Am 3. März 1933: Die Elsaßstraße wehrt sich gegen Nazis

Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsassstraße 42 - 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0
Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsaßstraße 42 – 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0

Podcast Elsaßstraße, 37

Blumentöpfe, Flaschen und jede Menge Müll flogen aus den Fenstern. Und auch so mancher Nachttopf – zum Teil mit Inhalt. Getroffen wurden damit die Richtigen: SA-Truppen, die am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl, mit einem Fackelzug zeigen wollten, wer das Sagen auf den Straßen Kölns hat. Doch diese Machtdemonstration wurde zunächst jäh gestoppt. Kaum in der Elsaßstraße angekommen, mussten die vermeintlichen „Herrenmenschen“ Reißaus nehmen und sich vor den Wurfgeschossen aus den oberen Etagen in Sicherheit bringen.

Es war nicht verwunderlich, dass die Nationalsozialisten ausgerechnet auf der Elsaßstraße einen „op de Mütz“ bekommen haben. Galt doch diese Ecke der Südstadt als Hochburg der Kommunisten. Und genau hier wollte die SA mit dem braunen Aufmarsch provozieren. Womit die SA-Leute aber nicht gerechnet haben, war die Wehrhaftigkeit der Nachbarschaft. Und so wurde aus dem vermeintlichen Triumphmarsch ein Desaster, und die SA musste sich zurückziehen.

Festnahmen und verwüstete Wohnungen – ein Augenzeugenbericht

Allerdings war der Sieg über die Nationalsozialisten nur von kurzer Dauer und musste von den Bewohnern der Elsaßstraße teuer bezahlt werden: Die herbeigerufene Polizei riegelte den ganzen Straßenzug für drei Tage vollständig ab, die Wohnungen wurden durchsucht. Und die SA-Truppen als „Hilfspolizisten“ gingen dabei nicht gerade zimperlich mit Menschen und Mobiliar um. Das Ergebnis waren verwüstete Wohnungen und 70 Festnahmen.

Gedenktafel in der Elsaßstraße. Bild: Uli Kievernagel
Gedenktafel in der Elsaßstraße, Bild: Uli Kievernagel

 „Ich kam mit meiner Mutter aus dem Kolonialwarenladen, da hörten wir Marschmusik in unserer Straße. Dann begann auch schon die Schlacht.“, so der Zeitzeuge Franz Lottner (Jahrgang 1927)1Quelle: https://www.kirche-koeln.de/lutherkirche-erinnerung-an-den-wohl-letzten-strassenkampf-gegen-die-sa-im-damaligen-deutschen-reich-1933-in-der-koelner-elsassstrasse„Als alles vorbei war und die Polizei mit SS-Männern die Kontrolle übernommen hatte, wurde unsere Wohnungstür aufgebrochen. Ein SS-Mann mit Pistole kam herein und warf den Schrank um, in dem wir auch unser Geschirr aufbewahrten. Vieles zerbrach. Alle Bewohner der Elsaßstraße erhielten drei Tage Hausarrest. Die Kinder durften nicht zur Schule gehen. Wer nichts zu essen im Haus hatte, der hatte Pech gehabt und musste auf die Hilfsbereitschaft der Nachbarn hoffen.“

Kunstwerk ohne Genehmigung

Heute erinnert ein Graffito des 2009 verstorbenen Künstlers Klaus Paier an die „Schlacht auf der Elsaßstraße“. Es zeigt eine zeternde Frau, die einen Blumentopf und ein Nudelholz aus dem Fenster auf einen Mann wirft, der die Hand zum Hitlergruß erhoben hat.

Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsassstraße 42 - 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0
Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsaßstraße 42 – 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0

Und wir wären ja nicht in Köln, wenn es nicht auch Irrungen und Wirrungen um dieses Kunstwerk gegeben hätte. Paier hatte im August 1990 im Rahmen eines Straßenfests das Bild auf die nackte Wand des Hochbunkers in der Elsaßstraße 42 gemalt. Allerdings ohne offizielle Genehmigung, was dazu führte, dass das Bild zweimal übermalt wurde. Doch auch hier zeigte sich die Nachbarschaft in der Elsaßstraße wieder wehrhaft: Das Graffito wurde mehrfach in Eigenregie restauriert und ausgebessert, zuletzt bei einer unangemeldeten Aktion 2019.

Mittlerweile ist das Graffito ein eingetragenes Denkmal und unterliegt somit dem Denkmalschutz. Was allerdings stümperhafte Sprayer nicht davon abhält, das Bild zu verunstalten. Schämt euch!


Eine aufrechte Frau aus der Elsaßstraße: Maria Eßer

Andreas Andy Artmann hat mir erlaubt, seinen kurzen Bericht über seine Großmutter veröffentlichen. Vielen Dank dafür! 

Meine Familie mütterlicherseits war dabei. Meine Mutter wurde in der Elsaßstraße geboren. Sie erlebte den Bau des Hochbunkers, versorgte die Zwangsarbeiter im Auftrag meiner Oma mit Lebensmitteln. Darauf hatten die Nazis die Todesstrafe verhängt. Kommentar dazu von meiner Großmutter: In meiner Straße verhungert keiner. Oma Maria Eßer legte sich sogar mit der Gestapo an und konnte so verhindern, dass ihre Kinder zum BDM oder zur HJ mussten. Meine Mutter sah allerdings ihre beste Freundin in einem Bombenangriff sterben. Nur unter vorgehaltener Waffe war meine Großmutter bereit »ihre Elsaß-Straße« zu verlassen. Das nannte sich Zwangsevakuierung.

E-Mail-Newsletter

Das "Köln-Ding der Woche" per E-Mail frei Haus. Jede Woche sonntags ein neues Detail zur schönsten Stadt der Welt. Zum Hören als Podcast oder zum Lesen im Blog.

Aber immer kurz & knackig, immer subjektiv & voreingenommen. Und immer kostenlos!
Datenschutz *

Für den Fall, dass dich die standardisierte Anmeldeprozedur nervt, gibt es auch die kölsche Lösung: Schick mir einfach eine Mail an uli@koeln-lotse.de und ich trage dich in den Verteiler ein.


*Datenschutzerklärung