Jetzt hängen Sie wieder über den Kneipen: Die bemitleidenswerten Nubbel. Das sind Strohpuppen, die in der Nacht zu Aschermittwoch verbrannt werden, um uns von allen (Karnevals-)Sünden zu befreien. Zugegeben: Das ist recht praktisch! Wir feiern heftig Karneval, schlagen über die Stränge und schuld ist immer nur dä Nubbel.
Die ersten Nubbel wurden im Rheinland ab etwa Anfang des 19. Jahrhunderts verbrannt. Allerdings ist der Begriff „Nubbel“ recht neu und stammt aus den 1950er Jahren. Bis dahin war der Begriff „Zachaies“ geläufig. Gleiches Prinzip, nur anderer Begriff: Eine Figur muss für die Verfehlungen einstehen. Dabei steht der Nubbel jedes Jahr wieder neu auf, er entsteht also aus seiner eigenen Asche.
Der Nubbel trägt die Schuld – an allem!
Der Ablauf der Nubbel-Verbrennung ist immer weitesgehend gleich: Die bereits vor Weiberfastnacht aufgehängte Puppe wird in der Nacht zu Aschermittwoch abgenommen. Ein als Geistlicher oder Bestatter kostümierter Jeck liest dann die Anklageschrift mit den Sünden des Nubbels vor. Mit jeder Verfehlung wird das anwesende Volk gefragt: „Un wer is dat schuld?“ Die Antwort ist – na klar – der Nubbel. Klassische Anklagen des Nubbels sind:
- Wer is et schuld, dat mer noh Fastelovend all malad und blank sin?
(Wer ist es schuld, dass wir nach Karneval alle krank und pleite sind?) - Wer is et schuld, dat dä Eff Zeh alt widder su schläch jespillt hät?
(Wer ist es schuld, dass der ruhmreiche 1. FC Köln schon so bescheiden gespielt hat?) - Wer ist et schuld, dat die bedrissene Autobahnbröck immer noch kapott es?
(Wer ist et schuld, dass die Autobahnbrücke der A1 über der Rhein immer noch defekt ist?)
Das anwesende Volk antwortet auf jede Anklage immer lauthals mit „Dä Nubbel“. Am Ende der Anklage wird der Nubbel angezündet und verbrannt. Durch das Feuer werden alle Jecken, die Stadt, der FC und wer auch immer von ihren Sünden befreit. So lässt sich anschließend hervorragend weiterfeien – bis zum Morgen des Aschermittwochs. Erst dann ist wirklich Schluss.
In der Südstadt wird der Nubbel zum Rebell
Kölns größte Nubbelverbrennung ist im Quartier Latin, im Studentenviertel an der Zülpicher Straße. Dort fährt eine alte Leichenwagen-Kutsche durch die Straßen und sammelt die Nubbel der verschiedenen Kneipen ein. Die eigentliche Verbrennung ist dann vor Hellers Brauhaus auf der Roonstraße. Mehrere Tausend Jecken beschuldigen den Nubbel aller Sünden und singen nach der Verbrennung gemeinsam „In unserem Veedel“ bevor es zurück in die vielen Kneipen des Viertels geht.
Auf der Merowinger Straße in der Südstadt wird der Nubbel vor der Kneipe/Restaurant Filos verbrannt. Der Pfarrer der nahegelegenen Lutherkirche, Hans Mörtter, leitet diese Verbrennung. Hier steht der Nubbel aber nicht für die begangenen Sünden, sondern für das letzte Stück Rebellion in uns allen: Rebellion gegen Intoleranz, Rassismus und Hass. Folgerichtig wird die Asche des verbrannten Nubbels in kleine, durchlöcherte Säcke gefüllt und an mit Helium gefüllte Ballons gebunden. Beim Aufstieg in den Himmel soll dann die Asche des Nubbels auf uns niederrieseln und den Geist der Rebellion anfachen. Daher hofft man auch, dass Südwind herrscht. So kann sich die Asche vorrangig über die Nobelviertel Marienburg und Hahnwald verteilen.
Sündenverbrennung in Raderberg
Einen ganz anderen Weg geht der Bürgerverein RADERBERG und -THAL im Kölner Süden: Bereits weit vor Karneval verteilt der Verein im ganzen Viertel „Sündenkarten“. Hier können die Jecken ihre individuellen Sünden eintragen und an die Pinnwand „Beichtstuhl“ im Brauhaus am Kloster hängen.
An Karnevalsdienstag kommen dann mit Klaus Eberhard, dem evangelischen Pfarrer der Gemeinde, und Thomas Frings, einem katholischen Geistlichen, zwei echte Profis, die gemeinsam die „schönsten“ Sündenkarten zitieren, die Sünden einordnen und dann verbrennen. Auch hier ist der Sünder somit befreit von der Sündenlast und kann unbeschwert weiterfeiern. Dies ist Kölns schönster Karnevalsabschluss. Vorbeikommen lohnt sich unbedingt.
Übrigens: Ich werde auch dort sein.
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