Dat Dreikünnijepöötzche | Das Dreikönigenpförtchen

Das von den Kölschen" Dreikünnijepöötzche" genannte Dreikönigenpförtchen am Lichhof vor St. Maria im Kapitol, Foto: Rembert Satow, CC BY-SA 3.0
Das von den Kölschen“ Dreikünnijepöötzche“ genannte Dreikönigenpförtchen am Lichhof vor St. Maria im Kapitol, Foto: Rembert Satow, CC BY-SA 3.0

Und schon wieder jitt et kölsche Verzäll, der so nicht stimmen kann: Es kann ausgeschlossen werden, dass Rainald van Dassel mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige durch das Dreikünnijepöötzche, das Dreikönigenpförtchen, an St. Maria im Kapitol in die Stadt eingezogen ist. Denn: Das heutige gotische Tor stammt ungefähr aus dem Jahr 1330. Und zu diesem Zeitpunkt waren Kaspar, Melchior und Balthasar schon mehr als 150 Jahre in Köln zu Hause. Anderen Angaben zufolge wurde das heute noch vorhandene Törchen hingegen erst in den 1460er-Jahren durch den Kölner Bürger und Ratsherren Johannes Hardenrath anstelle des ursprünglich romanischen Durchgangs neu errichtet. 

Aber egal! Denn mit diesen Reliquien stieg Köln endgültig in die Top-Kategorie der Wallfahrtsorte auf. Und das war äußerst lohnenswert für unsere Stadt: Viele Heilige bedeuten viele Pilger, und viele Pilger bringen viel Geld in die Stadt. Ein Prinzip, das die Kölschen schon bei der Heiligen Ursula perfekt erkannt und in bare Münze verwandelt haben.

Zweimal wäre dat Pöötzche fast verloren gewesen

In jedem Fall hat die Legende, dass am 23. Juli 1164 exakt durch dieses Tor die Heiligen Drei Könige in die Stadt gekommen sind, dafür gesorgt, dass dieses Bauwerk die Jahrhunderte überdauert hat. Relativ unscheinbar steht dieses kleine Tor an einer Ecke im Lichhof der Kirche St. Maria im Kapitol. Dieser unterschätzte Platz, mitten in der Stadt, bietet tatsächlich so etwas wie Ruhe im Großstadttrubel.

Dabei war es für dat Pöötzche mindestens zweimal in der Geschichte knapp: 1842 sollte der damals stark verfallene Torbogen abgerissen werden, um Platz für eine Straße zu schaffen. Nur dank der Intervention und der finanziellen Mittel vom preußischen Kronprinz Friedrich Wilhelm konnte der Bau gerettet werden.

Noch knapper war es 1944: Fliegerbomben hatten das Dreikönigenpförtchen dem Erdboden gleich gemacht. Doch der tatkräftige Wilhelm Schlombs, Volontär beim Stadtkonservator, hatte die Steine eingesammelt und eingelagert. Und auf „wundersame Weise“, so der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings, stand dat Pöötzche bereits 1946 wieder.

Immunitätspforte trennt Kirchenrecht und Recht der Freien Reichstadt Köln ab

Das Dreikünnijepöötzche war aber immer mehr als nur schmucker Stein für eine Legende. Tatsächlich handelte es sich um eine sogenannte Immunitätspforte. Diese Tore grenzten den Bereich der Freien Reichsstadt Köln von dem juristisch eigenständigen Areal der Klöster und Kirchen ab. Wer die Pforte durchschritt, unterlag dem Kirchenrecht. Im mittelalterlichen Köln mit seinen hunderten Kirchen und Klöstern gab es unzählige dieser Immunitätspforten. Das Dreikönigenpförtchen ist die letzte erhaltene Pforte dieser Art in unserer Stadt.

Und wo sind die Heiligen Drei Könige jetzt in die Stadt eingezogen?

Um die Ehre von Rainald van Dassel und dem so wichtigen Pöötzche wiederherzustellen, konstatiert Ulrich Krings: „Und wenn diese Prozession mit den Reliquien tatsächlich stattgefunden haben sollte, müsste sie durch den romanischen Vorgänger des heutigen Törchens erfolgt sein.“, so der Köln-Kenner Krings1 im Kölner Stadt-Anzeiger vom 3. August 2020.

Glück gehabt – zumindest die Stelle stimmt also.


Die Heiligen Drei Könige und Maria mit dem Jesuskind, Detailansicht des Dreikünnijepöötzche, Foto: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0
Die Heiligen Drei Könige und Maria mit dem Jesuskind, Detailansicht des Dreikünnijepöötzche, Foto: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0

Die Figurengruppe der Heiligen Drei Könige und Maria mit Kind ist ein Abguss aus dem Jahr 1981. Die Originale können im Museum Schnütgen bewundert werden.   


Die Dreikönigenpforte ist rechts in der Stadtmauer gut zu erkennen, Bild: Anton Woensam, gemeinfrei
Die Dreikönigenpforte ist rechts in der Stadtmauer gut zu erkennen, Bild: Anton Woensam, gemeinfrei

Vorsicht! Nicht mit der Dreikönigenpforte verwechseln

Das Pförtchen ist nicht zu verwechseln mit der mittelalterlichen Dreikönigenpforte. Diese war Teil der rheinseitigen Stadtbefestigung und lag in der Nähe des Bayenturms. Eine Suche nach diesem Durchgang könnt ihr euch sparen: 1854 wurde die  auch Mühlenpforte, Molenportzgin, Lynhofporz oder Koenyncksportzgin genannte Pforte abgerissen.


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Der Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster

Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild :Uli Kievernagel)
Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild : Uli Kievernagel)

 

Welche Merkmale muss ein städtisches Bauprojekt aufweisen, um als gänzlich missglückt bezeichnet zu werden? Mario Kramp, ehemaliger Leiter des Kölnischen Stadtmuseums, hat diese Merkmale aufgezählt:

  • Ewiges Gerangel um Finanzen,
  • geschönte Kostenschätzungen,
  • mangelnde Entschlusskraft,
  • Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten,
  • Dauer von Ausschreibungen und Fehlentscheidungen bei der Vergabe,
  • Planungsfehler, Bau- und Materialmängel,
  • unseriöse Firmen,
  • gegenseitige Schuldzuweisungen,
  • Wechsel in der Bauleitung,
  • Lobhudelei bei der Grundsteinlegung,
  • langwieriges Herumdoktern an einer eigentlich missglückten Konstruktion.1Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Und NEIN – hier geht es nicht um die Kölner Oper! Sondern um den Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster mit Baubeginn ziemlich genau 200 Jahre vor dem Beginn der Opernsanierung.

Eisgang 1784

Die ganze Diskussion um einen Hafen, der den Rheinschiffern Schutz vor dem regelmäßigen Hochwasser des Rheins bieten sollte, begann nach dem Eisgang im Jahr 1784. 

Dieser verheerende Eisgang mit dem Jahrhundert-Hochwasser am 27./28. Februar 1784 kostete 65 Menschen in Köln das Leben, zerstörte bestehende Hafenanlagen und überflutetet das damals noch eigenständige Mülheim. Auch die komplette Kölner Schiffsflotte wurde vernichtet.

Verständlicherweise forderten die Rheinschiffer einen Schutz vor solchen Verwüstungen. Diese Forderung deckte sich auch mit den militärischen Interessen der französischen Besatzungsmacht, Schiffe in einem geschützten Bereich unterzubringen.

Die Forderung: Bau eines Sicherheitshafens, ähnlich wie Anlagen in Mainz und Düsseldorf.

Größtes städtebauliches Projekt der Franzosenzeit in Köln

Am Dreikönigstag 1811 (6. Januar) genehmigte Kaiser Napoleon höchstpersönlich den Bau eines Sicherheitshafens in Köln. Dieser sollte am heutigen Theodor-Heuss-Ring bis an die östliche Seite des heutigen Ebertplatzes heranreichen. Zwischen dem Hafen und der Stadt verlief damals dort noch die mittelalterliche Stadtmauer.

Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei
Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei

In der Nähe des Hafens liegt das Kunibertstürmchen, Teil der mittelalterlichen Stadtmauer.2Die Kölner haben den Kunibertsturm und das Kunibertstürmchen verwechselt, daraus ist die Sage des „Weckschnapp“ entstanden. Daher wurde der Sicherheitshafen auch „Thürmchenshafen“ genannt. Weitere Namen waren „Napoleonhafen“ oder „Franzosenhafen“.

Voller Hoffnung, dass die Bauarbeiten schnell erledigt wären, berichtete das „Journal de la Roer“ in seiner Ausgabe vom 21. April 1812:

„Die Arbeiten am Sicherheitshafen … werden mit so viel Thätigkeit fortgesetzt, daß man sie künftiges Jahr beendigen wird.“

Diese Einschätzung sollte sich als völlig verfehlt erweisen. Zwar wurde im April 1811 mit den Vorarbeiten gestartet und Hafenmauern und Hafeneinfahrt errichtet. So konnte, mit allem Pomp inklusive Volksfest und Feuerwerk, am 10. November 1812 feierlich der Grundstein des Hafenbauwerks gesetzt werden. Der Präfekt des Departments, Jean Charles François de Ladoucette, erklärte auf dem feierlichem Bankett zur Grundsteinlegung dann auch großspurig:

 „Am 10. November 1812, im achten Jahr der Regierung Napoleons des Großen, Kaiser der Franzosen […] wurde der erste Stein gelegt für dieses Bauwerk, errichtet für die Sicherheit und die Wohlfahrt des Handels auf dem Rhein, mit Unterstützung der kaiserlichen Freigebigkeit, der Gelder der Stadt und der des Kölner Handels.“

Der Deal: Die Stadt bezahlt die Baukosten von 750.000 Franc und darf die Hafengebühren behalten. Der „Kölner Handel“ hatte sich an der Finanzierung des Sicherheitshafens beteiligt. In den „Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811 wird darauf hingewiesen, dass die Handelskammer dafür ein Darlehen in Höhe von 250.000 Franc bereitstellt.

„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811
„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811

Teures Provisorium

Zwar wurde der Sicherheitshafen 1813 eröffnet – allerdings nur als Provisorium. Es fehlten noch Kais und Hafenanlagen, der Hafen war nicht tief genug ausgebaggert, und auch die geplante Brücke über die Hafeneinfahrt gab es noch nicht. Statt der geplanten 190 Schiffe fanden nur ca. 70 Schiffe dort Platz. Es darf aber auch bezweifelt werden, dass selbst diese Kapazität jemals komplett ausgelastet wurde. Angemessene Pflege und Ausbau des Hafens: Fehlanzeige!

Als 1814 die Franzosen abzogen, übernahmen die Preußen mit dem Hafen ein „.. ärgerliches Flickwerk, aus Geldmangel nur notdürftig instand gehalten.“3Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“ Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64]

Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt
Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt

Ärgerlich war auch, dass bis 1820 immer noch keine Brücke über der Hafeneinfahrt errichtet war, weil ständig Geld fehlte. Als Kompromiss wurde beschlossen, eine provisorische Brücke aus Holz zu errichten. Zwar lag das eigens dafür bestellte Holz bereit, doch mangels Baugenehmigung verrottete dieses ungenutzt. Erst in den 1830ern wurde eine einfache Klappbrücke über der Hafeneinfahrt errichtet.

Im Jahr 1840 wurde das Hafenbecken noch einmal vertieft, allerdings wurde deutlich, dass die gesamte Hafenanlage eine grandiose Fehlplanung war. Das lag auch an der falsch konstruierten Hafeneinfahrt.

Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons

Hafeneinfahrt wird zum unüberwindbaren Nadelöhr

Während der überaus langen Bauzeit etablierte sich die Dampfschifffahrt auf dem Rhein. Die Schiffe wurden größer, und die schmale Hafeneinfahrt zum Sicherheitshafen entpuppte sich als unüberwindbares Nadelöhr. Diese Einfahrt stand senkrecht zum Rhein. Die starke Strömung des Rheins machte für die Schiffe ein Einfahrtsmanöver zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Somit war der Hafen faktisch unbrauchbar. Auch die Rheinschiffahrts-Kommission bescheinigte, dass der Kölner Sicherheitshafen ganz unzulänglich und untauglich sei und der Bau eines ordentlichen Sicherheitshafens erforderlich ist.

Der "Allgemeine Anzeiger - Kölnische Handelszeitung" berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885
Der „Allgemeine Anzeiger – Kölnische Handelszeitung“ berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885

Mario Kramp schreibt dazu: „Wie man es drehte und wendete: In dem Augenblick, als der Sicherheitshafen endlich halbwegs fertiggestellt war, erkannte man, dass die ganze Anlage verfehlt und nicht mehr für moderne Erfordernisse herzurichten war.“4Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln
Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln

Als Alternative entstand der Rheinauhafen. Dieser hat eine deutlich breitere Einfahrt (mehr als 21 Meter), und die Hafeneinfahrt liegt in einem deutlicher flacheren Winkel zum Rhein.

1895 wird das Hafenbecken zugeschüttet

Im Winter 1894/1895 haben die letzten Schiffe den Sicherheitshafen genutzt, das Hafenbecken versandete zunehmend und wurde zu einem Tümpel. Im Folgejahr wurde die Anlage komplett aufgegeben und das Hafenbecken verfüllt. Mit dem Abriss der Stadtmauer und der damit einhergehenden Stadterweiterung wurde der ehemalige Hafen zur größten Parkfläche entlang der Kölner Ringe umgewandelt.

Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei
Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei

Heute ist dieser Park auf der einen Seite eine grüne Oase in der Großstadt, auf der anderen Seite leider auch – zumindest bei gutem Wetter – beliebtes Aufenthaltsgebiet der kriminellen Szene am nahe gelegenen Ebertplatz. Trotzdem ist mit dem Park am Theodor-Heuss-Ring aus dem städtebaulichen Desaster „Sicherheitshafen“ zumindest noch etwas Gutes entstanden.

Ob es bei der Oper auch 80 Jahre dauern wird, bis trotz geschönter Kostenschätzungen, mangelnder Entschlusskraft, Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten, Planungsfehler, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Wechsel in der Bauleitung etwas Gutes entsteht, ist noch offen.


Der "Kronleuchtersaal" unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der „Kronleuchtersaal“ unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der Kronleuchtersaal

Bei den Baumaßnahmen zur Verfüllung des alten Hafenbeckens wurde gleichzeitig ein noch heute genutztes Abwassersystem gebaut. Teil dieses Abwassersystems ist der seit 2004 unter Denkmalschutz stehende „Kronleuchtersaal“ (Ecke Theodor-Heuss-Ring und Clever Straße). Der Zugang zu diesem Saal ist direkt am Theodor-Heuss-Ring, etwa in Höhe der Hausnummer 19-21.

Seinem Namen verdankt dieser Abwasserkanal zwei Kronleuchtern. Es gibt Quellen, die besagen, dass diese Kornleuchter ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. an die Stadt Köln gewesen wären. Belegt ist das nicht und auch eher unwahrscheinlich: Es ist nur schwer vorstellbar, dass seine Majestät sich  ausgerechnet in einem Abwasserkanal „verewigen“ wollte. Wahrscheinlicher ist,  dass die Kölner diese zu Ehren des Kaisers aufgehangen haben.

Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln) bieten kostenlose  Führungen an. In ca. 30 Minuten  wird die Funktionsweise des Kanalsystems  erläutert. Man kann auch einen Blick in den Kronleuchtersaal werfen. Das ist aber nichts für Menschen mit sehr empfindlicher Nase – immerhin besichtigt man Abwasserkanäle.

Weitere Informationen zu diesen Touren gibt es auf der Website der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln).


Der "Toto-Brunnen" am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel
Der „Toto-Brunnen“ am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel

Der Toto-Brunnen – “Eine Brosche in der Wiese“

In dem Park befindet sich auch der „Toto-Brunnen“, etwa in Höhe Theodor-Heuss-Ring 13. Dieser Brunnen wurde 1953 von der Westdeutschen Fußball Toto GmbH gestiftet, deren Verwaltungssitz am Theodor-Heuss-Ring lag.

Der etwa 80 Quadratmeter große Brunnen erinnert – ganz im Stil der 1950er – an einen Nierentisch und stellt vier große Tropfen dar, aus denen früher Wasser sprudelte. Doch wegen regelmäßiger Defekte wurde der Brunnen in den 90er Jahren stillgelegt und von Pflanzen überwuchert.

Erst 2021 wurde der Brunnen saniert – allerdings ohne die Wasseranlage. Die Kosten von 300.000 zur Komplettsanierung waren der Stadt Köln zu hoch. Die „einfache Sanierung“ kostete nur 25.000 Euro.

Anton Bausinger, Vorsitzender des Verbandsbezirks Köln im Bauindustrieverband NRW, nennt diesen wasserlosen Brunnen prosaisch „eine Brosche in der Wiese“5Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Juni 2022. Dafür braucht man allerdings viel Phantasie – der Brunnen ohne Wasser wirkt eher wie eine beliebig zusammengestückelte Pflasterfläche.  


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Fronleichnams-Prozession „Mülheimer Gottestracht“: Wenn der Himmel den Rhein berührt

Die Mülheimer Gottestracht, eine Prozession, die auch auf dem Wasser stattfindet, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Mülheimer Gottestracht, eine Prozession, die auch auf dem Wasser stattfindet, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Wenn an Fronleichnam die Schiffe bunt geschmückt über den Rhein schippern, Weihrauch durch die Gassen zieht und singende Menschen am und auf dem Rhein unterwegs sind, dann ist klar: Es ist wieder Zeit für die Mülheimer Gottestracht – eine der wohl außergewöhnlichsten Fronleichnamsprozessionen weit und breit. Und mit zahlreichen Begleitschiffen und Booten auch eine der größten Schiffsprozessionen auf einem Fluss.

Was wird an Fronleichnam gefeiert?

Fronleichnam ist ein katholisches Hochfest, bei dem die Gegenwart Christi in der Eucharistie gefeiert wird. Das klingt erstmal sehr kirchlich, bedeutet aber ganz einfach: Christen glauben, dass Jesus Christus in der geweihten Hostie, dem „Allerheiligsten“, anwesend ist.

Die Monstranz der Mülheimer Gottestracht, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Die Monstranz der Mülheimer Gottestracht, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Deshalb wird dieses „Allerheiligste“ nicht nur in der Kirche verehrt, sondern feierlich durch die Straßen getragen – in einer prachtvollen Monstranz1Die Monstranz ist ein kostbares liturgisches Schaugefäß. In der Monstranz wird in einem kleinen Fenster eine sogenannte konsekrierte Hostie zur Verehrung und Anbetung aufbewahrt. „Konsekriert“ bedeutet, dass die Hostie der Leib Christi ist. Deswegen sagt man auch „Allerheiligstes“ dazu. unter einem Traghimmel, begleitet von Gesang, Gebeten, Altären am Wegesrand – und in Mülheim sogar mit der großen Schiffsprozession auf dem Rhein.

Die Gottestracht – Mülheims ganz spezielles Fronleichnamsfest

In Mülheim hat Fronleichnam eine ganz besondere Form angenommen. Hier heißt die Prozession nicht einfach Fronleichnamsprozession, sondern Gottestracht – also wörtlich: „Das Tragen Gottes“.

Anders als klassische Prozessionen, die meist einen festen Weg von A nach B nehmen, ist die Mülheimer Gottestracht eine Rundprozession – zu Land und zu Wasser. Die Prozession startet an der Mülheimer Liebfrauenkirche. Dann zieht der Festzug durch das Veedel bis ans Rheinufer. Dort wartet schon ein großes Schiff aus der Flotte der Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt. Auf diesem großen Schiff wird die Monstranz transportiert. Begleitet wird diese Schiffsprozession von etwa 100 weiteren Booten.

Der Schiffskorso der Mülheimer Gottestracht unter der Zoobrücke, Bild: Rolf Heinrich, Köln, via Wikimedia Commons
Der Schiffskorso der Mülheimer Gottestracht unter der Zoobrücke, Bild: Rolf Heinrich, Köln, via Wikimedia Commons

Der Schiffskorso gleitet feierlich stromaufwärts bis zur Zoobrücke und stromabwärts Richtung Stammheim – jeweils bis zu den alten Grenzen der Stadt Mülheim. Vom Rhein aus ergeht der Segen über „Strom und Land“.

Warum wird die Gottestracht auf dem Wasser gefeiert?

Dass die Prozession auch über den Rhein führt, hat nicht nur praktischen, sondern auch tief symbolischen Wert. Der Strom wird hier zum Zeichen für das Leben selbst – immer in Bewegung, verbindend, kraftvoll.

Auch vom Ufer aus verfolgen die Menschen die "M;ülheimer Gottestracht", Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Auch vom Ufer aus verfolgen die Menschen die „Mülheimer Gottestracht“, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Und so verbindet auch die Gottestracht die Menschen: Alt und Jung, Alteingesessene und Zugezogene, Menschen aus Köln und der ganzen Welt kommen zusammen, um Fronleichnam gemeinsam zu feiern.

Auf Spurensuche: Die alten Wurzeln der Prozession

Der Mülheimer Heimatforscher Norbert Krütt-Hüning hat fast 30 Jahre lang die Ursprünge der Gottestracht erforscht. Seine spannende These: Die Wurzeln reichen bis in vorchristliche Zeiten. Die Prozession folge auffällig genau den alten Grenzen Mülheims, vermutet Krütt-Hüning, und diene so  möglicherweise dem symbolischen Schutz des Orts.

Die Mülheimer Gottestracht auf einer Postkarte von 1906
Die Mülheimer Gottestracht auf einer Postkarte von 1906

Die Vorstellung, dass die Gottestracht ein Überbleibsel älterer, vielleicht germanischer, Rituale sein könnte, lässt aufhorchen. Zumindest seit dem 16. Jahrhundert ist belegt, dass das Heilige Sakrament durch Feld und Wald bis nach Dünnwald getragen wurde. Andere Quellen erzählen von alten Wegkreuzen, von Böllerschüssen in Buchheim, Stammheim und Schönrath, von langen Märschen durch den Weidenbruch – und immer wieder vom Rhein als zentralem Teil der Route.

Tatsächlich haben sich die Mülheimer mit der Eingemeindung im Jahr 1914 vertraglich zusichern lassen, dass die Stadt Köln für den Erhalt der Mülheimer Gottestracht eintritt.

Zeitungsanzeigen von Wirten speziell zur Mülheimer Gottestracht in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819
Zeitungsanzeigen von Wirten speziell zur Mülheimer Gottestracht in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819

Prozession wird auch zum Geschäft für die Wirte

Noch heute ist die Mülheimer Gottestracht ein echter Zuschauermagnet. Menschen stehen auf den Brücken und am Ufer und verfolgen diese ganz besondere Prozession. 

Es ist aber davon auszugehen, dass die Strahkraft dieser Veranstaltung vor etwa 200 Jahren noch wesentlich größer war.  So annoncierte der Wirt Johann Joseph Kellerhoven in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819, dass er anlässlich der Prozession „mit gutem Weine, Maitrank, Kaffeee, Thee, Punsch und Schokolade“ seine Gästen aufwartet.   

Auch der Wirt des Lokals „Zur schönen Aussicht am Thürmchen“ inseriert zu diesem Anlass. Bei ihm gibt es neben feinem Kaffee und Weinwirtschaft auch eine „reinliche und prompte Bedienung“.

Für die Gläubigen mehr als ein folkloristisches Spektakel

Was heute wie ein folkloristisches Spektakel daherkommt, ist für viele Gläubige mehr als nur Brauchtum. Es ist Ausdruck von Hoffnung und Gemeinschaft. Oder, wie Pfarrer Stefan Wagner es ausdrückt: „Da, wo Menschen einander in Liebe und Gerechtigkeit begegnen, ist Gott selbst am Werk.“

Und so berührt vielleicht tatsächlich an Fronleichnam der Himmel den Rhein. In Mülheim.


Norbert Krütt-Hüning hat ein Buch über die Mülheim Gottestracht geschrieben.
Norbert Krütt-Hüning hat ein Buch über die Mülheim Gottestracht geschrieben.

Buch: „Die Bedeutung der Gottestracht für Mülheim am Rhein“

Wer mehr über die Geschichte der Gottestracht erfahren möchte, sollte einen Blick in das Buch „Die Bedeutung der Gottestracht für Mülheim am Rhein“ von Norbert Krütt-Hüning werfen. Das Buch ist für 18 Euro direkt beim Autor erhältlich (kruett@web.de). Ein echtes Stück kölscher Heimatforschung.


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Kölner Zionisten – Wegbereiter des jüdischen Staates

Delegation der Zionisten die am 2. November 1898 mit Kaiser Wilhelm II. auf dessen Palästinareise zusammentraf. Links die beiden Kölner Max Isidor Bodenheimer und David Wolffsohn, rechts von ihnen Theodor Herzl, Moses Schnirer und Joseph Seidener, Bild: gemeinfrei
Delegation der Zionisten, die am 2. November 1898 mit Kaiser Wilhelm II. auf dessen Palästinareise zusammentraf. Links die beiden Kölner Max Isidor Bodenheimer und David Wolffsohn, rechts von ihnen Theodor Herzl, Moses Schnirer und Joseph Seidener, Bild: gemeinfrei

Gastautorin dieses Artikels ist meine Stadtführer-Kollegin Irena Okoh. Sie ist als Stadtführerin in Köln und Leipzig tätig. Seit 2013 gehört sie zum Team von Rhenania Judaica, einer Gruppe von Stadtführerinnen und Stadtführern, die Touren zur jüdischen Geschichte in Köln und im Rheinland anbietet.

Das Team von Rhenania Judaica, von links: XX, YY, ZZ, AA, BB
Ein Teil des Teams von Rhenania Judaica, von links: Gerd Buurmann, Tal Kaizman (Gründerin), Ulla Mialkas, Irena Okoh, Anja Broich

Die „Kölner Thesen“ 

Im Jahr 1896 wurden die sogenannten Kölner Thesen veröffentlicht – ein frühes zionistisches Manifest, welches von Dr. Max Bodenheimer, David Wolffsohn und Moritz Levy Jr. im Namen der National-Jüdischen Vereinigung Köln unterzeichnet wurde. Darin heißt es:

„Die staatsbürgerliche Emancipation der Juden innerhalb der anderen Völker hat (…) nicht genügt, um die soziale und kulturelle Zukunft des jüdischen Stammes zu sichern, daher kann die endgültige Lösung der Judenfrage nur in der Bildung eines Staates bestehen; denn nur dieser ist in der Lage, die Juden als solche völkerrechtlich zu vertreten und diejenigen Juden aufzunehmen, die in ihrem Heimatland nicht bleiben können oder wollen. Der natürliche Mittelpunkt für diesen auf legalem Wege zu schaffenden Staat ist der historisch geweihte Boden Palästinas.“

Diese Thesen beeinflussten das Basler Programm, das auf dem 1. Zionistenkongress 1897 unter Leitung von Theodor Herzl verabschiedet wurde. Köln wurde damit zu einem ideellen Ausgangspunkt für den politischen Zionismus.

Was ist Zionismus?

Das Basler Programm beschreibt den Zionismus als Bestreben, „eine öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte in Palästina für diejenigen Juden zu schaffen, die sich nicht anderswo assimilieren können oder wollen.“

Anfangs war die Bewegung in Deutschland klein und umstritten. Viele deutsche Juden sahen sich nach ihrer rechtlichen Gleichstellung 1871 als voll integrierte Bürger. Nach Jahrhunderten von Verfolgung hielten sie sich für endlich in Deutschland angekommen. Warum sollten sie Auswanderung unterstützen?

Die Max-Bodenheimer-Gedenktafel in der Richmodstraße, Bild: John Sykes
Die Max-Bodenheimer-Gedenktafel in der Richmodstraße, Bild: John Sykes

Max Bodenheimer beschrieb mehrere Versammlungen vor jüdischem Publikum mit vaterländischer Gesinnung, in denen seine zionistischen Vorträge lautstark gestört wurden, in Elberfeld sogar durch Absingen des Deutschlandlieds. Erst nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wuchs infolge der judenfeindlichen Politik das Interesse am Zionismus.

Die israelische Flagge wurde von einem Kölner entworfen.

David Wolffsohn wurde zu einem der engsten Vertrauten von Theodor Herzl. Er half ihm bei der Vorbereitung des 1. Zionistenkongresses. Den Saal ließ er mit einer Flagge schmücken, die dem Tallit, dem jüdischen Gebetsschal, nachempfunden war, auf die ein Davidstern abgebildet ist.

Die Flagge Israels besteht aus einem zentral angeordneten blauen Davidstern zwischen zwei waagerechten blauen Streifen auf weißem Grund.
Die Flagge Israels besteht aus einem zentral angeordneten blauen Davidstern zwischen zwei waagerechten blauen Streifen auf weißem Grund.

1948 wurde sie erstmals in Palästina gehisst und im gleichen Jahr offiziell als Flagge des jüdischen Staates bestätigt. Nach Herzls frühem Tod wurde Wolffsohn 1905 zum Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation gewählt. Das Amt übte er bis 1911 aus. Während dieser Zeit befand sich das Hauptbüro der Zionistischen Weltorganisation in Köln.

Kölns Beitrag zur Gründung Tel Avivs

Ab 1905 war Max Bodenheimer Direktor des Jüdischen Nationalfonds (JNF) und organisierte von seinem Kölner Büro aus die Finanzierung von Landkäufen in Palästina. Als Gegenmodell zum überfüllten und lauten Jaffa sollte nördlich davon eine Gartenstadt gebaut werden, die aus mit Schindeln gedeckten Häusern mit kleinen Gärten bestehen sollte.

Die Auslosung der Bauparzellen im April 1909, waren der Beginn der Stadt Tel Aviv, Bild: Avraham Soskin, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Auslosung der Bauparzellen im April 1909, waren der Beginn der Stadt Tel Aviv, Bild: Avraham Soskin, Public domain, via Wikimedia Commons

Im April 1909 trafen sich mitten in den Dünen einige Familien, die unter sich das Gelände verlosten, das sie einem Araber abgekauft hatten. Daraus entwickelte sich Tel Aviv.1Zwischen Tel Aviv und Köln besteht seit 1979 eine Städtepartnerschaft. Köln war die erste deutsche Stadt, die eine solche Partnerschaft mit Tel Aviv einging. Ermöglicht hatte das Max Bodenheimer persönlich, der den Familien JNF-Kredite bewilligte.

Ein zionistischer Oberbürgermeister und Bundeskanzler

Das Leben von Konrad Adenauer, 1876 in Köln geboren, war geprägt von Freundschaften zu Juden. Als Kölner Oberbürgermeister arbeitete er eng mit Vertretern der jüdischen Gemeinden und Einrichtungen Kölns zusammen. 1927 wurde er Mitglied im „Deutschen Komitee Pro Palästina“ und sprach auf dessen Kundgebung. Er versprach der zionistischen Idee seine Unterstützung.

Konrad Adenauer, Kölner Oberbürgermeister, Bild: Bundesarchiv, Katherine Young, CC BY-SA 3.0 DE
Konrad Adenauer, Kölner Oberbürgermeister, Bild: Bundesarchiv, Katherine Young, CC BY-SA 3.0 DE

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich persönlich für den Wiederaufbau der Synagoge in der Roonstraße ein. Als Bundeskanzler unterzeichnete Adenauer 1952 das Luxemburger Abkommen über „Wiedergutmachungszahlungen“ an Israel gegen den Widerstand aus Teilen der Bevölkerung und seiner eigenen Regierung. Seine Freundschaft zum israelischen Premierminister David Ben Gurion ist legendär.

„Wer unsere besondere Verpflichtung gegenüber den Juden und dem Staat Israel verleugnen will, ist historisch und moralisch, aber auch politisch blind. Der weiß nichts von der jahrhundertelangen deutsch-jüdischen Geschichte und nichts von den reichen Beiträgen, die von Juden zur deutschen Kultur und Wissenschaft geleistet worden sind. Er begreift nicht die Schwere der Verbrechen des nationalsozialistischen Massenmords an den Juden.“2Konrad Adenauer 1966


Der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz ist Treffpunkt für die Stadtführungen "Die Kölner Thesen - Köln und der Zionismus", Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz ist Treffpunkt für die Stadtführungen „Die Kölner Thesen – Köln und der Zionismus“, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Rhenania Judaica – Wege in das jüdische Rheinland

Weitere Informationen zu den Kölner Wurzeln, die zur Entstehung der zionistischen Bewegung im 19. Jahrhundert geführt hatten, zeigt das Team von Rhenania Judaica auf ganz speziellen Stadtführungen. 

Die nächsten Termine für die Tour „Die Kölner Thesen – Köln und der Zionismus“ sind 

  • 25. Mai 2025, 15 Uhr 
  • 17. August 2025, 15 Uhr
  • 26. Oktober 2025, 15 Uhr

Treffpunkt ist der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz

Tickets zum Preis von 19,50 Euro pro Person gibt es bei KölnTourismus und KölnTicket.


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Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der anstehenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


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Die „Poller Köpfe“- Köln ohne Rhein?

Bei Hochwasser gab es einen zweiten Verlauf des Rheins östlich von Deutz. Ein große Gefahr für die Stadt Köln. Karte: OpenStreetMap
Bei Hochwasser gab es einen zweiten Verlauf des Rheins östlich von Deutz. Ein große Gefahr für die Stadt Köln. Karte: OpenStreetMap

Es wäre für die Stadt Köln eine Katastrophe gewesen! Der Rhein fließt nicht im gewohnten Flussbett, sondern sucht sich einen neuen Verlauf. Statt westlich verläuft der Fluss auf einmal ab Poll östlich an Deutz vorbei, um dann erst in Mülheim ins alte Flussbett zurückzukehren.

Klingt aberwitzig – aber diese Gefahr drohte ab ca. dem 12. Jahrhundert. Und es passierte bereits vereinzelt bei Hochwasser und Eisgängen: In Köln kam nur noch ein flaches Rinnsal an, der Fluss suchte sich ein neues Bett. Höchste Alarmstufe für die Stadt, denn damit war die grundsätzliche Schiffbarkeit des Rheins gefährdet und somit Kölns Wohlstand. Ohne den Handel, welcher zum größten Teil über den Rhein abgewickelt wurde, und ohne das äußerst lukrative Stapelrecht wäre Köln bedeutungslos geworden.

Köln ohne Rhein? Undenkbar!

Daher wurde bereits seit dem 12. Jahrhundert das Poller Rheinufer befestigt, um eine solche „Umleitung“ zu verhindern. Durch Anpflanzungen und Dämme entlang der heutigen Poller Wiesen sollte verhindert werden, dass Köln vom Rheinstrom abgeschnitten würde.

Problematisch war allerdings, dass Poll damals noch nicht zur Stadt gehörte, sondern zu den Besitztümern des Erzbischofs, mit dem die Kölner regelmäßig im handfesten Streit lagen. Doch auch der Erzbischof war nicht daran interessiert, dass Köln seinen Rang als Handelsmetropole verlieren könnte. Großzügig erlaubte der Kirchenmann, dass die Kölner Weiden zur Uferbefestigung auf seinem Grund pflanzen durften – allerdings auf Kosten der Kölner Bürgerschaft.

Ausschnitt aus einer Federzeichnung von 1583 mit den "Poller Köpfen", Bild: Stadtarchiv Köln
Ausschnitt aus einer Federzeichnung von 1583 mit den „Poller Köpfen“, Bild: Stadtarchiv Köln

Mammutprojekt „Poller Köpfe“

Doch diese Uferbefestigung war nicht stark genug, um bei Hochwasser nachhaltig eine mögliche Veränderung des Flussbettes zu unterbinden. Daher nahm die Stadt Köln im Jahr 1557 das Poller Ufer in Erbpacht, um ein Mammutprojekt in Angriff zu nehmen: Die „Poller Köpfe“. Auch hier bat der Erzbischof die Kölner kräftig zur Kasse: Die Pachtzahlung bestand in zwei Tonnen Heringen pro Jahr und zusätzlich in einem vergoldeten Geschirr – und für jeden neuen Erzbischof auch ein neues Goldgeschirr.

Ab 1560 begannen die Bauarbeiten. Es wurden schwere Uferbefestigungen („Köpfe“) angelegt. Dafür wurden massive Eichenstämme mit Querbalken im Flussgrund befestigt. Die so entstanden Kästen wurden mit Basaltbrocken gefüllt. Die Dimensionen dieser Anlage waren gewaltig: Mehrere Hundert Meter lange und etwa acht Meter breite Konstruktionen, welche bis zu 3 Meter aus dem Wasser herausragten. Zur Beschaffung des nötigen Bauholzes erwarb die Stadt Köln ein eigenes Waldgrundstück.

Um das Bollwerk gegen die Kräfte des Rheins noch weiter zu sichern, wurden alte und beschädigte Rheinschiffe angekauft und – beschwert mit Steinen und gesichert durch in den Boden getriebene Eichenpfähle – gezielt unmittelbar vor den Poller Köpfen versenkt. Damit die Pflege des Bauwerks gesichert war, stellte die Stadt eigens einen „Weidenhüter“ ein: Ein städtischer Beamter mit Wohnsitz auf der Anlage, der diese ständig im Blick hatte.

Im Jahr 1641 wurde ein steinernes Wehr zur Unterstützung der Anlage eingebaut. Aber erst mit Bau des Deutzer Hafens ab 1895 wurden die weit in den Rhein ragenden Bestandteile der Poller Köpfe entfernt und durch moderne Befestigungsanlagen ersetzt. Die Halbinsel „Poller Werth“ wurde zum Deutzer Hafen.

Die Poller Wiesen heute, rechts der Deutzer Hafen, Bild: ToLo46, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Die Poller Wiesen heute, rechts der Deutzer Hafen, Bild: ToLo46, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Poller Wiesen sind heute Bodendenkmal 

Als Uferbefestigung sind heute nur noch die in den Rhein ragenden Buhnen auf den Poller Wiesen zu sehen, die Reste der „Poller Köpfe“ liegen unter den Poller Wiesen.

Diese sind nicht nur ein beliebtes Erholungsgebiet, sondern auch als Bodendenkmal geschützt. Im Jahr 2003 wurden dort bei Niedrigwasser zwei im 16. Jahrhundert gezielt zur Verstärkung der „Poller Köpfe“ versenkte „Niederländer“1Ein spezieller Schiffstyp zum Frachttransport auf dem Rhein. gefunden. Doch die Archäologen kamen aus dem Staunen nicht mehr heraus: Bei Probegrabungen stellte sich heraus, dass bis zu 100 weitere Schiffe dort gezielt versenkt wurden.

Sogenannte "Niederländer" für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee. Am linken Bildrand ist das Holzgestell zu erkennen, welches die Anlegestellen der Ober- und Niederländer trennt, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Sogenannte „Niederländer“ für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531

Als dann noch Kampfmittelräumer die Poller Wiese für den Papstbesuch anlässlich des Weltjugendtags 2005 in Köln – der Papst hielt vom Schiff aus eine Ansprache für die auf den Poller Wiese versammelten Gläubigen – auf eventuell im Schlick verborgene Weltkriegsbomben untersuchten, fanden sie auch mit Hilfe der dabei eingesetzten Metalldetektoren Teile der alten Befestigungsanlagen der „Poller Köpfe“, wie Eisenschuhe zur Verankerung der Eichenbalken. Daher wurden die Poller Wiesen am 24. Oktober 2005 in die Bodendenkmalliste eingetragen.

Der Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Die Gläubigen im Vordergrund stehen auf den Poller Wiesen, Bild: Ingrid Schultz, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons
Der Papst beim Weltjugendtag 2005 in Köln. Die Gläubigen im Vordergrund stehen auf den Poller Wiesen, Bild: Ingrid Schultz, Copyrighted free use, via Wikimedia Commons

Und wenn man sich heute bei gutem Wetter auf den Poller Wiesen sonnt und den Drachen, die dort regelmäßig steigen, zusieht, ahnt man kaum, dass genau hier massive Uferbefestigungen gestanden haben. Ohne diese wäre Köln eventuell vom Rhein abgeschnitten  worden. 

Und dann wäre es aus gewesen mit „Köln am Rhein“. 


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Die Gaffeln – 400 Jahre lang prägende Institutionen der Politik in Köln

Der Kölner Stadtrat, Kupferstich nach einer Zeichnung von Johann Toussyn (1608-nach 1660), Original im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, um 1655. (Gemeinfrei)
Der Kölner Stadtrat, Kupferstich nach einer Zeichnung von Johann Toussyn (1608-nach 1660), Original im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, um 1655. (Gemeinfrei)

Bis weit in das 14. Jahrhundert bestimmten in Köln die „Geschlechter“ die Geschicke der Stadt. Die „Geschlechter“ waren Familien mit so klangvollen Namen wie Lyskirchen, Quattermart, Hardevust oder Overstolz. Mit absolutem Selbstverständnis regierten diese Familien aus der Oberschicht selbstherrlich Köln.

Um diese Macht zu untermauern, hatten die Geschlechter die Abstammungssage erfunden: Sie wären die Nachfahren der von Kaiser Trajan in die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA) geschickten römischen Senatoren. Und deshalb hätten nur sie nur das Recht, die Stadt zu regieren.

Diese von den Geschlechtern erfundene Sage stammt aus dem frühen 14. Jahrhundert. Offensichtlich schwand war die Macht der Geschlechter, daher mussten irgendwelche Geschichten zur Sicherung des Einflusseses dieser Familien erfunden werden.  

Proteste gegen die Geschlechter

Tatsächlich kam die Vorherrschaft der Geschlechter ab etwa der zwei­ten Hälf­te des 14. Jahr­hun­derts erheblich ins Wanken. Die Handwerker, in Handwerksbruderschaften organisiert und die Gilden, als Zusammenschluss von Kaufleuten, begannen sich gegen die Ge­schlech­ter zu weh­ren.

Dafür organisierten sie sich in sogenannten „Gaffeln“.  Der eigentliche „Startschuss“ für die Bildung der Gaffeln war die Verabschiedung des Kölner Verbundbriefs im Jahre 1396. Zwar gab es auch schon vereinzelt „Gaffeln“ als Zusammenschlüsse. Diese entstanden aber eher aus einem sozial-religiösem Anspruch, wie zum Beispiel die für 1354 nachgewiesene “fra­ter­ni­tas S. Spi­ri­tus de fo­ro Fer­ri et de Sub­lo­biis“. Diese Bru­der­schaft von Kauf­leu­ten war mit hoher Wahrscheinlichkeit der Vorläufer der Gaf­fel „Ei­sen­markt“ und warb Spenden für die Leprakranken auf Melaten ein.

Eine „Gaffel“ ist eine Tranchier- oder Vorlegegabel

Klaus Militzer weist in seinem Aufsatz „Gaffeln, Amter, Zünfte – Handwerker und Handel vor 600 Jahren“ [Jahrbuch 67 des kölnischen Geschichtsvereins e. V. 1996, Seite 41 ff] darauf hin, dass ab ca. 1350 der Begriff „Gaffel“ für Zusammenschlüsse von Personen unterschiedlicher Art verwendet wurde.

Die „Gaffel“ ist ursprünglich eine Gabel, allerdings geht es hier um eine Tranchier- oder Vorlegegabel. Denn im 14. Jahrhundert war es nicht üblich, eine Gabel zu benutzen. Es gab Messer, mit denen das Essen in handliche Stücke geschnitten wurde. Gegessen wurde mit den Fingern. Größere Fleischstücke wurde auf einem Holzbrett mit einer Tranchiergabel, der „Gaffel“, fixiert, mit einem Messer klein geschnitten und dann auf die einzelnen Teller gelegt. 

So wurde auch bei den feierlichen Essen der Zusammenschlüsse verfahren und schnell wurden die Vereinigungen der Handwerker und Kaufleute als „Gaffeln“ bezeichnet.

Die „Gaffel“ ist ursprünglich eine Gabel, allerdings geht es hier um eine Tranchier- oder Vorlegegabel.
Die „Gaffel“, eine Tranchier- oder Vorlegegabel.

 

Eine Gaffel war nicht unbedingt eine bestimmte Zunft oder Gilde, sondern mehrere Zünfte bzw. Gilden konnten sich zu einer Gaffel zusammenschließen. Und da jeder Bürger einer Gaffel beitreten musste, standen die Gaffeln auch für weitere Mitglieder offen.

Aufstand der Weber und die „no­va or­di­na­tio“

Diese ersten Gaffeln und die Zünfte begannen sich ab ca. 1360 gegen die Vorherrschaft der Geschlechter zu wehren. Ein erstes, einschneidendes Ereignis war ein bestimmter Zoll, der völlig ohne vorherige Absprache oder Information auf In­itia­ti­ve der Geschlechter eingeführt wurde. Mit­glie­der der Gaf­feln Ei­sen­mark­t und Wol­len­am­t führten den Widerstand gegen diese Willkür an protestierten erfolgreich gegen diese Abgabe.  

Im Jahr 1370 kam es zum Aufstand der Weber und diese setzten eine Neuordnung, die „no­va or­di­na­tio“, der städtischen Verfassung am 2. Juli 1370 durch. So wurde der Rat im Sinne der machtbewussten Weber neu zusammengesetzt und Mit­glie­der von Zünf­ten, Kor­po­ra­tio­nen und Gaf­feln dorthin entsandt. Somit wurden die Gaffeln zum ersten Mal Teil der städtischen Verfassung.

Allerdings nutzten die die Weber ihre einflussreiche Stellung, um Beschlüsse zu ihrem Vorteil zu fassen. Dazu gehörten eine Steuer auf Wein (Weinfuhrakzise) oder eine Vermögensteuer (Schoß). Während die Weinfuhrakzise die Weinkaufleute benachteiligte, wurden durch den „Schoß“ reiche Kaufleute und Patrizier belastet. Die Weber aber, gerade frisch an der Macht, wurden bei diese speziellen Abgaben verschont.

Die sogenannte „Weberherrschaft“ wird dann auch in der Koelhoffschen Chronik [Eine aus dem Jahr 1499 stammende Chronik über die Stadt Köln von Johann Koelhoff dem Jüngeren] wie folgt beschrieben:

Es war wunderlich und fremd anzusehen, als Köln … allzeit regiert war … von fünfzehn adeligen Geschlechtern … An deren Stelle saßen nun die Weber.“

Daher bildete sich eine Koalition aus Gaffeln und Geschlechtern um die „Weberherrschaft“ zu beseitigen. Es kam zur „Kölner Weberschlacht von 1371“, die We­ber erlitten eine ver­nich­ten­de Nie­der­la­ge und die „no­va or­di­na­tio“ wur­de au­ßer Kraft ge­setzt.

Die Kölner Weberschlacht von 1371, Holzschnitt aus der Koelhoffschen Chronik von 1499. (Gemeinfrei)
Die Kölner Weberschlacht von 1371, Holzschnitt aus der Koelhoffschen Chronik von 1499. (Gemeinfrei)

Die „Freunde“ gegen die „Greifen“

Aber auch innerhalb der Geschlechter rumorte es und es bildeten sich zwei Fraktionen heraus: Die „Freunde“ und die „Greifen“. In den „Freunden“ waren vorrangig die alten, machtbewussten Geschlechter vertreten, mit den „Grei­fen“ sym­pa­thi­sier­ten vor allem Grup­pie­run­gen, die bisher noch nicht in den städtischen Machtzirkeln vertreten waren.

An­geb­li­che Über­le­gun­gen der „Freun­de“ be­züg­lich der Auf­lö­sung der bestehenden Kauf­leu­te- und Hand­wer­ker­ge­sell­schaf­ten ließen die Situation 1396 eskalieren. Der Kölner Stadtschreiber Gerlach vom Hauwe schrieb in seinem „Neuen Buch“:

„Als die Partei der „Freunde“ und deren Angehörige im Schöffenkolleg und im Rat gewahr geworden seien, daß die Ämter und Gaffeln beschlossen hätten, sich zusammenzuschließen, und daß sie an Macht gewönnen, hätten sie beraten, wie sie Gaffeln und Gesellschaften hätten unterdrücken können. Ein Ausgleich sei nicht zu erzielen gewesen. Schließlich hätten sich die „Freunde“ im Amtleutehaus von Airsburg am Mühlenbach am 16. Juni 1396, einem Freitag, abends versammelt und am folgenden Tag ein Gebot erlassen, über dessen genauen Inhalt wir nicht unterrichtet sind. Dieses Gebot habe der Gemeinde und den Gaffeln mißfallen. Am Sonntag seien die „Freunde“ wieder im Amtleutehaus von Airsburg zusammengekommen, nun aber bewaffnet. Am Abend desselben Tages habe Constantin von Lyskirchen vom Heumarkt, ein Schöffe, die Versammlung verlassen, habe sein Pferd bestiegen, sei zu den Gaffeln geritten und habe die dort wartenden Männer gefragt, ob sie nicht schlafen gehen wollten. Daraufhin hätten die Befragten geantwortet, daß sie schlafen gehen würden, wenn sie die Zeit dafür gekommen sähen.“

Diese hochnäsige Anweisung des Patriziers von Lyskirchen sollte das Fass zum Überlaufen bringen. Der adlige Herr wurde vom Pferd gerissen und gefangen genommen. Neben von Lyskirchen nahmen die Gaffeln „Ei­sen­mark­t“, „Wind­eck“ und „Him­mel­reich“ etwa weitere 50 „Freunde“ gefangen.

Es wurde ein pro­vi­so­ri­scher Rat mit der Aufgabe gebildet, ei­ne neue Ver­fas­sung aus­zu­ar­bei­ten. 1396 entstand der Verbundbrief und wurde so etwas wie das „Grundgesetz“ der Stadt Köln.

Ausschnitt des Verbundbriefes mit den Siegeln der Gaffeln, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Ausschnitt des Verbundbriefes mit den Siegeln der Gaffeln, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Der Verbundbrief – das „Grundgesetz“ der Stadt Köln.

In Verbundbrief wurden die Gaffeln ausdrücklich genannt und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet. Es gab 22 Gaffeln:

  • Wollenwebergaffel
    zugehörige Zünfte: Wollenweber, Tuchscherer, Weißgerber
  • Eysenmarkt
    Gesellschaft von Kaufleuten, vielleicht ursprünglich Gilde der Eisenhändler
  • Schwartzhauß
    zugehörige Zünfte: Blauleinenfärber, Waidhändler
  • Goldschmiedegaffel
    zugehörige Zünfte: Goldschläger, Goldspinnerinnen
  • Windeck
    Gesellschaft der Kaufleute auf dem Altermarkt
  • Buntwerkergaffel
    zugehörige Zünfte: Kürschner
  • Himmelreich
    Korporation von Kaufleuten
  • Bindelmacher
    zugehörige Zünfte: Gürtler, Drechsler, Bürstenbinder, Nadelmacher, Kammmacher, Blechschlager
  • Aren
    zugehörige Zünfte: Riemenschneiderzunft
  • Fischmengergaffel
    zugehörige Zünfte: Fischmenger, Schiffer, Buchbinder
  • Schmiedegaffel
    zugehörige Zünfte: Schmiede, Schlosser, Messerschmiede, Stückgießer, Achsenmacher
  • Schilderer und Glaswörter
    zugehörige Zünfte: Maler, Glaser, Sattler
  • Steinmetze und Zimmerleute
    zugehörige Zünfte: Steinmetzer, Zimmerleute, Schreiner, Kannenbäcker, Bildhauer, Bildschneider, Leyendecker, Pflasterer
  • Bäckergaffel
    zugehörige Zünfte: Bäcker
  • Fleischergaffel
    zugehörige Zünfte: Fleischer
  • Schneidergaffel
    zugehörige Zünfte: Schneider, Hutstoffierer
  • Schuhmacher
    zugehörige Zünfte: Schuhmacher, Altschuhmacher, Lederreider
  • Sarwörtergaffel1Sar = Pflugschar, Wörter = Werker, hier: Rüstungswerkleute
    zugehörige Zünfte: Harnischmacher, Schwertfeger, Barbiere, Handschuhmacher, Taschenmacher, Hutmacher, Korbmacher
  • Kannengießergaffel
    zugehörige Zünfte: Kannengießer, Hammacher, Seiler
  • Fassbindergaffel
    zugehörige Zünfte: Fassbinder
  • Leinenwebergaffel
    zugehörige Zünfte: Zeichenweber, Sartuchmacher, Decklackenweber, Bombassin-, Caffee-, u. Baratamt
  • Brewer
    zugehörige Zünfte: Brauer

Wappen der Kölner Gaffeln, Ausschnitt aus: Birboum, Michel L.; Rieger [Verl.] Quelle: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Ansicht3949_090/0001

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Wappen der Kölner Gaffeln, Ausschnitt aus: Birboum, Michel L.; Rieger [Verl.] Quelle: http://tudigit.ulb.tu-darmstadt.de/show/Ansicht3949_090/0001

Je­der Kölner Bür­ger und auch die sogenannten „Ein­ge­ses­se­nen“ (Ein­woh­ner oh­ne Bür­ger­recht) waren gezwungen, sich ei­ner die­ser Gaf­feln an­zu­schließen. Falls ein Bürger oder „Ein­ge­ses­se­ner“ kei­ner Zunft oder Gilde an­ge­hör­te, konn­te dieser sei­ne Gaf­fel frei wäh­len.

Kompetenzen und Pflichten der Gaffeln

Zu den Kompetenzen der Gaffel gehörte insbesondere das aktive Wahlrecht: Nur die Mitglieder einer Gaffel konnten den Rat wählen. Dies schloss ca. 80 Prozent der Bevölkerung aus. So waren Frauen, Tagelöhner, alle nichtkatholischen Menschen, Geistliche und nichtehelich Geborene von allen politischen Einflussmöglichkeiten ausgeschlossen.

Zu den wesentlichen Pflichten der Gaffeln gehörte die Verteidigung der Stadt. So wurde in der „Wachtordnung“ exakt festgelegt, welchen Teil der Stadtmauer bzw. welche Torburg die einzelnen Gaffeln zu bewachen hatten. Die Gaffeln übernahmen auch die Sicherung hochrangiger Besucher und repräsentierten bei Veranstaltungen die Stadt. Zwar war der Rat weiterhin alleiniger Vertreter Kölns nach außen, doch die Gaffeln gehörten mit der Verabschiedung des Verbundbriefs im Jahr 1396 zu den wich­tigs­ten Ver­fas­sungs­or­ga­nen.

Le­dig­lich ein Wech­sel der städ­ti­schen Eli­ten

Die Gaf­feln repräsentierten zwar nur knapp 20 Prozent der Kölner Bevölkerung, hatten aber die politischen Entscheidungen fest in der Hand. Auch weil sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht an eine Mitgliedschaft in einer der Gaffeln gebunden war. So kommt Christian Hillen in seiner Darstellung „Die Kölner Gaffeln“2Portal Rheinische Geschichte, https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/die-koelner-gaffeln/DE-2086/lido/5e98015879dc69.22344533^, abgerufen am 2. Juni 2024 zu dem Schluss:

„Ei­ne de­mo­kra­ti­sche Ver­fas­sung im heu­ti­gen Sin­ne war dies si­cher nicht, wenn­gleich sich der Kreis der­je­ni­gen Bür­ger, die Zu­gang zu po­li­ti­scher Mit­wir­kung und Ent­schei­dungs­fin­dung hat­ten, deut­lich er­wei­tert hat­te. Vor al­lem wa­ren die stän­di­schen Schran­ken be­sei­tigt wor­den. … Zwar wur­den die po­li­ti­schen und ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ver­hält­nis­se ver­än­dert, aber im Grun­de ge­nom­men fand le­dig­lich ein Wech­sel der städ­ti­schen Eli­ten statt. Die al­ten Eli­ten wur­den aber nicht völ­lig ver­prellt, son­dern man ver­such­te sie in die neue Ord­nung zu in­te­grie­ren.“

Man kann also festhalten, dass es einen Austausch der Herrschaft gegeben hatte: Weg von den Geschlechtern hin zu den Gaffeln. Die Privilegien der Gaffeln sollten etwa 400 Jahre lang Bestand haben, bis die Franzosen Köln einnahmen.

Und heute noch erinnert die Marke Gaffel-Kölsch
an die Zeiten der Kölner Gaffeln.

Der Name "Gaffel-Kölsch" erinnert an die Gaffeln, Bild: Privatbrauerei Gaffel
Der Name „Gaffel-Kölsch“ erinnert an die Gaffeln, Bild: Privatbrauerei Gaffel

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Das neue Kölnische Stadtmuseum: Ganz Köln in einem Museum!

Das Kölnische Stadtmuseum, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0
Das Kölnische Stadtmuseum, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Seit dem 23. März 2024 haben wir Kölner endlich wieder unser Stadtmuseum. Nachdem das alte Quartier im Zeughaus bereits 2017 wegen eines massiven Wasserschadens aufgegeben werden musste, war das Stadtmuseum ein Museum ohne Heimat. Bis jetzt.

Zwar ist der neue Standort im ehemaligen Kaufhaus Sauer in der Minoritenstraße nur als Interimsstandort vorgesehen – wer aber Köln kennt, dem ist auch klar: Solche Übergangslösungen haben in Kölle immer eine sehr, sehr lange Lebenszeit.

Von der Hahnentorburg über das Zeughaus in das ehemalige Kaufhaus

Die Ausstellung zur kölschen Stadtgeschichte hat bereits eine lange Reise hinter sich: Wie bei so vielen Museen in Köln bildete die umfangreiche Sammlung Ferdinand Franz Wallrafs den Grundstock. Ab 1888 wurde die Stadtgeschichte in der Hahnentorburg ausgestellt und ab 1902 zusätzlich in der Eigelsteintorburg. Da die Aufteilung auf zwei Standorte alles andere als optimal war, erwog man bereits 1912, das Zeughaus als Ausstellungsort zu nutzen. Allerdings machte der Erste Weltkrieg diese Pläne zunichte.

Auch der Plan, die alte Kürassierkaserne der Preußen in Deutz als „Rheinisches Museum“ zu nutzen, musste wegen der Weltwirtschaftskrise verschoben werden. Die Nationalsozialisten erkannten das propagandistische Potenzial eines solches Museums und eröffneten dort am 21. Mai 1936 das „Haus der Rheinischen Heimat“ in Deutz.

Das Zeughaus, bis 2017 Heimat des Kölnischen Stadtmuseums. Bild: Raimond Spekking
Das Zeughaus, bis 2017 Heimat des Kölnischen Stadtmuseums. Bild: Raimond Spekking

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam erneut der Gedanke auf, dem Stadtmuseum im Zeughaus eine Heimat zu geben. Doch der Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Gebäudes verzögerte sich. Erst 1958 wurde die Dauerausstellung eröffnet, die dort bis zu dem Wasserschaden im Jahr 2017 gezeigt wurde.

Der schlechte Zustand des Zeughauses machte eine Fortführung der Ausstellung unmöglich. Daher gab es 2018 einen Ratsbeschluss, das ehemalige Modehaus Franz Sauer als Interimsquartier zu nutzen. Doch es sollte noch bis 2024 dauern, bis die Ausstellung dort eröffnet werden konnte.

Eine perfekte Darstellung – mit nur 0,1% aller möglichen Exponante

Der Umzug in das ehemalige Kaufhaus stellte die Kuratoren vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe: Nur 750 Quadratmeter stehen dort für die Dauerausstellung zur Verfügung. Allerdings gibt es etwa 500.000 Ausstellungsstücke, gezeigt werden können davon nur etwa 650 Exponate, weniger als 0,1%.

Stefan Lewejohann (links) und Sascha Pries (rechts), die beiden Kuratoren der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, Bilder: Kölnisches Stadtmuseum
Stefan Lewejohann (links) und Sascha Pries (rechts), die beiden Kuratoren der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, Bilder: Kölnisches Stadtmuseum

Diese Aufgaben haben die Kuratoren exzellent gelöst, indem man sich von einer lexikonartigen Darstellung der Stadtgeschichte gelöst hat. Stattdessen wurde, so Stefan Lewejohann, einer der Kuratoren, ein „fragender Ansatz“ gewählt:

„Wir erzählen die Kölner Stadtgeschichte jetzt durch einen fragenden Ansatz. Das heißt, dass wir emotionale Fragen stellen und dadurch episodenhaft die Kölner Stadtgeschichte erklären. Zu diesen Fragen zählt beispielsweise „Was lieben wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“ oder „Worauf haben wir Lust?“.“

Raum der Stadtgeschichte – mit innovativer Technologie

Um aber auch einen Überblick über die Geschichte der Stadt zu bieten, haben die Kuratoren an den Beginn der Ausstellungsrunde den „Raum der Stadtgeschichte“ platziert. Hier werden kurz und kompakt die wichtigsten Entwicklungen der Stadt, von der römischen Kolonie über die Franken zur mittelalterlichen Handelsmetropole, zur kurzen, aber nachhaltigen Besetzung durch die Franzosen und die anschließende Befestigung durch die Preußen, die Gleichschaltung im NS-Unrechtsstaat ab 1933, die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bis hin zur heutigen Medienstadt, in aller Kürze gezeigt.

Das Kölner Stadtmodell zeigt die Stadt im Jahr 1571. Und durch Augmented-Reality bietet dieses Modell eine echte Zeitreise, Bild: RBA, S. Walz, rba_d040440_03
Das Kölner Stadtmodell zeigt die Stadt im Jahr 1571. Und durch Augmented-Reality bietet dieses Modell eine echte Zeitreise, Bild: RBA, S. Walz, rba_d040440_03

Kern dieses Ausstellungsteils ist das riesige Stadtmodell. Dieses Modell zeigt Köln im Jahr 1571 und wurde bereits im „alten“ Stadtmuseum viel bewundert.

Doch jetzt gibt es eine aufregende Neuerung: Mittels Augmented-Reality können Besucher direkt im Stadtmodell digital in verschiedene Epochen der Stadtgeschichte eintauchen. So schweben auf einmal über der alten Ansicht der Stadt 120 Sehenswürdigkeiten, die in 13 verschiedene Epochen der Stadtgeschichte erkundet werden können. Und zwischendurch regnet es sogar Kamelle. Zumindest virtuell.

Frageräume als Orte der (Selbst-)Reflexion

Trotz aller virtueller Ausflüge blieb für die Ausstellungsmacher das Problem, auf vergleichsweise kleiner Fläche die Stadtgeschichte lebendig zu machen. Daher hat man sich für einen durchaus unkonventionellen Weg entschieden: Weg von der klassischen Chronologie oder Jahrhundert-Räumen hin zu acht aktuellen Fragen, die die Besucher beschäftigen und emotional berühren. Fragen wie: „Was lieben wir?“, „Worauf hoffen wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“, „Was macht uns wütend?“, „Worauf haben wir Lust?“, „Woran glauben wir?“ und „Was bewegt uns?“ bilden das Grundgerüst der neuen Dauerausstellung.

Auch eine Art von Religion: Kutte eines FC-Fans, Bild: Privatbesitz RBA, T. Kreusler, rba_d060046_02
In der Abteilung „Woran glauben wir?“: Auch eine Art von Religion: Die Kutte eines FC-Fans, Bild: Privatbesitz RBA, T. Kreusler, rba_d060046_02

Dieser völlig neue Ansatz bietet Raum für Raum eine äußerst spannende Zusammenstellung: So werden in dem Raum „Woran glauben wir?“ erwartungsgemäß das christliche, das jüdische und das muslimische Köln vorgestellt. Diesen Religionen werden dann aber andere „Götter“ als Ersatzreligionen gegenübergestellt, zum Beispiel der Fußball. Nicht umsonst bezeichnen viele Fans die Stars ihrer Lieblingsvereine als „Götter“.

Gleich daneben: „Götze Geld“. Gezeigt werden die älteste Münze des Stadtmuseums, der „Triens/Drittel-Goldschilling“ (ca. Ende 6. Jahrhunderts) über die „Kölner Mark“ (aus dem 15. Jahrhundert) bis hin zu Zwei-Euro-Münze mit dem Kölner Dom (aus dem Jahr 2011).

Der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich (Bronzeplastik), Bild: Uli Kievernagel
Der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich (Bronzeplastik), Bild: Uli Kievernagel

Klüngel, „Lust auf Lust“ und „Heimweh nach Köln“

Der Raum „Was macht uns wütend?“ zeigt, was die wütenden Kämpfe früherer Generationen für Gerechtigkeit gebracht haben: freie und demokratische Wahlen, eine unabhängige Justiz, ein gerechtes Steuersystem, die Abschaffung der Todesstrafe und die Trennung von Kirche und Staat. Wichtigstes Exponat ist hier der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich.

Saftiger wird es im Raum „Worauf haben wir Lust?“. Hier geht es um Sex, Genuss und Freizügigkeit. So wird neben einem speziellen „Stadtplan für Männer“ aus dem Jahr 1972 auch die legendäre und Afri-Cola Werbung mit eher lasziven Nonnen aus dem Jahr 1967 gezeigt.

Afri-Cola-Anzeige (reprint), 1967/68 ©RBA, rba_d048067
Afri-Cola-Anzeige (reprint), 1967/68 ©RBA, rba_d048067

Im Raum „Was lieben wir?“ gehen die Ausstellungsmacher der besonderen Liebe der Kölner zu ihrer Stadt nach. Diese, oft auch übertriebene, „Heimattümelei“ zeigt sich in den zahllosen Liedern über Dom, Rhing und Sunnesching.

Die Ausstellung nähert sich diesem Thema äußerst reflektiert. Passend zum Lied „Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann wird das Essgeschirr des Kölners Johann Borsari gezeigt, der dieses während seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft mit dem Dom verziert hat.

Modernstes Museum Kölns auf engem Raum

Wahrscheinlich war es gerade die räumliche Enge, welche die Museumsmacher dazu gebracht hat, völlig neue Wege zu gehen. Wenn nur 650 von ca. 500.000 Exponaten gezeigt werden können, sind innovative Wege unumgänglich. Entstanden ist Kölns modernstes Museum. So weist der Direktor des Hauses, Dr. Matthias Hamann, auch ausdrücklich darauf hin:

„Der neue Standort ist nicht nur ein Interim. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum Stadtmuseum der Zukunft.“

Und hier liegt Hamann richtig: Obwohl das Haus als Interim bezeichnet wird, werden wir uns noch viele, viele Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte an der spannenden, modernen Ausstellung erfreuen können.

Wettet jemand dagegen?


Daten und Fakten zum Kölnischen Stadtmuseum

Adresse
Minoritenstr. 13
50667 Köln

Öffnungszeiten
Dienstags: 10:00 bis 20:00 Uhr
Mittwochs bis sonntags: 10:00 bis 17:00 Uhr

Eintritt
5 Euro, ermäßigt 3 Euro

Kontakt
Telefon: +49(0)221 221-22398
ksm@stadt-koeln.de
www.koelnisches-stadtmuseum.de


Der Corona-Briefkasten von Ana und Lea aus Raderberg, Bild: Uli Kievernagel
Der Corona-Briefkasten von Ana und Lea aus Raderberg, Bild: Uli Kievernagel

Das neueste Exponat der Stadtgeschichte kommt aus meiner Nachbarschaft in Raderberg

Während der Corona-Beschränkungen konnten die Kinder meiner Nachbarschaft nicht miteinander spielen. Stattdessen haben sie sich kleine Briefkästen gebastelt und konnten so zumindest Nachrichten austauschen.

Ich hatte im Jahr 2020 Stefan Lewejohann vom Stadtmuseum auf diese Briefkästen aufmerksam gemacht. Er hat dankend die Schenkung der Kinder angenommen und einige dieser Briefkästen als Dokumente der Zeitgeschichte in den Bestand des Stadtmuseums übernommen. Und einer dieser Briefkästen ist tatsächlich das neueste Exponat im „Raum der Stadtgeschichte“ und hängt jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Verbundbrief oder zum Stadtsiegel. Was für eine Ehre!


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Das „Köln-Gesetz“ machte 1975 Köln zur Millionenstadt

Die Stadtbezirke und Stadtteile Kölns, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Die Stadtbezirke und Stadtteile Kölns, Bild: TUBS, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons

Die Karnevalisten hatten es geahnt! Das Motto der Session 1974/75 lautete „Seid umschlungen Millionen“. Und tatsächlich hatte die Stadt Köln es pünktlich zum 1. Januar 1975 geschafft: Man war eine Millionenstadt.

Möglich wurde dies durch das „Köln-Gesetz“.1Bitte nicht verwechseln mit dem „Kölschen Grundgesetz“. Das ist etwas völlig anderes. Dieses Gesetz hieß im besten Amts-Deutsch „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Köln“ und war Teil einer ebenso umfassenden wie auch umstrittenen Gebietsreform in Nordrhein-Westfalen.

Zu kleine Gemeinden kommen Aufgaben nicht nach

Auch die größten Kritiker dieser Gebietsreform mussten zugeben, dass die Gemeinden, Kreise und Städte in Nordrhein-Westfalen dringend neu geordnet werden sollten. Viele Kommunen waren zu schlichtweg zu klein, um ihren kommunalen Aufgaben wie Infrastruktur, Kultur, oder Finanzen eigenständig nachzukommen. 

Die kleinteilige Gliederung spiegelte sich auch in der Anzahl der Gemeinden wider: Es gab im Jahr 1965 insgesamt 2362 Gemeinden in NRW. Mehr als die Hälfte dieser Gemeinden hatten unter 1000 Einwohnern, die kleinste Gemeinde hatte gerade einmal drei Einwohner – eine Reform war dringend notwendig. Folglich startete CDU/FDP- Landesregierung Nordrhein-Westfalens unter Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) im Jahr 1966 ein erstes Neugliederungsprogramm, welches hauptsächlich den ländlichen Raum betraf.

Stadt Köln sieht Chance für schnelles Wachstum

Mit der zweiten Stufe der Neugliederung ab 1969 wurden auch die Grenzen der Kommunen in den Ballungsräumen neu geregelt. So brachte die SPD/FDP-Landesregierung unter Ministerpräsident Heinz Kühn (SPD) am 24. Mai 1974 einen Gesetzentwurf für das „Köln-Gesetz“ in den Landtag ein.

Die Stadt Köln hatte zu diesem Thema auch bereits 1972 eindeutig Stellung bezogen, sah man doch auch die Chance auf ein schnelles Wachstum:

„Die Grenzen der kommunalen Gebietseinheiten in unserem Lande stammen großenteils noch aus dem vorigen Jahrhundert;2Damit ist hier das 19. Jahrhundert gemeint sie hemmen nicht nur zahlreiche Gemeinden in ihrer Entwicklung, sondern wirken vielfach auch anachronistisch, da inzwischen vornehmlich in den Ballungsgebieten neue Lebens, Siedlungs- und Wirtschaftsräume entstanden sind. Dieser Entwicklung haben sich aber die Grenzen der kommunalen Einheiten nicht angepaßt.“3Quelle: Das Großzentrum Köln. Neuordnungsvorschlag der Stadt Köln zur kommunalen Gebietsreform. Herausgegeben von der Stadt Köln, 1972, Seite 5

Zweites Neugliederungsprogramm macht Köln zur Millionenstadt

Das „Gesetz zur Neugliederung der Gemeinden und Kreise des Neugliederungsraumes Köln“ trat am 1. Januar 1975 in Kraft und machte Köln, dank den Eingemeindungen 192.000 neuer Bürger kurzfristig zu Millionenstadt.

Die Bevölkerungsentwicklung Kölns. Mit den Eingemeindungen 1975 wurde Köln zur Millionenstadt - allerdings nur kurz. Bild: Summer ... hier! (Diskussion), CC0, via Wikimedia Commons
Die Bevölkerungsentwicklung Kölns. Mit den Eingemeindungen 1975 wurde Köln zur Millionenstadt – allerdings nur kurz. Bild: Summer … hier! (Diskussion), CC0, via Wikimedia Commons

Der größte „Fang“ für die Domstadt war mit 83.000 Menschen Porz, gefolgt von Rodenkirchen mit ca. 45.000 Bürgern, 24.000 aus Lövenich, 10.000 Neu-Bürger aus Esch und 4.000 aus Widdersdorf.  Außerdem wurde auch Wesseling mit ca. 25.000 Bürgern eingemeindet. Auch flächenmäßig machte Köln einen gewaltigen Sprung von 25.000 auf 47.000 Hektar.

Der „Kölner Polyp, der weit ins Land greift“

Bis heute trauern viele Gemeinden der verlorenen Eigenständigkeit nach. Besonders ausgeprägt ist diese Einstellung in Köln-Porz. Der Historiker Frank Schwalm nennt diesen Lokalpatriotismus „Porztümelei“.4Kölner Stadt-Anzeiger vom 26.01.2015 Dabei war, so Schwalm, „Porz eigentlich keine gewachsene Stadt. Sie entstand erst 1928 aus der Zusammenlegung von Wahn und Heumar“. Ein Redner in Düsseldorfer Landtag sprach in einer Sitzung sogar vom „Kölner Polyp, der weit ins Land greift“.

Die Porzer wehren sich, zunächst erfolgreich, gegen eine Eingemeindung
Die Porzer wehren sich gegen die Eingemeindung

So schlossen sich die Porzer, wie auch die Rodenkirchener, einer Klage der Wesselinger gegen die Eingemeindung an. Doch während Wesseling Recht bekam und zum 1. Juli 1976 wieder eigenständig wurde, seien Porz und Rodenkirchen, so der Verfassungsgerichtshof, „eng genug mit der Nachbarstadt verknüpft“ und blieben Teile der Stadt Köln.

Mit Wesseling verlor Köln aber nicht nur den Zugriff auf die lukrativen Gewerbesteuerzahler der chemischen Industrie, sondern auch den Status als Millionenstadt. Es sollte bis 2010 dauern, bis Köln sich wieder mit dem Titel „Millionenstadt“ schmücken durfte.

Karnevalspin aus dem Jahr 1975, Köln rühmt sich, Millionenstadt zu sein. Ein kurzes Vergnügen. Bild, Uli Kievernagel
Karnevalspin aus dem Jahr 1975, Köln rühmt sich „Millionenstadt“ zu sein. Ein kurzes Vergnügen. Bild, Uli Kievernagel

Repräsentanten-Entlassungsprogramm

Selbstverständlich fielen durch die Reform viele Pöstchen in der kommunalen Verwaltung weg. Schnell machte das Schlagwort vom „Repräsentanten-Entlassungsprogramm“ die Runde. Damit würde auch, so der Vorwurf, die Bürgernähe verloren gehen. Immerhin wurde durch die Gebietsreform die Anzahl der Gemeinden von 2.362 auf 396 gesenkt.

Dem Vorwurf der fehlenden Bürgernähe entgegnete man mit den neu eingerichteten Bezirksvertretungen. Allerdings sind diese Bezirksvertretungen bis heute weder mit den notwendigen finanziellen Mitteln noch mit ausreichenden Rechten ausgestattet, um das durch die Gebietsreform verloren gegangene Gefühl der kommunalen Mitwirkung kompensieren zu können.

Die Wesselinger wehren sich erfolgreich gegen die Eingemeindung nach Köln, Bild: Stadtarchiv Wesseling
Die Wesselinger wehren sich erfolgreich gegen die Eingemeindung nach Köln, Bild: Stadtarchiv Wesseling

Keine 0221-Telefonvorwahl in Sürth oder Porz

Bis heute sind die Auswirkungen der Gebietsreform spürbar. Je nach Stadtteil haben die Telefonanschlüsse, z. B. in Sürth oder auch in Porz, andere Vorwahlen. Die Verwaltung und Gerichtsbezirke wurden neu geregelt, so müssen bis heute die Kölner aus Zollstock, Raderberg oder Marienburg ihre neuen Pässe in Rodenkirchen abholen.

Durch die rückgängig gemachte Eingliederung Wesselings konnte sich zumindest der vermasselte Einsatz Kölner Feuerwehrleute, die kurz nach der Reform in Wesseling eingesetzt wurden, nicht wiederholen: Weil ihnen unbekannt war, dass Wesseling über ein eigenes Krankenhaus verfügte, fuhren sie mit einem Patienten bis nach Köln.

Und die Karnevalisten wählten nach „Seid umschlungen Millionen“ (Session 1974/75) das Motto der nachfolgenden Session weniger verfänglich und widmeten die Session 1975/76 ihrem geliebten Kölner Komponisten: „Sang und Klang mit Willi Ostermann.

Dagegen konnten auch die Wesselinger nicht klagen.


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Die Heilige Ursula, Teil I: Ihr Martyrium rettet Köln vor den Hunnen

Der Märtyrertod der Heiligen Ursula auf einem Bild aus dem 15. Jahrhundert
Der Märtyrertod der Heiligen Ursula auf einem Bild aus dem 15. Jahrhundert

Podcast Ursula, Teil 1, 20

Köln war von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts mit etwa 40.000 Einwohnern die wichtigste und größte Metropole im Deutschen Reich. Und wenn wir heute vom „Hillije Kölle“ sprechen, war das zu dieser Zeit sogar verbrieft: Ab dem 12. Jahrhundert war Köln „Sancta Colonia Dei Gratia Romanae Ecclesiae Fidelis Filia“, also „Heiliges Köln von Gottes Gnaden, der römischen Kirche getreue Tochter“.

Die Romanischen Kirchen waren Anziehungspunkt für Pilger aus aller Welt. Und so wie wir uns heute an schönen Urlaubsorten T-Shirts oder Kühlschrankmagnete kaufen, wollte auch jeder dieser Pilger im Mittelalter ein Andenken mit nach Hause nehmen. Im Idealfall sogar etwas „Heiliges“. Da boten sich Reliquien geradezu an.

Eine Reliquie ist ein irdischer Überrest eines Heiligen. In der Regel ein Körperteil wie ein Knochen, manchmal aber auch ein Gegenstand, mit dem der Heilige in Berührung gekommen ist. Wenn es sich bei dieser Reliquie um Körperteile handelt, sind diese naturgegeben endlich: Auch ein Heiliger hat nur einen Schädel, zwei Beine und zehn Finger. Wenn aber nun alle einen Teil des Heiligen haben wollen, wird es schwierig. Die clevere kölsche Lösung für dieses Problem ist die wundersame Vermehrung verehrungswürdiger Knochen durch die Geschichte der Heiligen Ursula.

Legende der Heiligen Ursula belebt das Geschäft mit Reliquien

Die Heilige Ursula hatte gleich 11.000 Gefährtinnen, die direkt mitverehrt wurden. Und so waren auf einmal 11.000 Schädel, 22.000 Beine und 220.000 Finger und Zehen als Reliquien verfügbar. Sehr praktisch, auch wenn die Kirche das Geschäft mit den Reliquien verboten hatte. Aber der findige Kölner findet auch dafür eine Lösung: Verkauft wurden daher nicht die Reliquien selber, sondern die hübschen Kisten und Schachteln drumherum. Und dass halt die Reliquie darin liegt – jood, dat es halt esu.

Ob es Ursula jemals gegeben hat, kann nicht belegt werden. Der Legende nach war Ursula eine bretonische Prinzessin im 4. Jahrhundert und schon als Kind so extrem fromm, dass sie ihr Leben Christus geweiht hatte und auf ewig Jungfrau bleiben wollte. Diese Pläne wurden durch ihren Vater durchkreuzt: Dieser verlobte Ursula mit dem englischen Prinzen Aetherius. Kleiner Haken: Aetherius war ein ungetaufter Barbar – für die fromme Ursula ein absolutes No-Go. Daher stellte sie drei Bedingungen:

  1. Sie erhält eine Frist von drei Jahren bis zur Eheschließung.
  2. Aetherius muss sich während dieser Zeit taufen lassen.
  3. Ursula unternimmt mit 11.000 Gefährtinnen eine Wallfahrt nach Rom. 

Aetherius stimmt zu. Es werden Schiffe gebaut, und die Jungfrauen machen sich auf den gefährlichen Weg nach Rom. Es geht von der Bretagne  quer über die Nordsee in die Rheinmündung und dann flussaufwärts zunächst bis nach Köln. Hier hat Ursula eine Vision: Ein Engel verkündet ihr, dass sie nach ihrem Besuch in Rom wieder zurück nach Köln kommen wird um dort als Märtyrerin zu sterben. Für ein frommes Mädchen wie Ursula anscheinend eine verlockende Aussicht, denn sie ergibt sich ihrem Schicksal.

Von Köln aus geht es weiter bis nach Basel und von dort aus zu Fuß quer über die Alpen nach Rom. Jetzt gibt es zwei Varianten der Legende: In der einen war zwischenzeitlich auch Aetherius in Rom angekommen. Seine Taufe und die Segnung von Ursula und der 11.000 Jungfrauen wurde von keinem geringerem als Papst Siricius (in manchen Quellen auch als Cyriacus bezeichnet) vorgenommen. In der anderen Variante treffen sich Ursula und der frischgetaufte Aetherius erst in Mainz. Wie auch immer: Völlig begeistert von der frommen Reisegesellschaft schließt sich der Papst den Jungfrauen an, denn er hatte erfahren, dass das Martyrium bevorstand und so etwas lässt man sich als Papst nicht entgehen.

Die Prophezeiung erfüllt sich

Wieder in Köln angekommen, stellt die um den Papst und Aetherius sowie etliche weitere Interessierte angewachsene Reisegesellschaft fest, dass die Hunnen die Stadt belagern. Diese fackeln nicht lange und metzeln die ganze Gefolgschaft nieder – insgesamt 10.998 Jungfrauen. Die Heilige Cordula überlebte das Massaker, weil sie sich verstecken konnte. Allerdings wird sie später von den Hunnen gefunden und ebenfalls getötet. Auch Ursula überlebt zunächst, weil der König der Hunnen sich in sie verliebt. Er bietet ihr an, sie zu verschonen, wenn sie ihn heiratet. Eine für Ursula aus gleich zwei Gründen unmögliche Option: Erstens wäre ja auch dieser Gemahl ein ungetaufter Barbar und zweitens muss sich ja mit ihrem Tod die Prophezeiung des Engels erfüllen. Folglich lehnt sie ab und der Hunnenkönig tötet sie.

Kaum war Ursula tot, erschienen 11.000 kampfeslustige Engel und vertrieben die Hunnen aus der Stadt – die Belagerung war beendet. Als Dankeschön für diese Befreiung machten die Kölner Ursula zu einer ihrer Stadtpatroninnen und die ganze Geschichte rund um Ursula zu einem sensationellen Geschäft mit Reliquien.


Im Teil II der Ursula-Geschichte wird erklärt, wie es die findigen Kölner geschafft haben, tatsächlich Unmengen an echten Knochen heranzuschaffen, um diese an die Pilger zu verkaufen.  


Hinter der schillernden Legende von Ursula wird ein anderer Stadtpatron oft vergessen: Der „Kriesgdienstverweigerer“ Gereon.


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