„Die Frauenfrage interessiert mich! Da ich aber unglücklich war und wohl etwas unterdrückt, habe ich mir fest vorgenommen, in dieser Frage kein Wort mehr zu sagen, bis ich innerlich abgeklärt und meine Ansichten von allen persönlichen Verhältnissen frei sind. Meine Erfahrungen kann ich nützen – meine Erbitterung nicht! Ich will suchen ins Ganze zu sehen über mein erbärmliches Ich weg.“1Tagebucheintrag von Mathilde von Mevissen im Jahr 1890
Dieser Satz aus ihrer eigenen Feder fasst das Leben der Kölner Frauenrechtlerin Mathilde von Mevissen hervorragend zusammen:
- Unterdrückung durch den Vater
- Hunger nach Bildung
- Drang nach Veränderung.
So lässt sich auch ihr Leben in drei Abschnitte unterteilen:
Teil I: Kindheit und (gescheiterte) Vorbereitung auf eine spätere Rolle als Ehefrau (1848 – 1890)
Am 30. Juli 1848 wird Mathilde von Mevissen als zweite von fünf Töchtern des Unternehmers Gustav Mevissen (1815 – 1899, ab 1884 Gustav von Mevissen) und Elise Mevissen, geb. Leiden (1822 – 1857), geboren.
Ihr Vater war ein schwerreicher Industrieller und Bänker, nach heutigen Maßstäben ein Multimillionär. Ihre Mutter verstarb bereits 1857 nach der Geburt des fünften Kindes. Gustav von Mevissen heiratete im Jahr 1860 Therese Leiden, die Schwester seiner ersten Frau. Ein damals nicht unübliches Arrangement.
Als Tochter „aus guten Hause“ im 19.Jahrhundert war Mathildes Lebensweg eindeutig vorgezeichnet: Die Ausbildung diente alleine dazu, sie auf ihre spätere Rolle als Hausfrau und Mutter vorzubereiten. Um dieses Ziel zu erreichen, wurden eigens Hauslehrer engagiert. Deren vorrangiges Ziel war die „sittliche Erziehung“ der Mädchen, um sie später gut in vornehmen Kreisen verheiraten zu können.
Dafür wurde im Hause Mevissen ein strenges Regiment geführt. Die Töchter durften ohne Begleitung das Haus nicht verlassen, die Post wurde kontrolliert und auch das, was sie lesen durften, war vorgeschrieben.
Diese Zeit der fehlenden Bildung empfand Mathilde als Qual. Als „inhaltsleeres Dasein einer unverheirateten Frau im Großbürgertum des 19. Jahrhunderts ohne echte Aufgabe und ohne intellektuellen Anspruch“ bezeichnete die Frauenrechtlerin Helene Lange diese Phase im Leben von Mathilde von Mevissen.
Ein kleiner Lichtblick: Heimlich schlich sich Mathilde in die riesige Privatbibliothek ihres Vaters.2Diese umfasste rund 25.000 Bücher. Sie versteckte die Bücher vor dem Zugriff der Eltern und Hauslehrer und las mit Begeisterung alles, was sie finden konnte.
Teil II: Aufkommendes Engagement in der Frauenfrage (ab 1890)
Nachdem immerhin drei der fünf Mevissen-Töchter in wohlhabende Kölner Familien verheiratet wurden3Nur Mathilde und ihre Schwester Melanie sollten unverheiratet bleiben.lockerte der Patriarch Gustav von Mevissen etwas die Zügel. Sie übernahm Sekretariatsaufgaben für ihn und verwaltete die große Bibliothek.
In dieser Zeit fiel auch ihr „Erweckungserlebnis“. Sie las ein Buch über die Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende Frauenfrage. Eckart von Mevissen, ein Verwandter, beschrieb die damit ausgelöste Veränderung eindrücklich: „Ihre vielseitige Bildung, ihr Hunger nach Betätigung, nach wirklicher Leistung … ihr trostloses Dasein in den Fesseln strenger Konvenienz, all das ließ das Wort von der Befreiung der Frau wie eine Erlösung auftauchen.“
Und Mathilde wird aktiv: Sie gründet, gemeinsam mit Elisabeth von Mumm (1860 – 1933), den „Kölner Frauenfortbildungsverein“. Dies gilt als heute als Anfang der Kölner Frauenbewegung.
Ihrem Vater konnten diese Aktivitäten nicht gefallen, er warf ihr ungebührliches Verhalten vor. Aber Mathilde hatte mittlerweile das Selbstbewusstsein entwickelt, ihre Ziele auch gegen den Willen des Vaters zu verfolgen.
Teil III: Leben und Wirken nach dem Tod des Vaters (1899 – 1924)
Doch erst mit dem Tod ihrs Vaters 1899 konnte Mathilde von Mevissen endlich ihr eigenes Leben frei gestalten. Und dieses Leben widmete sie der Frauenfrage mit dem Schwerpunkt Mädchen- und Frauenbildung. Ihr Ansatz: Mädchen bzw. Frauen müssen die gleichen Bildungsvoraussetzungen geboten bekommen wie Männer. So war sie treibende Kraft des „Vereins Mädchengymnasium Köln“, welcher 1899 gegründet wurde. Dieses Gymnasium nahm aber erst nach einem von Mathilde von Mevissen beharrlich ausgeführten Kampf mit den preußischen Bildungsbehörden am 29. April 1903 den Betrieb auf.
Mathilde von Mevissen setzte das vom Vater geerbte riesige Vermögen für die Frauenbildung und Frauenrechte ein. Sie richtete Stipendien speziell für junge Frauen ein und unterstützte großzügig das von ihr initiierte Mädchengymnasium.
In der Gründungsurkunde des „Vereins für Mädchenbildung“ wird deutlich, dass Sie diese Initiative fast im Alleingang finanzierte. Zwar wurden 26 Stifter und Patrone aufgeführt, doch mit einer Stiftungssumme von 60.000 Mark finanzierte Mathilde von Mevissen alleine 75% des gesamten Stiftungskapitals.
Zusätzlich unterstützte sie die bereits von ihrem Vater initiierte Handelshochschule. Diese wurde im Jahre 1919 als Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät in die neu gegründete Universität zu Köln integriert. Schon seit 1920 wurde die jährliche Gründungsfeier der Uni als „Mevissenfeier“ bezeichnet. Zum speziellen Dank wurde Mathilde von Mevissen im Jahr 1923 – anlässlich ihres 75. Geburtstags – der Titel „Ehrenbürgerin der Universität“ verliehen.
Am 19. März 1924 stirbt Mathilde von Mevissen. Sie wird im Familiengrab auf dem Melaten-Friedhof beigesetzt. Ihr wurde eine der 124 Rathausfiguren gewidmet, und seit 2005 heißt die älteste Grundschule im Stadtteil Nippes „Mathilde-von-Mevissen-Grundschule“.
Mathilde von Mevissen hat das Leben der Frauen – nicht nur in Köln – verändert. Sie hat nachhaltig Bildungschancen für Mädchen eröffnet.
Somit hat sie ihren bereits 1890 geäußerten Wunsch „Ich will suchen ins Ganze zu sehen…“ erfüllt.
Mathilde-von-Mevissen-Promovendinnenförderung
Die TH Köln hat es sich zur Aufgabe gemacht, sich im Hinblick auf Nachwuchsförderung und Personalentwicklung zu engagieren, um der stetigen Abnahme des Frauenanteils bei den voranschreitenden Karrierestufen, zu begegnen.
Mehr zu diesem Förderprogramm gibt es auf der Website der TH Köln.
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