Augen auf bei der Partnerwahl! Zumindest Peter Joseph Roeckerath (*1837, † 1905) hat da in seiner zweiten Ehe alles richtig gemacht. Nachdem seine erste Frau bereits kurz nach der Hochzeit verstorben war, heiratete er Agnes Margaretha Schmitz. Und machte damit den Fang seines Lebens.
Agnes Eltern waren reiche Kappes-Boore1Kappes ist Kohl. Nach deren Tod brachte sie jede Menge Land mit in die Ehe. Diese „Boore-Kappesfelder“ waren zunächst nicht besonders viel wert – wenn da nicht ab etwa 1880 der Abriss der Stadtmauer und die Stadterweiterung gekommen wären. Roeckerath erkannte, dass aus den Kappesfeldern wertvolles Bauland wurde. Er tauschte, kaufte und verkaufte Land und brachte es als Bauunternehmer zu beträchtlichem Wohlstand. Dabei hat es ihm mit Sicherheit nicht geschadet, dass er im Kölner Rat saß und später Mitglied des Reichstages war. Dat es in Kölle esu: Man kennt sich – man hilft sich.
Stiftung für das Seelenheil
Ein schwerer Schicksalsschlag war der Tode seiner geliebten Frau Agnes im Jahr 1890. Der erfolgreiche Bauunternehmer und konservative Christ beschloss daraufhin, etwas für sein Seelenheil – und auch das seiner Frau – zu tun und stiftete die Agneskirche. In der Vorhalle der Kirche steht daher in Stein gemeißelt:
„Zum frommen Andenken an die Frau Agnes Roeckerath, eine vortreffliche Gattin und Mutter, haben der überlebende Mann und ihre zehn Kinder und Schwiegerkinder diese Pfarrkirche zu Ehren der hl. Agnes, der Jungfrau und Märtyrerin, erbauen lassen.“
[Übersetzung]
Der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings sieht in dieser Stiftung auch den Vorteil für den schwerreichen Bauunternehmer selbst: „Roeckerath war im 19. Jahrhundert ein letztes strahlendes Beispiel für die 1.000 Jahre alte christliche Tradition, sich mit Spenden und Stiftungen das Himmelreich zu verdienen“.2Krings im Kölner Stadt-Anzeiger vom 07.11.2019
Umstrittener Standort
Baubeginn der Agneskirche war 1896. Nach den Plänen der Architekten Rüdell und Odenthal wurde ein neugotisches Gebäude nach dem Muster der Elisabethkirche in Marburg gebaut. Der Standort der Kirche war zunächst umstritten. Verworfen wurden Standorte im Belgischen Viertel oder an der Vorgebirgsstraße. Wer weiß – vielleicht wäre das Belgische Viertel heute das Agnesviertel? Denn die stattliche Kirche gab dem ganzen Viertel, welches eigentlich „Neustadt Nord“ heißt, den prägenden Namen: Et Agnesveedel.
Die Architekten planten ein streng neugotisches Gotteshaus mit einem schlanken, spitzen Turm. Doch hier konnte sich der Stifter Roeckerath durchsetzen: Gebaut wurde eine reine Hallenkirche mit „Turmanlage ohne Helm“. Andere Quellen behaupten, dass das Geld für den Bau ausgegangenen wäre und der „halbe“ Turm ein Kompromiss gewesen wäre. Wie auch immer – entstanden ist ein imposanter Kirchenbau: Gemessen am Volumen ist die Agneskirche die zweitgrößte Kirche Kölns.3Platz 1 belegt selbstverständlich der Dom.
Die Agneskirche wurde 1901 fertiggestellt und liegt genau an der Weggabelung von Neusser Straße und Niehler Straße. Der Bau ist nicht, wie eigentlich bei Kirchenbauten üblich, nach Osten, sondern auf die Ringe ausgerichtet.
Erinnerung an den Widerstand in der Krypta
Unweit der Agneskirche entwickelte sich in den 1930er Jahren der Kölner Kreis, eine Widerstandsbewegung gegen die Nationalsozialisten. Zentrum dieser Bewegung war das Ketteler-Haus, die Kölner Zentrale der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Die führenden Köpfe waren Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller. Die Kölner Widerständler arbeiteten eng mit dem „Goerdeler Kreis“ zusammen. Das Ziel war, Hitler zu stürzen und den Krieg zu beenden.
Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden auch die Mitglieder des Kölner Kreis festgenommen. Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß wurden hingerichtet, Otto Müller starb im Gefängniskrankenhaus Berlin-Tegel. Die Nationalsozialisten wollten jede Erinnerungsmöglichkeit an die Widerstandkämpfer auslöschen. Daher wurden die Leichname verbrannt und die Asche verstreut.
Zur Erinnerung an diese Männer dient heute die Krypta von St. Agnes. Mit massiven Eisentüren und vergitterten Fenstern erinnert dieser Ort eher an ein Gefängnis.
Massive Zerstörung im Krieg
Der Bombenkrieg führte auch in St. Agnes zu schweren Schäden. Das Dach ging in Flammen auf und das Gewölbe des Kirchenschiffs stürzte ein. Im Mai 1945 zerstörte das einstürzende Chorgewölbes den Hochaltar. Hastig wurde eine flache Betondecke eingezogen, und im Oktober 1950 konnte der Kirchenraum wieder eingeweiht werden.
Die unschöne Betondecke wurde von einer gefächerten Holzkonstruktion des Dombaumeisters Willy Weyres verdeckt. Diese Decke sollte unter Denkmalschutz gestellt werden. Als alles dafür vorbereitet war, brach am 18. Juni 1980 ein Feuer in St. Agnes aus. Das Löschwasser zerstörte die kunstvolle Deckenkonstruktion. In einem Video ist zu sehen, wie die Flammen meterhoch aus dem Dachstuhl schlagen.
Aber – Glück im Unglück: Stattdessen wurden die ursprünglichen Gewölbe wieder hergestellt. Und St. Agnes erstrahlte wieder im Glanz, den sich der Stifter Peter Joseph Roeckerath gewünscht hatte.
11.11. um 11.11 Uhr in St. Agnes: Bleibt jeck & bleibt gesund
Ein wunderschönes Video zeigt den herrlichen Innenraum von St. Agnes. Schaut euch diesen Film an und freut euch insbesondere ab Minute vier über wunderschöne Musik.
Milliardenfund bei Renovierung
2015 wurden die Opferstöcke der Kirche renoviert. Und diese Überarbeitung hat sich gelohnt: Es wurden mehrere Milliarden in Scheinen gefunden. Das Geld befand sich in Ritzen und doppelten Böden der Opferstöcke.
Der größte Schein hat einen Wert von 50 Milliarden. Leider handelte es sich dabei um Reichsmark aus der Inflation in den 1920er Jahren. Pfarrer Frank Müller von St. Agnes meint dazu in einem Interview des Domradios: “Ich vermute mal, dass man damals für 50 Milliarden gerade mal ein Brötchen oder einen Fahrschein für ein öffentliches Verkehrsmittel bekam.“.
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