gewohnt. Und mir erzählt, dass Kardinal Frings seine Reden im Brunosaal1Das ist der Gemeindesaal der Klettenberger Brunokirche. gerne mit den Worten „Liebe Männer und Frauen aus Sülz, sehr geehrte Damen und Herren aus Klettenberg, …“ eingeleitet hat.

Dieses Bonmot ist, so Stefan, überliefert von einem Zeitzeugen aus dem Klerus. Vielen Dank für diese Ergänzung! 


Teiles dieses Texts durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Emons-Verlags aus dem Buch „Kölns 85 Stadtteile“ von Christian Schuh übernehmen.


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Berüchtigte Bordellmeile: Dä Stüverhoff (Im Stavenhof)

Enge Gasse mit bewegter Geschichte: Im Stavenhof, von den Kölner "Stüverhoff" genannt, Bild :Uli Kievernagel
Enge Gasse mit bewegter Geschichte: Im Stavenhof, von den Kölner „Stüverhoff“ genannt, Bild :Uli Kievernagel

Podcast Eigelstein-Stüverhoff 14

Den Schülerinnen der nahgelegen Ursulinenschule, bis 2012 noch eine reine Mädchenschule, war es verboten, über den Eigelstein zur Schule zu laufen. Und erst recht, einen Blick in den Stüverhoff zu werfen. Denn: Neben der Nächelsgasse in der Südstadt und der Brinkgasse im Friesenviertel war der Stavenhof, von den Kölner „Stüverhoff“ genannt, bis in die 1970er Jahre eine Hochburg der Prostitution. Dabei wäre es für die Schülerinnen natürlich äußerst spannend gewesen, zu sehen, was da alles so getrieben wurde.

Kinder spielen zwischen Prostituierten

Wenn man heute durch den Stavenhof läuft, kann man sich gut vorstellen, dass die hohen Mauern und die enge Gasse gute Voraussetzungen für einen Rotlichtbezirk geboten haben.

Dabei war der Stüverhoff anders als die anderen Rotlichtbezirke: Bis 1964 galt hier ein Mindestalter von 30 Jahren, um am Stüverhoff als Prostituierte arbeiten zu dürfen. Und ganz anders als in den anderen Kölner Prostitutions-Hotspots wohnten die Prostituierten tatsächlich zusammen mit der Nachbarschaft in dieser Straße. So berichtete eine Zeitzeugin: „Hier han doch fröher so vill Privatlück jewonnt, do han de Pänz jespillt, un mir stunde nevven der Kinder. Do hätt sich kei Minsch dran jestört!“1Quelle: Arne Dreßler: Stüverhoff, Animierkneipen und Anwohner: Rotlicht am Eigelstein.

Chicago am Rhein

Allerdings sollte diese vermeintliche Idylle nicht darüber hinwegtäuschen, dass noch bis in die 1970er Jahre das kriminelle Milieu die Stadt fest im Griff hatte.

Frischse Pitter, Abels Män, Karate Jacky und nicht zuletzt Schäfers Nas und Dummse Tünn – die Namen der Protagonisten aus dieser Zeit klingen zwar wie kölsche Folklore, doch diese Männer waren brutale Schläger, Geldeintreiber und Zuhälter.

Im Buch "Chicago am Rhein" werden die Protagonisten des Kölner Milieus beschrieben (KiWi, Taschenbuch ,168 Seiten, 14,99 Euro)
Im Buch „Chicago am Rhein“ werden die Protagonisten des Kölner Milieus beschrieben (KiWi, Taschenbuch, 168 Seiten, 14,99 Euro)

Der ehemaligen Polizist Josef „Jupp“ Menth, vielen als „Der Kölsche Schutzmann“ im Karneval bekannt, war in dieser Zeit für die Kriminalpolizei tätig. Über „Schäfers Nas“ sagt Menth: „Die „Nas“ sei nicht etwa „ne Joode“ gewesen, wie viele Kölner sich heute einreden wollten, sondern ein ganz brutaler, menschenverachtender Zuhälter in Großausführung“.2Rheinische Post: Zuhälter und Zocker in Köln, 22.11.2011

So hat sich Köln den Ruf als „Chicago am Rhein“ redlich verdient. Mitte der 1960er Jahre wurden in der Domstadt jährlich knapp 50.000 Straftaten registriert – ein Spitzenwert im bundesdeutschen Vergleich.

Daran, dass der Stüverhoff ein Zentrum des kriminellen Milieus war, erinnert auch das Lied „Zoff em Stüverhoff“ der kölschen Band „Kragenknöpp“:

„Em Stüverhoff es Zoff …
Die Schmier is do
un schängt se uss … na na na“

Im Stavenhof, von den Kölnern "Stüverhoff" genannt, Bild: Uli Kievernagel

Bild 1 von 15

Im Stavenhof, von den Kölnern "Stüverhoff" genannt, Bild: Uli Kievernagel

Die Entscheidung: Stadtpatronin oder Großbordell

Um das Milieu „auszutrocknen“ und die Prostitution besser zu kontrollieren, sollte 1964 ein Großbordell am Stüverhoff errichtet werden. Der ganze Eigelstein war entsetzt und machte mobil gegen dieses Vorhaben. Niemand geringerer als der damalige Pfarrer von St. Ursula, Paul Fetten, setzte sich an die Spitze dieser Bewegung und drohte damit, dass er von der Stadt verlangen würde, die Heilige Ursula als Stadtpatronin abzusetzen, sollte dieses Bordell tatsächlich gebaut werden. Die Stadt knickte ein.

Erst mit der Eröffnung des „Eros Centers“ im Jahr 1972 (später in „Pascha“ umbenannt) in der Hornstraße wurde die Prostitution in der gesamten Innenstadt und somit auch im Stavenhof untersagt. Zwar kamen Ende der 1970er einzelne Prostituierte zurück, doch die wilden Zeiten waren da schon längst vorbei.

Als Anfang der 1990er Jahre die Grenzen insbesondere zu den osteuropäischen Ländern geöffnet wurden, nahmen Banden aus diesen Regionen das Geschäft in die Hand – mitsamt ausländischen Prostituierten. Als dann noch vermehrt drogenabhängige Frauen am Eigelstein und drumherum anschafften, kippte die Stimmung endgültig, die offene Prostitution wurde nicht länger geduldet.

Das mit einem Architekturpreis prämierte Haus Stavenhof 20, Bild: Uli Kievernagel
Das mit einem Architekturpreis prämierte Haus Stavenhof 20, Bild: Uli Kievernagel

Bevorzugte Wohngegend und beliebter Drehort

Heute ist der Stavenhof eine reine Wohnstraße und mittlerweile eine bevorzugte sowie teure Ecke. Das Haus Stavenhof 20 hat sogar einen Architekturpreis gewonnen. Rund um den Eigelstein existieren zwar noch einzelne Stundenhotels und Wohnungen, in denen noch angeschafft wird. Allerdings spielt sich diese Prostitution eher im Verborgenen ab.

Tatsächlich ist die idyllische Gasse ein beliebter Drehort geworden. So haben bereits die Tatort-Kommissare aus Münster sowie Wilsberg und die „Kommissar Klefisch“ alias Willy Millowitsch hier ermittelt.

Und der Musiker Jürgen Zeltinger erinnert sich in seinem Lied Stüverhoff mit Wehmut an die alten Zeiten. Zu den Klängen von Lou Reeds „Walk On The Wild Side“ singt der Kölschrocker:

Mer troffe uns um zehn im Stüverhoff.
Do sachst zo mir, Mensch wat han ich neu dann drup.
Jon mer doch in dat dat ahle Appartement erin
un ich sach dir wie düür ich bin.
Ich jon wieder op dä Stüverhoff,
mache mir de nächste Freier op.
Un die Nutte singe: däp dä däp …


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Das Weinhaus Brungs – gefährdetes Baudenkmal mitten in der Stadt

Das Gasthaus Brungs in der Kölner Innenstadt, Bild: Raimond Spekking
Das Gasthaus Brungs in der Kölner Innenstadt, Bild: Raimond Spekking

Es ist sehr zentral und ist trotzdem irgendwie versteckt: Das Weinhaus Brungs, ein sehr geschichtsträchtiger Bau. Von außen durchaus beeindruckend, aber spätestens, wenn man die Treppe heruntergeht, bekommen sowohl der Kölner als auch der Tourist den Mund vor Staunen nicht mehr zu: Hier gibt es noch Reste der römischen Stadtbefestigung – Geschichte zum Anfassen. Tatsächlich sind hier die Reste des römischen Stadttors „Marspforte“ zu sehen.

Geschichtsträchtiges Gebäude

Im 16. Jahrhundert hatte sich das Viertel rund um die Marspforte rasant entwickelt: In unmittelbarer Nähe der beiden wichtigen Warenumschlagsplätze Alter Markt und Heumarkt sowie dem Machtzentrum Rathaus florierte hier das Geschäft.

Dabei war das alte, an dieser Stelle noch bestehende, römische Stadttor wohl eher hinderlich. So hatte der Kölner Ratsherr Hermann von Weinsberg in seinen berühmten Tagebüchern notiert, dass es an den Bögen des Stadttors sehr schmutzig sei, weil jeder seinen Unrat dort ablud. Hier ein gekürzter Auszug aus dem Tagebuch von Hermann Weinsberg zur Marspforte:1 Die ursprüngliche Handschrift ist nur für Experten lesbar, Details dazu gibt es beim Weinsberg-Projekt.

Auszug aus den Tagebuch von Hermann Weinsberg, die ursprüngliche Handschrift ist nur für Experten lesbar
Eine sinngemäße Übersetzung:

Auszug aus den Tagebuch von Hermann Weinsberg, die ursprüngliche Handschrift ist nur für Experten lesbar

Weinsberg berichtete, dass der Kölner Ratsherr Gillis Eifler an genau der Stelle des abgerissenen Stadttors zwei Stadthäuser errichtete. Wie damals üblich wurde nicht komplett neu gebaut, sondern bestehende Mauern in den Neubau integriert. Und so sind die Reste des Stadttors heute Bestandteil des Gewölbekellers im Weinhaus Brungs.

Das antike Kellergewölbe im Weinhaus Brungs mit zwei Grinköpfen, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Das antike Kellergewölbe im Weinhaus Brungs mit zwei Grinköpfen, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Die ebenfalls dort angebrachten Fratzenmasken sind sogenannte „Grinköpfe“. Diese gehören eigentlich auf die Giebel von Stadthäusern. Durch das Maul dieser Fratzen konnten Seile gezogen werden, und so wurden schwere Waren in die Speicherräume unter den Dächern gehoben.

Häuser werden zusammengelegt

Etwa in der Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte die Familie Brungs beide Gebäude. Um mehr Platz zu schaffen, wurden aus zwei Häusern eins. Den Durchgang markiert ein markanter neogotischer Spitzbogen mit dem in den Stein verewigten Stadtnarren „Worbel“.

Laut Überlieferung soll es diesen Worbel tatsächlich gegeben haben. Er hieß Pankratz Weinstock und unterhielt im 12. Jahrhundert die Stadtgesellschaft mit seinen Späßen.

Massive Zerstörung im Krieg – heute Institution in der Innenstadt

Im Zweiten Weltkrieg wurde auch das Gasthaus Brungs schwer beschädigt und wiederaufgebaut. Daher stammt die Inneneinrichtung aus anderen Häusern und wurde hier wieder eingebaut, wie zum Beispiel die hölzerne Wendeltreppe aus dem 18. Jahrhundert.

Heute behauptet sich das Weinhaus Brungs zwischen den vielen Brauhäusern in der Innenstadt. Auf der Touristik-Website TripAdisor nimmt dieses Restaurant Platz 62 von 1.699 gelisteten Häusern in Köln ein2Stand: 1. März 2023. Gäste loben das Essen und die Weinkarte.

Das Gasthaus Brungs in der Kölner Innenstadt, Bild: Horsch, Willy - HOWI, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Das Gasthaus Brungs in der Kölner Innenstadt, Bild: Horsch, Willy – HOWI, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Stadt kauft Gebäude – weitere Nutzung ungewiss

Im Zuge der Arrondierung3Arrondierung ist der Einbezug angrenzender Flächen zu einem bestimmten Grundstück. der Flächen rund um das Rathaus hat die Stadt Köln Ende 2019/Anfang 2020 das Gebäude erworben.

Eigentlich wollte die Familie Brungs das Gebäude an eine Privatperson verkaufen. Ein entsprechender Kaufvertrag lag bereits vor, doch Ende 2019 entschloss sich der Stadtrat, von dem im Grundbuch eingetragenen Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen und das Gebäude für 3 Millionen Euro4Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger vom 17.01.2020 zu erwerben. Gleichzeitig sicherte die Stadt dem Pächter des Restaurants zu, dass der Pachtvertrag weiterlaufen solle.

Doch augenscheinlich wurde der Pachtvertrag zum Ende Februar 2023 gekündigt. Ob und wie es mit der Gastronomie im Weinhaus Brungs weitergeht, ist völlig offen. Auch ein anderweitiges Nutzungskonzept der Stadt liegt (noch) nicht vor.

Oder will sich unser Rat am Ende nur einen schnellen Weg  zum Wein sichern? Der Stadtführer und Köln-Experte Bernd Imgrund berichtet5„111 Kölner Kneipen, die man kennen muss“ von Bernd Imgrund und Thilo Schmülgen, dass der Notausgang des Gewölbekellers direkt unter das Rathaus führt. Und diesen kann man ja schließlich auch in die andere Richtung nutzen …

Konzept zur Weiternutzung dringend erforderlich!

Es bleibt die Hoffnung, dass schnell eine Weiternutzung des Gebäudes ansteht, damit dieses wunderschöne Gebäude nicht eine ähnliche Entwicklung wie zum Beispiel das Funkhaus in Raderthal durchmacht. Dieses gammelt mangels Entscheidung vor sich hin – vermutlich bis nichts mehr zu retten ist und es einfach abgerissen wird.


+++ UPDATE  Stand: Mai 2023 +++

 Das Team vom Weinhaus Brungs hat in der Decksteiner Mühle (Gleueler Str. 371, Köln-Deckstein) eine neue Heimat gefunden.
Viel Erfolg am neuen Standort!


 

Logo change.org
Petition: Das letzte Alt-Kölner Weinhaus darf nicht sterben!

Die „Freunde von Weinhaus Brungs“ haben auf der Plattform change.org eine Petition gestartet und fordern von der Stadt Köln:

Die Stadt Köln soll als Eigentümerin des Weinhauses Brungs dieses beispielhafte Denkmal erhalten, fachgerecht sanieren und als Juwel der Altstadt in seiner traditionsreichen Nutzung als Weinhaus dauerhaft weiterführen.

Aktuell6Stand 1. März 2023 haben 580 Personen diese Petition unterschrieben. Der Köln-Lotse übrigens auch.

Falls auch du diese Petition unterschreiben willst, findest du hier alle notwendigen Informationen:

Das letzte Alt-Kölner Weinhaus darf nicht sterben.
WIR WOLLEN WEINHAUS BRUNGS ERHALTEN!


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Kölner Stadtteile: Hahnwald – kein Hahn aber viele Promis

Der Kölner Stadtteil Hahnwald, exklusiv und mit hoher Promi-Dichte, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Der Kölner Stadtteil Hahnwald, exklusiv und mit hoher Promi-Dichte, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Der Hahnwald ist eines der Kölner Villenviertel. Zwar gab es bereits, ähnlich wie in Marienburg, auch im Hahnwald die ersten Villen bereits um 1930. Doch der größere Bauboom begann dort mit der Eweiterung des Stadtteils ab den 1970er Jahren. In diesem neuen Teil wurden die Grundstücksgrößen auf 1.000 m² begrenzt.1In dem älteren Teil sind die Grundstücke mit etwa 2.000 m² doppelt so groß.. Bekannte Architekten konzipierten dort ausgefallene Villen. 

Tatsächlich hat dieser Stadttteil ein ganz anderes Flair als das ehrwürdige Marienburg. Die Kölner bringen es mit folgender Aussage auf den Punkt: „In der Marienburg wohnt das „alte Geld“, im Hahnwald sind die Neureichen zu Hause.“     

Name kommt vom Federvieh, von „Hain“ oder vom „Herr von Hahn“  

Den ersten Nachweis von Hahnwald findet man bereits im Jahr 1231 als „Hanen by Sorden“ (… bei Sürth); in einer weiteren Urkunde aus dem Jahr 1335 heißt es „Hanen an der Bunre straissen“ (… an der Bonner Straße). Mit „Hanen“  ist der Bezug auf das gleichnamige Federvieh, den „Hahn“, deutlich. Doch es ist fraglich, welche herausragende Bedeutung der Vogel dort gespielt haben soll.

Da es im Kölner Süden im ersten Jahrtausend ein großes Waldgebiet gegeben hat, von dem nur Teile erhalten blieben, liegt es näher, Hanen mit einem geschlossenen Waldstück in Verbindung zu bringen. So wird im althochdeutschen ein Hain als „hagan“ bezeichnet. Als 1951 der neue Stadtteil gegründet wurde, hat sich die Gemeinde Rondorf (ab 1961 Rodenkirchen) jedenfalls an diese Herleitung gehalten.

„Der Name geht zurück auf die Flurbezeichnung „Zum Hendtgen“, das ist Hainwald, denn früher hat hier ein Buchenwald (Hainbuche) gestanden.“

Eine andere Erklärung des Namens ist mündlich überliefert. Sie besagt, dass ein Herr von Hahn große Teile des heutigen Gebietes von Hahnwald besessen hat. An ihn soll der Name erinnern.

Besiedlung in drei Schritten

Die Besiedlung von Hahnwald vollzog sich in drei Schritten: Das erste Gebäude und lange Zeit das einzige ist zu Beginn des 19. Jahrhunderts errichtet worden: Es war der Hermannshof (früher auch Zehnpfennigshof), der heute noch bewirtschaftet wird. Die Äcker des Bauern liegen inzwischen jedoch in Rondorf und Immendorf, da Hahnwald vollständig bebaut ist. 

Zum Wohnort – besser gesagt – Villenviertel wurde Hahnwald in den 1920er Jahren erkoren. Initiiert von Ernst Leybold und Theodor Merrill wird ab 1926 der Hahnwald für eine Villenbebauung erschlossen, ein zweites Marienburg wurde geplant.

Das 1935/36 "Haus Birkhof" (2016 abgerissen) war zunächst das Wohnhaus des Fabrikanten Alfons Mauser und von 1970 bi2 2006 die nResidenz des Botschafters der Republik Niger, Bild: Leit, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Das 1935/36 errichtete „Haus Birkhof“ (2016 abgerissen) war zunächst das Wohnhaus des Fabrikanten Alfons Mauser und von 1970 bis 2006 die Residenz des Botschafters der Republik Niger, Bild: Leit, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Bebauung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die weitere Bebauung, der zweite Schritt, erfolgte jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals hatte Hahnwald seinen Namen eigentlich gar nicht verdient; zumindest den zweiten Teil nicht, die Bezeichnung Wald. Dort, wo einmal das Villenviertel errichtet werden sollte, stand kein Baum weit und breit. Der Waldbestand war längst abgeholzt worden. Erst mit den neuen Bewohnern wurden wieder Bäume gepflanzt.

Nördlich der Siedlung wurde zudem der Forstbotanische Garten angelegt. Im Süden wird der Hahnwald von Industrieanlagen abgegrenzt, die mittlerweile zu Godorf zählen. Durch die Bebauung nach dem Zweiten Weltkrieg und die steigende Einwohnerzahl – 1950 sind gerade einmal 234 Einwohner nachgewiesen – kommt es dann 1951 zur Gründung eines eigenen Stadtteils. Der Bau immer neuer Villen lässt die Zahl der Bewohner im Jahr 1967 auf 805 ansteigen.

Promis, Stars und Sternchen lassen sich im Hahnwald nieder 

Schließlich setzt der dritte Schritt der Besiedlung ein: Mit der Erschließung des östlichen Hahnwald-Teils. Ab ca. 1970 wurden dort extravagante Villen von bekannten Architekten relalsiert. Aktuell leben ziemlich genau 2.000 Menschen in Hahnwald.2Stand: 31.12.2021

Das Haus X1, Wohnhaus des Architekten Peter Neufert, erbaut 1961–1962, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Das Haus X1, Wohnhaus des Architekten Peter Neufert, erbaut 1961–1962, Bild: A.Savin, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Extravagante Architektur

Für Furore haben einige eigenwillige Villenbauten gesorgt. In die Geschichte eingegangen ist vor allem die Villa von Peter Neufert. Nach den Plänen des Architekten entstand 1961 das Haus X1 (Am Zehnpfennigshof 9). Es ist ein zweistöckiger Glasbau, dessen Dach im Halbrund über das ganze Gebäude reicht.

Das "Farina Haus", erbaut in den Jahren 1977-1978. Bild: Farina-Archiv , CC-BY
Das „Farina Haus„, erbaut in den Jahren 1977-1978. Bild: Farina-Archiv , CC-BY

Prominente Bewohner 

Die großzügigen Grundstücke und die Exklusivität des Stadtteils haben auch viele Prominente angezogen. Und diese Bewohner haben ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis. Gemeinsam finanzieren die Hahnwald-Bewohner einen eigenen Sicheheitsdienst.  Mit Erfolg: Der Hahnwald weist die niedrigste Kriminalitätsrate von ganz Köln auf.  

Heute3Stand Februar 2023 wohnen dort unter anderem die Fußballer Timo Horn oder Toni Kroos und der Fußball-Trainer Christoph Daum. Aber auch Stars und Sternchen aus den Medien haben sich im Hahnwald niedergelassen, zum Beispiel Oliver Pocher, Stefan Raab, Pietro Lombardi oder Hans Meiser. Einer der prominentesten Bewohner Hahnwalds ist aber sicherlich der Maler Gerhard Richter.


Teile dieses Textes durfte ich mit freundlicher Genehmigung des Emons-Verlags aus dem Buch „Kölns 85 Stadtteile“ von Christian Schuh übernehmen.


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Das Kölner Stadtmodell: „Klein-Köln“ oder „Kölsches Miniaturwunderland“

Fast die ganze Stadt auf einen Blick: Das Kölner Stadtmodell. Bild: Uli Kievernagel
Fast die ganze Stadt auf einen Blick: Das Kölner Stadtmodell. Bild: Uli Kievernagel

Von der Südbrücke bis zum Gürzenich sind es nur ein paar Schritte. Auch vom Barbarossaplatz zum Rathausturm ist es nur ein Katzensprung. Einfach fantastisch: Eine Stadtbesichtigung im Schnelldurchlauf. 

Möglich macht dies das Kölner Stadtmodell. Dabei handelt es sich um ein Modell der Innenstadt im Maßstab 1:500. So werden die 1,5 Kilometer von der Kölnarena zum Schokoladenmuseum zu gerade mal drei Metern, von der Hohenzollernbrücke zum Südstadion sind es nur sechs Meter. Und wie bei einem Rundflug über Köln kann man große Teile der Stadt auf einen Blick erfassen.

Im Modell gute 30 cm hoch: Der Kölner Dom, im Vordergrund der Hauptbahnhof, Bild: Uli Kievernagel
Im Modell gute 30 cm hoch: Der Kölner Dom, im Vordergrund der Hauptbahnhof, Bild: Uli Kievernagel

1993 entstehen erste Teile des Modells

Das Kölner Stadtmodell ist ein detailgenauer Nachbau der Stadt – ein Kölner Miniaturwunderland. Bereits seit den 1950er Jahren wurde von Architekten über ein solches Projekt diskutiert. Die Idee: In einem solchen Modell können Bauprojekte im städtebaulichen Zusammenhang geprüft und beurteilt werden bevor die Bagger rollen.

Doch erst im Jahr 1991 wurde die Idee für ein solches Stadtmodell von den beiden Architekten Dörte Gatermann und Kaspar Kraemer1Kraemer ist auch der Architekt von Kölns größtem Wasserstandsmelder: Dem Pumpwerk Schönhauser Straße. konkretisiert. 1993 entstanden die ersten jeweils 1 x 1 Meter großen Platten des Modells. Danach unternimmt das stetig wachsende Modell – es umfasst 1996 bereits 30 Platten – eine wahre Odyssee durch die Stadt. Aufstellungsorte waren die alte Druckereihalle des Stadthauses und die Halle des Technischen Rathauses in Deutz. Seit 2004 steht das Modell im Spanischen Bau des Rathauses.

Aktuell umfasst das Modell 64 einzelne Platten und deckt den innerstädtischen Bereich zwischen Mediapark und Südbrücke (Nord-Süd-Richtung) sowie Kalk und Belgisches Viertel (Ost-West-Richtung) ab.

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Modellbau ist aufwändig

Zu den ersten Modellbauern gehörte Christof Krautwig. Obwohl schon längst im Ruhestand kümmert er sich immer noch liebevoll um das Modell. Alleine seine regelmäßige Reinigung des gesamten Modells dauert etwa zwei Monate.

Heute baut seine Nachfolgerin, die Aachenerin Anikó Krén, weiter an dem „Klein-Köln“. Sobald neue Veedel in das Modell aufgenommen werden, nutzt die Architektin und Modellbauerin zunächst die bestehenden Pläne. Zusätzliche Luftaufnahmen geben eine Information über Gebäudehöhen und Dachformen. Um auch wirklich alle Besonderheiten zu berücksichtigen, fährt Anikó Krén zu den Veedeln in „echt“ und fotografiert Fassaden, Gebäude und Straßenzüge. Erst dann beginnt der aufwändige Modellbau.

Im Modell wird die besondere Architektur sichtbar: Der Mediapark im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel
Im Modell wird die besondere Architektur sichtbar: Der Mediapark im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel

Die Gebäude im Modell werden aus speziellen Kunstharzen (Ureol oder Ecpocel) hergestellt. Die durchgängig weiße Lackierung hilft, den Überblick zu behalten. Um Neubauvorhaben umsetzen zu können, sind die Modelle aller Gebäude so auf den Platten verschraubt, dass diese sehr einfach ausgetauscht werden können.

Ausgewählte Bauwerke werden detailliert ausgeführt. Dazu gehören zum Beispiel die Kölnarena, die Brücken, die romanischen Kirchen und selbstverständlich der Dom. Allein die Dom-Nachbildung besteht aus über 20.000 Einzelteilen.

Die Kölnarena im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel
Die Kölnarena im Kölner Stadtmodell, Bild: Uli Kievernagel

Dieser Aufwand hat seinen Preis: Die Erstellung eines Quadratzentimeters des Modells kostet 1,50 Euro, eine ganze Platte 15.000 Euro. Deswegen ist der Trägerverein des Modells auf Spenden angewiesen. Spender können zum Beispiel den Modellnachbau ihres eigenen Hauses, den Bau ausgewählter städtischer Gebäude oder eine gesamte Modellplatte finanzieren.

Als Spender ist man in guter Gesellschaft – bisher haben mehr als 200 Personen, Unternehmen und Initiativen das Modell unterstützt. Die Liste reicht von A wie ADAC über K wie Kaufhof bis hin zu Z wie Züblin Bauunternehmung AG.

Die neue, noch nicht realisierte, Bebauung des Deutzer Hafens ist im Kölner Stadtmodell bereits zu sehen. Bild: Uli Kievernagel
Die neue, noch nicht realisierte, Bebauung des Deutzer Hafens ist im Kölner Stadtmodell bereits zu sehen. Bild: Uli Kievernagel

Planung von Neubauprojekten

Besonders spannend ist der Einsatz des Modells für geplante Bauprojekte. Mit Hilfe des Modells können Planungen sehr frühzeitig im Gesamtzusammenhang visualisiert, überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. So ist schon heute der geplante Endausbau des Deutzer Hafens mit der ehemaligen Ellmühle im Modell integriert. Das Modell dient Bauherren, Rat und Architekten als praktische Entscheidungshilfe im Städtebau.

Und für den interessierten Kölner ist es einfach spannend, Orte wie das Südstadion, den Volksgarten oder die Messe von oben zu sehen ohne in ein Flugzeug steigen zu müssen.


Hinter diesem Eingang des Spanischen Baus (Rathausplatz) befindet sich das Kölner Stadtmodell, Bild: Raimond Spekking
Hinter diesem Eingang des Spanischen Baus (Rathausplatz) befindet sich das Kölner Stadtmodell, Bild: Raimond Spekking

Besichtigung des Kölner Stadtmodells

Das Kölner Stadtmodell kann während der Öffnungszeiten des Rathauses im Spanischen Bau besichtigt werden, der Eintritt ist frei.

Öffnungszeiten:
Mo., Mi., Do. 8.00 –16.00 Uhr
Di. 8.00 – 18.00 Uhr
Fr. 8.00 – 12.00 Uhr


Logo Trägerverein Kölner Stadtmodell

Spenden an die Initiative Kölner Stadtmodell

Träger der Initiative ist der Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V. Die Bankverbindung für Spenden lautet:

IBAN: DE60 3705 0299 0000 0199 94
Kreissparkasse Köln, BIC: COKSDE33
Stichwort „Kölner Stadtmodell“

Auf Wunsch wird eine steuerrechtlich anerkannte Spendenbescheinigung ausgestellt.


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Die Figuren am Rathausturm – eine kölsche Posse

Das Kölner Rathaus, hier auf einem Kupferstich um etwa 1655, Bild: Künstler unbekannt, via Wikimedia Commons
Gut zu erkennen: Das erste Figurenprogramm auf dem Kölner Rathausturm, hier auf einem Kupferstich um etwa 1655, Bild: Künstler unbekannt, via Wikimedia Commons

Podcast Rathausturm, 29

Su jet jitt et nur in Kölle! Wir machen zwar Dinge gerne schon mal mehrfach, aber was am Rathausturm in den 1980er passiert ist, ist leider irgendwie typisch kölsch.

Der im Stil der Spätgotik errichtete Rathausturm ist reich mit Zinnen und Vorhangbögen geschmückt. Am auffälligsten sind aber die 124 Figuren von Persönlichkeiten, die die Geschichte der Stadt Köln geprägt haben.

So findet sich dort heute eine bunte Mischung kölscher Prominenz, zum Beispiel Agrippina, Jan von Werth, Katharina Henot, Johann Maria Farina bis hin zu Nikolaus Otto. Es bedurfte allerdings mehrerer Anläufe, bis diese Figuren fest und sicher auf dem Turm standen.

Die Vorgeschichte: Die ersten Figuren stammten aus dem 15. Jahrhundert

Bereits mit Fertigstellung des Turms im Jahr 1414 war der Turm mit Figurten ausgestattet. Welche Figuren sich ursprünglich dort befanden, ist heute nicht mehr bekannt.

In den Jahren hatten Wind und Wetter den Figuren so massiv zugesetzt, dass diese anfingen, ganz oder in Teilen abzufallen. So beschloss der Rat am 22. Mai 1694 aus Sicherheitsgründen, die Figuren abzunehmen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein neues Figurenprogramm beschlossen. Diese Figuren wurden zwischen 1891 und 1901 in Auftrag gegeben.

Das Kölner Rathaus um 1900 - noch bevor die Figuren bis etwa 1902 neu aufgestellt wurden. Photochromdruck, Künstler unbekannt, Public domain, via Wikimedia Commons
Das Kölner Rathaus um 1900 – noch bevor die Figuren neu aufgestellt wurden. Photochromdruck, Künstler unbekannt, Public domain, via Wikimedia Commons

Die Aufstellung dieser neuen Figuren war in Gruppen eingeteilt: Im Erdgeschoss war Platz für Fürsten und Erzbischöfe, im ersten Obergeschoss für Repräsentanten der Geschlechterherrschaft, eine Etage darüber für Repräsentanten der Zünfte. Das dritte Obergeschoss war für Männer der Künste und der Wissenschaft vorbehalten und im obersten Geschoss wachten die Schutzheiligen der Stadt über die Bürger. Die Letzte dieser Figuren wurde im Jahr 1902 aufgestellt.

Massive Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg

Das Rathaus wurde im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Vom Rathausturm stand gerade noch ein Drittel. Es gab sogar Überlegungen, den Turm gänzlich abzureißen und neu aufzubauen. Doch die Kölner Handwerkerschaft erinnerte sich an ihre alte Zunft-Tradition und initiierte die „Bauhütte Rathausturm“. So wurde der Rathausturm, nach der Errichtung durch die Zünfte Anfang des 15. Jahrhunderts, im 20. Jahrhundert von den Kölnern Handwerkern gerettet.

Der zum größten Teil zerstörte Rathausturm im Jahr 1945, Fotograf: unbekannt
Der zum größten Teil zerstörte Rathausturm im Jahr 1945, die Figuren wurden fast vollständig zerstört, Fotograf: unbekannt

Von 1950 bis in das Jahr 1975 wurde an dem Rathausturm gebaut und das Gebäude originalgetreu wieder aufgebaut. Allerdings waren von den bis 1902 aufgestellten Figuren auf dem Turm nach dem Bombardement des Zweiten Weltkriegs kaum noch etwas übrig.

Neues Figurenprogramm in den 1980er Jahren: Bei 124 neuen Figuren gerade einmal fünf Frauen.

Die Stadt setzte eine Historikerkommission mit der Aufgabe, eine neue Auswahl an Figuren vorzuschlagen, ein. Die Bedingungen waren lediglich, dass weder lebende Personen noch „negative Figuren“ abgebildet werden dürfen.

Die Kommission benötigte gerade einmal fünf Jahre, um ein entsprechendes Figurenprogramm zu erarbeiten. So konnte endlich im Jahr 1986 das Konzept vom Kulturausschuss verabschiedet und dem Stadtrat zur Abstimmung vorgelegt werden. Bei dieser Stadtratssitzung muss es hoch hergegangen sein, denn die Fraktion der Grünen verweigerte konsequent die Zustimmung. Mit Recht!

Eine der wenigen Frauen auf dem Rathausturm: Die erfolgreiche Unternehmerin Fygen Lutzenkirchen (1450-1515), Bild: Raimond Spekking
Eine der wenigen Frauen auf dem Rathausturm: Die erfolgreiche Unternehmerin Fygen Lutzenkirchen (1450-1515), Bild: Raimond Spekking

Was die Grünen auf die Palme brachte: Die Kommission hatte bei den 124 Figuren gerade einmal fünf Frauen vorgeschlagen. Mit anderen Worten: In der mehr als 2.000 Jahre alten Stadtgeschichte sollen Frauen gerade einmal mit 4% berücksichtigt werden. Ein Eklat.

Überarbeitung des Figurenprogramms

Die Kommission wurde noch einmal beauftragt, das Programm zu überarbeiten. 1988 wurde der neue Vorschlag mit dem immer noch mickrigen Ergebnis, dass jetzt gerade einmal 18 Frauen berücksichtigt wurden, vom Stadtrat verabschiedet.

Was von dem ursprünglichen Vorschlag der Kommission übrig blieb, war das Konzept, welche Figurengruppe wo ihren Platz finden sollte:

  • Im Erdgeschoss befinden sich Persönlichkeiten „Herrscher und herrschergleiche Personen“.
  • Danach folgen vom ersten bis zum dritten Obergeschoss „Für die Stadt wichtige Persönlichkeiten“.
  • Ganz oben ist der „Kölsche Himmel“: Die Schutzpatrone und Heiligen der Stadt
Adolf Clarenbach (rechts),auf Melaten hingerichteter evangelischer Reformator, Statue am Rathaus, Bild: Raimond Spekking
Die Figur von Adolf Clarenbach (rechts), auf Melaten hingerichteter evangelischer Reformator, Bild: Raimond Spekking

Die Stadt muss kötten gehen

Nach den Irrungen und Wirrungen um die inhaltliche Ausgestaltung des Figurenprogramms war die nächste Hürde die Finanzierung der Figuren. Da die Stadt – wie immer – klamm war, ging man kötten. Die Idee: Kölner Unternehmen, Verbände, Bürger, Vereine etc. wurden angefragt, ob sie nicht die Patenschaft über eine oder mehrere Figuren übernehmen könnten. Diese Patenschaft war damit verbunden, die entsprechende Figur auch zu stiften. Kein ganz günstiges Vergnügen – immerhin kostete damals eine Figur rund 25.000 DM. Für diesen Betrag konnte man im Jahr 1988 einen gut ausgestatten Audi 80 kaufen.

Doch die Kölner ließen sich nicht lumpen: So stifteten unter anderem das Bankhaus Sal. Oppenheim (Figur: Abraham Oppenheim), die Agrippina-Versicherung (Figur: Agrippina), der Verlag M. DuMont Schauberg (Figur: Karl Joseph Daniel DuMont), die Alfred Schütte GmbH (Figur: Meister Eckhart, Hans Imhoff (Figur: Severin von Köln), die Gerling-Versicherung (Figur: Gereon), Klosterfrau Melissengeist (Figur: Maria Clementine Martin), EMI Electrola (Figur: Jaques Offenbach) oder Klöckner-Humboldt-Deutz (Figur: Nicolaus Otto).

Figur des Nikolaus Gülich am Kölner Rathausturm (in der Mitte). Links neben ihm ist Johann Maria Farina, Bild: Raimond Spekking
Figur des Nikolaus Gülich am Kölner Rathausturm (in der Mitte). Links neben ihm ist Johann Maria Farina, Bild: Raimond Spekking

Aber auch die Willi-Ostermann-Gesellschaft (Figur: Willi Ostermann), der 1. FC Köln (Figur: Bernhard Letterhaus) sowie die Kreishandwerkerschaft Köln (Figur: Heilige Ursula) und die Mitarbeitenden der Stadtverwaltung Köln (Figur: Nikolaus Gülich) traten als Stifter auf. Genau wie das Erzbistum Köln (Figur: Edith Stein), der Evangelische Stadtkirchenverband Köln (Figur: Adolf Clarenbach) oder der Kölner Brauerei-Verband (mehrere Figuren, u.a. Kaiser Augustus.)

Konservierung der Figuren für die Ewigkeit

Um die Figuren für eine lange Zeit haltbar zu machen, wurden diese mit Acrylharz getränkt. Grundsätzlich eine gute Idee. Denn die in der Gebäudeabdichtung, zum Beispiel auch am Dom, regelmäßig verwendeten Acrylharze haben eine gute Optik und eine hohe Beständigkeit. Nur war diese Konservierungsmethode leider nicht bei dem für die Figuren verwendeten Tuffstein geeignet.

Die Figur des Engelbert von Berg war eines der ersten Opfer der falschen Konservierungsmethode. Die Figur des Albertus Magnus wurde nicht mit Acrylharz getränkt und blieb unversehrt. Bild: Raimond Spekking
Die Figur des Engelbert von Berg war eines der ersten Opfer der falschen Konservierungsmethode. Die Figur des Albertus Magnus wurde nicht mit Acrylharz getränkt und blieb unversehrt. Bild: Raimond Spekking

Bereits nach zehn Jahren zeigten sich erste Risse in der Figur des „Engelbert von Berg“. Der Restaurator Thomas Lehmkuhl erkannte, dass der eher poröse Tuffstein der Figuren sich massiv mit dem Acrylharz vollgesaugt hatte. Das führte dazu, dass die Figuren, die vor der Behandlung mit dem Konservierungsmittel etwa 220 kg gewogen haben, danach aber satte 300 kg auf die Waage brachten.

Fachmann Lehmkuhl erklärte, dass der Tuffstein durch die große Menge Acrylharz hart und spröde wird. Lehmkuhl weiter: „Und gleichzeitig erhöht sich dadurch bei Sonnenschein oder Frost die thermische Belastung des Steins.“1„Risse im Kölner Turmpersonal!“, Welt am Sonntag vom 11. Dezember 2005

Die Originalfigur der Heiligen Ursula steht bei der Kreishanderwerkerschaft im Stapelhaus, auf dem Rathaus ist eine Kopie angebracht, Bild: Uli Kievernagel
Die Originalfigur der Heiligen Ursula steht bei der Kreishanderwerkerschaft im Stapelhaus, auf dem Rathaus ist eine Kopie angebracht, Bild: Uli Kievernagel

Eine Untersuchung der Figuren ergab, dass diese nicht mehr zu retten waren. Die Figuren zeigten massive Risse und bröselten vor sich hin.

Zwar wurde der „Schwarze Peter“, wer denn nun schuld an der Misere sei, noch hin- und hergeschoben. Doch die Tatsache, dass ausgerechnet die Figuren von Adolph Kolping und Albertus Magnus keine Auflösungserscheinungen zeigten, war Beweis genug: Diese beiden waren, genau wie 20 weitere Figuren, nicht mit dem Acrylharz getränkt worden und in einem tadellosen Zustand.

Neue Figuren im Jahr 2008

Aber: Die restlichen etwa 100 Figuren mussten neu beschafft werden. Daher startete die Stadt eine neue Spendenaktion, und viele der bereits etwa zehn Jahre zuvor so freigiebigen Gönner öffneten erneut die Geldbörse. So konnten exakte Kopien der Figuren erstellt werden. Immerhin hatte man gelernt: Die neuen Figuren wurden nicht aus Tuffstein, sondern aus einem speziellen französischen Kalkstein (Savonnières-Kalkstein) hergestellt.

Einige der ursprünglichen Figuren fanden anschließend ihren Platz in den Gärten oder Häuser der Stifter. Aber immerhin konnten im November 2008 alle 124 Plätze auf dem Rathaus wieder von den neuen Figuren eingenommen werden.

Mal sehen, wie lange die Figuren diesmal halten!


Ein bemerkenswertes Detail: Der Sockel der Figur von Konrad von Hochstaden, Bild: Raimond Spekking
Ein bemerkenswertes Detail: Der Sockel der Figur von Konrad von Hochstaden, Bild: Raimond Spekking

Autofellatio-Figur

Und dann befindet sich auch noch Figur von Konrad von Hochstaden am Rathaus. Er war als Konrad I. von 1238 bis 1261 Erzbischof von Köln und legte am 15. August 1248 den Grundstein zum Kölner Dom. Insofern gebührt ihm sicherlich ein Platz auf dem Rathausturm.

Allerdings irritiert ein kleines, aber durchaus sehenswertes Detail an der Statue: Der Sockel zeigt einen Mann mit nackten Hintern, der sein eigenes Geschlechtsteil im Mund hat. Der Fachbegriff für diese fast schon akrobatische Art der Selbstbefriedigung lautet „Autofellatio“.

Fraglich nur, weshalb dieser Sockel überhaupt seinen Platz auf dem Rathaus gefunden hat und wie das mit Konrad von Hochstaden zusammenhängt. Der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings erläutert „Das ist ein ganz beliebtes Motiv gewesen. Dabei ging es darum, der Obrigkeit quasi den Arsch hinzuhalten. Mit derber, zur Schau gestellter Sexualität sollte gezeigt werden, dass einem die Moral- oder auch Ordnungsvorstellungen der Obrigkeit wurscht waren.“

Verständlich: In einer Zeit, in der die wenigsten Lesen und Schreiben konnten, mussten bildliche Darstellungen „griffig“ eine Botschaft vermitteln. Beliebt dabei: Darstellungen der sieben Todsünden, in diesem Fall die Wollust.

Dass es allerdings ausgerechnet Konrad von Hochstaden erwischt hat, ist eher Zufall. Denn das Original des „Autofellation-Sockels“ stammt ungefähr aus dem Jahr 1410. Und damals stand eine andere,  nicht mehr bekannte Figur auf dem Platz, den heute der ehemalige Erzbischof einnimmt.

Aber da wir in Kölle ja schon immer Probleme mit unseren Bischöfen hatten, Josef Frings ausdrücklich ausgenommen, muss Konrad von Hochstaden stellvertretend für diese Menschen auf diesem speziellen Sockel stehen.


Insgesamt befinden sich 124 Figuren auf dem Rathausturm

Erdgeschoss

  • Augustus
  • Marcus Vipsanius Agrippa
  • Agrippina die Jüngere
  • Postumus
  • Konstantin der Große
  • Sigibert von Köln
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  • Karl der Große
  • Otto I.
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  • Heinrich II. (England)
  • Otto IV.
  • Innozenz III.
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  • Friedrich III.
  • Maximilian I.

Erstes Obergeschoss

  • Hildebold von Köln
  • Ida (St. Maria im Kapitol)
  • Rupert von Deutz
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  • Gerhard Overstolz
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Zweites Obergeschoss

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  • Katharina Henot
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  • August Reichensperger
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  • Gustav von Mevissen
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  • Hermann Heinrich Becker
  • Franz Carl Guilleaume

Drittes Obergeschoss:

  • Max Bruch
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  • Eugen Langen
  • Hermann Josef Stübben
  • Mathilde von Mevissen
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  • Hans Böckler
  • Konrad Adenauer
  • Willi Ostermann
  • Amalie Lauer
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  • Christine Teusch
  • Wilhelm Sollmann
  • Josef Haubrich
  • Hertha Kraus
  • Bernhard Letterhaus
  • Irmgard Keun
  • Heinrich Böll

Viertes Obergeschoss 

  • Petrus
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Eine Krake schwimmt im Rhein: Die Müllfalle an der Zoobrücke

Die RHEINKRAKE - eine schwimmende Müllfalle, Bild: Simon Taal / KRAKE e.V.
Die RHEINKRAKE – eine schwimmende Müllfalle, Bild: Simon Taal / KRAKE e.V.

Der Rhein ist – nach den Umweltskandalen der 80er und 90er Jahre – mittlerweile wieder relativ sauber. So gilt der Rhein nur als „mäßig belastet“.1In Deutschland wird Wasserqualität von Gewässern in die Güteklassen I – IV eingeteilt, wobei „Güteklasse I“ als „gering bis unbelastet“ und „Güteklasse IV“ als „Abwasserzone“ eingestuft wird. Der Rhein ist als „mäßig belastetes Gewässer“ in der Güteklasse II. Trotzdem schwimmen jede Stunde etwa 42 Kilogramm Müll im Rhein an Köln vorbei. Das summiert sich auf sagenhafte 365 Tonnen im Jahr. Schlussendlich landet dieser Müll im Meer und verschärft damit die Situation für alles, was dort lebt.

K.R.A.K.E. e.V. - die Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit, Quelle: K.R.A.K.E. e.V.
K.R.A.K.E. e.V. – die Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit, Quelle: K.R.A.K.E. e.V.

Kraklinge räumen auf – Müllsammeln mit Spaß

Christian Stock stört diese Verschmutzung am und im Rhein. Der Wahlkölner Stock ist ein praktischer Mensch: Anstatt zu lamentieren packt er einfach an und sammelt den Müll am Ufer auf.2Genau so macht es auch Eva Pollmeier – sie sammelt Müll an den Stränden Europas ein. Doch schnell erkennt er, dass viele Hände einfach mehr schaffen. Er gründet 2016 die K.R.A.K.E. – Kölner Rhein-Aufräum-Kommando-Einheit mit dem Ziel, das Müllproblem in Köln zu reduzieren. Dabei steht der gemeinsame Spaß im Vordergrund. Das klingt seltsam, doch es funktioniert. Die K.R.A.K.E. schreibt dazu:

Das allerwichtigste ist und bleibt aber, dass wir Spaß am Müllsammeln verbreiten möchten. Für viele klingt es vielleicht erst mal seltsam, aber Müllsammeln ist sexy! Die meisten Menschen, die einmal mit uns Sammeln waren, kommen auch wieder. Müllsammeln ist nicht nur eine gute Tat fürs Gewissen, es ist in der Gruppe eine gesellige Aktivität, für die es viel positives Feedback von Passanten gibt und die ein sofortiges Erfolgserlebnis in Form eines sauberen Uferabschnitts liefert.
(Quelle: K.R.A.K.E. e.V. )

Und dieses Konzept geht auf. Was zunächst als Facebook-Gruppe beginnt, wächst rasant. Bereits zum ersten „Rhine CleanUp Day“ im September 2018 packen 300 fleißige Helfer, Kraklinge genannt, mit an und sammeln knapp eine Tonne Müll. Nur ein Jahr später wird die Arbeit der Müllsammler und des „Krakenpapas“ Christian Stock mit dem Ehrenamtspreis der Stadt Köln und dem Stiftungspreis der Kölner Grün Stiftung ausgezeichnet, im Jahr 2022 folgt der Umweltschutzpreis der Stadt Köln.  

Erfolgreiche Bergung von E-Scootern aus dem Rhein, v.l.n.r.: Jan Odenthal, Christian Stock, Franz Roling, Bild: K.R.A.K.E. e.V.
Erfolgreiche Bergung von E-Scootern aus dem Rhein, v.l.n.r.: Jan Odenthal, Christian Stock, Franz Roling, Bild: K.R.A.K.E. e.V.

Die Kraklinge sind regelmäßig im Stadtgebiet unterwegs und sammeln den Müll ein, den andere Kölner wegwerfen. Aufsehenerregend war die Aktion im August 2022: Die K.R.A.K.E. sammelte im Rhein liegende E-Roller. Eine Aktion, an der die Betreiberfirmen der E-Scooter vorher grandios gescheitert waren. In den Fangarmen der Kraklinge landeten so insgesamt 150 Roller.

Die Rheinkrake, eine schwimmende Müllfalle

Mit der Müllfalle im Rhein geht die K.R.A.K.E. noch einen Schritt weiter: Wieso, so Krakling Nico, fischen wir nicht den Müll direkt aus dem Rhein? Er hatte solche Müllfallen bereits in London gesehen: Ein schwimmender Fangkorb, an einer günstigen Stelle im Fluss platziert, sammelt den Müll ein.

Fast drei Jahre wird an der Idee gefeilt, mit der Verwaltung verhandelt und Sponsoren eingeworben – immerhin liegt das Projektbudget bei 160.000 Euro. Am 15. September 2022 ist es endlich soweit: Die „Rheinkrake“ wird eingeweiht.

Die Verankerung der Rheinkrake in Höhe der Zoobrücke, Bild: Simon Taal / K.R.A.K.E. e.V.
Die Verankerung der Rheinkrake in Höhe der Zoobrücke, Bild: Simon Taal / K.R.A.K.E. e.V.

Dabei handelt es sich um einen zehn mal fünf Meter großen Ponton aus Stahl. Mit einer entgegen die Fließrichtung gelegenen Öffnung wird der an der Wasseroberfläche treibende Müll eingesammelt. Um möglichst viel Abfall einzufangen, ist die Müllfalle etwa in Höhe der Zoobrücke, am Rheinkilometer 690,3 aufgestellt. Diese Stelle ist ideal, weil dort, durch die Rheinbiegung, die fast perfekte Strömung für die Rheinkrake herrscht. Allerdings kann die Müllfalle auch an anderen Stellen und bei unterschiedlichen Wasserständen eingesetzt werden.

Die K.R.A.K.E. weist ausdrücklich darauf hin, dass die Müllfalle so konstruiert wurde, dass sie weder Fische noch Vögel und auch den Schiffsverkehr nicht gefährdet. Sogar die regelmäßigen Routen der Ruderer auf dem Rhein wurden berücksichtigt.

Der erste Müll in der Müllfalle - bereits nach 24 Stunden! Bild: Nico Schweigert / K.R.A.K.E. e.V.
Der erste Müll in der Müllfalle – bereits nach 24 Stunden! Bild: Nico Schweigert / K.R.A.K.E. e.V.

Studie „Welcher Müll schwimmt im Rhein?“

Die Müllkrake soll selbstverständlich den im Rhein treibenden Müll einsammeln. Allerdings geht die K.R.A.K.E. noch einen wichtigen Schritt weiter: Der Müll wird dokumentiert und wissenschaftlich ausgewertet. Durch eine Kooperation mit der Universität Bonn wurde ein Müll-Klassifikationsschema erstellt. So soll eine Langzeitstudie zum Plastikmüll im Rhein später Handlungsempfehlungen für die Politik, die Verwaltung und auch die Zivilgesellschaft geben. Für diese Müll-Klassifikationwerden noch Helfer gesucht, die K.R.A.K.E. freut sich über Unterstützung.

Übrigens: In den fünf Minuten, die du jetzt gebraucht hast, diesen Artikel zu lesen, sind weitere 3,5 Kilogramm Müll durch den Rhein an Köln vorbeigeströmt. Und einen Teil davon hat die Müllkrake eingesammelt.


 

Ein ganz besonderes Museum: Das MÜLLseum

Seitdem die K.R.A.K.E. in Köln aufräumt, ist eine Menge Müll gefunden worden. Die kuriosesten Fundstücke werden im MÜLLseum ausgestellt. Dort wird neben einem Mammutzahn auch ein Vogelnest ausgestellt, in dem Plastikteile verbaut sind. Auch eine 30 Jahre alte Raider-Verpackung ist in dem MÜLLseum zu finden.

Der Eintritt ist frei, die K.R.A.K.E. freuet sich über Spenden. Es gibt auch, außerhalb der regulären Öffnungszeiten, kostenlose Gruppenführungen für Schulklassen und andere Interessierte an. Termine können individuell vereinbart werden.

MÜLLseum  
Öffnungszeiten: Donnerstag, 15 – 19 Uhr (am 22.12. geschlossen)
Adresse:  Burgenlandstraße 3a, 51105 Köln


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Ein Park auf Zeit: Der Pionierpark am Großmarkt

Der Pionierpark in Raderberg - ein Park auf Zeit, Bild: Uli Kievernagel
Der Pionierpark in Raderberg – ein Park auf Zeit, Bild: Uli Kievernagel

Wann Kölns größtes Bauprojekt, die Parkstadt Süd, realisiert wird, ist noch offen. Aber seit dem 22. September 2022 gibt es zumindest einen kleinen Teil des Gesamtprojekts zu bewundern: Den Pionierpark.

Kurios: Das ist ein Park auf Zeit. Su jet jitt nur in Kölle!

Die Parkstadt Süd – Fertigstellung 2037?

Auf dem Gelände des heutigen Großmarkts und den angrenzenden Flächen des „Inneren Grüngürtels“ wird die Parkstadt Süd entstehen. Ein Städtebauprojekt der Superlative:

  • Bebaut werden etwa 115 Hektar. Das entspricht der Fläche von etwa 150 Fußballplätzen.
  • Geplant sind etwa 3.400 Wohneinheiten, dort werden etwa 7.700 Menschen wohnen.
  • In dem Gebiet werden drei Kindertagesstätten, zwei Grundschulen und eine Gesamtschule entstehen.
  • Die Stadt geht von 4.300 Arbeitsplätzen in der Parkstadt Süd aus.
So wird es einmal im "Inneren Grüngürtel" aussehen: Die Parkstadt Süd. Die rote Markierung kennzeichnet die aktuelle Lage des Pionierparks, Bild: Lenzen, Landschaftsarchitekturbüro RMP, Markierung: Uli Kievernagel
So wird es einmal im „Inneren Grüngürtel“ aussehen: Die Parkstadt Süd. Die rote Markierung kennzeichnet die aktuelle Lage des Pionierparks, Bild: Lenzen, Landschaftsarchitekturbüro RMP, Markierung: Uli Kievernagel

Wann das Projekt realisiert wird, ist allerdings eher ungewiss: Die Laufzeit des Großmarkts wurde jüngst noch bis in das Jahr 2025 verlängert, vorgeschlagen wurde ein Umzug nach Marsdorf. Gegen diesen neuen Standort wehren sich die Markthändler mit Händen und Füßen.

Gleichzeitig müssen auch Verhandlungen im zwei Eigentümern, deren Immobilien dem geplanten Großprojekt im Weg stehen, abgeschlossen werden. Sollte es hier zu keiner Einigung kommen, „würde die Stadt zu gegebener Zeit andere Maßnahmen bis hin zur Enteignung prüfen“ – so die Stadt Köln. Starke Worte – allerdings können sich solche Verfahren ewig hinziehen.

Kein Wunder, dass die Verwaltung sich ungern auf einen Fertigstellungstermin festlegen will. Aktuell nennt die Stadt das Jahr 2037.

Ein Park als Interimslösung

Um aber schon heute einen ersten Eindruck zu geben, welche Potenziale das Gelände der Parkstadt Süd bietet, wurde auf etwa 40.000 Quadratmeter Fläche ein neuer Grünzug geschaffen. Dieser Park ist besonders, denn er ist nur auf Zeit angelegt. Kölns Umweltdezernent William Wolfgramm dazu: „Dieser Park ist ein Vorgriff, wie wir die Parkstadt Süd gestalten werden.“ Wir alle sollen einen Eindruck davon bekommen, welche Dimensionen die Parkstadt Süd irgendwann mal annehmen wird.

Der Pionierpark braucht noch etwas Zeit, bis er üppig grün wird. Bild: Uli Kievernagel
Der Pionierpark braucht noch etwas Zeit, bis er üppig grün wird. Bild: Uli Kievernagel

Die Idee stammte von Joachim Bauer, dem stellv. Amtsleiter des Grünflächenamts, und Baudezernent Markus Greitemann. „Warum sollte man so ein Gelände brach liegen lassen?“ fragten sich die beiden und so wurde die Idee des „Parks auf Zeit“ geboren.

Einsatz von Auszubildenden spart Kosten

Dank des Einsatzes von Auszubildenden des Grünflächenamts konnte der Park für 300.000 Euro realisiert werden. Und die Azubis sind glücklich, dass sie dieses Projekt umsetzen durften. „Man ist stolz, ein Teil des Projekts zu sein.“ so Sarah, eine Auszubildende der Stadt Köln. „Und man ist überwältigt, was daraus jetzt schon geworden ist.“. Am 22. September 2022 wurde der Park feierlich eingeweiht.

Die Eröfnung des Pionierparks 22. September 2022 mit Baudezernent Greiteman, Umweltdezernent Wolfgramm, Joachim Bauer, Leiter des Grünflächenamts und vier der insegsamrt zehn Azubis, die den Park realisiert haben, Bild Uli Kievernagel
Die Eröffnung des Pionierparks 22. September 2022 mit Baudezernent Greiteman, Umweltdezernent Wolfgramm, Joachim Bauer, Leiter des Grünflächenamts und vier der insgesamt zehn Azubis, die den Park realisiert haben, Bild Uli Kievernagel

Fußballplatz ist angelegt, weitere Nutzungsmöglichkeiten gewünscht

Tatsächlich wurde die bisher unattraktive Fläche massiv bearbeitet: Wege und ein Fußballplatz wurden angelegt, 40 Bäume gepflanzt sowie eine Fläche für die unter Naturschutz stehende Zauneidechse eingezäunt. Der Planer des Geländes, Stephan Lenzen vom Landschaftsarchitekturbüro RMP, betont die große Dimension des Parks und weist darauf hin, dass durch diese Schneise auch Frischluft vom Rhein nach Raderberg geführt wird.

Die Pänz haben den neuen Fußballplatz im Pionierpark bereits am ersten Tag in Beschlag genommen, Bild: Uli Kievernagel
Die Pänz haben den neuen Fußballplatz im Pionierpark bereits am ersten Tag in Beschlag genommen, Bild: Uli Kievernagel

Trotzdem fehlt dem Park noch die Attraktivität. Der Eingang ist schwer zu finden und bei den Angeboten des Pionierparks ist noch Luft nach oben. Tobias wohnt unweit des Parks und regt an: „Etwas mehr Mühe bei der sportlichen Nutzung eines Parks würde ich mir wünschen.
Meiner Auffassung nach wäre eine Gitterwand hinter den Fußballtoren erforderlich, ausserdem Basketballkörbe und mindestens zwei Tischtennisplatten. Dann wird der Park auch genutzt.“

Unbekannte Altlasten

Unabhängig davon bleibt aber das Problem der Altlasten: Es wurden 20.000 Quadratmeter Vliesstoff auf dem Gelände ausgelegt, denn niemand kann genau sagen, welche Altlasten nach etwa 100jähriger Nutzung durch die Bahn noch in der Erde schlummern. Diese Sanierung findet erst zu einem späteren Zeitpunkt statt. So lange bleibt der Pionierpark ein Provisorium.

Aber das sind wir gewohnt! Wir leben in einer Stadt, die sich mit Provisorien bestens auskennt. So steht seit 1996 eine hässliche blaue Mülltüte namens „Musical Dome“ direkt am Rhein, an der Nord-Süd-Bahn bauen wir bereits seit 18 Jahren und auch der Dom wurde erst nach 632 Jahren Bauzeit fertig.

Deswegen: Auch der „Zwischenlösung“ Pionierpark ist in Köln bestimmt ein langes Leben sicher.


Ausschnitt aus einem Stich von Friedrich W. Delkeskamp (1794–1872)
Lage des jüdischen Friedhofs, Ausschnitt aus einem Stich von Friedrich W. Delkeskamp (1794–1872)

Der jüdische Friedhof „Dude Jüd“

Auf dem heutigen Großmarktgelände liegt auch der „Judenbüchel“, der alte Friedhof der jüdischen Gemeinde. Die Kölschen nannten dieses Gelände „Dude Jüd“„Am todten Jud“.


Lotsentour „Raderberg & Raderthal“

Der Pionierpark befindet sich westlich des Großmarktgeländes, der Eingang ist Bischofsweg 48. Auf der Lotsentour „Raderberg & Raderthal“ statten wir dem Pionierpark einen Besuch ab.


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