„Autogerechte Städte“ waren Anfang der 1960er Jahre das Maß aller Dinge. Die Stadtarchitektur vieler deutschen Städte war vollständig an den Interessen des motorisierten Individualverkehrs orientiert. Ein wesentlicher Wegbereiter dieser Idee war der Architekt Hans Bernhard Reichow, der 1959 das Buch „Die autogerechte Stadt – Ein Weg aus dem Verkehrs-Chaos“ veröffentlicht hat.
Man kann also sagen, dass Reichow auch ein Teil der Verantwortung dafür trägt, dass die Stadtplanung unserer Stadt maßgeblich an den Bedürfnissen der Autofahrer ausgerichtet ist. Ein berüchtigtes Beispiel dafür ist der Bau der Nord-Süd-Fahrt, welche nach zehnjähriger Bauzeit 1974 fertiggestellt wurde.
Der ruhende Verkehr nervt
In Köln sind etwa 550.000 Kraftfahrzeuge zugelassen, darunter etwa 476.000 PKWs 1zusätzlich 33.000 LKWs und 38.000 Motorräder, Quelle: Stadt Köln. Und diese vielen Autos müssen auch irgendwo abgestellt werden. In der Fachsprache ist das der „ruhende Verkehr“. Und dieser ruhende Verkehr nervt:
- Alles ist zugeparkt, Gehwege werden zu Schneisen zwischen den Autos, Fahrradfahrer zu Slalom-Fahrern.
- Die Feuerwehr hat regelmäßig Probleme, an im Parkverbot geparkten Autos vorbeizukommen.
- Und wenn man selber Teil des ruhenden Verkehrs werden will, dreht man ewig lang seine Runden um den Block bei der Suche nach einem Parkplatz.
Alles nicht neu! Den Ärger um den „ruhenden Verkehr“ gibt es bereits seit Ewigkeiten.
Ein einbetonierter Opel Kapitän
Den kreativsten Umgang damit zeigte der Künstler Wolf Vostell (* 14. Oktober 1932, † 3. April 1998). Vostell war Maler, Bildhauer und Happeningkünstler. Ein wesentliches Merkmal seiner Werke war das Einbetonieren. Und so staunten die Kölner nicht schlecht, als Vostell am 4. Oktober 1969 mit seinem Opel Kapitän auf der Domstraße vorfuhr und das Auto mit laufendem Motor und angeschaltetem Radio einbetonierte.
Ein großer Betonmischer kippte tonnenweise Frischbeton in die vorbereite Verschalung über das Auto. Ein Dokumentarfilm zeigt diese Aktion und auch die Aufregung der Passanten.
Ein Mann, mit hörbar kölschen Einschlag in der Stimme, meint in dem Film dazu: „Ich würde sagen, grober Unfug ist noch zu glimpflich ausgedrückt. Stell dir vor, dass würde jeder machen, der ein paar Mark in der Tasche hat … wie es in einem Jahr in Köln aussähe.“ Vostell hatte sein Ziel erreicht: Der „Ruhende Verkehr“, so der Name des Kunstwerks, war mit einem Schlag mitten in der Diskussion.
Doch der Künstler hatte die Rechnung ohne die Stadt Köln gemacht. Die zweckentfremdete Nutzung von Parkraum wurde von Ordnungsamt geahndet und das tonnenschwere Kunstwerk nach etwa drei Wochen in der Domstraße auf den Neumarkt verfrachtet. Dort sollte ein (nie realisierter) Skulpturenpark aufgebaut werden. Doch die Reise des einbetonierten Autos war noch lange nicht vorbei. Der Betonklotz, der rudimentär die ursprünglichen Form des einbetonierten Autos zeigt, wurde in Paris und in Berlin ausgestellt.
Mittelstreifen statt regulärer Parkplatz
Mittlerweile steht der „Ruhende Verkehr“ auf dem Mittelstreifen des Hohenzollernrings. Ein äußerst schlechter Platz, denn Vostell wollte ausdrücklich einen Parkplatz besetzen. „Das eingefrorene Auto“, so Vostell, „mitten zwischen anderen, noch verkehrstüchtigen Autos.“. Doch jetzt umflutet der Verkehr den Betonklotz.
Aber im März 2022 ist Bewegung in diese Diskussion gekommen. Die Bezirksvertretung Innenstadt hat auf Initiative der Grünen-Fraktion beschlossen, die Plastik auf eine Parkplatz unweit des aktuellen Standorts zu versetzen. Genau, wie Vostell es mit dem „Ruhenden Verkehr“ ausdrücken wollte. Doch seit Dezember 2023 ist klar, dass das Kunstwerk an seinem Standort mitten auf den Ringen verbleiben wird: Der geplante Parkplatz auf der Hahnstraße sei schlicht zu schmal.
Ävver mer sin in Kölle. Also mal abwarten …
Besser platziert ist die Vostell-Plastik „Concrete Traffic“ auf dem Campus der University of Chicago. Ein einbetonierter Cadillac steht dort seit 2016 auf einer regulären Parkfläche in einem öffentlichen Parkhaus.
Der Kölner Künstler Cornel Wachter betonierte – als Hommage an Vostell – 2007 seine Mercedes A-Klasse ein. Dieses Werk steht heute vor dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn.
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