Der „Overather Kartoffelkrieg“ im Oktober 1923

"Anarchie im Aggertal" titelte das Mucher Tageblatt am 31. Oktober 1923
„Anarchie im Aggertal“ titelte das Mucher Tageblatt am 31. Oktober 1923

„Anarchie im Aggertal“ titelte das Mucher Tageblatt am 31. Oktober 1923. Und tatsächlich müssen sich Ende Oktober 1923 dramatische Szenen in den eher beschaulichen Örtchen Overath und Honrath abgespielt haben: Vom Hunger getriebene Kölner Bürger plünderten ganze Kartoffelfelder der bergischen Bauern, die sich ihrerseits mit Knüppeln, Mistgabeln und Dreschflegeln bewaffnet hatten, um ihr Hab und Gut zu schützen.

Drei Milliarden Mark für einen Zentner Kartoffeln

Die Not war, nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, groß. Es herrschte Mangel an buchstäblich allem, was zum täglichen Leben gebraucht wurde. Verschärft wurde diese Situation durch die Hyperinflation: Ein Zentner Kartoffeln kostete drei Milliarden Mark.

Vor allem in Städten war die Lebensmittelversorgung desaströs. Die Menschen versetzten Schmuck, Uhren, Geschirr oder Teppiche, um an Lebensmittel zu kommen, denn das nahezu wertlos gewordene Papiergeld wollte keiner haben. Es wurde gemaggelt, der Schwarzmarkt boomte.

Hamsterfahrten zur Lebensmittelbeschaffung

In der Not waren viele Kölner auf „Hamsterfahrt“. Es ging mit der Eisenbahn ins Bergische Land oder in die Eifel, um bei den Bauern alle halbwegs transportablen Wertgegenstände gegen Lebensmittel zu tauschen. Besonders beliebt dabei: Kartoffeln, die relativ gut zu transportieren und zu lagern waren.

Viele der Hamsterfahrer hielten sich aber nicht damit auf, zu tauschen: Mit Hacken und Schaufeln liefen sie auf die Felder und plünderten die Felder der Bauern. Insbesondere die Kartoffelfelder an den Bahnstrecken im Bergischen Land waren betroffen, denn so war der Abtransport der gestohlenen Kartoffeln schnell und einfach möglich. Verständlich, dass die hungernden Kölner keine gern gesehenen Gäste waren.

Eine erfolgreiche "Hamsterfahrt", die gehamsterten Kartoffeln werden verladen. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-S80285 / Walter Heilig / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Eine erfolgreiche „Hamsterfahrt“, die gehamsterten Kartoffeln werden verladen. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-S80285 / Walter Heilig / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Eskalation im Oktober 1923

Ende Oktober 1923 spitzte sich die Situation zu. Die Bahn hatte sogar „Sonderzüge zum Kartoffelkauf“ von Köln nach Overath eingesetzt. Die Bergischen Bauern ahnten bereits, dass dies weniger zum „Kartoffelkauf“, sondern vielmehr zum „Kartoffelklau“ führen würde und baten um Polizeiunterstützung. Aber vergebens.

Daher griffen die Bergischen Bauern zur Selbsthilfe und formierten sich am 26. Oktober 1923 am Bahnhof, um die Kölner daran zu hindern, das Bahnhofsgebäude zu verlassen. Die Not war so groß, dass in Much sogar die Kirchenglocken geläutet wurden, um noch mehr Hilfe herbeizurufen.

Es kam zu wüsten Prügeleien, doch die zahlenmäßig überlegenen Kölner konnten die Kette rund um den Bahnhof durchbrechen. Das erschreckende Ergebnis: Ein erschossener Kölner, ein erschlagener Bauer, zahlreiche Schwerverletzte, geplünderte Höfe und zentnerweise gestohlene Kartoffeln.
Bei dem toten Bauern könnte es sich um den erst 28jährigen Ackergehilfen Emil van Drenke gehandelt haben, der infolge seiner Verletzungen am 27. Oktober 1923 verstarb.

Todesanzeige des möglichen Opfers des "Kartoffelkriegs" Emil van Drenke aus der Lindlarer Zeitung vom 31. Oktober 1923
Todesanzeige des möglichen Opfers des „Kartoffelkriegs“ Emil van Drenke aus der Lindlarer Zeitung vom 31. Oktober 1923

Overath stellt Bürgerwehr auf

Das sollte den Overathern nicht noch einmal passieren! Mit Unterstützung von Arbeitern und Bergleuten aus dem Umland stellten die Overather Bauern eine 1.500 Mann starke Bürgerwehr auf.

Der nächste „Kartoffel-Sonderzug“ aus Köln am 29. Oktober 1923 kam nur bis Honrath, eine Station vor Overath. Mit Waffengewalt wurde der Lokführer gezwungen, den Zug zu stoppen und nach Köln zurückzufahren. Auch dabei kam es zu heftigen Auseinandersetzungen. Je nach Quelle starben ein bis vier Menschen.

Das „Mucher Tageblatt“ vom 31. Oktober 1923 berichtete:

„Sonntag war der Andrang der Plünderer in der Gegend von Overath und Marialinden äußerst stark. Mancher Hof und manches Haus wurde völlig ausgeplündert, nicht allein von Kartoffeln, sondern auch von Getreide und Federvieh. Das letztere wurde mit Knüppeln totgeschlagen und in die Säcke gesteckt.“

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die französischen Militärverwaltung dem Treiben tatenlos zugesehen. Doch ab Anfang November reagierten die Besatzer: Der Zugverkehr von Köln nach Overath wurde für mehrere Wochen eingestellt und etwa 1.000 französische Soldaten sicherten die Overather Kartoffelfelder.

Eine Banknote mit den Nennwert "Hundert Billionen Mark"
Eine Banknote mit den Nennwert „Hundert Billionen Mark“

Währungsreform bringt Beruhigung

Aber erst die Umstellung von der „Mark“ (M) auf die „Rentenmark“ (RM) im November 1923 konnte die Situation beruhigen. Mit dem aberwitzig anmutenden Kurs von 1.000.000.000.000 M : 1 RM (1 Billion Mark zu 1 Rentenmark) wurde die Inflation beendet.

Und bereits 1924 waren die Tagesausflügler aus Köln, mit reichlich neuer Währung in den Taschen, wieder im Bergischen Land willkommen.

Auf weiterhin gute Nachbarschaft, liebe Overather, Mucher, Rösrather und Honrather!


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Die „Römische Hafenstraße“ – eine 33 Meter lange Lüge!

Die "Römische Hafenstraße" in Köln, Bild: Uli Kievernagel
Die „Römische Hafenstraße“ in Köln, Bild: Uli Kievernagel

Fast im Schatten des Doms, unmittelbar neben dem Römisch-Germanischen Museum, liegt die „Römische Hafenstraße“ – eine vermeintlich antike Straße. Diese Straße hat es im Bewertungsportal „TripAdvisor“1Auf TripAdvisor können Menschen Sehenswürdigkeiten, Hotels, Restaurant etc. in aller Welt bewerten und kommentieren. auf immerhin 64 Bewertungen2Stand 12. August 2022 geschafft.

So hat Kerstin aus Andernach unter der Überschrift „Symbol des römischen Straßenbaus“ am 16.September 2018 über die „Römische Hafenstraße“ geschrieben:

„Damals wie heute halte ich es für unmöglich das diese Straße befahrbar war, selbst große Wagenräder sind bestimmt gebrochen, aber was solls, die Waren von und nach Köln kann man ja auch auf dem Rhein transportieren. Schön die Straße mal gesehen zu haben, Highheels gab’s bei den Römern wahrscheinlich nicht.“

Auch Ulrich aus Köln ist skeptisch. Sein Eintrag vom 24. Juli 2016 lautet:

„Kaum zu glauben, dass die Römer mit Pferdekarren über diese grobschlächtige Straße über hunderte Kilometer gereist sind. Sehr beeindruckend zu sehen.“

Und beide haben recht! Steht man vor den groben Quadern der Straße, fällt es schwer zu glauben, dass hier einst Pferdekarren drüber rumpelten. Der Achsbruch ist nach wenigen Metern garantiert und das die Karre ziehende Pferd würde nach ein paar weiteren Metern wegen massiver Verletzungen als Sauerbraten auf den Tellern der umliegenden Restaurants landen.

Das Römische Straßennetz

Das gesamte Römische Imperium beruhte auf einer extrem gut ausgebauten Infrastruktur. Die etwa 100.000 Kilometer Fernstraßen waren gut organisiert, es gab sogar eine Beschilderung mit Kilometersteinen zur Orientierung. Die Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA), unser heutiges Köln, war als Hauptstadt der Provinz Niedergermanien ein besonders wichtiger Verkehrsknotenpunkt. Hier liefen drei große Fernstraßen zusammen:

  • Die „Via Belgica“, heute Aachener Straße, führte bis Boulogne-sur-Mer an die Kanalküste, von dort ging es per Schiff weiter nach Britannien.
  • Die „Agrippa-Straße“, heute Luxemburger Straße, führte bis nach Lugdunum, dem heutigen Lyon.
  • Die „Limes-Straße“, heute die Achse Neusser Strasse-Eigelstein-Bonner Straße, führte von den Alpen bis an die Nordsee.
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse, Bild: Nicolas von Kospoth

Die Straßen in der CCAA waren, typisch für römische Siedlungen, nach einem Schachbrettmuster angelegt. Durch diese rechtwinklig zueinander laufenden Straßen führten zwei Hauptachsen. Einmal in Nord-Süd-Richtung der „Cardo Maximus“, heute die Hohe Straße, und in Ost-West-Richtung der „Decumanus Maximus“, heute die Schildergasse.

In diesem Schachbrettmuster würde man die „Römische Hafenstraße“ vergeblich suchen. Schlichtweg weil es sie so nicht gab.

Eine "echte" Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler
Eine „echte“ Römerstraße, hier die Via dell’Abbondanza im Pompeji, Bild: Ralf Drechsler

„Die Straße, die keine ist“

In einem lesenswerten Artikel der Kölschgänger von Ramona Krippner wird diese Straße als „Die Straße, die keine ist“ bezeichnet. Und das trifft den Nagel auf den Kopf! Denn diese Straße gab es nie – zumindest nicht an dieser Stelle.

Tatsächlich wurde diese Straße 1969/1970 bei Bauarbeiten zur Errichtung der Domplatte und der darunter liegenden Tiefgarage entdeckt. Damals lag diese Straße noch etwa sechs Meter versetzt nach Norden – und mitten in der Einfahrt der Tiefgarage.

„Nä – dat wör doch schad drum. Die Stroß künne mer doch nit fottschmieße.“ haben sich die Verantwortlichen gedacht. Und tatsächlich passt das Stück antiker Straße perfekt zum gleich nebenan liegenden Museum. Das Problem war aber, dass sich die Straße exakt in der Einfahrt der Tiefgarage befand. Und dort konnte sie unmöglich verbleiben. Was also tun? Schnell wurde entschieden, ein etwa 33 Meter langes Teilstück der Straße schlichtweg ein paar Meter nach Süden zu versetzen, auf den kleinen freien Platz neben dem Museum. Problem gelöst: Et kütt wie et kütt!

Die markierten Steine der "Römischen Hafenstraße" vor dem Regen, Fotograf: unbekannt
Die markierten Steine der „Römischen Hafenstraße“ vor dem Regen, Fotograf: unbekannt

Die kölsche Variante einer römischen Straße

Sogleich ging man an die Arbeit, markierte die Steine mit Nummern, um diese auch exakt so wieder zusammensetzen zu können. Danach wurden die Steine auf Paletten gelegt – und erstmal Feierabend gemacht.

Am nächsten Morgen war die Bestürzung groß: In der Nacht hatte es geregnet. Zum Schutz der Steine wurden die Nummern mit Kreide markiert. Allerdings sind Kreide und ausgiebiger Regen keine gute Kombination. Das Ergebnis: Alle Nummern waren abgewaschen und niemand konnte mehr sagen, wie das Puzzle aus Hunderten von Steinen zusammengesetzt werden sollte.

Und da kam der kölsche Pragmatismus ins Spiel: „Dat is doch ejal. Wie su en römisch Stroß ussjesinn hat, kann doch hück keiner mieh saare.“ So wurde die Straße in der kölschen Variante wieder aufgebaut: Riesige Fugen, extrem uneben, nicht befahrbar und nur sehr eingeschränkt begehbar. Ävver: Et hätt noch immer joot jejange.

Vergleich "echte" römische Straße und "kölsche römische" Straße, Bild: Uli Kievernagel, Kritzolina, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Römische Baumeister, die immerhin Arenen für bis zu 50.000 Besucher, ein gigantisches Straßennetz quer durch Europa oder Wasserleitungen mit einem perfekt ausgetüftelten Gefälle über hunderte von Kilometern gebaut haben, würden über diese Straße nur den Kopf schütteln.

Sanierung des Museums als Hoffnungsschimmer

Es bleibt die Hoffnung, dass man sich mit der umfassenden Sanierung des Römisch-Germanischen Museums, welche bis 2026 abgeschlossen sein soll, auch der „Römischen Hafenstraße“ annimmt und diese noch einmal neu verlegt.

Dann würde auch Artikel 5 des „Kölschen Grundgesetzes“ gelten:
„Et bliev nix wie et wor.“


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Kastell Divitia – Weltkulturerbe op dä „Schäl Sick“

 

Modell des Kastells Divitia, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0
Modell des Kastells Divitia, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Seit 27. Juli 2021 ist es amtlich: Neben dem Dom haben wir in Köln jetzt ein zweites Weltkulturerbe. Der Niedergermanische Limes ist in die Liste des Welterbes aufgenommen worden.

Bei dem Limes handelt es sich um die von den Römern bis ca. 600 nach Christus angelegten Grenzen. Der aktuell geehrte Abschnitt des Limes beginnt in Rheinbrohl (Rheinland-Pfalz) und endet an der Nordsee. Neben den eigentlichen römischen Grenzanlagen sind auch die dazugehörigen Militäranlagen Teil des Titels Weltkulturerbe.

Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth
Das römische Köln im 3. und 4. Jahrhundert in einem Schaubild des Römisch-Germanischen Museums. Gut zu erkennen: Die Konstantinbrücke endet exakt im Kastell Divitia, Bild: Nicolas von Kospoth

Kastell Divitia als Machtdemonstration

Von außerordentlicher Bedeutung ist dabei das Kastell Castrum Divitensium, von den Rheinländern zu „Divitia“ abgekürzt, im heutigen Deutz. Diese stark befestigte Anlage ist die einzige römische Wehranlage auf der „Schäl Sick“, also im Rechtsrheinischen. Der Rhein bildete die eigentliche Grenze, das Kastell diente als Brückenkopf der Römer im rechtsrheinischen „Land der Barbaren“. Cäsar sprach den „rechtsrheinischen Barbaren jegliches Ro­ma­ni­sie­rungs­po­ten­ti­al ab“.1Lambrecht, Ulrich, Der Rhein im Denken der Römer, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Epochen-und-Themen/Themen/der-rhein-im-denken-der-roemer/DE-2086/lido/5d63a243246c37.82044604, abgerufen am 18.05.2021.

Dabei diente das Kastell Divitia als Machtdemonstration der Römer. Eusebius von Caesarea, ein ausgesprochener Bewunderer Kaiser Kontantins, schreibt im Jahr 310, noch während des Baus der Konstantinbrücke und des Kastells:

„… Dagegen sind die in Abständen an unserer Seite aufgereihten Kastelle ja mehr als Schmuck denn als Schutz der Grenze gedacht.  … Darüber hinaus verhöhnst Du2hier spricht er Kaiser Konstantin direkt an durch den Brückenbau in Köln die Reste des hart geschlagenen Stammes der Franken. Sie sollen niemals ihr Angstgefühl verlieren, ständig in Schrecken leben, immer um Gnade flehen. Aber Du machst das ja mehr zum Ruhme Deiner Herrschaft und zur Verschönerung der Grenze als um die Möglichkeit zu haben, so oft du willst, ins Feindliche hinüberzuwechseln … „

Das Bronze-Modell des Kastells in einer ganz besonderen Perspektive, Bild: Silke Koenen
Das Bronze-Modell des Kastells in einer ganz besonderen Perspektive, Bild: Silke Koenen

Der Bau des Kastells fand nahezu zeitgleich mit dem Bau der Konstantinbrücke, der ersten festen Brücke über den Rhein, ab etwa 308 nach Christus statt. Das Kastell war quadratisch mit einer Seitenlänge von etwa 140 Metern angelegt. Und die von Eusebius von Caesarea beschriebene Machtdemonstation spiegelt sich in der extrem stark befestigten Anlage wider:

  • Eine rundumlaufende Mauer mit einer Stärke von 3,30 Meter,
  • 14 Wachtürme,
  • zwei massive Tore mit Fallgittern,
  • ein zwölf Meter breiter und drei Meter tiefer Gaben vor der Mauer.

Das Kastell lag exakt in der verlängerten Achse der Konstantinbrücke. So konnten sehr schnell Truppen verlegt werden. Ausgehend von der Größe des Kastells kann man von einer Besatzung von etwa 900 Legionären ausgehen.

Bronze-Modell des Kastell Deutz, Bild: Uli Kievernagel
Bronze-Modell des Kastell Divitia, Bild: Uli Kievernagel

 Wechselvolle Geschichte 

Etwa 40 Jahre nach Fertigstellung des Kastells wurde Köln im Herbst des Jahres Jahr 355 von den Franken belagert. Im Dezember des gleichen Jahres gaben die Römer Köln auf. Nach einer nur kurz währenden Rückeroberung durch Römer in der Zeit von 435 bis 446 endete die römische Vorherrschaft endgültig im Jahr 454. Das Kastell Divitia wurde bereits 401 aufgegeben, die Franken errichteten dort einen Königshof. Im Jahr 1003 wurde das Gelände in ein Benediktinerkloster umgewandelt.

Zum konkreten Abriss des Kastells Divita und der Konstantinbrücke gibt es keine gesicherten Quellen. Möglicherweise wurden beide Bauwerke zwischen zwischen 957 und 965 abgerissen, die Steine wurden zum Bau von St. Pantaleon verwendet. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand auf dem Gelände eine preußische Kaserne.

Name bleibt im Ortsteil Düx erhalten

Heute ist von dem Kastell nur noch wenig sichtbar erhalten, da das Gelände im Rahmen der Uferregulierung des Rheins im 19. Jahrhundert, komplett umgestaltet wurde. Der nordwestliche Turm ist Teil des Rheinboulevards, Teile der Außenmauern finden sich in den Gewölbekellern des Klosters Alt St. Heribert.

Der Förderverein Historischer Park Deutz e.V. setzt sich für die Vermittlung von Deutzer Geschichte und Archäologie ein und hat wesentlich darauf hingewirkt, dass das Gelände trotz massiver Baumaßnahmen heute noch einen Einblick in die 1.700jährige Geschichte ermöglicht. Ein besonderer Hingucker: Ein Bronze-Modell des Kastells als Dauerleihgabe an die Stadt. 

Aber auch wen von den ursprünglichen Mauern nicht viel erhalten gelieben ist – der Name des Kastells lebt weiter. Aus Castrum Divitensium wurde DivitiaDuiza, Duytz, Dutze, Duitze, Deutsch, Teutsch bis hin zu Deutz.

Oder – wie die Kölschen es liebevoll nennen: Düx.


Virtuelle Führung

Der Förderverein Historischer Park Deutz e.V. bietet auf seiner Website eine sehenswerte virtuelle Führung an. Lohnt sich!  


Ein weiteres wichtiges Kastell der Römer war das Flottenkastell Alteburg im heutigen Stadtteil Marienburg.


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Kölner Brücken: Die Konstantinbrücke – Kölns erste feste Rheinquerung

Darstellung der Konstantinbrcke aus dem Jahr 1608 mit viel künstlerischer Freiheit, so gab es z.B. keinen Turm in der Brückenmitte
Darstellung der Konstantinbrücke aus dem Jahr 1608 mit viel künstlerischer Freiheit, so gab es z.B. keinen Turm in der Brückenmitte

Ich ben en kölsche Bröck
üvver die halv Kölle jöck.
Ich hald‘ minge Puckel hin
für üch he am Rhing.

(Kölsche Bröck von den Bläck Fööss)

Wie schön, dass es „Köln am Rhein“ heißt. Die Stadt hat sich in den letzten 2.000 Jahren links und rechts vom Fluss gebildet. Soweit alles gut. Doch das Drama beginnt, sobald man von einer Rheinseite auf die andere wechseln will. Wenn man nicht gerade mit der Personenfähre „Krokodil“ oder der Langeler Autofähre unterwegs ist, muss man eine Brücke nehmen. Deren gibt es heute insgesamt acht. Aber es gab auch einige Vorläufer, die heute nicht mehr existieren.

Die „Konstantinbrücke“ oder auch „Römerbrücke“

Unstrittig ist, dass es diese erste Brücke über den Rhein in Köln tatsächlich gab. Strittig ist allerdings, wie sie tatsächlich ausgesehen hat und vor allem, bis wann die Konstantinbrücke genutzt wurde.


Steckbrief Konstantinbrücke

  • Konstruktion: Steinpfeiler, Holz
  • Länge: 420 m
  • Breite: 10 m
  • Fertigstellung: ca. 310 n. Chr.

Der Rhein als Grenze

Strategisch war diese Brücke ein entscheidender Vorteil für die Römer: Der Rhein bildete die Grenze zwischen den links­rhei­ni­schen von den Römern besetzten Gebieten und den rechts­rhei­ni­schen Ger­ma­nen. Während Cäsar die Gebiete links vom Rhein für „zi­vi­li­sie­rungs­fä­hig“ hielt, sprach er den „rechtsrheinischen Barbaren jegliches Ro­ma­ni­sie­rungs­po­ten­ti­al ab“1Lambrecht, Ulrich, Der Rhein im Denken der Römer

Um die wichtige Colonia Claudia Ara Agrippinensium, unser heutiges Köln, vor den „rechtsrheinischen Barbaren“ zu schützen, wurde im heutigen Deutz etwa 308 n. Chr. das Kastell Divitia als Brückenkopf errichtet.

Goldmünze, geprägt um 315 n. Chr. in Trier. Deutlich zu erkennen ist das Kastell Divitia, seitlich des Kastells sitzen ein besiegter Franke und Alemanne. Von der Konstantinbrücke sind zwei Bögen zu sehen, Bild: Radnoti-Alföldi 1991
Goldmünze, geprägt um 315 n. Chr. in Trier. Deutlich zu erkennen ist das Kastell Divitia, seitlich des Kastells sitzen ein besiegter Franke und Alemanne. Von der Konstantinbrücke sind zwei Bögen zu sehen, Bild: Radnoti-Alföldi 1991

Und dieser Schutz der linksrheinischen Gebiete war dringend notwendig. Bereits 261 n. Chr. kam es zu ersten Plünderungen durch die Franken im Römischen Reich – auf der linksrheinischen, also römischen, Seite des Flusses. Danach gab es regelmäßig weitere Überfälle von den Germanen rechtsrheinisch auf die römischen Provinzen linksrheinisch. Um auf diese Überfälle angemessen reagieren zu können, mussten schnell Truppen verlegt werden können.

So wurde 307 bis 309 n. Chr. mit dem Bau der Konstantinbrücke begonnen, was sich durch ein spezielles Verfahren zur Bestimmung des Alters von Holz mithilfe der Jahresringe nachweisen lässt.

Geborgene Eichenholzpfähle der Konstantinbrücke, heute im Römisch-Germanischen Museum, Bild: HOWI - Horsch, Willy
Geborgene Eichenholzpfähle der Konstantinbrücke, heute im Römisch-Germanischen Museum, Bild: HOWI – Horsch, Willy

Lage entspricht ungefähr der heutigen Deutzer Brücke

Es liegen keine gesicherten, endgültigen Erkenntnisse über die Konstruktion dieser ersten Rheinbrücke vor. Eindeutig ist, dass es sich um eine Brücke in Mischbauweise gehandelt hat. „Auf Pfahlrosten mit eingefüllten Steinen ruhten die aus Quadermauerwerk bestehenden Brückenpfeiler, während der Oberbau aus Hölzern mit einer hölzernen Fahrbahn errichtet war.“2 Frank/Hanel: Die Frankenfeldzüge der Kaiser Konstantin I. und Valentinian I. – Überlegungen zur spätrömischen Rheinbrücke zwischen der Colonia Agrippina und dem rechtsrheinischen castrum Divitensium anhand dendrochronologischer Daten, https://books.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum/reader/download/492/492-30-85880-1-10-20190802.pdf, abgerufen am 12.05.2021

Die Brücke hat sich ungefähr dort befunden, wo sich heute die Deutzer Brücke über den Rhein spannt. Vermutlich lag sie linksrheinisch zwischen der Einmündung der Salzgasse in die Frankenwerft, rechtsrheinisch führte sie unmittelbar in das Kastell Deutz, heute etwa Alt St. Heribert.

Um wie viele Brückenpfeiler es sich gehandelt hat, ist unklar. 15 Pfeiler konnten nachgewiesen werden, vermutlich handelte es sich aber um 19 Pfeiler. Die These, dass die Konstantinbrücke in der Mitte tatsächlich eine Öffnung für den Schiffsverkehr gehabt haben soll, konnte bis heute nicht belegt werden.

900 Jahre bis zur nächsten Rheinquerung

Erste, umfangreichere Reparaturen der Brücke waren um etwa 335 n. Chr. fällig. Weitere Instandhaltungen können um 365 n. Chr. nachgewiesen werden. Unklar ist aber, wie lange die Brücke bestand. Dr. Marion Euskirchen vom Römisch-Germanischen Museum geht davon aus, dass die Brücke in karolingischer Zeit nicht mehr existierte. Denn: Bei einem Besuch Karls des Großen (747-814) in Köln wird Konstantinbrücke nicht erwähnt.

Und dann dauerte es fast 900 Jahre, bis Köln mit der Deutzer Schiffsbrücke wieder eine Rheinquerung bekommen sollte, allerdings nur als schwimmende Pontonbrücke.

Es bleibt die die Hoffnung, dass es jetzt nicht weitere 900 Jahre dauert, bis das aktuelle Kölner Brücken-Chaos beendet ist.


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


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Der kölsche Knast Teil II: Die Hacht – ein Knast direkt am Dom

Abbruch der Hacht (1893), Bild: Kölnisches Stadtmuseum (gemeinfrei)
Abbruch der Hacht (1893), Bild: Kölnisches Stadtmuseum (gemeinfrei)

Wenn heute Touristen über die Domplatte streifen und Selfies vor der majestätischen Kathedrale machen, ist es kaum vorstellbar, dass noch bis 1893 dort die Hacht stand – ein Gefängnis und Gericht. Unzählige Delinquenten mussten sich dort unmittelbar vor ihrer Hinrichtung diesen Spruch vom Henker anhören:

Ich stoße Dich an den blauen Stein,
Du kommst zu Vater und Mutter nimmer heim.

Diese zum Tode verurteilten Menschen verbrachten ihre letzte Nacht in der Hacht auf der (heutigen) Domplatte. Mit Sonnenaufgang kam der Henker und führte sie hinaus. Der Stab wurde sie über gebrochen. Das war damals tatsächlich wörtlich zu verstehen, denn als Zeichen der richterlichen Gewalt wurde ein dünner, zuvor eingekerbter Holzstab zerbrochen. Der besagte „blaue Stein“ war eine an der Kirche St. Johann-Evangelist1Diese Kirche wurde 1828/1829 abgebrochen. eingemauerte Schieferplatte. Unter dem Läuten des Armesünderglöckchens ging es dann zum Richtplatz, in der Regel Melaten, wo das Todesurteil vollzogen wurde.

Lage der Hacht und der Hachtpforte. Deutlich zu erkennen: Der "Blaue Stein" auf dem heutigen Roncalliplatz, Bild: Hermann Keussen, Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910, Bd. 2)
Lage der Hacht und der Hachtpforte. Deutlich zu erkennen: Der „Blaue Stein“ auf dem heutigen Roncalliplatz, Bild: Hermann Keussen, Topographie der Stadt Köln im Mittelalter, 1910, Bd. 2)

Unüberschaubare Gerichtsbarkeit

Das Hachtgericht mit Gefängnis an der heutigen Straße Am Hof gehörte zu einer unüberschaubaren Vielzahl von Gerichten in Köln. Franz-Josef Knöchel bezeichnet die Organisation der Gerichtsbarkeit in Köln als unüberschaubar: So können für das Jahr 1806 in Köln 60 Gerichte nachgewiesen werden, darunter das Bürgermeister-, Rats- und Amtsgericht, aber auch ein Turmgericht, ein Gewaltgericht, ein Fiskalgericht oder das „Unterlahngericht“, welches für Erbschaftsstreitereien zuständig war. Kurios: Auch für die Belange der Winzer und Weinhändler gab es ein eigenes Gericht.2„Gefängnis und Gericht Hacht in Altstadt-Nord”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/KLD-296981 (Abgerufen: 21. April 2021)

Basis für die spezielle Rechtsprechung des Hachtgerichts waren die vom Erzbischof auf seinen Vogt übertragenen Befugnisse. In diesem Gericht wurden alle möglichen Straftaten verhandelt, von einfachem Diebstahl bis hin zu Kapitalverbrechen. Aber auch Hexenprozesse fanden in der Hacht statt.

Ein finsterer Ort

Der Name Hacht leitet sich wahrscheinlich von dem Begriff „Haft“ ab. Mit Hacht wurde aber nicht nur das Gericht und das Gefängnis, sondern weite Teile des Bereichs um den Dom bezeichnet. Allerdings war diese Ecke, die ungefähr am heutigen Heinzelmännchenbrunnen liegt, damals wenig ansehnlich: Es stank erbärmlich, ein offener Abwasserkanal zog sich quer über das Gelände. Die heutige Straße Am Hof markierte mit dem bereits 1165 errichteten Hachttor die Grenze des bischöflichen Immunitätsbezirks.3Diese Bereiche grenzten den Bereich der Freien Reichsstadt Köln von dem juristisch eigenständigen Areal der Klöster und Kirchen ab. Wer sich in einem Immunitätsbezirk aufhielt, unterlag dem Kirchenrecht.

Die Hacht selber war ein finsterer Ort, mit engen Zellen und in die Wände eingelassenen Eisen- und Halsringen, an welche die Gefangenen gekettet wurden. 1404 brannte die Hacht ab, wurde aber wieder als schmuckloses Funktionsgebäude aufgebaut, um das sich wohl nicht ausreichend gekümmert wurde. Im Jahr 1621 war die Hacht dann so baufällig, dass das Gebäude abgerissen und neu aufgebaut wurde.

Holzmodell der Hacht von 1726, Bild: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, 1930, S. 346
Holzmodell der Hacht von 1726, Bild: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, 1930, S. 346

Die Hacht führt zum Streit zwischen Kurfürsten und Stadt

Und wieder wurde die Hacht vernachlässigt, und es kam 1726 zu einem Streit zwischen der kurkölnischen Verwaltung und der Stadt. Gegenstand des Streits waren die Kosten zur dringend notwendigen Renovierung der Hacht. Beide Parteien konnten sich nicht einigen, so wurde der Kaiser zum Schiedsrichter berufen. Zur Klärung des Sachverhalts wurde eigens ein Modell des Gebäudes aus Holz nachgebaut. Das Urteil des vom Kaiser eingesetzten Schiedsrichter war salomonisch: Die Reparatur des Mauerwerks hatte der Kurfürst, die des Oberhauses die Stadt zu bezahlen.

Die Hachpforte um 1890, Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln
Die Hachpforte um 1890, Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln

Heute wird wieder gebaut

In der Folgezeit waren in der Hacht eine Schnapsbrennerei und ein Antiquitätenhändler untergebracht. 1820 wurden die Gebäude abgerissen und das Hotel Francfort dort errichtet. Wie anscheinend an dieser Stelle üblich wurde auch das Hotel nicht ausreichend gepflegt. So war es kein Verlust, als das baufällige Gebäude 1893 abgerissen wurde, um eine freie Sicht auf den zwischenzeitlich fertiggestellten Dom zu ermöglichen.

Heute gibt es quer über den Roncalliplatz den freien Blick auf den Dom. Aber die Bautätigkeit dort geht wieder los: Das Dom-Hotel wird kernsaniert, das Kurienhaus an der zum Rhein gelegenen Seite und auch das gegenüberliegende Laurenz-Carré werden demnächst abgerissen. Hier wird vollständig neu gebaut.

Aber schon in 20 Jahren ist dann alles fertig.
Darauf freue ich mich schon heute.


Die Geschichte und Geschichten zum Kölschen Knast 


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Der Kölner Stapel – ein gutes Geschäft für die Kölner

Das Stapelhaus war lange Zeit ein wichtiger Umschlagsplatz für verderbliche Güter, insbesondere Fisch, Postkarte von ca. 1900, Wizico Verlag
Das Stapelhaus war lange Zeit ein wichtiger Umschlagsplatz für verderbliche Güter, insbesondere Fisch, Postkarte von ca. 1900, Wizico Verlag

Stellt euch mal vor, ihr wärt ein Winzer in Mainz. Und ihr hättet Kunden in Amsterdam, die bei euch 20 Fässer Wein bestellen. Ihr packt den Wein in Mainz auf ein Schiff und dann geht es ab nach Amsterdam. Doch in Köln müsstet ihr erstmal den ganzen Wein ausladen und mindestens drei Tage allen Kölnern zum Verkauf anbieten, bevor ihr mit den nicht verkauften Resten nach Amsterdam weiterfahren dürftet. Klingt verrückt – war aber von der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts bis ins neunzehnte Jahrhundert gelebte Praxis in Köln und nannte sich Stapelrecht.

Der Kölner Stapel

Der 7. Mai 1259 war für die Kölner ein Tag zu Freude. An diesem Tag gewährte der Erzbischof von Köln, Konrad von Hochstaden, der Stadt das Stapelrecht. Vereinfacht ausgedrückt bedeutete das Stapelrecht: Alle Waren, die durch Köln transportiert wurden, mussten den Kölner Bürgern drei Tage lang zum Kauf angeboten werden. Tatsächlich gab es bereits lange vorher spezielle Zollregeln. Doch neu war, dass auch die Waren, die nur im Transit und somit nicht für Köln bestimmt waren, angeboten werden mussten. Der Begriff Stapelrecht leitet sich davon ab, dass die Händler ihre Waren zum Verkauf stapeln mussten, daher auch der Begriff „Kölner Stapel“.

Vergleichbare Stapelreche hatten auch andere große Handelsstädte, zum Beispiel Mainz, Frankfurt am Main, Erfurt, Wien und die Hansestädte Hamburg, Lübeck oder Rostock. Allerdings hatte Köln einen ganz entscheidenden Vorteil: Mit dem Rhein verlief auch der wichtigste Transportweg des Reichs mitten durch die Stadt. Und das Stapelrecht wurde auch auf alle Waren angewendet, die auf dem Fluss transportiert wurden.

Kupferstich von Abraham Hogenberg (1578-1653)
Kupferstich von Abraham Hogenberg (1578-1653)

Zwar gab es trickreiche Händler, die das Stapelrecht umgehen wollten, indem sie Waren weit vor der Stadt und außerhalb des Stapel-Privilegs von den Schiffen ausluden. Die Waren wurden auf Karren um Köln herum transportiert und danach wieder auf Schiffe geladen. Beliebt waren dafür die Häfen in Zündorf und Mülheim. Noch heute erinnert der „Mauspfad“ (als Ableitung von „Mautpfad“) an diese Praxis. Allerdings war diese Variante teuer und zeitaufwändig.

Umschlag von Nieder- auf Oberländer

Neben dem Stapelrecht gab es auch noch das Umschlagsrecht. Hier spielten die Bedingungen der Schifffahrt auf dem Rhein den Kölnern in die Karten. Auf dem Weg von der Nordsee bis nach Köln konnten Schiffe mit größerem Tiefgang eingesetzt werden – sogenannte Niederländer. Allerdings konnten diese nicht rheinaufwärts durch das enge und felsige Mittelrheintal fahren. Deswegen wurden die Waren auf sogenannte Oberländer umgeladen. Oberländer sind Frachtschiffe mit geringem Tiefgang, die besonders gut für die schwierigen Stromverhältnisse im Mittelrheintal geeignet waren.

Der Schiffstyp "Oberländer", perfekt geeignet für Fahrten durch das Mittelrheintal, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Der Schiffstyp „Oberländer“, perfekt geeignet für Fahrten durch das Mittelrheintal, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531

Die Niederländer fuhren in etwas bis Höhe Salzgasse. Dort stellte die Stadt spezielle Möglichkeiten zum Umladen auf die Oberländer und umgekehrt zur Verfügung. Auf der Stadtansicht von Anton Woensam aus dem Jahr 1531 kann man die verschiedenen Schifftypen sowie ein abgeschrägtes Holzgestell als Trennlinie zwischen den Oberländer und Niederländer Schiffen gut erkennen. Noch heute erinnern die Kölner Straßennamen „Niederländer Ufer“ und „Oberländer Ufer“ an diesen speziellen Warenumschlag.

Sogenannte "Niederländer" für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee. Am linken Bildrand ist das Holzgestell zu erkennen, welches die Anlegestellen der Ober- und Niederländer trennt, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531
Sogenannte „Niederländer“ für Fahrten auf dem Rhein bis zur Nordsee. Am linken Bildrand ist das Holzgestell zu erkennen, welches die Anlegestellen der Ober- und Niederländer trennt, Bild: Ausschnitt aus der Stadtansicht von Anton Woensam, 1531

Mittelsmänner für den Warenumschlag und der „Kölner Brand“

Für die Kölner war das Stapelrecht eine hervorragende Möglichkeit, nicht nur an die besten Waren zu kommen, sondern auch Geschäfte zu machen. Denn das Stapelrecht regelte auch, dass die Händler von außerhalb nicht untereinander Geschäfte machen durften, sondern dafür einen Kölner Mittelsmann brauchten. Hier boten sich die Wirte an, bei denen die Händler, die in Köln ihre Waren stapeln mussten, untergebracht waren. Und diese ließen sich für diese Tätigkeit gut bezahlen.

Die Stadt profitierte aber auch von den unterschiedlichen Abgaben in Zusammenhang mit dem Stapelrecht: Steuern, Benutzungsgebühren für die Kräne, Wiegegeld und Ha­fen­ge­bühren füllten die Stadtkassen. Außerdem wurden Qualitätskontrollen für sogenannte „Ventgüter“ eingeführt. Zu den Ventgütern gehörten empfindliche und verderbliche Waren wie zum Beispiel Fi­sch, But­ter oder Speck. Bei dieser Kontrolle wurden diese Waren geprüft und umgepackt. Nach dem Umpacken erhielten zum Beispiel Fässer mit Heringen, die neu eingesalzen wurden, ein spezielles Brandzeichen: Drei Kronen, den „Kölner Brand“. Auch für dieses Qualitätskennzeichen wurden Gebühren an die Stadt fällig.

Das Kölner Stapelhaus heute, Bild: Michael Musto, CC BY-SA 4.0
Ein wichtiger Umschlagplatz für Ventgüter, insbesondere Fisch, war das Stapelhaus. Über speziell Abflussöffnungen konnten Abfälle direkt in den Rhein gespült werden, Bild: Michael Musto, CC BY-SA 4.0

Die „Zweite Rhein­schiff­fahrts­ak­te“ löst das Stapelrecht auf 

Ab etwa Mit­te des 16. Jahr­hun­derts verlor das Kölner Stapelrecht an Bedeutung. Doch die Kölner hielten trotz gegenteiliger Bestimmungen daran fest, obwohl das Stapelrecht spätestens ab etwa 1800 nur noch als Umschlags­recht ausgeübt wurde. Erst die „Main­zer Rhein­schiff­fahrts­ak­te“ vom 31. März 1831 beendete nach immerhin 572 Jahren offiziell das Stapelrecht.

Ganz umsonst mussten sich die Kölner aber nicht von ihrem geliebten Kölner Stapel verabschieden: Preußen zahlte eine Entschädigung in Höhe von 50.000 Talern pro Jahr. So erwirtschaftete die Stadt immerhin noch 232.000 Ta­ler, bevor die „Zweite Rhein­schiff­fahrts­ak­te“ im Jahr 1868 ganz offiziell das Umschlags- und Stapelrecht auflöste.

Und so trauern die Kölner heute noch immer einem Recht nach,
welches ihnen wirklich gut gefiel:
Wenig machen, dafür aber viel Geld kassieren.


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Am 3. März 1933: Die Elsaßstraße wehrt sich gegen Nazis

Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsassstraße 42 - 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0
Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsaßstraße 42 – 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0

Blumentöpfe, Flaschen und jede Menge Müll flogen aus den Fenstern. Und auch so mancher Nachttopf – zum Teil mit Inhalt. Getroffen wurden damit die Richtigen: SA-Truppen, die am 3. März 1933, zwei Tage vor der Reichstagswahl, mit einem Fackelzug zeigen wollten, wer das Sagen auf den Straßen Kölns hat. Doch diese Machtdemonstration wurde zunächst jäh gestoppt. Kaum in der Elsaßstraße angekommen, mussten die vermeintlichen „Herrenmenschen“ Reißaus nehmen und sich vor den Wurfgeschossen aus den oberen Etagen in Sicherheit bringen.

Es war nicht verwunderlich, dass die Nationalsozialisten ausgerechnet auf der Elsaßstraße einen „op de Mütz“ bekommen haben. Galt doch diese Ecke der Südstadt als Hochburg der Kommunisten. Und genau hier wollte die SA mit dem braunen Aufmarsch provozieren. Womit die SA-Leute aber nicht gerechnet haben, war die Wehrhaftigkeit der Nachbarschaft. Und so wurde aus dem vermeintlichen Triumphmarsch ein Desaster, und die SA musste sich zurückziehen.

Festnahmen und verwüstete Wohnungen – ein Augenzeugenbericht

Allerdings war der Sieg über die Nationalsozialisten nur von kurzer Dauer und musste von den Bewohnern der Elsaßstraße teuer bezahlt werden: Die herbeigerufene Polizei riegelte den ganzen Straßenzug für drei Tage vollständig ab, die Wohnungen wurden durchsucht. Und die SA-Truppen als „Hilfspolizisten“ gingen dabei nicht gerade zimperlich mit Menschen und Mobiliar um. Das Ergebnis waren verwüstete Wohnungen und 70 Festnahmen.

Gedenktafel in der Elsaßstraße. Bild: Uli Kievernagel
Gedenktafel in der Elsaßstraße, Bild: Uli Kievernagel

 „Ich kam mit meiner Mutter aus dem Kolonialwarenladen, da hörten wir Marschmusik in unserer Straße. Dann begann auch schon die Schlacht.“, so der Zeitzeuge Franz Lottner (Jahrgang 1927)1Quelle: https://www.kirche-koeln.de/lutherkirche-erinnerung-an-den-wohl-letzten-strassenkampf-gegen-die-sa-im-damaligen-deutschen-reich-1933-in-der-koelner-elsassstrasse„Als alles vorbei war und die Polizei mit SS-Männern die Kontrolle übernommen hatte, wurde unsere Wohnungstür aufgebrochen. Ein SS-Mann mit Pistole kam herein und warf den Schrank um, in dem wir auch unser Geschirr aufbewahrten. Vieles zerbrach. Alle Bewohner der Elsaßstraße erhielten drei Tage Hausarrest. Die Kinder durften nicht zur Schule gehen. Wer nichts zu essen im Haus hatte, der hatte Pech gehabt und musste auf die Hilfsbereitschaft der Nachbarn hoffen.“

Kunstwerk ohne Genehmigung

Heute erinnert ein Graffito des 2009 verstorbenen Künstlers Klaus Paier an die „Schlacht auf der Elsaßstraße“. Es zeigt eine zeternde Frau, die einen Blumentopf und ein Nudelholz aus dem Fenster auf einen Mann wirft, der die Hand zum Hitlergruß erhoben hat.

Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsassstraße 42 - 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0
Graffito von Klaus Paier am Bunker Elsaßstraße 42 – 46, Bild: Geolina163, CC BY-SA 4.0

Und wir wären ja nicht in Köln, wenn es nicht auch Irrungen und Wirrungen um dieses Kunstwerk gegeben hätte. Paier hatte im August 1990 im Rahmen eines Straßenfests das Bild auf die nackte Wand des Hochbunkers in der Elsaßstraße 42 gemalt. Allerdings ohne offizielle Genehmigung, was dazu führte, dass das Bild zweimal übermalt wurde. Doch auch hier zeigte sich die Nachbarschaft in der Elsaßstraße wieder wehrhaft: Das Graffito wurde mehrfach in Eigenregie restauriert und ausgebessert, zuletzt bei einer unangemeldeten Aktion 2019.

Mittlerweile ist das Graffito ein eingetragenes Denkmal und unterliegt somit dem Denkmalschutz. Was allerdings stümperhafte Sprayer nicht davon abhält, das Bild zu verunstalten. Schämt euch!


Eine aufrechte Frau aus der Elsaßstraße: Maria Eßer

Andreas Andy Artmann hat mir erlaubt, seinen kurzen Bericht über seine Großmutter veröffentlichen. Vielen Dank dafür! 

Meine Familie mütterlicherseits war dabei. Meine Mutter wurde in der Elsaßstraße geboren. Sie erlebte den Bau des Hochbunkers, versorgte die Zwangsarbeiter im Auftrag meiner Oma mit Lebensmitteln. Darauf hatten die Nazis die Todesstrafe verhängt. Kommentar dazu von meiner Großmutter: In meiner Straße verhungert keiner. Oma Maria Eßer legte sich sogar mit der Gestapo an und konnte so verhindern, dass ihre Kinder zum BDM oder zur HJ mussten. Meine Mutter sah allerdings ihre beste Freundin in einem Bombenangriff sterben. Nur unter vorgehaltener Waffe war meine Großmutter bereit »ihre Elsaß-Straße« zu verlassen. Das nannte sich Zwangsevakuierung.

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Dat Dreikünnijepöötzche | Das Dreikönigenpförtchen

Das von den Kölschen" Dreikünnijepöötzche" genannte Dreikönigenpförtchen am Lichhof vor St. Maria im Kapitol, Foto: Rembert Satow, CC BY-SA 3.0
Das von den Kölschen“ Dreikünnijepöötzche“ genannte Dreikönigenpförtchen am Lichhof vor St. Maria im Kapitol, Foto: Rembert Satow, CC BY-SA 3.0

Und schon wieder jitt et kölsche Verzäll, der so nicht stimmen kann: Es kann ausgeschlossen werden, dass Rainald van Dassel mit den Reliquien der Heiligen Drei Könige durch das Dreikünnijepöötzche, das Dreikönigenpförtchen, an St. Maria im Kapitol in die Stadt eingezogen ist. Denn: Das heutige gotische Tor stammt ungefähr aus dem Jahr 1330. Und zu diesem Zeitpunkt waren Kaspar, Melchior und Balthasar schon mehr als 150 Jahre in Köln zu Hause.

Aber egal! Denn mit diesen Reliquien stieg Köln endgültig in die Top-Kategorie der Wallfahrtsorte auf. Und das war äußerst lohnenswert für unsere Stadt: Viele Heilige bedeuten viele Pilger und viele Pilger bringen viel Geld in die Stadt. Ein Prinzip, das die Kölschen schon bei der Heiligen Ursula perfekt erkannt und in bare Münze verwandelt haben.

Zweimal wäre dat Pöötzche fast verloren gewesen

In jedem Fall hat die Legende, dass am 23. Juli 1164 exakt durch dieses Tor die Heiligen Drei Könige in die Stadt gekommen sind, dafür gesorgt, dass dieses Bauwerk die Jahrhunderte überdauert hat. Relativ unscheinbar steht dieses kleine Tor an einer Ecke im Lichhof der Kirche St. Maria im Kapitol. Dieser unterschätzte Platz, mitten in der Stadt, bietet tatsächlich so etwas wie Ruhe im Großstadttrubel.

Dabei war es für dat Pöötzche mindestens zweimal in der Geschichte knapp: 1842 sollte der damals stark verfallene Torbogen abgerissen werden, um Platz für eine Straße zu schaffen. Nur dank der Intervention und der finanziellen Mittel vom preußischen Kronprinz Friedrich Wilhelm konnte der Bau gerettet werden.

Noch knapper war es 1944: Fliegerbomben hatten das Dreikönigenpförtchen dem Erdboden gleich gemacht. Doch der tatkräftige Wilhelm Schlombs, Volontär beim Stadtkonservator, hatte die Steine eingesammelt und eingelagert. Und „wundersame Weise“, so der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings, stand dat Pöötzche bereits 1946 wieder.

Immunitätspforte trennt Kirchenrecht und Recht der Freien Reichstadt Köln ab

Das Dreikünnijepöötzche war aber immer mehr als nur schmucker Stein für eine Legende. Tatsächlich handelte es sich um eine sogenannte Immunitätspforte. Diese Tore grenzten den Bereich der Freien Reichsstadt Köln von dem juristisch eigenständigen Areal der Klöster und Kirchen ab. Wer die Pforte durchschritt, unterlag dem Kirchenrecht. Im mittelalterlichen Köln mit seinen hunderten Kirchen und Klöstern gab es unzählige dieser Immunitätspforten. Das Dreikönigenpförtchen ist die letzte erhaltene Pforte dieser Art in unserer Stadt.

Und wo sind die Heiligen Drei Könige jetzt in die Stadt eingezogen?

Um die Ehre von Rainald van Dassel und dem so wichtigen Pöötzche wiederherzustellen, konstatiert Ulrich Krings: „Und wenn diese Prozession mit den Reliquien tatsächlich stattgefunden haben sollte, müsste sie durch den romanischen Vorgänger des heutigen Törchens erfolgt sein.“, so der Köln-Kenner Krings1 im Kölner Stadt-Anzeiger vom 3. August 2020.

Glück gehabt – zumindest die Stelle stimmt also.


Die Heiligen Drei Könige und Maria mit dem Jesuskind, Detailansicht des Dreikünnijepöötzche, Foto: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0
Die Heiligen Drei Könige und Maria mit dem Jesuskind, Detailansicht des Dreikünnijepöötzche, Foto: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0

Die Figurengruppe der Heiligen Drei Könige und Maria mit Kind ist ein Abguss aus dem Jahr 1981. Die Originale können im Museum Schnütgen bewundert werden.   


Vorsicht! Nicht mit der Dreikönigenpforte verwechseln

Das Pförtchen ist nicht zu verwechseln mit der mittelalterlichen Dreikönigenpforte. Diese war Teil der rheinseitigen Stadtbefestigung und lag in der Nähe des Bayenturms. Eine Suche nach diesem Durchgang könnt ihr euch sparen: 1854 wurde die  auch Mühlenpforte, Molenportzgin, Lynhofporz oder Koenyncksportzgin genannte Pforte abgerissen,


 

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St. Agnes – eine Kirche gibt einem ganzen Viertel den Namen

Die Agneskirche, Bild: Harald Ernst, CC BY-SA 3.0 DE
Die Agneskirche, Bild: Harald Ernst, CC BY-SA 3.0 DE

Augen auf bei der Partnerwahl! Zumindest Peter Joseph Roeckerath (*1837, † 1905) hat da in seiner zweiten Ehe alles richtig gemacht. Nachdem seine erste Frau bereits kurz nach der Hochzeit verstorben war, heiratete er Agnes Margaretha Schmitz. Und machte damit den Fang seines Lebens.

Agnes Eltern waren reiche Kappes-Boore1Kappes ist Kohl. Nach deren Tod brachte sie jede Menge Land mit in die Ehe. Diese „Boore-Kappesfelder“ waren zunächst nicht besonders viel wert – wenn da nicht ab etwa 1880 der Abriss der Stadtmauer und die Stadterweiterung gekommen wären. Roeckerath erkannte, dass aus den Kappesfeldern wertvolles Bauland wurde. Er tauschte, kaufte und verkaufte Land und brachte es als Bauunternehmer zu beträchtlichem Wohlstand. Dabei hat es ihm mit Sicherheit nicht geschadet, dass er im Kölner Rat saß und später Mitglied des Reichstages war. Dat es in Kölle esu: Man kennt sich – man hilft sich.

Stiftung für das Seelenheil

Ein schwerer Schicksalsschlag war der Tode seiner geliebten Frau Agnes im Jahr 1890. Der erfolgreiche Bauunternehmer und konservative Christ beschloss daraufhin, etwas für sein Seelenheil – und auch das seiner Frau – zu tun und stiftete die Agneskirche. In der Vorhalle der Kirche steht daher in Stein gemeißelt:

„Zum frommen Andenken an die Frau Agnes Roeckerath, eine vortreffliche Gattin und Mutter, haben der überlebende Mann und ihre zehn Kinder und Schwiegerkinder diese Pfarrkirche zu Ehren der hl. Agnes, der Jungfrau und Märtyrerin, erbauen lassen.“
[Übersetzung]

Der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings sieht in dieser Stiftung auch den Vorteil für den schwerreichen Bauunternehmer selbst: „Roeckerath war im 19. Jahrhundert ein letztes strahlendes Beispiel für die 1.000 Jahre alte christliche Tradition, sich mit Spenden und Stiftungen das Himmelreich zu verdienen“.2Krings im Kölner Stadt-Anzeiger vom 07.11.2019

Agnes und Peter Joseph Roeckerath zur Hochzeit 1867
Agnes und Peter Joseph Roeckerath zur Hochzeit 1867
Umstrittener Standort

Baubeginn der Agneskirche war 1896. Nach den Plänen der Architekten Rüdell und Odenthal wurde ein neugotisches Gebäude nach dem Muster der Elisabethkirche in Marburg gebaut. Der Standort der Kirche war zunächst umstritten. Verworfen wurden Standorte im Belgischen Viertel oder an der Vorgebirgsstraße. Wer weiß – vielleicht wäre das Belgische Viertel heute das Agnesviertel? Denn die stattliche Kirche gab dem ganzen Viertel, welches eigentlich „Neustadt Nord“ heißt, den prägenden Namen: Et Agnesveedel.

Die Architekten planten ein streng neugotisches Gotteshaus mit einem schlanken, spitzen Turm. Doch hier konnte sich der Stifter Roeckerath durchsetzen: Gebaut wurde eine reine Hallenkirche mit „Turmanlage ohne Helm“.  Andere Quellen behaupten, dass das Geld für den Bau ausgegangenen wäre und der „halbe“ Turm ein Kompromiss gewesen wäre. Wie auch immer – entstanden ist ein imposanter Kirchenbau: Gemessen am Volumen ist die Agneskirche die zweitgrößte Kirche Kölns.3Platz 1 belegt selbstverständlich der Dom.

Die Agneskirche wurde 1901 fertiggestellt und liegt genau an der Weggabelung von Neusser Straße und Niehler Straße. Der Bau ist nicht, wie eigentlich bei Kirchenbauten üblich, nach Osten, sondern auf die Ringe ausgerichtet.

Erinnerung an den Widerstand in der Krypta

Unweit der Agneskirche entwickelte sich in den 1930er Jahren der Kölner Kreis, eine Widerstandsbewegung gegen die Nationalsozialisten. Zentrum dieser Bewegung war das Ketteler-Haus, die Kölner Zentrale der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Die führenden Köpfe waren Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller. Die Kölner Widerständler arbeiteten eng mit dem „Goerdeler Kreis“ zusammen. Das Ziel war, Hitler zu stürzen und den Krieg zu beenden.

Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden auch die Mitglieder des Kölner Kreis festgenommen. Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß wurden hingerichtet, Otto Müller starb im Gefängniskrankenhaus Berlin-Tegel. Die Nationalsozialisten wollten jede Erinnerungsmöglichkeit an die Widerstandkämpfer auslöschen. Daher wurden die Leichname verbrannt und die Asche verstreut.

Die Widerstandskämpfer des Kölner Kreises: Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller, Bild: Bilder (Groß/Müller): Dat doris, CC BY-SA 4.0
Die Widerstandskämpfer des Kölner Kreises: Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller, Bild: Bilder (Groß/Müller): Dat Doris, CC BY-SA 4.0

Zur Erinnerung an diese Männer dient heute die Krypta von St. Agnes. Mit massiven Eisentüren und vergitterten Fenstern erinnert dieser Ort eher an ein Gefängnis.

Massive Zerstörung im Krieg

Der Bombenkrieg führte auch in St. Agnes zu schweren Schäden. Das Dach ging in Flammen auf und das Gewölbe des Kirchenschiffs stürzte ein. Im Mai 1945 zerstörte das einstürzende Chorgewölbes den Hochaltar. Hastig wurde eine flache Betondecke eingezogen, und im Oktober 1950 konnte der Kirchenraum wieder eingeweiht werden.

Ein Brand zerstört 1980 den Dachstuhl der Agneskirche, Bild: Digit, WDR
Ein Brand zerstört 1980 den Dachstuhl der Agneskirche, Bild: Digit, WDR

Die unschöne Betondecke wurde von einer gefächerten Holzkonstruktion des Dombaumeisters Willy Weyres verdeckt. Diese Decke sollte unter Denkmalschutz gestellt werden. Als alles dafür vorbereitet war, brach am 18. Juni 1980 ein Feuer in St. Agnes aus. Das Löschwasser zerstörte die kunstvolle Deckenkonstruktion. In einem Video ist zu sehen, wie die Flammen meterhoch aus dem Dachstuhl schlagen.          

Aber – Glück im Unglück: Stattdessen wurden die ursprünglichen Gewölbe wieder hergestellt. Und St. Agnes erstrahlte wieder im Glanz, den sich der Stifter Peter Joseph Roeckerath gewünscht hatte.

Der prachtvolle Innenraum von St. Agnes, Bild: Till Niermann, CC BY-SA 3.0
Der prachtvolle Innenraum von St. Agnes, Bild: Till Niermann, CC BY-SA 3.0

11.11. um 11.11 Uhr in St. Agnes: Bleibt jeck & bleibt gesund

Ein wunderschönes Video zeigt den herrlichen Innenraum von St. Agnes. Schaut euch diesen Film an und freut euch insbesondere ab Minute vier über wunderschöne Musik.  


Milliardenfund bei Renovierung

2015 wurden die Opferstöcke der Kirche renoviert. Und diese Überarbeitung hat sich gelohnt: Es wurden mehrere Milliarden in Scheinen gefunden. Das Geld befand sich in Ritzen und doppelten Böden der Opferstöcke.

Der größte Schein hat einen Wert von 50 Milliarden. Leider handelte es sich dabei um Reichsmark aus der Inflation in den 1920er Jahren. Pfarrer Frank Müller von St. Agnes meint dazu in einem Interview des Domradios: “Ich vermute mal, dass man damals für 50 Milliarden gerade mal ein Brötchen oder einen Fahrschein für ein öffentliches Verkehrsmittel bekam.“.


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Zurück zu den Wurzeln – der Rusemondachszoch im Stadion 

Rosenmontagszug auf dem Neumarkt, Gemälde von Simon Meister, Köln 1836
Rosenmontagszug auf dem Neumarkt, Gemälde von Simon Meister, Köln 1836

Bevor sich das Festkomitee Kölner Karneval dazu entschlossen hat, eine Friedensdemo statt des Rosenmontagszugs zu veranstalten, gab es die Idee, den Zoch 2022 im Müngersdorfer Stadion seine Runden drehen zu lassen. Anschließend sollten die Persiflagewagen an ausgewählten Plätzen entlang des eigentlichen Zugwegs ausgestellt. Die Idee: Dann kütt der Zoch nit zo dä Lück – dann kumme die Lück zum Zoch. Keine schlechte Idee, um den Corona-Bedingungen Rechnung zu tragen.

Auch der erste Zoch „nur“ im Kreis

Der Zoch im Stadion wäre ähnlich wie der erste gewesen. Der allererste Zoch ging an Rosenmontag auch nicht quer durch die Stadt, sondern rund um den Neumarkt. Dort feierten am 10. Februar 1823 insgesamt 15 Gruppen1Darunter die Roten Funken und das Reiterkops Jan von Werth. die „Die Thronbesteigung des Helden Carneval“. Heute unvorstellbar: Die Vorbereitungszeit betrug gerade mal zwei Wochen.

Auszug aus dem Programm des ersten Kölner Rosenmontagszuges vom 10. Februar 1823
Auszug aus dem Programm des ersten Kölner Rosenmontagszuges vom 10. Februar 1823

Das frisch gegründete Festkomitee hatte die Zeit genutzt und ein strenges, zwölf Paragraphen umfassendes, Reglement für diesen ersten Zoch verfasst. Genauso, wie es die gut organisierten preußischen Besatzer gerne sahen:

„Der in ganz Teutschland einstens so berühmte kölnische Carneval soll durch das Zusammenwirken mehrerer Verehrer alter Volksthümlichkeit in diesem Jahre durch einen allgemeinen Maskenzug erneuert und auch gefeiert werden. Die dabei zum Grunde gelegte Idee ist die Thronbesteigung Carneval’s gedacht als König des Volksfestes.“
§1 Ablaufplan Rosenmontag 1823

Neue Konzepte – und Rückbesinnung auf den leiseren Karneval

Nach dem immer „größer – weiter – lauter“ der vergangenen Jahre ist die Rückbesinnung des Karnevals auf die Wurzeln eine positive Entwicklung. Schade nur, dass es durch die notwendigen strikten Einlassregeln nicht mehr jedem Jeck möglich sein wird, einfach hinzugehen, sich an die Straße zu stellen und den Zoch zu sehen.

Und ich bin sicher, dass noch weitere kreative Ideen kommen, wie Karneval unter Corona-Bedingungen gefeiert werden kann. Es ist nur keine Auszeichnung für den kölschen Fasteleer, dass es für diese Kreativität erst einer weltweiten Pandemie bedarf.


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