„Der treue Husar“ – ein Lied zwischen Trömmelche und Tränchen

Hoch zu Pferd: Zwei Husaren im Einsatz, Bild: Public Domain
Hoch zu Pferd: Zwei Husaren im Einsatz, Bild: Public Domain

Jeder Kölsche kennt dieses Lied:

Es war einmal ein treuer Husar
Der liebt´ sein Mädchen ein ganzes Jahr
Ein ganzes Jahr und noch viel mehr
die Liebe nahm kein Ende mehr.

Dieses Lied singen wir Kölner an Karneval voller Inbrunst. Auch wenn es so absolut nichts mit dem Karneval zu tun hat – dä Fastelovend kommt in dem Lied  an keiner Stelle vor.

Und was kaum jemand weiß: Eigentlich ist dieser schmissige Marsch ein sehr trauriges Lied. Doch da in Köln immer nur die erste Strophe gesungen wird, kennt kaum jemand den ernsten Hintergrund. Denn das Lied hat insgesamt zwölf Strophen. Dabei geht es um Liebe, Tod und viele Tränen.

Trömmelche un Tränche

Tatsächlich wird die große Liebe eines jungen Husaren besungen. „Husaren“ waren damals eine militärische Einheit, die aus zu Pferd kämpfenden Soldaten besteht. Heute sind die „Treuen Husaren“ eines der Traditionskorps in Köln.

Dieser junge, im Lied namenlose Husar erhält die Nachricht, dass seine Liebste zuhause todkrank ist. Und entgegen jeder militärischen Gepflogenheit meldet er sich nicht ab, sondern schwingt sich aufs Pferd und reitet los:

Und als der Knab’ die Botschaft kriegt,
Daß sein Herzlieb am Sterben liegt,
Verließ er gleich sein Hab und Gut,
Wollt seh’n, was sein Herzliebchen tut.

Er kommt gerade noch rechtzeitig, um sich von seiner Geliebten zu verabschieden. So lautete es im Text, als er an ihr Sterbebett tritt:

Grüß Gott, grüß Gott, Herzliebste mein!
Was machst du hier im Bett allein?“
„Hab dank, hab Dank, mein treuer Knab‘!
Mit mir wird’s heißen bald: ins Grab!“

Tatsächlich stirbt sie in seinen Armen. Eine Geschichte voller Schmerz, bei der man an so ziemlich an alles denkt – nur nicht an Karneval:

Er nahm sie gleich in seinen Arm,
Da war sie kalt und nimmer warm;
Und als das Mägdlein gestorben war,
Da legt er’s auf die Totenbahr.

Willy Millowitsch (1909 - 1999 ) sang den Marsch vom "Treuen Husar"
Willy Millowitsch (1909 – 1999 ) sang den Marsch vom „Treuen Husar“

Karneval kann auch Tiefe

Aber in Kölle läuft vieles anders. Hier wird aus der tieftraurigen Ballade ein Karnevalsmarsch. Seit über hundert Jahren ertönt beim Schunkeln in der Kneipe, auf den Karnevalssitzungen oder im Rosenmontagszug aber immer nur die erste Strophe.

Besonders bekannt ist die sehr schmissige Version von Willy Millowitsch, die kann jeder Karnevalist auch noch nach dem 15. Kölsch mitsingen. Und dabei verkennen die Kölschen die ganze Tragik.

Vom Volkslied zur kölschen Hymne

Dabei hat der „Treue Husar“ mit Köln nicht viel zu tun. Die Spuren des Lieds führen bis ins 18. Jahrhundert zurück. Verschiedene Versionen finden sich in Volksliedsammlungen quer durch Deutschland. Und in den meisten Versionen wurde auch kein „Treuer Husar“, sondern ein „Roter Husar“ besungen.

Mitglieder der KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V. im Rosenmontagszug, Bild: Yogibaer08720, via Wikimedia Commons
Mitglieder der KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V. im Rosenmontagszug, Bild: Yogibaer08720, via Wikimedia Commons

Erst Heinrich Frantzen machte 1924 aus dem Lied einen Marsch. Das Traditionskorps „Treuer Husar“ bezeichnet das Lied als „vereinseigenen Büttenmarschs“ und bescheinigt sogar in typisch kölscher Bescheidenheit dem Lied einen „weltweiten Siegeszug“. So lautet es in der Chronik des Vereins:

1926: Mit dem ersten öffentlichen Auftritt der Husaren begann der weltweite Siegeszug des vereinseigenen Büttenmarschs „Es war einmal ein treuer Husar“, komponiert von Heinrich Franzen. Dessen Sohn Jupp Franzen schrieb später den heute geläufigen Text dazu. 1„Unsere Husarenchronik von 1925 bis heute“, KG Treuer Husar Blau-Gelb von 1925 e.V. https://treuerhusar.de/gesellschaft/historie/, abgerufen am 09.09.2025

Ob es sich tatsächlich um einen „weltweiten Siegeszug“ handelt, bleibt offen. Aber eindeutig wird dieses Lied erst seit diesem Zeitpunkt mit dem Karneval in Verbindung gebracht. Und wurde zur kölschen Hymne. Allerdings nur die erste Strophe.

Der "Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner, Bild: Nicola, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der „Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner, Bild: Nicola, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Karneval kann so viel mehr als Trallala

Einen ganz besonderen Moment hat das Lied vom „Treuen Husar“ am 11. Juli 2025 erlebt. Dem „Karnevalsphilosoph“ Wolfgang Oelsner wurde an diesem Tag den Rheinlandtaler verliehen.2Der „Rheinlandtaler“ wurde 1976 vom Landschaftsverband Rheinland (LVR) ins Leben gerufen, um „hervorragende Verdienste um die rheinische Kulturpflege“ zu ehren.

Ein bemerkenswerter Moment bei dieser Verleihung war die Dankesrede von Wolfgang Oelsner. In dieser Rede präsentierte er die „Anderswelt Karneval“. Oelsner erklärte darin auch, dass „Karneval so viel mehr kann als Trallala, er kann auch Substanz.“ Und er erklärte dies am Beispiel des Lieds vom „Treuen Husar“. Der Kölner-Stadt-Anzeiger berichtete von dieser Veranstaltung:

Die virtuose Stadtkapelle schmetterte den Marsch, so wie ihn der Militärkapellmeister Heinrich Frantzen 1924 komponiert hat. Dann sang Ex-Bläck Fööss Sänger Kafi Biermann mit der Band Knippschaff den kompletten Text des alten Volksliedes so leise und fein arrangiert, dass manchem im Saal die Tränen kamen. So spürte jeder, was Oelsner meint, wenn er vom „Wechselbad der Gefühle“ berichtet, in dem Melancholie auf Lebenslust trifft. 3Kölner-Stadt Anzeiger vom 12. Juli 2025

Das Glockenspiel am 4711-Haus in der Glockenglasse spielt stündlich das Lied "Der Treue Husar", Bild: Raimond Spekking
Das Glockenspiel am 4711-Haus in der Glockenglasse spielt stündlich das Lied „Der Treue Husar“, Bild: Raimond Spekking

Und so singen wir Kölschen weiter aus voller Brust das Lied von dem doch so treuen Husaren – mit flotten Rhythmus und eingängiger Melodie.

„Der treue Husar“ wird auch stündlich4zwischen 9 bis 19 Uhr von dem Glockenspiel im 4711-Stammhaus in der Kölner Glockengasse gespielt.

Aber auch hier erklingen immer nur ein paar wenige Töne, die nicht erahnen lassen, welche traurige Wendung das Lied nimmt.


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Mehr Informationen

Der treue Husar
(Heinrich Frantzen, 1924)
hier auch auf YouTube in der Version der Bläck Fööss zu hören

Es war einmal ein treuer Husar,
Der liebt’ sein Mädchen ein ganzes Jahr,
Ein ganzes Jahr und noch viel mehr,
 Die Liebe nahm kein Ende mehr.

Der Knab’ der fuhr ins fremde Land,
Derweil ward ihm sein Mädchen krank,
Sie ward so krank bis auf den Tod,
Drei Tag, drei Nacht sprach sie kein Wort.

Und als der Knab’ die Botschaft kriegt,
Daß sein Herzlieb am Sterben liegt,
Verließ er gleich sein Hab und Gut,
Wollt seh’n, was sein Herzliebchen tut.

Ach Mutter bring’ geschwind ein Licht,
Mein Liebchen stirbt, ich seh’ es nicht,
Das war fürwahr ein treuer Husar,
Der liebt’ sein Mädchen ein ganzes Jahr.

Und als er zum Herzliebchen kam,
Ganz leise gab sie ihm die Hand,
Die ganze Hand und noch viel mehr,
Die Liebe nahm kein Ende mehr.

„Grüß Gott, grüß Gott, Herzliebste mein!
Was machst du hier im Bett allein?“
„Hab dank, hab Dank, mein treuer Knab‘!
Mit mir wird’s heißen bald: ins Grab!“

„Grüß Gott, grüß Gott, mein feiner Knab.
Mit mir wills gehen ins kühle Grab.“
„Ach nein, ach nein, mein liebes Kind,
Dieweil wir so Verliebte sind.“

„Ach nein, ach nein, nicht so geschwind,
Dieweil wir zwei Verliebte sind;
Ach nein, ach nein, Herzliebste mein,
Die Lieb und Treu muß länger sein.

Er nahm sie gleich in seinen Arm,
Da war sie kalt und nimmer warm;
„Geschwind, geschwind bringt mir ein Licht!
Sonst stirbt mein Schatz, daß’s niemand sicht.“

Und als das Mägdlein gestorben war,
Da legt er’s auf die Totenbahr.
Wo krieg ich nun sechs junge Knab’n,
Die mein Herzlieb zu Grabe trag’n?

Wo kriegen wir sechs Träger her?
Sechs Bauernbuben die sind so schwer.
Sechs brave Husaren müssen es sein,
Die tragen mein Herzliebchen heim.

Jetzt muß ich tragen ein schwarzes Kleid,
Das ist für mich ein großes Leid,
Ein großes Leid und noch viel mehr,
Die Trauer nimmt kein Ende mehr.


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Helmut Frangenberg & das Kölner Krätzjer Fest

Ne echt kölsche Jeck: Helmut Frangenberg, Bild: Max Grönert
Helmut Frangenbegr an der Quetsch, Bild: Max Grönert

 

Frank und Uli haben prominenten Besuch im Podcast-Studio: Wir sprechen mit dem kölschen Tausendsassa Helmut Frangenberg. Er ist Mitinitiator von Loss mer singe, Erfinder der Kneipensitzung Jeckespell, Mitglied der „Ahl Kamelle Band“, Host des TrueCrime Köln-Podcasts, Autor zahlreicher Stadtführer und Köln Krimis, Künstlerischer Kopf der „Kölsche Heimat“, ein Projekt der Kreissparkasse Köln zur Pflege der kölschen Musikkultur, ganz nebenbei noch Redakteur des Kölner Stadtanzeigers und auch noch Organisator des Kölner Krätzjer Fest.

Und genau über dieses Krätzjer Fest sprechen wir mit Helmut in diesem Köln-Ding der Woche.

Logo 9. Krätzjer Fest

Was ist ein Krätzje?

Hier hilft wie immer ein Blick in den „Wrede“: Dort wird ein Krätzje als „kleines, rundes, Soldatenmützchen, mit schmalem Rand“ bezeichnet. Also eine Mütze die allgemein als „Schiffchen“ bekannt ist. Hilft aber nicht weiter – es geht ja um Musik. Auch Wredes zweite Erklärung, dass es sich bei einem Krätzje um einen kleinen Riss, eine kleine Schramme, also so etwas wie ein „Kratzer“ handelt, ist zwar richtig, führt aber nicht weiter.

Ein Krätzchen, hier das Modell der "Blauen Funken", Bild Raimond Speking
Ein Krätzchen als Kopfbedeckung ist auch als „Schiffchen“ bekannt, Bild Raimond Speking

Erst Wredes dritte Erklärung, dass es sich um die Erzählung eines Streiches, einen Schwank, eine Schnurre, ein heiteres Stücklein, lustiges Verzällche teils harmloser, teils derber Art handelt, führt zum Ziel. So definiert Wrede eine „Krätzjesmacher“ als jemanden, der „gern lustige Streiche erzählt, Witze macht.“

Ursprünglich wurden Krätzjer nicht singend vorgetragen, sondern als „heiteres Stücklein“ vorgelesen, die Musik dazu kam erst später. Der Krätzchesgesang zählt zu den ältesten Liedvortragsformen im Rheinland. Und wird heute sehr unterschiedlich interpretiert.

Wie versteht man „Krätzje“ heute?

Was ein Krätzje ist oder nicht, wird sehr unterschiedlich interpretiert. Ein sehr weites Verständnis hat der Grandseigneur Ludwig Sebus. Für ihn ist jedes Lied, was ihn irgendwie „kratzt“, also berührt, ein Krätzje.

Der Kölner nennt diese Instrument "Flitsch": Eine Mandoline, Bild: Michael Reichenbach / pixelio.de
Der Kölner nennt diese Instrument „Flitsch“: Eine Mandoline, Bild: Michael Reichenbach / pixelio.de

Bömmel Lückerath von den Bläck Fööss hingegen hat eine sehr enge Definition von Krätzje. Für ihn muss ein Krätzje sehr sparsam instrumentiert sein, am besten nur mit Flitsch oder Gitarre, und es wird sehr langsam dargeboten.

Helmut Frangenberg selber liegt mit seiner Definition irgendwie dazwischen. Für ihn spielt der Musikstil keine Rolle, aber das Lied muss irgendwie mehr als nur „Rhing- Sunnesching-Dom-Jeföhl“ beinhalten und eine Geschichte erzählen.

Die Lieblingskrätzje von Helmut, Frank und Uli

So passt es auch, dass „Heidewitzka Herr Kapitän Helmut Frangenbergs Lieblingskrätzje ist. Dort erzählt Karl Berbuer die Geschichte eines klassischen Schiffausflugs von Köln-Mülheim zum Drachenfels. Dass dabei ordentlich gefeiert und getrunken wird, versteht sich von selbst, immerhin ist dä Schmitz „ald jetz su voll wie en Spritz“. Und als dann auch noch ein Sturm mit Windstärke 11 aufkommt, wird „selvs de Frau Dotz, die met dem Wallfeschformat“ davon seekrank. Passt also – es gibt eine Geschichte.

Franks Lieblingskrätzje ist von LSE „Für et Hätz un jäjen d’r Kopp“. In diesem Lied lautet es:

Für et Hätz un jäjen dr Kopp
Für dr Düvel un dr leeve Jott
Für all die ich maach
Und die ich nit ligge kann

Damit liegt Frank auf der Linie Sebus – Krätzjer sind für ihn Lieder, die irgendwie berühren.

Logo der Stunksitzung
Ulis Lieblingskrätje kommt von „Köbes Underground“, der Hausband der Stunksitzung

Uli ist hingegen eher auf der Linie von Bömmel Lückerath: Sein Lieblingskrätzje ist „De Böösch“ von Köbes Underground aus der Stunksitzung. Dort erzählen, nur mit Gitarre begleitet, zwei Bürsten aus einer Autowaschanlage, wie sie ganz genüsslich einen Porsche Cayenne auseinandernehmen. Und das alles in einem ganz klassischen „Sprechgesang“.

Sind kölsche Krätzjer weltweit einzigartig?

Der Musiker und Krätzjensänger Gerd Köster meint, dass kölsche Krätzje einzigartig in der Welt wären. Abgesehen davon, dass der Kölner gerne jeden möglichen Rekord für sich und seine Stadt reklamiert, ist diese Aussage zwar verständlich aber bei kritischer Betrachtung nicht haltbar.

Nein, das sind nicht die "Drei Colonias", sondern die "Zwei vom Köln-Ding" mit Helmut Frangenberg in der Mitte, Bild: Uli Kievernagel
Nein, das sind nicht die „Drei Colonias“, sondern die „Zwei vom Köln-Ding“ mit Helmut Frangenberg in der Mitte, Bild: Uli Kievernagel

Jede Region hat ihre Musikkultur und ihren eigenen Musikstil. Allerdings sind diese Musikstile sehr eng mit der Region verbunden: Ein Zither erklingt – das Lied muss aus den Bergen kommen. Die kölsche Musikkultur ist aber extrem vielfältig. Rock, Pop, Krätzje, Country – egal. Interessant ist aber, dass viele, nicht alle, der Künstler auf kölsch singen. So lebt die kölsche Sprache, auch wenn sich manche einer aufregt, „dat dat, wat die Kasallas mache, doch nit Kölsch is.“

Kasalla, Foto: Ben Wolf
Kasalla, eine der erfolgreichen jungen kölschen Bands, Foto: Ben Wolf

Wie kam es denn zum Krätzjer-Fest?

Früher hatte das Hänneschen-Theater montags spielfrei und wurde für Veranstaltungen vermietet. Um die kölsche Liedkultur hochzuhalten, haben sich dann ein paar Akteure unter dem Titel „Kölner Krätzjer Fest“ zusammengetan und an einem Montag im September 2016 dort kölsche Musik präsentiert. Zu den Akteuren gehörten unter anderem J.P. Weber oder auch die „Ahl Kamelle Band“.

Laut Helmut Frangenberg war der Titel „Krätzjer Fest“ und die Idee, eine Plattform für die Künstler zu bieten, so gut, dass man dann in den Folgejahren tatsächlich eine kleines, aber feines Festival auf die Beine gestellt hat. Und so geht im Jahr 2025 das Krätzer Fest tatsächlich in seine 9. Auflage – mit mehr als 40 Veranstaltungen.

Akteure des 9. Krätzjer Fest, Stand: 17.06.25

Wie ist das Programm des Festivals?

Das Programm des Krätzjer-Festivals ist genau so vielfältig wie die kölsche Musikszene. Den Auftakt macht die „Ahl Kamelle Band“ am 19. September 2025 mit Gästen wie Ludwig Sebus, Henning Krautmacher, Mica Frangenberg und dem „Nubbel“ Mike Hehn.1Dieses Konzert ist bereits ausverkauft. 

Es folgen Veranstaltungen wie zum Beispiel ein „Rheinisch-Irischer Ovend“.2Dieses Konzert ist bereits ausverkauft. , ein Streifzug durch die musikalische Stadtgeschichte mit Günter Schwanenberg3Montag, 22. September 2025, 18 Uhr, 17.30 Uhr, im Domforum, Eintritt frei, kostenlose Sitzplatzreservierung ab Mitte August 2025 über www.domforum.de, „Kölsche Karibik“ mit Jamaika Jupp, eine Filmmatinee mit Live Musik im Odeon oder kölsche Verzällcher mit Musik bei „Klaaf im Mediapark“.

Es gibt auch spezielle Krätzjer-Stadtführungen: „Jelängerjeleevercher“ ist ein Spaziergang durch das Vringsveedel und „Krätzjer lijje op d´r Stroß“ stellt die Hintergründe zu ausgewählten kölschen Krätzjer-Klassikern an den jeweils passenden Orten vor.

Wo gibt es weitere Informationen und wie komme ich an Tickets?

Alle Informationen und auch Tickets gibt es auf der Website des Krätzer-
Fests. Das „9. Kölner Krätzje Fest“ läuft vom 19. September bis zum 12. Oktober 2025.


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Jupp Schmitz – Der Mann, der den Frohsinn komponierte

Der kölsche Musiker Jupp Schmitz (1901 - 1991), Bild: Uli Kievernagel
Der kölsche Musiker Jupp Schmitz (1901 – 1991), hier auf dem ihm gewidmeten Denkmal, Bild: Uli Kievernagel

Man liest die Titel und hat sofort die Melodie im Kopf: „Ich fahr mit meiner Lisa zum schiefen Turm von Pisa“, „Wer soll das bezahlen?“, „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ und selbstverständlich „Es ist noch Suppe da“.

Diese Lieder stammen alle aus der Feder von Jupp Schmitz – ein Mann, der ganz maßgeblich den musikalischen Tonfall des rheinischen Liedgutes und des Karnevals mitgeprägt hat. Seine Lieder sind bis heute fester Bestandteil jeder Session, seine Texte oft unterschätzt. Sein Werk ist ein Archiv kölscher Zeitgeschichte – heiter, doppeldeutig und nie ganz ohne Tiefgang.

Ein Musiker aus dem Veedel

Jupp Schmitz wird am 15. Februar 1901 im Kölner Severinsviertel geboren. Sein Vater Philipp Schmitz ist Trompeter, die Mutter will, dass ihr Sohn Pianist werden soll. Während andere Kinder draußen spielen, erhält Jupp Schmitz mit sieben Jahren Klavierunterricht und muss viel üben. Später besucht er das Kölner Konservatorium und wird tatsächlich als Konzertpianist ausgebildet.

In den 1920er-Jahren leitet er eigene Kapellen und tritt in renommierten Kölner Häusern wie dem Dom-Hotel und dem Monopol auf. Auch bei der letzten Tournee von Willi Ostermann im Jahr 1936 sitzt Schmitz am Klavier.

Bereits 1934 beginnt seine Zusammenarbeit mit dem Reichssender Köln. In dieser Zeit entstehen erste Kompositionen für das damals neue Medium Rundfunk. Mit dem Tango „Gib acht auf dein Herz, Margarethe“ kann Jupp Schmitz in die lukrative Unterhaltungsmusik einsteigen. Besonders hilfreich war es, dass dieses Lied von dem prominenten Sänger Rudi Schuricke gesungen wurde. 

Die Lieder von Jupp Schmitz sind vielseitig, stets eingängig, dabei aber nie anbiedernd und werden auch außerhalb des Rheinlands geschätzt.

Krieg, Heimkehr in das zerstörte Köln

1940 wird Schmitz zum Kriegsdienst eingezogen. Er ist für die Truppenunterhaltung zuständig und singt erstmals auch selber. Seine Stücke schreibt er auf Kölsch und Hochdeutsch.

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Das zerstörte Köln am Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein Anblick, der auch Jupp Schmitz  tief erschütterte. Bild: gemeinfrei / U.S. Department of Defense, Fotograf: Jack Clemmer

Erst 1946 kommen Jupp Schmitz und seine Ehefrau Bärbel wieder nach Köln. Der Künstler ist angesichts der Zerstörung der Domstadt tief erschüttert. So entsteht sein bewegendes Lied „Ming herrlich Kölle“. Darin beschreibt er aber auch die Zuversicht:

Ming herrlich Kölle, wie sühs do us?
Wo sin ding Stroße, wo stund ming Huus?
Un beß do och zerschlage, dat ändert janix dran,
dat mir met heißem Hätze vun neuem fange ahn.

Nach dem Krieg arbeitet Schmitz weiter für den Rundfunk, tritt in Karnevalssitzungen auf und wird zu einer festen Größe im kölschen Karneval.

Der Hit, der ein Land bewegte

Der endgültige Durchbruch gelingt ihm 1949 mit „Wer soll das bezahlen?“ Ursprünglich als satirischer Kommentar zur Währungsreform gedacht, entwickelt sich das Lied zu einem bundesweiten Hit – ironisch, ohrwurmverdächtig und überraschend aktuell:

Wer soll das bezahlen, wer hat das bestellt,
wer hat soviel Pinke-Pinke, wer hat soviel Geld?

Der Titel bleibt nicht ohne juristisches Nachspiel: Der Berliner Komponist Wilhelm Gabriel erkennt in dieser Melodie eine Variante seines eigenen Werkes und klagt. Schmitz gewinnt – unter anderem, weil er beweisen kann, dass er die Melodie schon Jahre zuvor verwendet hatte.

Der als Satire gedachte Hit „Wer soll das bezahlen?“ war einer der ganz großen Hits von Jupp Schmitz. Bild: © 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Der als Satire gedachte Hit „Wer soll das bezahlen?“ war einer der ganz großen Hits von Jupp Schmitz. Bild: © 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

„Es ist noch Suppe da“

Mit den 1950er-Jahren beginnt die produktivste Phase von Jupp Schmitz. Mit Liedern wie „Am Aschermittwoch ist alles vorbei“ und „Wir kommen alle in den Himmel“ schreibt er Hymnen, die über den Karneval hinauswirken. Ende der 1960er Jahre erscheint sein Hit „Es ist noch Suppe da“. Es sind die erfolgreichsten Jahre des Künstlers. Zwischen 1969 und 1987 tritt er insgesamt 18 mal in der beliebten Fernsehshow „Zum Blauen Bock“ auf.

Der Liedtext von "Em Winter, dann schneit et“ ist auch Teil des Denkmals für Jupp Schmitz in der Kölner Innenstadt, Bild: Uli Kievernagel
Der Liedtext von „Em Winter, dann schneit et“ ist auch Teil des Denkmals für Jupp Schmitz in der Kölner Innenstadt, Bild: Uli Kievernagel

Jupp Schmitz nimmt sich selbst nicht zu ernst, aber seine Zuhörer ernst genug, um sie zum Lachen zu bringen. So feiert er mit Liedern wie „Em Winter, dann schneit et“ große Erfolge:

Wenn dr Summer kütt eran, jommer in dr Wald,
feste weed jewandert dann, jesunge, dat et schallt.
Ävver is dr Winter do, jommer nit mie hin,
weil mir von Natur us jo – jet ärch empfindlich sin.

Em Winter, dann schneit et, im Winter is et kalt,
immer kalt, immer kalt, immer kalt.
Dröm jommer em Winter och jarnit in dr Wald,
in dr Wald, in dr Wald, in dr Wald.

Ävver em Mai, dann weed et widder jrön, –
dann blöhe de Böum, dann is et schön.

Der Skandal um den „Hirtenknaben von St. Kathrein“

Ein ungewöhnlicher Tiefpunkt seiner Karriere war der Auftritt 1964 bei der Prinzenproklamation. Normalerweise trat Jupp Schmitz immer mit Smoking, mindestens aber im Anzug, und oft mit einer edlen Narrenkappe auf.

Bei der Fernsehübertragung der Prinzenproklamation steht er, auf ausdrücklichem Wunsche des Veranstalters, in kurzer Lederhose und einem lächerlichen Filzhut auf der Bühne. Er spielt zunächst das Lied „Der Hirtenknabe von St. Kathrein“ und danach den eher einfachen Titel „Risotto-Otto und Spaghetti-Betty“.

Jupp Schmitz wollte mit dem „Hirtenjungen“ die zu dieser Zeit im Fernsehen überaus erfolgreichen Heimatschnulzen persiflieren. Doch dieser Plan ging gründlich schief. Das Publikum reagiert mit Buhrufen und Pfiffen. Und bei der TV-Übertragung des WDR sagt der Kommentator wörtlich: „Bleiben Sie noch ein bißchen am Apparat, es wird gleich wie­der ganz nett.“ Die Persiflage wurde nicht verstanden.

Diese Demütigung hinterließ tiefe Spuren bei Jupp Schmitz: „Wenn es der Bestie Volk nicht gefällt, pfeifen sie einen von der Bühne herunter – han ich dat noch nüdig?“ fragte er danach öffentlich. Zu seiner Genugtuung verarbeitet er später diesen Tiefpunkt seiner Karriere in einem seiner Lieder:

Der Hirtenknabe von Sankt Kathrein,
der denkt noch heute an Köln am Rhein.
Er sang seine Lieder,
da pfiffen die Brüder,
drum singt er nur noch in Sankt Kathrein.

Das Grab von Jupp Schmitz auf dem Melatenfriedhof mit seinen unvergesslichen Zeilen: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“ Bild: MSchnitzler2000, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Das Grab von Jupp Schmitz auf dem Melatenfriedhof mit seinen unvergesslichen Zeilen: „Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“ Bild: MSchnitzler2000, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Ein Leben für die Musik

Bis ins hohe Alter bleibt Schmitz künstlerisch aktiv. Zwar kündigte er zu seinem 80. Geburtstag im Jahr 1981 seinen Rückzug an, doch bei ganz besonderen Anlässen kann man den Künstler noch auf der Bühne erleben. So wurde sein Auftritt auf der Prinzenproklamation im Jahr 1983 zu einem überragenden Erfolg – eine späte Genugtuung für Jupp Schmitz nach der „Hirtenknaben-Demütigung“ im Jahr 1964.

Auch sein Auftritt mit den Bläck Fööss im Jahr 1989 bei deren Konzertreihe im Millowitsch-Theater war ein großer Erfolg . Am 15. Februar 1991 feiert er seinen 90. Geburtstag mit einem Auftritt im Senftöpfchen-Theater. Dort zeigte er noch einmal sein ganzes Talent und nahm das Publikum mit auf eine musikalische Reise durch seine Karriere.

Nur sechs Wochen später, am 26. März 1991, stirbt Jupp Schmitz in Köln. Er wird auf dem Melaten-Friedhof bestattet. Auf seinem Grabstein steht

„Am Aschermittwoch ist alles vorbei.“


Collage Krätzjer-Tour
 

Stadtführung: „Krätzjer lijje op d´r Stroß“

Selbstverständlich ist Jupp Schmitz auch Bestandteil meiner Stadtführung „Krätzjer lijje op d´r Stroß“.


Das Jupp-Schmitz-.Plätzchen in der Kölner Innenstadt, Bild: Uli Kievernagel
Das Jupp-Schmitz-Plätzchen in der Kölner Innenstadt, Bild: Uli Kievernagel

Jupp-Schmitz-Plätzchen

1994 erhält Jupp Schmitz posthum sein Denkmal: Am Salomonsgäßchen in der Innenstadt wird ein Platz nach ihm benannt: Das Jupp-Schmitz-Plätzchen. Ein kleines Piano aus Bronze und Bronzeplatten, auf denen Liedtexte von Jupp Schmitz eingraviert sind, erinnert heute an einen Mann, der mit großem Taktgefühl den Frohsinn komponierte.

Das Denkmal für Jupp Schmitz auf dem Jupp-Schmitz-Plätzchen, Bild: Uli Kievernagel

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Das Denkmal für Jupp Schmitz auf dem Jupp-Schmitz-Plätzchen, Bild: Uli Kievernagel


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Kölsche Originale: Orjels-Palm – ein vornehmer Straßenmusikant

Johann Joseph Palm, in Köln als "Orjels-Palm" bekannt, verdiente sich sein Geld mit einer Drehorgel und später mit einem „Romantische Panorama“. Bild: KI-generiert
Johann Joseph Palm, in Köln als „Orjels-Palm“ bekannt, verdiente sich sein Geld mit einer Drehorgel und später mit einem „Romantische Panorama“. Bild: KI-generiert

Am Ende seines Lebens war Johann Joseph Palm – genannt Orjels-Palm oder Urjels-Palm – schlichtweg zu schwach, um weiterhin die schwere Drehorgel zu tragen und zu bedienen. Um trotzdem noch ein paar Groschen zu verdienen, hing sich Orjels-Palm noch ein „Romantisches Panorama“ um – ein Schaukasten mit einer Bergszene – und flanierte damit auf der Straße und bei seinen Gönnern.

Geld war zeitlebens knapp bei einem Mann wie Orjels-Palm. In einer Zeit, in der an soziale Leistungen wie Kindergeld oder Renten noch nicht zu denken war, musste der Drehorgelspieler ein Dutzend eigener Kinder und dazu auch noch mindestens zwei Enkelkinder ernähren. Die einzige Unterstützung des Staates bestand darin, dem kriegsversehrten Orjels-Palm eine Konzession zum Drehorgelspielen zu erteilen.

Palm als Soldat bei den „Schwarzen Husaren“

Johann Joseph Palm wird am 28. April 1801 in der Kleinen Neugasse (heute Tunisstraße) geboren. Mit 14 Jahren beginnt er eine Lehre als Maler und Vergolder. Als Geselle will er eigentlich auf die „Walz“ gehen. Mit Walz, Wanderjahre, Tippelei oder Gesellenwanderung werden die Jahre der Wanderschaft eines Gesellen als Voraussetzungen zur Meisterprüfung bezeichnet. Doch da macht ihm das preußische Wehrgesetz einen Strich durch die Rechnung: Die Walz ist nur mit einem „Kundschaftsbüchlein“ zulässig. Und dieses Büchlein erhält man erst nach Ableistung des Wehrdiensts. Palm wird daher im Herbst 1820 in Danzig Rekrut bei den „Schwarzen Husaren“.

Johann Joseph Palm, genannt Orjels Palm, in Husarenuniform an seiner Drehorgel, Bild: unbekannter Fotograf
Johann Joseph Palm, genannt Orjels Palm, in Husarenuniform an seiner Drehorgel, Bild: unbekannter Fotograf

Zuhause in Köln nimmt währenddessen sein persönliches Schicksal eine unglückliche Wendung: Cäcilie Hack, seine Liebe seit früher Kindheit, hat sich mit einem anderen verlobt. Palm reist nach Köln, um Cäcilie umzustimmen. Vergeblich. Enttäuscht reist er schnell wieder ab, um in der Türkei, Russland und in Griechenland zu kämpfen.

Nur kurzes Glück mit der Jugendliebe

Nach einer Schussverletzung am Knie, die ihn zeitlebens quälen wird, kommt Palm im Jahr 1830 nach Köln zurück und holt sein Glück nach: Er heiratet die zwischenzeitlich verwitwete Cäcilie Hack. Zunächst ist das Familienglück groß, bis 1838 bekommen die beiden vier Kinder. Palm betreibt eine Werkstatt in seinem ursprünglich erlernten Beruf als Maler und Vergolder.

Doch das Familienglück des Johann Joseph Palm findet durch den Tod seiner Frau Cäcilie im August 1839 ein jähes Ende. Als alleinstehender Vater ist Palm überfordert und heiratet bereits im April 1840 Sophia Kollgraff. Mit ihr zeugt er bis 1847 weitere neun Kinder. Die stetig wachsende Familie erfordert ständig mehr Platz. Die Folge sind 15 Umzüge in 34 Jahren, davon achtmal innerhalb der Straße „Unter Krahnenbäumen“.

Johann Joseph Palm, genannt Orjels-Palm, auf dem Karl-Berbuer-Brunnen Bild: Uli Kievernagel
Johann Joseph Palm, genannt Orjels-Palm, auf dem Karl-Berbuer-Brunnen Bild: Uli Kievernagel

In den 1840er Jahren verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Familie dramatisch. Aufträge als Maler findet er kaum noch, zu vergolden gibt es nichts mehr. Zwei Kinder sterben an Unterernährung. Er stellt einen Rentenantrag – dieser wird jedoch postwendend abgelehnt. Allerdings erhält er die Konzession als Drehorgelspieler und eine kleine Beihilfe zur Anschaffung einer solchen Orgel.

Tadellos gekleidet und gepflegt

Palm machte sich in Köln als Drehorgelspieler schnell einen Namen. Er war immer tadellos gekleidet: Blitzsaubere Husaren-Uniform, auf Hochglanz polierte Stiefeln und eine hohe, schwarze Mütze auf dem Kopf. Das hat sich anscheinend sogar bis nach Berlin herumgesprochen, denn dort stand in der Zeitung: „Das ganze Gegenteil vom Maler Bock war der Orgels-Palm, ein vornehmer Straßenmusikant.“

Urjels-Palm in der Bierdeckel-Serie "Kölsche Originale", Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Urjels-Palm in der Bierdeckel-Serie „Kölsche Originale“, Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer

Und anders als seine Wettbewerber, die nur die üblichen Drehorgel-Stücke spielten, hatte Orjels-Palm auch eigene Stücke und Stücke seines Freundes Joseph Roesberg, der bereits mit dem Lied vom „Schnüsse Tring“ einen Karnevalshit gelandet hatte, im Repertoire.

Wo ist dann der Schwengel?

Eben dieser Joseph Roesberg erlaubte sich angeblich einen Scherz mit dem gutmütigen und stets heiteren Orjels-Palm. In Absprache mit dem Kirchenvorstand von Remagen sollte Palm sich dort als Organist vorstellen. Roesberg und seine Freunde spendierten Palm einen neuen Anzug und gaukelten ihm vor, dass er in der vollbesetzten Kirche am Kirmessonntag eine Probe seines Könnens als Orgelspieler abliefern sollte. Palm untersuchte fachmännisch die Orgel und soll dann gefragt haben „Wo is dann he dä Schwengel?“.

So schön diese Anekdote ist – sie kann aber leider nicht ganz der Wahrheit entsprechen. In der Remagener Pfarrkirche wurde nachweislich erst 1904 eine Orgel eingebaut. Und der gläubige Katholik Roesberg hätte wohl kaum einen Scherz mit der Kirche getrieben. Wahrscheinlicher ist es, dass der Freundeskreis um Roesberg dem Orjels-Palm nur etwas Gutes tun wollte und ihm unter einem Vorwand den neuen Anzug schenkte.

Fählen im och mänche Tön

Palm gehörte mit seiner Orgel bald zum Stadtbild. Johann Franz Weber, ein erfolgreicher Komponist kölscher Karnevalsmusik verewigt Orjels-Palm sogar in seinem Lied „Do deis meer leid“:

Met der Urgel trock erus
Künstler Palm von Hus ze Hus,
Fählen im och mänche Tön,
Schnüsse Tring spilt hä doch schön.
Doch sing Urgel manchmal brump
We en al, rostige Pump:
„Saht ens Palm“ su sähte Lück,
„Hät die Buchping hück?
Se deit uns leid,
Se deit uns leid,
Hat Ehr denn kei Gefühl?“1Übersetzung:
Mit der Orgel zieht er herum,
Künstler Palm, von Haus zu Haus.
Fehlen ihm auch manche Töne,
das Lied der „Schnüsse Tring“ spielt er doch schön.
Doch seien Orgel manchmal brummt
Wie eine rostige, alte Pumpe.
„Sagt mal, Palm“ so sagten die Leute,
„Hat die Bauchschmerzen heute?
Sie tut uns leid,
Sie tut uns leid,
Habt ihr denn kein Gefühl?“

Harte Arbeit für geringes Entgelt

Und Palm drehte fast 30 Jahre unermüdlich seine Orgel, um das notwendige Auskommen für die Familie zu verdienen. Dabei, so Reinhold Louis2 in seinem Buch „Kölner Originale“, Greven Verlag „… war er in der Tat harmlos: Palm lag nicht betrunken in der Gosse, er kam nicht in Konflikt mit den Gesetzeshütern, er war nicht verkommen, er borgte und schnorrte nicht, sondern leistete harte Arbeit für mehr oder weniger geringes Entgelt.“

Orjels-Palm kann in späteren Jahren die schwere Drehorgel nicht mehr bedienen und trägt stattdessen ein „Romantisches Panorama", Bild: unbekannter Fotograf
Orjels-Palm kann in späteren Jahren die schwere Drehorgel nicht mehr bedienen und trägt stattdessen ein „Romantisches Panorama“, Bild: unbekannter Fotograf

Und als die Orgel für den mittlerweile fast achtzigjährigen Palm schlichtweg zu schwer wird, sattelt er um und trägt das „Romantische Panorama“ um den Hals. Immer, um noch ein paar Groschen zu verdienen – die Kinder und Enkel haben schließlich Hunger.

Am 29. Januar 1882 stirbt Johann Joseph Palm. Und Köln verliert mit dem Straßenmusiker eines seiner Originale. Andere, die ihm als Straßenmusiker in Köln nachfolgen, werden weder so bekannt, noch als Original verehrt.

Ausnahmen: Klaus der Geiger und die Kelly-Family.
Aber das sind andere Geschichten.


Urenkel Emil Palm schreibt Musik für Ostermann

Es bleibt in der Familie: Der Urenkel von Orjels-Palm war Emil Palm (1890 – 1963). Und Emil Palm schrieb für Willi Ostermann, der selber kein Noten, lesen konnte, die von Ostermann vorgesungene Musik. 


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


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Kölsche Tön: „Die hinger de Jardinge ston un spinxe“ – eine Anklage gegen Denunziation

Denunzianten stehen hinter Gardinen und hören mit, Bild: KI-generiert mithilfe von ChatGPT
Denunzianten stehen hinter Gardinen und hören mit, Bild: KI-generiert mithilfe von ChatGPT
Denunzianten stehen hinter Gardinen und hören mit

Als Jupp Schlösser und Gerhard Jussenhoven „Die hinger de Jardinge ston un spinxe“1Die hinter den Gardinen stehen und heimlich schauen im Jahr 1937 veröffentlichten, wirkte dieses Lied auf den ersten Blick wie ein typischer Karnevalshit: Ein harmloses Liedchen über neugierige Nachbarn, die ungesehen hinter den heimischen Gardinen stehen, alles mitbekommen, was in der Nachbarschaft läuft und diesen Klatsch & Tratsch brühwarm weitererzählen:

Dat dat Müllers Kätt ne Neue hät,
dat d’r Nubbels Chress gän Päädcher wett,
dat d’r Schmitz schon hätt sing dritte Frau,
wessen se ganz jenau.2Dass Käthe Müller einen Neuen hat,
dass Christian gerne auf Pferdewetten setzt,
dass Herr Schmitz schon die dritte Frau hat,
das wissen sie alles ganz genau.

Kritik an dem System der Überwachung

Doch wer genauer hinhört, erkennt schnell: Dieses Lied ist alles andere als harmlos. Es handelt sich um eine subtile Kritik an dem System der Überwachung und Denunziation im nationalsozialistischen Staat.

Die scheinbar harmlose Alltagsbeobachtung, dass Nachbarn alles mitbekommen, wird hier zur Anklage gegen die Schattenseite menschlicher Neugier. Denn 1937, als das Lied geschrieben und aufgeführt wurde, war Deutschland längst zu einem totalitären Überwachungsstaat geworden. Die Nationalsozialisten hatten ein Klima des Misstrauens und der Angst geschaffen, in dem eine unbedachte Bemerkung, ein falscher Blick oder ein Witz massive Konsequenzen haben konnte – nicht wegen offizieller Spitzel, sondern durch die Menschen, die „hinger de Jardinge ston“, die mithörten, meldeten und denunzierten.

Der Blockwart hört mit

Zentrale Figur dieser alltäglichen Bedrohung war der Blockwart – das verlängerte Ohr des Regimes im Wohnviertel. Aber mindestens genauso gefährlich waren oft die ganz normalen Nachbarn, Kollegen oder selbst Familienangehörige. Die Gestapo (Geheime Staatspolizei) nutzte ein engmaschiges Spitzelnetz aus der Bevölkerung.

Zwischen 1933 und 1945 waren es häufig eben jene „die hinger de Jardinge ston un spinxe“ die die Nachbarn, natürlich anonym, anzeigten, sei es aus Überzeugung, Angst, Opportunismus oder persönlicher Rache.

Der "Blockwart" war in der Zeit des Nationalsozialismus die rangniedrigsten Funktionsträger der NS-Partei, zuständig für die kleinteilige Kontrolle, Bespitzelung und Indoktrinierung der Bevölkerung. Bild: Stefan Kühn, CC0, via Wikimedia Commons
Der „Blockwart“ war in der Zeit des Nationalsozialismus die rangniedrigsten Funktionsträger der NS-Partei, zuständig für die kleinteilige Kontrolle, Bespitzelung und Indoktrinierung der Bevölkerung. Bild: Stefan Kühn, CC0, via Wikimedia Commons

In dieser Atmosphäre ein Lied aufzuführen, das genau diese Kultur der stillen Beobachtung und Weitergabe von Informationen aufs Korn nimmt, war von Jupp Schlösser und Gerhard Jussenhoven ein riskanter Akt der Zivilcourage. Hier wird, verkleidet in die Ironie des Karnevals der gefährliche Alltag in einer Diktatur entlarvt.

Tarnung durch Alltagsbezug

Der Text des Lieds bedient sich einer Sprache, die genug Alltagsbezug bietet, um offiziell als unpolitisch zu gelten, aber zwischen den Zeilen eine Botschaft transportiert: Achtung, überall wird geguckt, gespitzelt, notiert – und vielleicht auch gleich gemeldet.

Die Melodie ist beschwingt, der Rhythmus tänzerisch, die Sprache volkstümlich. Doch genau das war Teil der Strategie: Humor als Schutzschild, Musik als Ventil, Doppeldeutigkeit als Möglichkeit, Kritik zu üben. Jussenhoven sagte rückblickend: „Wir waren uns bewusst, dass es nicht ungefährlich war. Aber bei allen Aufführungen haben die anwesenden Nazi-Oberen immer fleißig mitgesungen.“3Begleitheft zum Programm der Bläck Fööss „Usjebom & Opjebaut – 80 Jahre Kriegesende in Köln“, Begleittexte von Wolfgang Oelsner, Köln, 2025. Allerdings sollte man auch wissen, dass Gerhard Jussenhoven am 1. Mai 1937 der NSDAP beitrat.4Mitgliedsnummer 5.945.797, Quelle: Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/18760941.

Auszug aus der Entnazifizierungsurkunde von Gerhard Jussenhoven. Er wurde in die Kategorie V "Entlastete: Personen, die vor einer Spruchkammer nachweisen konnten, dass sie nicht schuldig waren." eingeordnet.
Auszug aus der Entnazifizierungsurkunde von Gerhard Jussenhoven. Er wurde in die Kategorie V „Entlastete: Personen, die vor einer Spruchkammer nachweisen konnten,
dass sie nicht schuldig waren.“ eingeordnet.

Denunziation als Waffe

Im Nationalsozialismus wurde Denunziation zum Herrschaftsinstrument. Eine Bemerkung über Hitler, ein Witz über die Wehrmacht, das Lauschen ausländischer Radiosender oder das Verstecken jüdischer Nachbarn – all das konnte durch eine einfache Anzeige den Weg ins KZ oder zum Volksgerichtshof bedeuten. Und wer denunziert wurde, hatte selten eine Chance auf Gerechtigkeit.

Und so zeigt das Lied „Die hinger de Jardinge ston un spinxe“ nicht nur die typischen „Spökes“5spaßhafter Unsinn des kölschen Alltags, sondern stellt auch eine Warnung dar: Vor dem Menschen, der hinter der Gardine steht, und alles hört. Vor der Macht der kleinen Bosheit. Vor dem stillen Mitläufertum, das das Rückgrat jeder Diktatur bildet.

Kölscher Humor als Widerstand

Im Nationalsozialismus wurde der Kölner Karneval gleichgeschaltet und ideologisch vereinnahmt. Die NSDAP übernahm Kontrolle über Karnevalsvereine, jüdische Mitglieder wurden ausgeschlossen. Politische Kritik war verboten, viele traditionelle Elemente wurden angepasst oder entfernt.

Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper
Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper

Dennoch nutzten einige Künstler den Karneval, um in Liedtexten und Büttenreden offen oder versteckt Kritik zu üben. Der bekannte Kölner Bütttenredner Karl Küpper opponierte offen das Regime – und wurde dafür zusammengeschlagen und mit einem Auftrittsverbot belegt.

Die Zeit des Spitzeltums ist nicht vorbei

Dieses scheinbar harmlose Lied erinnert daran, wie dünn die Linie zwischen Nachbarschaftsneugier und gefährlichem Mitwissen ist. Und es warnt, wie leicht ein gesellschaftliches Klima entstehen kann, in dem Beobachten zur Kontrolle, Klatsch zur Anklage und Gucken zur Gefahr wird.

Denn selbstverständlich konnten Schlösser und Jussenhoven nicht ahnen, dass sich das Spitzeltum nicht nur im Nationalsozialismus etablierte, sondern auch im DDR-Unrechtsstaat. Beide Systeme – NS-Regime und die DDR – setzten stark auf gesellschaftliche Kontrolle durch Überwachung und Denunziation, oft durch ganz normale Bürgerinnen und Bürger. In der DDR waren dies bis zu 200.000 „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) der Staatssicherheit, die auch „hinger de Jardinge ston“ und anschließend Meldung machten. Und auch in der durch einen Präsidenten Trump in den USA umgewandelten Gesellschaft ist die Denunziation nicht mehr weit.

Deshalb muss für unsere Gesellschaft gelten:
Kein Fußbreit den Faschisten! 


Die hinger de Jardinge ston un spinxe
(Text: Jupp Schlösser, Musik: Gerhard Jussenhoven, 1937)

Jede Minsch dä hätt sing Eigenaat,
dä spillt Lotterie und dä spillt Skat.
Widder and’re dun jett för ihr Wohl
drinke jähn Alkohol.

Vill die süht mer strebe ohne Rass,
and’re han am Schreberjade Spaß.
Doch se allemole han zoletz
doch e goldich Hätz.

Nur eine Minscheschlag
för däm nemm dich en aach:

Die hinger de Jardinge ston und spinxe,
dat sin de schlächste Minsche.
Se dauge nit, du kanns drop jon,
die hinger de Jardinge ston.

Dat dat Müllers Kätt ne Neue hät,
dat d’r Nubbels Chress gän Päädcher wett,
datt d’r Schmitz schon hätt sing dritte Frau,
wessen se ganz jenau.

Dröm loss et kumme wie et kütt,
an die Minsche stüre mer uns nit,
denn et jitt noch ein Jerechtigkeit,
die se all strofe deit.

Freue dun mer uns op Kölsch Aat,
richtig weed noch ens d’r Jeck jemaat,
denn wenn mer uns freue wat mer dun,
dat darf jeder sinn!

Et dun en Wirklichkeit
uns doch die Minsche leid:

Die hinger de Jardinge ston und spinxe,
dat sin de schlächste Minsche.
Se dauge nit, du kanns drop jon,
die hinger de Jardinge ston.


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Bläck Fööss – Zeitreise durch mehr als 50 Jahre kölsche Musikgeschichte

Die Bläck Föös in ihrer aktuellen (Anfang 2025) Besetzung, Bild: Kay-Uwe Fischer
Die Bläck Föös in ihrer aktuellen (Anfang 2025) Besetzung, Bild: Kay-Uwe Fischer


In den 1970er Jahren war der Sitzungskarneval sehr angestaubt. Langweilige Sitzungen mit nichtssagender Musik, Abendgarderobe und eher steifen als  lustigen Karnevalisten waren die Regel.

Und dann kamen auf einmal ein paar langhaarige Jungs auf die Bühne, am Anfang noch met bläcke Fööss1barfuß, mit Gitarre und Schlagzeug und fingen an, kölsche Lieder zu spielen, wo vorher noch eher festlich hochdeutsche Lieder vorgetragen wurden.

Die Bläck Fööss in den 1970er Jahren, Bild: Bläck Fööss
Die Bläck Fööss in den 1970er Jahren, Bild: Bläck Fööss

Der Versuch der etablierten, offiziellen Kappenträger, diese Band einfach zu ignorieren, ging gehörig daneben.2Ein Muster übrigens, was sich etwa 30 Jahre später bei Brings wiederholen sollte. Die Menschen wollten genau diese Musik hören. 

Das war die Geburtsstunde einer kölschen Erfolgsgeschichte:
Die Bläck Fööss eroberten die Bühnen.

Examen an der „Akademie för uns kölsche Sproch“

Wie so viele aus den Jahrgängen ab etwa Mitte 1960 sind auch Jörg Hauschild und Ekkehard „Ekki“ Hoffmann mit der Musik der Fööss aufgewachsen. Und als die beiden dann ihr Examen an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ gemacht haben, wurde aus einer Idee Realität: Ihre Abschlussarbeit an der Akademie haben beide zusammen über die “Mutter aller kölschen Bands” – die Bläck Fööss – geschrieben.

Ekkehard „Ekki“ Hoffmann (links) und Jörg Hauschild mit ihrer Diplomarbeit über dei Bläck Fööss, Bild: Ekki Hoffmann
Ekkehard „Ekki“ Hoffmann (links) und Jörg Hauschild mit ihrer Diplomarbeit über dei Bläck Fööss, Bild: Ekki Hoffmann

Die beiden haben sich äußerst akribisch in die Geschichte der Fööss eingearbeitet und auch mit den Musikern aus der Band direkt gesprochen.

Einzigartig ist, dass diese Arbeit die erste Diplomarbeit an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ ist, die bilingual erscheint: Auf Kölsch und Hochdeutsch. Ein absolutes Novum in der Geschichte der Akademie.

Diplomarbeit hier zum Download

Ich freue mich SEHR, dass die beiden mir erlaubt haben, diese sehr lesenswerte Diplomarbeit hier zum Download anzubieten.

Die Diplomarbeit von Jörg Hauschild & Ekkehard Hoffmann: "Heimatflimmern Bläck Fööss - Zeitreise durch mehr als 50 Jahre Musikgeschichte", Quelle: Hauschild & Hoffmann
Die Diplomarbeit von Jörg Hauschild & Ekkehard Hoffmann: „Heimatflimmern
Bläck Fööss – Zeitreise durch mehr als 50 Jahre Musikgeschichte“, Quelle: Hauschild & Hoffmann (Der Download startet bei klick auf die Darstellung.)

Interview mit den Bläck Fööss-Experten

Frank und ich durften mit den beiden sprechen. Gemeinsam haben wir eine Zeitreise zu 50 Jahren Bläck Fööss unternommen.

Die beiden Bläck Fööss-Experten Ekki und Jörg bei der Podcast-Aufnahme, Bild: Uli Kievernagel
Die beiden Bläck Fööss-Experten Ekki und Jörg bei der Podcast-Aufnahme, Bild: Uli Kievernagel

Teil I: Die Anfänge bis 1994

Wir haben über die Anfänge mit Graham Bonney und dem „Rievkooche-Walzer“ gesprochen, über das durchaus zwiespältige Gefühl der Fööss zum Karneval und über den ersten großen Umbruch mit dem Ausstieg von Tommy Engel im Jahr 1994.

Teil II: Die Geschichte der Fööss von den 1990ern bis heute

Im zweiten Teil geht es um die Meilensteine der Bandgeschichte und den langsamen Ausstieg der Ur-Fööss aus der Band. Außerdem wagen die beiden Fööss-Experten einen Blick in die Zukunft.


Genau wie alle anderen Menschen in meiner Rubrik „Ein paar Fragen an …“ haben auch Ekki Hoffmann und Jörg Hauschild den „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.

  1. Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du wohnen? Und warum gerade dort?

Ekki: Kopenhagen, die Dänen haben uns viel voraus

Jörg: Da, wo ich jetzt wohne, in Bergisch Gladbach – Schildgen

  1. Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?

Ekki: Toleranz

Jörg: Hätzlich un bodenständich

  1. Was würdest du morgen in unserer Stadt ändern?

Ekki: Autofreie Innenstadt

Jörg: Die zielgerichtete Zusammenarbeit

  1. Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.

Ekki: Die Oper wird nie fertig / Entscheidungs-/Umsetzungsstau / Parken in zweiter Reihe ohne Konsequenzen

Jörg: Häh?

  1. Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln?

Ekki: Rheinufer mit Blick auf den Dom

Das Millowitsch-Denkmal. Einfach mal neben Willi Platz nehmen, Bild: Ruth Rudolph / pixelio.de
Willi Millowitsch hat Ekki und auch Jörg inspiriert, hier das Millowitsch-Denkmal. Bild: Ruth Rudolph / pixelio.de
  1. Welche KölnerInnen haben dich beeinflusst / beeindruckt?

Ekki: Willy Millowitsch, Wolfgang Overath

Jörg: Jupp Menth, Willi Millowitsch und Wolfgang Niedecken

Wolfgang Niedecken mit Background-Sängerin Karen Schweitzer-Faust bei einem BAP-Konzert in der Sporthalle (1991) , Bild: Achim Scheidemann
Wolfgang Niedecken, hier mit Sängerin Karen Schweitzer-Faust, hat Jörg beinflusst. Bild: Achim Scheidemann
  1. Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?

Ekki: Mit netten Menschen Karneval feiern

Jörg: Fasteloovend fiere

  1. Wat hät für dich noch immer jood jejange?

Ekki: Trotz allem kritischen liebe ich diese Stadt

Jörg: Meiner Berufung nachgehen, ich arbeite in der touristischen IT und bin ein Schützenjunge

  1. Wo drüber laachs de dich kapott?

Ekki: Über die Sicht von außen auf Köln

Jörg: Alberner Humor und immer Situationskomik

  1. Dein Kölsche Lieblingskneipe?

Ekki: In der Jugend das Piranha

Jörg: Et Höttche oder Max Stark

  1. Dein Lieblingskölsch?

Ekki: Sünner Malz

Jörg: Ratet mal (siehe oben)3Sowohl im Max Stark als auch im Höttche wird Päffgen-Kölsch ausgeschenkt.

Halve Hahn, Bild: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)
Ekkis Lieblingsgericht: Ne Halve Hahn, Bild: Superbass / CC-BY-SA-4.0 (via Wikimedia Commons)
  1. Was ist dein kölsches Lieblingsgericht?

Ekki: Halver Hahn

Jörg: Himmel un Ääd

  1. Dein Lieblingsschimpfwort auf Kölsch?

Ekki: Lällbeck

Jörg: Sackjeseech … da gibt es auch ein  schönes Lied zu

  1. Bitte vervollständige den Satz: Köln ist …

Ekki: … Heimat

Jörg: … e Jeföhl


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Elo Wilhelm Sambo: Der Blaue Funke an d´r Spetz vum Rusemondachszoch

Elo Wilhelm Sambo als Kesselpauker der Blauen Funken führt den Kölner Rosenmontagszug an
Elo Wilhelm Sambo als Kesselpauker der Blauen Funken führt den Kölner Rosenmontagszug an

Ganz Köln kannte ihn, die Pänz haben ihn geliebt,: Elo Wilhelm Sambo, der Kesselpauker der Blauen Funken. Ein Mann mit schwarzer Hautfarbe im Karneval. Und das nicht irgendwo, sondern ganz vorne im Rosenmontagszug.

Die Blauen Funken haben seit 1870 „de Spetz vum Rusemondachszoch“. Das bedeutet, dass sie mit ihrer Kapelle den Rosenmontagszug anführen. Und vor der Kapelle ritten immer vorneweg die Kesselpauker. Somit hatte Sambo ab Ende der 1920er Jahre bis 1933 faktisch den Kölner Rosenmontagszug eröffnet.

Geboren in einer Kolonie des Deutschen Reichs

Bis es zu seiner Karriere im Kölner Karneval kam, hatte Elo Wilhelm Sambo bereits viel erlebt. Er wurde 1885 in Yaoundé in Kamerun geboren. Ob der 1. April sein tatsächliches Geburtsdatum ist, lässt sich bis heute nicht zweifelsfrei nachweisen.

Im Jahr seiner Geburt wurde Kamerun zum „Schutzgebiet“ des Deutschen Reichs, die europäischen Mächte hatten Afrika unter sich aufgeteilt. Neben der wirtschaftlichen Ausplünderung der Kolonien wurden auch Menschen als Exoten mit nach Europa genommen – schwarze Dienstboten galten als schick.

Dieses Schicksal trifft auch den angeblichen Waisen Elo Sambo. Der kaiserliche Rittmeister Stolzenberg brachte den sechsjährigen Jungen im Jahr 1891 mit ins Deutsche Reich. Da Kaiser Wilhelm II. sein Patenonkel wurde, erhielt der Junge den zweiten Vornamen „Wilhelm“.

Karriere im kaiserlichen Militär

Über seine schulische Ausbildung und Werdegang ist nichts bekannt, vermutlich wurde er in einem Militär-Waisenhaus in Potsdam erzogen und soll auch dort eine Ausbildung zum Pferdeknecht gemacht haben. Erst ab 1905 ist der weitere Lebensweg dokumentiert. Sambo trat als Freiwilliger am 1. Oktober 1905 in die 4. Kompanie des Eisenbahner-Regiments Nr. 1 ein.

Ob die militärische Karriere tatsächlich freiwillig war, darf durchaus bezweifelt werden. Vermutliche Gründe waren wahrscheinlich eher der Mangel an Alternativen für einen Afrikaner im Kaiserreich.

Nach zwei Jahren wechselte er in das „Leib-Gardehusaren-Regiment“ und wurde dort zum Kesselpauker ausgebildet. Auch schon sein Vorgänger als Kesselpauker in diesem Regiment war afrikanischer Herkunft. Diese schwarzen Kesselpauker ritten regelmäßig in roter Uniform auf einem Schimmel vor der Kapelle. Durch diese schwarz-rot-weiße Farbkombination wurden die Farben des Deutschen Kaiserreiches repräsentiert.

Eine Postkarte von 1928 zeigt Elo Wilhelm Sambo in der Uniform des Leib-Gardehursaren-Regiments, Bild: Digitale Sammlungen der Universität zu Köln
Eine Postkarte von 1928 zeigt Elo Wilhelm Sambo in der Uniform des Leib-Gardehursaren-Regiments, Bild: Digitale Sammlungen der Universität zu Köln

Als einer der wenigen Personen afrikanischer Herkunft kämpfte Sambo im Ersten Weltkrieg auf Seiten des Deutschen Reichs. Er wurde an der Westfront und im Osten eingesetzt und dort schwer verwundet.

Sein damaliger Regimentsadjudant schrieb über Elo Wilhem, Sambo:

„Als ich im Frühjahr 1915 zur Infanterie versetzt wurde, kam Sambo zu mir und meinte: „Nehmen der Rittmeister mich mit, ich lasse mich auch für ihn totschießen.“1Quelle: Höxtersche Zeitung vom 9. Dezember 1933

Für seinen Einsätze erhielt der das Verwundetenabzeichen und das „Eiserne Kreuz 2. Klasse“. Nach seiner Genesung kämpfte er – unbestätigten Quellen zufolge – in Palästina. Dort soll er im Jahr 1918 in englische Gefangenschaft geraten sein.

Sambo kehrte 1919 aus der Kriegsgefangenschaft zurück und wurde wieder als Kesselpauker im 4. Reiter-Regiment in Potsdam eingesetzt. 1923 wurde er aus der Armee entlassen.

Ende 1920er zieht Sambo nach Köln

Während sein Militäreinsatz relativ gut dokumentiert wurde, ist über sein Privatleben sehr wenig bekannt. Er arbeitete kurze Zeit als Fremdenführer in Potsdam, zog dann aber nach Münster und wurde dort „Kaffee-Koch“ in der Konditorei seines ehemaligen Kriegskameraden Albin Middendorp.

Ganz uneigennützig wird die Einstellung Sambos durch Middendorp nicht gewesen sein. Der „Exot“ Sambo wurde als Werbefigur für das exotische Getränk Kaffee eingesetzt. Für die Münsteraner der 1920er Jahre war ein schwarzer Mann durchaus besonders und so hatte der „Kaffee-Koch“ Sambo den Kaffee-Absatz in Middendorps Konditorei mit Sicherheit steigern können.

Wie lange genau Sambo in Münster war, lässt sich nicht genau nachvollziehen. Aber gegen Ende der 1920er Jahre zieht er nach Köln.

Mitglied der Blauen Funken

Angeblich kam er wegen einer Frau nach Köln. Er wäre nicht der erste Mann, der wegen der Liebe nach Köln kommt. Doch ob das tatsächlich so war, lässt sich nicht belegen. Die Beziehung einer weißen Frau zu einem schwarzen Mann war eher geduldet als erwünscht, daher gibt es auch keine Belege für diese These.

Vermutlich hat Elo Wilhelm Sambo in der Kölner Südstadt gelebt. Er wurde wurde er auch Mitglied der Blauen Funken.

Elo Wilhelm Sambo in der Mitte vor den Kesselpauken
Elo Wilhelm Sambo in der Mitte vor den Kesselpauken

Unstrittig und vielfach belegt waren seine Leistungen als Musiker bei dem Leibgarde-Husaren-Regiment. Sambo spielt dort wieder die Kesselpauke. Die Konzerte und insbesondere die Leistungen Sambos  wurden in vielen Zeitungen ausdrücklich gelobt. So lautete es in der „Bergischen Post“ vom 8. Februar 1927:

„Die Sensation des Abends bildete das Auftreten des schwarzen Kameruners Elo Wilhelm Sambo, des letzten Paukenschlägers der Garde-Leibhusaren, der in voller Friedensuniform nochmal seine geliebte Pauke schlug und dafür natürlich mit lebhaftem Beifall bedacht wurde.“

Das „Altenaer Kreisblatt“ schrieb am 1. Dezember 1927:

„Die Musik kam dann wieder zu ihrem Recht und war es u. a. Kamerad, Vizewachtmeister Elo Wilhelm Sambo, der in der schmucken Uniform des ehemaligen Leibgarde-Husaren-Regiments als Kesselpauker auftrat und tosenden Beifall erntete.“

Und die „Langenberger Zeitung“ vom 27. Oktober 1928 berichtete:

„Mit Beginn des 3. Teiles … kam durch den Saal von acht Fanfarenbläsern eskortiert eine weitere „Zugnummer“, des Abends, der Kameruner Elo Wilhelm Sambo, der sich in die Friedensuniform des ehemaligen Leibgarde-Husaren-Regiments „geschmissen“ hatte. Ungeheurer Jubel setzte ein und es sang der ganze Saal den von der Musik intonierten „Treuen Husar“ mit.“

Pompöse Beerdigung auf dem Südfriedhof

Wilhelm Elo Sambo starb im Alter von nur 48 Jahren am 12. Juli 1933 in Köln. Über die Umstände seines Todes ist zwar nichts bekannt, allerdings gibt es ausführliche Berichte über sein Begräbnis auf dem Kölner Südfriedhof. Sein Sarg wurde begleitet von den uniformierten Vertretern des Leib-Garde-Husaren-Regiments und des Gardevereins Kölns. Es ist auch davon auszugehen, dass die Blauen Funken bei der Beerdigung anwesend waren.

Neben seinem Stahlhelm wurde auch ein Kranz, gestiftet vom Kaiser, am Grab niedergelegt. Dieses Grab existiert heute leider nicht mehr.

"Sambo, der Kaiserpauker", Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo in der Höxterschen Zeitung vom 9. Dezember 1933
„Sambo, der Kaiserpauker“, Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo in der Höxterschen Zeitung vom 9. Dezember 1933

Nie mehr nach Kamerun zurückgekehrt

Ob Sambo in Köln glücklich war oder nicht, ist nicht bekannt. Aber sein größter Lebenstraum, noch einmal nach Kamerun zu reisen, wurde nicht wahr. Das könnte an den fehlenden finanziellen Mitteln gelegen haben oder aber daran, dass Kamerun ab 1919 keine Kolonie des Deutschen Reichs mehr war.

Ebenfalls unerfüllt blieb sein dokumentierter Wunsch, sein Paukenpferd „Otto“ pflegen zu dürfen – auf eigene Kosten. Dazu schrieb die Höxtersche Zeitung vom 9. Dezember 1933 in einem Nachruf auf Elo Wilhelm Sambo:

„Ebenso bezeichnend wie die Anhänglichkeit an sein Regiment war seine Bitte, sein altes Paukenpferd Otto auf seine Kosten in Pflege zu geben, der jedoch nicht entsprochen werden konnte. Nun hat das treue Pferd seinen Herrn überlebt, es bekommt noch heute sein Gnadenbrot“

Was bleibt ist der stolze schwarze Mann, der mit seinen Pauken bis 1933 an d´r Spetz des Rosenmontagszugs ritt. Ob er diese Position auch unter den nationalsozialistischen Machthabern hätte weiterhin behalten dürfen, darf stark bezweifelt werden.

Die kölschen Pänz aber haben Elo Wilhelm Sambo als imposanten Star des Zochs geliebt.


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Kölsche Tön & ihre Geschichte: „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“

Plakat zum Lied
Plakat zum Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ von Willi Ostermann, Bild: Willi Ostermann-Gesellschaft

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m  „Ahle Kohberg“ gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Köln, Ende der 1920er, Anfang der 1930 Jahre: Seit der Jahrhundertwende hatte sich die Einwohnerzahl der Domstadt, auch durch zahlreiche Eingemeindungen, fast verdoppelt. Statt wie um das Jahr 1900 noch etwa 470.000 Menschen, lebten im Jahr 1930 rund 740.000 Menschen in der Stadt. 

Die ehemals gemütliche, übersichtliche Stadt entwickelt sich zur Großstadt. Die viel gepriesene kölsche Gemütlichkeit blieb vielerorts auf der Strecke – die Kölschen erkannten ihre eigene Stadt nicht mehr.

Dieses Gefühl nimmt Willi Ostermann in seinem Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ auf. Er besingt das Unverständnis gegenüber den Neuerungen und sehnt sich nach den alten Zeiten zurück, als Köln noch behaglicher und überschaubarer war, als man sich noch kannte. So lautet es in dem Lied

„Dä fremde Krom, et es doch ze beduure,
als ahle Kölsche schöddelt mer d’r Kopp.“
1Der fremde Kram, man kann es nur bedauern, als alter Kölner schüttelt man den Kopf.

Und alles mündet in dem Refrain, dass die alten Zeiten besser waren:

„Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“

Die Kölner Revuesängerin Grete Fluss (1892 -1964), Bild: Kölner Karneval (koelner-karneval.de)
Die Kölner Revuesängerin Grete Fluss (1892 -1964), Bild: Kölner Karneval (koelner-karneval.de)

Revue „Die Fastelovendsprinzessin“

Ostermann hatte dieses Lied speziell für die Revue „Die Fastelovendsprinzessin“ geschrieben, die Uraufführung war 1930 in den Vorgängerräumen der Sartory-Säle.

Die Hauptrolle spielte die legendäre Kölner Sängerin Grete Fluss (1892-1964), von den Kölnern nur liebevoll „et Flusse Griet“ genannt. Heute ist Grete Fluss in Vergessenheit geraten. Dabei galt sie in den 1930er Jahren als eine der wichtigsten Vertreterinnen des kölschen Karnevals. In den damals äußerst beliebten Kar­ne­vals­re­vu­en trat sie als „Kü­chen­fee“, „Schutz­wei­b“ oder „Blitz­mä­del“ auf.

Die Ursprungsversion des Lieds hatte nur zwei Strophen und wurde als Duett gesungen, die dritte Strophe fügte Ostermann erst später hinzu. Außerdem änderte er die ersten Zeilen des Lieds. In der Ursprungsversion lauteten diese:

Wie wor ze Kölle doch he noch vür Johre,
op manche Aat un Wies et Levve nett,
2Wie war in Köln doch hier vor Jahren auf manche Art und Weise das Leben nett.

In der heute bekannten Fassung beginnt das Lied mit den Zeilen

Wie hat doch Köln sing Eigenaat verlore,
wie wor et Levve he am Rhing su nett.
3Wie hat doch Köln seine Eigenart verloren, wie war das Leben hier am Rhein so nett

"Der Mittag" berichtet in der Ausgabe vom 4. Februar 1930ß über die Revue "Die Fastelovendsprinzessin"
„Der Mittag“ berichtet in der Ausgabe vom 4. Februar 1930 über die Revue „Die Fastelovendsprinzessin“

Jede Generation regt sich über die Musik der jeweils nachfolgenden Generationen auf

Viele der von Ostermann in diesem Lied besungenen Aspekte kommen uns heute seltsam bekannt vor: Jede Generation regt sich über die Musik und die Tänze der jeweils nachfolgenden Generationen auf. Und verklärt auch die Zeit, in der man selber noch jung war.

Eine Zeile in dem Lied lautet „… deit mer sich nur de Dänz vun hück beluure …“4Sieht man die Tänze von heute … und eine andere Zeile „Wä hatt dann fröher jet vun Jazz und Steppe, jet vun däm huhmoderne Blues jekannt?“5Wer hat den früher etwas von dem Jazz und Steppen, etwas von dem doch so hochmodernen Blues gekannt?“ So wie sich Ostermann hier über den Blues und Jazz aufregt, sollten sich nachfolgende Generationen über Rock ’n‘ Roll, Hardrock oder Techno aufregen. Alles zu seiner Zeit.

Der „Ahle Kohberg“

Ostermann besingt auch dä „Ahle Kohberg“. Dabei handelte es sich nicht um die heute bekannte Gaststätte „Em Ahle Kohberg“ im rechtsrheinischen Merheim, sondern um das Ballhaus „Em ahle Kohberg“.

Der
Der „Ahle Kohberg“ als „Maurischer Tempelsaal“, Bild: Kunstanstalt Ludwig Meister

Dieser bekannte und renommierte Tanzsaal lag in der Straße „Vor den Siebenburgen“, etwa dort, wo heute das Humboldt-Gymnasium steht. Auf alten Postkarten wird der „Ahle Kohberg“ auch als „Maurischer Tempelsaal“ bezeichnet. Vermutlich wurde er, ganz dem damaligen Zeitgeist entsprechend, umgebaut.

„Pitter un et Appolonia“

Wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Für die besungenen „Pitter un et Appolonia“ gab es auch reale Vorbilder. Cornel Wachter, Urgestein des Severinsveedels, berichtet, dass das ehemalige „Löscheck“ auf der Merowingerstraße eine Stammkneipe von Ostermann war.  Der Name der Kneipe passte perfekt, denn direkt gegenüber war die Feuerwache Vondelstraße.6Dort befindet sich heute das COMEDIA Theater.

Die beiden Wirtsleute des Löschecks waren dä Pitter und et Appolonia. Und dann kam es, so Cornel Wachter, zu einem Tauschgeschäft: Ostermann verewigte die beiden Wirtsleute in seinem Lied, dafür warfen diese die nicht bezahlten Deckel in den Papierkorb. Wachter: „Das war quasi ein Tauschgeschäft.“  

Das "Filos'" auf der Merowingerstraße ist heute eine Institution der Südstadt. Vorher war hier das "Lösch-Eck". Willi Ostermann verewigte die beiden Wirtsleute Peter und Apollonia in seinem Lied "Och wat wor das fröher schön doch in Colonia". Bild: Filos
Das „Filos'“ auf der Merowingerstraße ist heute eine Institution der Südstadt. Vorher war hier das „Lösch-Eck“. Willi Ostermann verewigte die beiden Wirtsleute Peter und Apollonia in seinem Lied „Och wat wor das fröher schön doch in Colonia“. Bild: Filos

„Schleß“ bedeutet Heißhunger

Die dritte Strophe beschreibt, dass das Tanzvergnügen von so großer Bedeutung war, dass man lieber sein Geld vertanzte und deswegen „Schleß“ hatte. „Schleß“ bedeutet Heißhunger, ist also die Steigerung von normalem Hunger.

Die Kavaliere leete mit sich handele,
wann mer als Mädche Schleß un Kohldamp hatt,
trok hä e Dösje met jebrannte Mandele,
die wohte dann jelötsch, bes dat mer satt.
7Die Kavaliere lassen mit sich handeln,
wenn man als Mädchen Heißhunger und Kohldampf hatte,
zog er ein Döschen mit gebrannten Mandeln,
die wurden dann gelutscht, bis dass man satt war.

Tatsächlich dienten die gebrannte Mandeln, die gelutscht wurden, als Ersatz für ein echtes Essen.

Lagerarbeiter oder Soldat?

Bis heute herrscht Uneinigkeit, ob es sich bei dem im Lied besungenen „Kommis“ um einen Soldaten oder um einen „Kommissionierer“, also einen Lagerarbeiter, handelt:

Met sechs mol zweiunzwanzig bare Penninge,
dat wor d’r Wocheluhn vun nem Kommis.
Dä wood verdanz, mer fohlt sich wie de Künninge,8Die sechsmal zweiundzwanzig baren Pfennige, das war der Wochenlohn von einem Kommis. Der wurde vertanzt, man fühlte sich wie die Könige. 

Der Kölner Brauchtumsforscher Reinhold Louis (1940 – 2024) war der Meinung, bei dem „Kommis“ handelte es sich um einen Lagerarbeiter. Der Fehler wäre auf eine falsche Interpretation des Illustrators Willi Key (1900 – 1973) zurückzuführen. Und tatsächlich: Auf dem Plakat zur „Fastelovendsprinzessin“ sieht man einen Mann in Uniform, der mit einer Frau in einem Kleid Arm in Arm die Straße entlang schlendert.

Plakat zum Lied
Plakat zum Lied „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ von Willi Ostermann, Bild: Willi Ostermann-Gesellschaft

Aber ob es sich nun um einen Soldaten oder Lagerarbeiter handelte, ist auch völlig unerheblich: Das Lied „Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia“ beschreibt das Gefühl jeder Generation, dass früher alles besser war.

Auch wenn dabei oft vieles verklärt wird. Selbst von Willi Ostermann.


Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia

von Willi Ostermann (1930)

Wie wor ze Kölle doch he noch vür Johre,
op manche Aat un Wies et Levve nett,
hück es mer selver sich nit rääch em Klore,
ovv mer ne Fimmel oder keine hät.
Dä fremde Krom, et es doch ze beduure,
als ahle Kölsche schöddelt mer d’r Kopp,
deit mer sich nur de Dänz vun hück beluure,
stüß einem jedes Mol de Heimat op.

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Wä hatt dann fröher jet vun »Jazz« und »Steppe«,
jet vun däm huhmoderne »Blues« jekannt?
Die »Blus«, die mir jekannt, dren soch mer höppe
et Bill em Walzertempo lans d’r Wand.
»Ich küsse ihre Hand«, wie hück se kruffe,
dat hätt mer fröher ze sage sich geneet,
do heeß et einfach, »liehn mer ens ding Schluffe,
ich ben zom nächste Schottisch engascheet«.

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.

Met sechs mol zweiunzwanzig bare Penninge,
dat wor d’r Wocheluhn vun nem Kommis,
dä wood verdanz, mer fohlt sich wie de Künninge,
de Zech bezahlten meischtendeils et Liss.
Die Kavaliere leete mit sich handele,
wann mer als Mädche Schleß un Kohldamp hatt,
trok hä e Dösje met jebrannte Mandele,
die wohte dann jelötsch, bes dat mer satt.

Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia
wenn d’r Franz me’m Nies noh’m »Ahle Kohberg« gingk,
wenn d’r Pitter Ärm en Ärm me’m Appolonia
stillverjnööch o’m Heimwäch ahn ze Knutsche fingk.


Hochdeutsche Übersetzung:
Ach was war das früher schön in Colonia

Was hat doch Köln seine Eigenart verloren,
wie war das Leben hier am Rhein so nett.
Man ist sich selber nicht mehr recht im Klaren,
ob man ’nen Fimmel oder keinen hat.

Der fremde Kram, es ist doch zu bedauern,
als alter Kölner schüttelt man den Kopf.
Besieht man sich bloß die Tänze von heute,
stößt einem jedes Mal die Heimat auf:

Ach wie war das früher schön doch in Colonia,
Wenn Franz mit Agnes zum alten Kohberg ging,
Wenn Peter Arm in Arm mit Appolonia
still vergnügt auf dem Heimweg an zu knutschen fing!

Wer hat denn früher etwas vom Jazz und Steppen,
etwas von dem hochmodernen ‚Blues‘ gekannt?
Die Bluse, die wir gekannt, drin sah man hüpfen
Sybille im Walzertempo entlang der Wand.

Ich küsse Ihre Hand, wie heute sie kriechen,
das hat man früher zu sagen sich geniert.
Da hieß es einfach: „Leih mir mal deine Pantoffeln,
ich bin zum nächsten Schottisch-Walzer engagiert.“

Ach wie war das früher schön doch in Colonia,
Wenn Franz mit Agnes zum alten Kohberg ging,
Wenn Peter Arm in Arm mit Appolonia
still vergnügt auf dem Heimweg an zu knutschen fing!

Die sechsmal zweiundzwanzig bare Pfennige,
das war ein Wochenlohn von einem Soldaten.
Der wurde vertanzt, man fühlte sich wie die Könige.
Die Zeche bezahlte dann meistens Lisa.

Die Kavaliere lassen mit sich handeln,
wenn man als Mädchen Hunger und Kohldampf hatte,
zog er ein Döschen mit gebrannten Mandeln,
die wurden dann gelutscht, bis dass man satt.

Ach wie war das früher schön doch in Colonia,
Wenn Franz mit Agnes zum alten Kohberg ging,
Wenn Peter Arm in Arm mit Appolonia
still vergnügt auf dem Heimweg an zu knutschen fing!


Weitere Ostermann Lieder in der Rubrik „Kölsche Tön“

Eine Biographie Willi Ostermanns gibt es hier:
Er trifft dat kölsche Hätz: Willi Ostermann


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Kölsche Originale: Der Lehrer Welsch – Dreimol Null es Null, bliev Null

Gedenktafel, in d'r Kayjass Nummer Null (Kaygasse, Ecke Großer Griechenmarkt),Bild: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Gedenktafel, in d’r Kayjass Nummer Null (Kaygasse, Ecke Großer Griechenmarkt),Bild: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Jedes kölsche Schulkind kennt diesen Text:

„En d’r Kayjass Nummer Null steiht en steinahl Schull,
un do hammer dren studeet.
Unser Lehrer, dä hieß Welsch,
sproch en unverfälschtes Kölsch ...
… Dreimol Null es Null, bliev Null,
denn mer woren en d‘r Kayjass en d’r Schull.“

Bei dem von den „Drei Laachduve“ aus der Session 1938/39 besungenen Lehrer handelt es sich um Heinrich Welsch, und genau dieser Lehrer Welsch hat tatsächlich ein musikalisches Denkmal verdient.

Allerdings war Welsch nie in der Kaygasse tätig, sondern leitete im rechtsrheinischen Kalk eine Sonderschule für Kinder, die einer besonderen Fürsorge bedurften. Man kann davon ausgehen, dass die „Drei Laachduve“ Welsch wegen des Reims in die Kaygasse versetzt haben, denn die ursprüngliche Schule lag in der Hollweghstraße . Das hätte doch das Reimschema arg strapaziert.

Geburtshaus von Heinrich Welsch in Arzdorf, Bild: Wolfgang Lietzau
Geburtshaus von Heinrich Welsch in Arzdorf, Bild: Wolfgang Lietzau
Welsch – ein Pädagoge mit Herz

Heinrich Welsch wurde 1848 in Arzdorf, heute ein Ortsteil von Wachtberg, geboren. Er war ausgebildeter Lehrer mit einem Examen des Königlich Preußischen Lehrerseminars in Brühl. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Worringen und Sülz, kam er 1881, mitten in der industriellen Revolution, nach Kalk. Erschreckt über die Verhältnisse in der Arbeiterschaft erkannte Welsch sehr schnell, dass Bildung der Schlüssel zum sozialen Erfolg seiner Schüler war. Im Jahr 1905 gründete er die „Hilfsschule“ in Kalk. Der Lehrer Welsch kümmerte sich rührend um seine Schüler – nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der der Rohrstock noch als pädagogisches Mittel galt. So brachte er zum Beispiel Mädchen, die wegen einer ungewollten Schwangerschaft verstoßen wurden, wieder zurück zu ihren Familien.

Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin
Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin

Zu seinen Bemühungen um die Bildung gehört auch, dass Welsch 1884 mit 1.700 von ansässigen Betrieben gespendeten Büchern die erste Volksbibliothek in Kalk gründete. Heinrich Welsch schied im Jahr 1914 aus dem Schuldienst aus und verstarb 1935. Sein Grab auf der dem Friedhof in Kalk ist ein Ehrengrab, die Stadt Köln kümmert sich um die Grabpflege.

Lehrer-Welsch-Preis

Neben dem bekannten Lied lebt Heinrich Welsch aber auch im Lehrer-Welsch-Sprachpreis weiter. Die Kölner Sektion des Vereins Deutsche Sprache verleiht diesen seit 2004 an Personen oder Institutionen, die sich um die Hochsprache und den Erhalt der kölschen Sprache verdient gemacht haben.  Der Sänger Ludwig Sebus, selbst Preisträger im Jahr 2008, dazu im Kölner-Stadt-Anzeiger „Das Vermächtnis des legendären Lehrers Welsch ist doch viel mehr als Drei mal Null. Er verkörperte die kölsche Seele. Als Lehrer hat er alle Menschen gleich gesehen und gleich behandelt.“.  Erster Preisträger war Alexander von Chiari der im Motto des Rosenmontagszugs 2005 das Wort „Kids“ durch „Pänz“ ersetzte. Weitere Preisträger waren unter anderem „Die Sendung mit der Maus“ oder die Wise Guys.


Peter Kievernagel (1935 - 2023) war bei seinen Schülern als "Papa gnädig" bekannt. Bild: Uli Kievernagel
Peter Kievernagel (1935 – 2023) war bei seinen Schülern als „Papa gnädig“ bekannt. Bild: Uli Kievernagel

Ein andere Lehrer, bekannt als „Papa gnädig“

Ich widme dieses „Köln-Ding der Woche“ ausdrücklich meinem am 2. April 2023 verstorbenen Vater Peter Kievernagel, ebenfalls Lehrer. Seine Schüler sprachen von ihm als „Papa gnädig“, weil er bei Prüfungen auch schon mal gerne ein Auge zudrückte.

Ganz in der Tradition von Heinrich Welsch.


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


Zwar stammt das Lied von der „steinahl Schull“ im Original von den  „Drei Laachduve“, allerdings ist die überarbeitete Version der „Vier Botze“ die heimliche Hymne Kölns.


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Trude Herr: Niemals geht man so ganz

"Dat Pummel" - Trude Herr als kölsche Ulknudel, Bild: Trude-Herr-Fanclub
„Dat Pummel“ – Trude Herr als kölsche Ulknudel, Bild: Trude-Herr-Fanclub

Podcast Trude Herr, 22

„Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier.“
(Trude Herr)

Dieses Lied gehört auf einer kölschen Beerdigung schon fast zum Inventar. Und auch als Zitat schmückt es viele Todesanzeigen in Köln & drumherum. Trude spielte im Jahr 1987, bereits schwer krank, diese kölsche Hymne zusammen mit Wolfgang Niedecken und Tommy Engel ein. Die Single klettert in den deutschen Charts auf Platz 20. Trude Herr selber starb – nach einem bewegten Leben – am 16. März 1991.

Kindheit in Mülheim

Ihre Kindheit verbringt Trude überwiegend in Köln-Mülheim. Ihr Vater war Mitglied der KPD und wurde 1933 wegen seiner politischen Gesinnung von den Nationalsozialisten verhaftet und für viele Jahre in ein Konzentrationslager verschleppt. Die Familie litt schwer unter dem Verlust, Trude wurde von ihrer Mutter und der sieben Jahre älteren Schwester Agy großgezogen. Der von Trude geliebte Vater starb 1961.

Die Familie wird 1943 ausgebombt und in das hessische Ewersbach evakuiert. In Dillenburg arbeitet sie als Schreibkraft im Krankenhaus, später im Einwohnermeldeamt. Nach dem Krieg kehren die Herrs wieder in das zerstörte Köln zurück und Trude arbeitet bei der der von der KPD herausgegebenen Zeitung „Die Volksstimme“.

Lange hält es die temperamentvolle Trude nicht am Schreibtisch aus: Bereits 1946 schließt sie sich einer Aachener Wanderbühne an und 1947 heuert sie beim großen Willy Millowitsch an. Doch der „Pummel“, wie Trude wegen ihrer schon damals stattlichen Figur, genannt wurde, wollte mehr und gründete im Jahr 1949 zusammen mit Gustav Schellhardt die „Kölner Lustspielbühne“. Leider ohne wirtschaftlichem Erfolg – das Theater musste schon kurz danach Konkurs anmelden und Trude verdiente sich ihren Lebensunterhalt im „Barberina“, einer Schwulen-Bar an der Hohe Pforte.

Als „Madame Wirtschaftswunder“ im Karneval

Erfolgreicher waren ihre Auftritte im Karneval. Als „Madame Wirtschaftswunder“ oder „Besatzungskind“ eroberte sie zwar ab Mitte der 1950er Jahre die Bühnen der Karnevalssäle, aber ihre oft vulgäre Art und die Gesellschaftskritik in ihren Büttenreden waren den konservativen Funktionären im Karneval ein Dorn im Auge. Als sie sich dann noch mit ihrer Nummer „Die Karnevalspräsidentengattin“ unmittelbar über die spaßbefreiten Frackträger lustig machte, war schnell Schluss mit lustig. Weitere Auftritte als „Präsidentengattin“ wurden ihr untersagt.

Trude Herr in den 1960er Jahren, Bild: Trude-Herr-Fanclub
Trude Herr in den 1960er Jahren, Bild: Trude-Herr-Fanclub

Somit war der Weg frei für die große Stadt: 1958 Trude wurde für das Revuetheater „Tingel-Tangel“ in Berlin engagiert. Dieses Engagement und ihre Präsenz in Berlin ebnete ihr auch den Weg ins Kino. In mehr als 30 Filmen mimte sie die rheinische Ulknudel, darunter auch Kassenschlager wie „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ oder „Drillinge an Bord“ mit Heinz Erhardt. In dieser Zeit entstand auch mit „Ich will keine Schokolade“ ihr größter Hit.

Trude Herrs größter Hit "Ich will keine Schokolade"
Trude Herrs größter Hit „Ich will keine Schokolade“

Bei einer ihrer Reisen nach Afrika verliebte sich Trude in den Tuareg Ahmed M’Barek. Doch die 1969 geschlossene Ehe war nicht besonders glücklich und wurde 1976 geschieden. Glücklicher waren von 1970 bis 1976 ihre Inszenierungen mit eigenem Ensemble im Millowitsch-Theater. „Scheidung auf kölsch“, „Familie Pütz“ oder „Pflaumenschwemme“ waren erfolgreiche Stücke und führten gleichzeitig zu Streit mit Willy Millowitsch. Der eher deftige Humor Trude Herrs vertrug sich nicht mit Millowitschs Verständnis von Volkstheater.

Theater im Vringsveedel: „Ruhm hatten wir immer genug, nur kein Geld.“

Diese Konflikte führten dazu, dass Trude ihr eigenes Theater gründete. 1977 pachtete sie ein ehemaliges Kino auf der Severinstraße und gründete das „Theater im Vringsveedel“. Schnell wurde ihr Theater – gemessen an der Auslastung – zum erfolgreichsten in ganz Nordrhein-Westfalen. Gemessen am finanziellen Erfolg war es ein Flop. Trude Herrs lakonischer Kommentar dazu „Ruhm hatten wir immer genug, nur kein Geld.“ Nachdem sie vergeblich versuchte, städtische Zuschüsse zu erlangen, musste sie das Theater 1986 schließen.

Für Trude Herr selber, mittlerweile 59 Jahre alt, war es auch die Chance, etwas Neues zu machen. Sie ging ins Tonstudio und coverte auf der Platte „Ich sage, was ich meine“ internationale Hits. Aus „I Want To Know What Love Is“ wurde „Ich weiss jenau wat de meinz“ und „Beast of Burden“ wird zur „Hipp vum Nümaat“. Auf dieser Platte ist als letztes Stück auch „Niemals geht man so ganz“. Dieses Lied war ihr Abschiedsgeschenk an ihre Heimatstadt.

Trude Herr ist in Köln auch an eher unerwarteten Orten zu finden wie hier auf einem Stromkasten auf der Zwirnerstraße, ganz in der Nähe des Trude-Herr-Denkmals. Bild: Annette Esser
Trude Herr ist in Köln auch an eher unerwarteten Orten zu finden. Zum Beispiel auf einem Stromkasten auf der Zwirnerstraße, ganz in der Nähe des Trude-Herr-Denkmals. Bild: Annette Esser

Trude Herr stirbt in Südfrankreich an Herzversagen

Die schwer kranke Künstlerin zog noch im Jahr 1987 auf die Fidschi-Inseln und lernte dort ihren letzten Partner Samuel Bawesi kennen. 1991 kehrte sie für wenige Wochen noch einmal nach Köln zurück, um dann im Februar 1991 in die Nähe von Aix-en-Provence zu ziehen. Trude Herr starb dort am 16. März 1991 an Herzversagen.

Trude Herr ist tot – aber ihr Lied „Niemals geht man so ganz“ ist unvergänglich. Nicht nur auf kölschen Beerdigungen.


Trude-Herr-Schule im Mülheim

Im August 2020 hat die „11. Kölner Gesamtschule Mülheim“ verkündet, in Zukunft den Namen „Trude-Herr-Schule“ zu tragen. Weitere mögliche  Namenpatronen für die Schule waren die Edelweißpiratin Gertrud „Mucki“ Koch oder die von den Nationalsozialisten ermordete Ärztin Lilli Jahn. 

Es war kein einfache Entscheidung, so Schulleiterin Monika Raabe in einem Bericht der Kölner Stadt-Anzeigers. Man habe sich für Trude Herr entschieden, weil die in Mülheim aufgewachsene Künstlerin für Bodenständigkeit stehe, genau wie die Schule. 


 

Das Trude-Herr-Denkmal in der Kölner Südstadt, Bild: Raimond Spekking
Das Trude-Herr-Denkmal in der Kölner Südstadt, Bild: Raimond Spekking

Ähnlich turbulent wie ihr Leben ist auch die Geschichte um das Trude-Herr-Denkmal direkt am Bürgerhaus Stollwerck. Ohne schützende Glasur wurde dieses Denkmal im Jahr 2002 aufgestellt und verrottete. Gerettet wurde es erst 2012 durch eine Spende des Trude-Herr-Fanclubs.

Gedenktafel für Trude Herr vor ihrem ehemaligen Theater (heute das Oden-Kino) auf der Severinstraße
Gedenktafel für Trude Herr vor ihrem ehemaligen Theater (heute das Oden-Kino) auf der Severinstraße

Vor ihrem ehemaligen Theater in der Severinstraße ist seit 2012 eine Bronzetafel angebracht, welche an das „Theater im Vringsveedel“ und seine Gründerin erinnert.


Ein muskalisches Denkmal für Trude Herr setzte die Band L.S.E. mit dem Stück „Trudi“ auf dem Album „Für et Hätz un jä¬jen d’r Kopp“.

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Mehr Informationen

 Dort lautet es:

Wä kennt en Kölle die Superfrau
Met däm unwahrscheinliche Körperbau?
Wä hät jedanz, jesunge un Theater jemat
Un keinem noh d’r Schnüss jeschwaad?

Diese Beschreibung hätte Trude Herr gefallen.


Ein großes DANKE an den Trude-Herr-Fanclub. Ich durfte für dieses Köln-Ding der Woche deren Bilder verwenden.


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