Köln ist so vieles: Medienstadt, Karnevalshochburg, Domstadt, Kulturmetropole – und auch Autostadt. Direkt fällt den meisten Menschen Ford ein, immerhin ist der Sitz der Europa-Zentrale im Kölner Norden. Ein paar Motor-Sport-Enthusiasten wissen auch, dass Toyota die Abteilung „Motorsport“ in Marsdorf unterhält. Aber so gut wie unbekannt ist, dass zwischen 1927 und 1935 Citroën in Köln Autos produzierte – vier Jahre, bevor Ford hier mit der Produktion begann.
Sitz der Fabrikation war Köln-Poll. Etwa 500 Mitarbeiter schraubten hier Autos zusammen. Der Standort war gut gewählt: Nah am Rhein, mit guter Anbindung an das Schienennetz und der Nähe zu Paris. Aber auch die „frankophile Freundlichkeit des Kölner Raums“ war ausschlaggebend, bestätigt der Automobil-Historiker Immo Mikloweit, der selbst jahrelang bei Citroën beschäftigt war, in einem Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers1Kölner-Stadt-Anzeiger vom 24./25.03.2016. Letztlich ausschlaggebend für den Bau des Firmensitzes in Deutschland waren aber wohl eher die hohen Zölle, die nach dem Krieg die deutsche Wirtschaft stärken sollte. Mit dem Bau der Wagen im Ausland umging Citroën diese hohen Importabgaben.
Gangsterwagen aus Köln: Der „Poller“
Insgesamt wurden knapp 19.000 Citroën-Fahrzeuge in Poll gebaut, darunter auch der legendäre Citroën Traction Avant, auch als „Gangsterauto“ bekannt. Wegen seiner kölschen Herkunft wurde der Wagen auch „Poller“ genannt. Die Marke Citroën war in Deutschland beliebt, weil die Autos als zuverlässig und günstig galten. Außerdem, so Mikloweit im Kölner-Stadt-Anzeiger2Kölner-Stadt-Anzeiger vom 24./25.03.2016: „Die Franzosen waren in der technischen Entwicklung den deutschen Fahrzeugherstellern vor und nach dem Ersten Weltkrieg eindeutig überlegen.“
Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verschärfte sich das Klima zwischen Frankreich und Deutschland. Die Nazis drängten die Bevölkerung, nur deutsche Produkte zu kaufen. Citroën reagierte darauf, indem zunehmend Teile von deutschen Zulieferern eingesetzt wurden.
Produktionsstop im Jahr 1935
Mit der Auflösung des deutsch-französischen Handelsabkommens 1934 wurde es für das Kölner Werk aber immer schwieriger, dringend benötigte Teile aus Frankreich zu importieren. Zusätzlich traten bei der Konzernmutter in Frankreich wirtschaftliche Probleme auf. So entschied man sich im Jahr 1935, die Kölner Produktion einzustellen.
Die Ära endete 1940 endgültig: Der deutsche Staat beschlagnahmte die Werkhallen, die bis dahin von Citroën noch als Reparaturwerkstatt genutzt wurden. Die Produktionshallen wurden von Klöckner-Humboldt-Deutz zur Produktion und Reparatur von kriegswichtigen Gütern wie z.B. Panzern benutzt.
Nach dem Krieg wurde die Beschlagnahmung aufgehoben, Citroën zeigte kein Interesse mehr am Wiederaufbau der deutschen Produktion. Das Werk in Poll war somit einzigartig: Die Episode in Köln von 1927 bis 1935 war die einzige Citroën-Produktion in Deutschland.
Und Köln darf sich mit dem Titel „Autostadt“ schmücken. Ob Wolfsburg oder Stuttgart jetzt neidisch sind?
Weitere Infos und Fotos zu der Produktionsstätte in Poll bietet auch das Informationssystem KuLaDig – Kultur. Landschaft. Digital.
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