Die Entschuttung des Gürzenichs: Vom Aprilscherz zur Realität

Das Dreigestirn der Session 1949 mit Schüpp und Hau am Gürzenich. Bild: koelner-karneval.info
Das Dreigestirn der Session 1949 mit Schüpp und Hau am Gürzenich. Bild: koelner-karneval.info

Immer wieder schicken einen nette Mitmenschen „in den April“. Woher der Brauch kommt, ist unklar. Aber die lustigen Ideen der Zeitungen, im Fernsehen und im Radio sorgen immer wieder für Lacher – egal, ob es um Spaghetti-Bäume oder fliegende Pinguine geht. Ein ganz besonderer Coup zum 1. April 1949 ist dem damaligen Kölner Dreigestirn gelungen.  Ein Aprilscherz in fünf Akten:

1. Akt: Ein Gespräch wird belauscht – angeblich

Am 31. März 1949 erschien ein anonymer Leserbrief in der Kölnischen Rundschau. Ein aufmerksamer Leser behauptete, in einer Gaststätte zufällig ein Gespräch des Kölner Dreigestirns belauscht zu haben. Ein Gespräch, welches es nie gegeben hat.

Angeblich hätten Prinz Theo I. (Theo Röhrig), Bauer Andreas (Andreas Müller) und Jungfrau Friedel (Fred Reulen) Pläne für die nahe Zukunft geschmiedet: Man würde mit „Schüpp un Hau“ zum zerstörten Gürzenich gehen und den Schutt dort wegräumen um „… auch im grauen Alltag etwas für die Stadt Köln zu tun.“

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild:
U.S. Department of Defense

Und grau war der Alltag im Jahr 1949 in Köln tatsächlich. Ausgebombte Ruinen säumen die notdürftig freigeräumten Straßen. Der größte Teil aller Häuser wurde zerstört. Alle Menschen sehnen sich nach Normalität, und dazu hat auch der Karneval beigetragen: Im Williams-Bau finden seit 1947 erste Karnevalssitzungen und Bälle statt, und im Februar 1949 geht der erste Rosenmontagszug durch Köln – wegen der kritischen britischen Besatzer nicht als „D´r Zoch“ sondern als „Erweiterte Kappenfahrt“1[Dieser Titel erinnert an den ersten Rosenmontagszug nach dem Ersten Weltkrieg im Jahr 1927, der ebenfalls den damaligen britischen Besatzern als „Kappenfahrt“ verkauft wurde.] durch die in Trümmern liegende Stadt.

In dieser grauen Zeiten sind positive Nachrichten sehr willkommen. Deswegen erregt der als Aprilscherz gedachte Leserbrief über die angebliche Aktion des Dreigestirns eine hohe Aufmerksamkeit.

Prinz Theo I., Bauer Andreas und Jungfrau Friedel bei der Arbeit am Gürzenich, Bild: Bild: koelner-karneval.info
Prinz Theo I., Bauer Andreas und Jungfrau Friedel bei der Arbeit am Gürzenich, Bild: koelner-karneval.info

2. Akt: Das Dreigestirn nimmt den Ball auf

Auch Prinz Theo I. liest in der Zeitung den Bericht über die angebliche Entschuttung des Gürzenichs und fasst sofort einen Plan: „Mer mache dat!“. Eilig werden Bauer und Jungfrau eingebunden, ein Lastwagen wird organisiert und siehe da: Am 1. April um 11 Uhr stehen die drei am Gürzenich und fangen eifrig an, Schutt zu schippen.

Regierungspräsident Wilhelm Warsch gratuliert dem Dreigestirn, Bild: koelner-karneval.info
Regierungspräsident Wilhelm Warsch gratuliert dem Dreigestirn, Bild: koelner-karneval.info

3. Akt: Auch die Medien und die Politik wollen mit dabei sein

Selbstverständlich sollte diese Aktion nicht geheim bleiben. So drängen sich am 1. April bereits die vorab informierten Reporter mit ihren Kameras vor dem Gürzenich. Und wo Kameras sind, sind auch die Politiker nicht weit entfernt. Regierungspräsident Wilhelm Warsch freute ich darüber, dass „aus einem Aprilscherz eine so beziehungsvolle Wirklichkeit geworden sei.“

4. Akt: Die ganze Stadt zieht nach

Die Entschuttung des Gürzenichs wird zu einem stadtweiten Anliegen. Karnevalsgesellschaften, Sportvereine, Unternehmen und einzelne Bürger kommen mit Schüpp und Hau zum Gürzenich. Auch Menschen, die selber in einfachsten Behausungen leben müssen, fassen mit an, um „Kölns gute Stube“ wieder zu einem Festsaal zu machen.

So wurde das Karnevalsmotto der 1949er Session

„Mer sin widder do un dun, wat mer künne.“

gelebte Realität in einer vom Krieg schwer gezeichneten Stadt. Im Zuge der Dynamik dieses Aprilscherzes beschließt der Stadtrat zügig, den Gürzenich wieder aufzubauen.

Feierliche Wiedereröffnung des Gürzenichs am 2. Oktober 1955, Bundesarchiv, B 145 Bild-F002968-0007 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0
Feierliche Wiedereröffnung des Gürzenichs am 2. Oktober 1955, Bundesarchiv, B 145 Bild-F002968-0007 / Unterberg, Rolf / CC-BY-SA 3.0

5. Akt: Die Wieder-Einweihung des Gürzenichs

Es sollte noch ein paar Jahre dauern, aber am 2. Oktober 1955 war es endlich so weit: Der Gürzenich wurde wieder eingeweiht.

Und so führte ein Aprilscherz dazu, dass sich eine ganze Stadt organisierte, um „ihren“ Gürzenich wieder aufzubauen. Prinz Theo I. schrieb später dazu „Durch diesen Scherz wurde es offensichtlich, dass allen Bevölkerungsschichten Kölns der Wiederaufbau unserer guten, alten Stube mehr am Herzen liegt, als es die Stadtverwaltung und die Planer Kölns angenommen hatten.“

In diesem Sinne trifft sich das aktuelle Dreigestirn am Donnerstag, 1. April, um 11 Uhr an der Oper, um dort aufzuräumen. Um 13 Uhr geht es weiter an die Baustelle der Nord-Süd-Stadtbahn, damit es auch dort zügig weitergeht. Um 15 Uhr werden dann vom Bauer Fundamente für die Leverkusener Brücke gegossen, während Prinz und Jungfrau den hässlichen Musical-Dome abreißen. So kann es in unserer Stadt endlich mal vorangehen.


Der Gürzenich und Alt St. Alban: Orte der Gegensätze

 
Der Gürzenich und Alt St. Alban - Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)
Der Gürzenich und Alt St. Alban – Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)

In dem Gebäudekomplex des Gürzenichs ist auch die Ruine von Alt St. Alban als Mahnmal gegen den Krieg integriert. So liegen Freude und Trauer direkt nebeneinander.


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Mer fiere Fastelovend – nur des Johr e betzje anders

Fastelovendsmotto der Session 2020/21, Bild: Festkomitee Kölner Karneval
Fastelovendsmotto der Session 2020/21, Bild: Festkomitee Kölner Karneval

Wisst ihr noch? Damals? Vor ewigen Zeiten. Also vor 12 Monaten. Wir haben Karneval gefeiert. Und in China wollte einer einen Fledermaus-Hot-Dog essen. Der Verkäufer: „Die Fledermaus ist noch nicht ganz durch.“ Der Kunde: „Ach egal, davon wird die Welt schon nicht untergehen.“

Ist sie aber. Irgendwie. Denn dann kam Corona.

Und deswegen hat sich die ganze Welt verändert – auch unser so heiß geliebter Karneval. Heute feiern wir auf Distanz. Und wer hätte gedacht, dass wir das stundenlange Anstehen vor den Kneipen, den vertrauten Geruch nach Mettbrötchen, verschüttetem Bier und dem alten Wikinger-Kostüm, welches elf Monate zuvor in einer Kiste im muffigen Keller verbracht hat, vermissen werden? Selbst das lauwarme Kölsch, serviert in den 0,25 Liter-Plastikgläsern für schlappe 3,50 Euro fehlt uns.

Auf der anderen Seite haben wir viel gelernt:

  • Als erstes haben wir gelernt, dass es nicht „der“ Virus sondern „das“ Virus heißt.
  • Außerdem ist „FFP 2“  keine neue Spielekonsole.
  • Den Begriff „Reproduktionsfaktor“ hatte ich vorher auch irgendwie anders abgespeichert. Mit viel mehr Spaß.

Homeschooling

Schön war auch das Homeschooling in unserer Nachbarschaft. Da hat die Schule folgende Textaufgabe gestellt: 
Zwei Erwachsene, beide im Homeoffice, und zwei Kinder, beide im Homeschooling, teilen sich zwei Computer und das Wohnzimmer. Macht einen halben Rechner und ein viertel Wohnzimmer pro Kopf. Geht irgendwie nicht auf. 

Oder der Stefan, ein Freund von mir. Der hat mit seiner 9jährigen Tochter Deutschunterricht gemacht. Zu Hause. Hat ewig gedauert, den Unterschied zwischen Pronomen, Adjektiven und Artikeln zu erklären. Aber nach sechs Stunden hat Stefan das verstanden.

Ganz einfache Kontaktregeln

Ganz anders waren die Kontaktregeln. Die hat bis heute keiner verstanden. Nur ich. Ich erkläre euch das mal: Ab 18 Uhr darf ich mich mit einer Person treffen, wenn diese maximal 14 Jahre alt ist, in meinem Haushalt lebt und mindestens zwei Kinder hat. Es sei denn, diese Person wohnt in einem anderen Bundesland, dann darf ich mich nur bei Vollmond treffen. Draußen. Drinnen geht in diesem Fall auch, aber nur, wenn ich täglich maximal 15 Kilometer bis zu Arbeit fahre. Es sei denn, ich bin älter als 80 Jahre alt. Oder systemrelevant. Dann darf ich mich drinnen und draußen treffen. An geraden Tagen. Aber nur in Bundesländern, die auf „n“ enden. Und nur auf der linken Straßenseite, wenn der Inzidenzwert über 50 liegt. Ist doch ganz einfach.

Stammtisch in der KVB

Ansonsten gilt die gute Nachricht, dass das Virus kein KVB-Ticket hat. Deswegen darf man sich im Bus immer treffen. Wir von meinem Stammtisch haben uns daher eine Monatskarte gekauft und immer freitags heißt es dann:

„Weisste wat, mer treffe uns in dä KVB.
Die Kneipe die bliev leer, mer fahre hin- und her.“
  

Der Rosenmontagszug im Hänneschen-Format, Bild: Festkomitee Kölner Karneval
Der Rosenmontagszug im Hänneschen-Format, Bild: Festkomitee Kölner Karneval

Und jetzt? Wie jeiht et wigger?

Ich kann euch nicht vorschreiben, was ihr macht. Aber klar ist: Karneval kann man nicht absagen. Genauso, wie man auch den Sommer oder den Vollmond nicht absagen kann. Wir feiern – des Johr ävver anders.

Ich schaue mir morgen den Rosenmontagszug  in der Miniaturausgabe im Hänneschen-Format an. Mit Mütze auf´m Kopp und einem Kölsch in der Hand. An Karnevalsdienstag lasse ich meine Sünden verbrennen – selbst, wenn das nur gewünschte oder verpasste Sünde sind. 

Und nächstes Jahr hole ich wieder das alte Wikingerkostüm aus dem Keller, stelle mich an einer Kneipe an und trinke mit Genuss mein 3,50 Euro-Kölsch aus dem Pappbecher.

Darauf freue ich mich heute schon. Alaaf.         

Nächstes Jahr wird wieder gefeiert. Alaaf! Bild: Norbert Bröcheler
Nächstes Jahr wird wieder gefeiert. Alaaf! Bild: Norbert Bröcheler

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Drink doch keine met | #blievzohuss

Das kölsche Grundgesetz in Corona-Zeiten
Das kölsche Grundgesetz in Corona-Zeiten

Am Mittwoch den 11.11. um 11.11 Uhr wäre es soweit: In normalen Zeiten würden wir feiern und dä Fastelovend begrüßen. Auf dem Heumarkt, in den Kneipen, in den Veedeln. 2020 feiern wir nicht. Wir bleiben zu Hause. Um die vor dem Corona-Virus zu schützen, die gefährdet sind.

Ja – ich höre auch ganzjährig Fastelovendsmusik. Aber dieses Jahr am 11.11. zu Hause. Auch wenn es manche nicht glauben werden – die Welt wird sich auch nach dem 11.11. ohne Sessionseröffnung weiterdrehen. Lasst uns Verantwortung tragen. Und wenn es nur darum geht, einmal nicht zu feiern, ist das extrem einfach.

Deswegen schließe ich mich vorbehaltlos dem Aufruf „Wir bleiben zu Hause“ vieler prominenter Kölnerinnen und Kölner an.  Und das solltet ihr alle auch tun: Wer das Alaaf liebt, bleibt zu Hause. Oder wie es im umgeschriebenem kölschen Grundgesetz lautet:

Drink doch keine met. 

Vell Jröööööß, passt auf euch auf und bleibt gesund!

Uli, der Köln-Lotse


Hier der Aufruf im Wortlaut:
Liebe Kölnerinnen und Kölner, liebe Jecke von weiter draußen,

der Elfte im Elften ist ein kölscher Feiertag. Wir feiern dabei weit mehr als nur den Auftakt einer wunderschönen Tradition, bei der uns die halbe Welt staunend zusieht – wenn sie nicht gleich zu Besuch kommt. Wir feiern die Liebe, die Freiheit und das Leben. Su lang mer noch am Lääve sin. Und damit kommen wir zu einem Problem.

Denn in diesem Jahr bedeutet die kölsche Freiheit, überall und jederzeit mit jedermann zu feiern, Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Das Leben unserer Großeltern, der Nachbarin oder der Kollegin mit Asthma. Unser Sessions-Motto von 2015, „Mer stelle alles op d’r Kopp“, ist in diesem Jahr von einem gänzlich humorbefreiten Virus gekapert worden.

Darum werden wir am kommenden Mittwoch nicht mit neuen Freunden, Jecken von überall her, schunkeln und singen können. Und dieser Versuchung sind wir zum Glück auch nicht ausgesetzt, denn am 11.11. sind sämtliche Kneipen dicht. Bereits vor dem Lockdown hatten die meisten Kölner Kneipenwirte Verantwortung übernommen und angekündigt, ihre Orte der Geselligkeit freiwillig zu schließen.

Trotzdem bleibt die Sorge groß. Vor allem bei denen, die durch das Coronavirus besonders gefährdet sind. Weil sie in unserer Stadt mit dunkelrotem Inzidenzwert zur Risikogruppe zählen. Oder weil ihre berufliche Existenz durch den Lockdown massiv bedroht ist.

Denn das größte Problem, das sind wir alle. Mit unserer kölschen Geselligkeit. Wenig geht über feiern mit Freunden. Aber derzeit geht das nicht. Auch nicht am 11.11.

Und nein, Sie sind sicher nicht das Problem! Sie haben bestimmt schon beschlossen, brav auf dem Sofa sitzen und sich alte Karnevals-Sitzungen auf Youtube anzuschauen. Was mehr als in Ordnung ist. Denn natürlich bleiben wir glühend jeck. Im Kopf wie im Herzen.

Aber wissen das auch Ihre Kinder und Enkel, Ihre Nachbarn von unten und alle Ihre Freunde und Bekannte? Wenn Sie auch nur ein kleines bisschen unsicher sind: Sprechen Sie mit Ihnen. Sagen Sie, dass selbst kleine Feierlichkeiten am 11.11. in Köln tabu und Gäste von außerhalb diesmal leider nicht willkommen sind. Dass wir zusammenstehen müssen – indem wir nicht zusammen stehen.

Und teilen Sie Ihnen mit, dass wir das kölsche Grundgesetz in dieser Corona-Session umgeschrieben haben. Et es wie et es? Nein! Diesmal nicht!

Das kölsche Grundgesetz in Corona-Zeiten
Das kölsche Grundgesetz in Corona-Zeiten

Unterzeichnet von: 

  • Carolin Kebekus, Comedian
  • Oliver Niese, Cat Ballou
  • Elke Heidenreich, Autorin
  • Guido Cantz, TV-Moderator und Redner
  • IG Gastro Köln
  • Christine Westermann, Moderatorin
  • Liz Baffoe, Schauspielerin
  • Henning Krautmacher, Höhner
  • Sven Welter, Paveier
  • Mo-Torres, Musiker
  • Erry Stoklosa, Bläck Fööss
  • Mike Kremer, Miljö
  • Jürgen Becker, Kabarettist
  • Volker Weininger, Kabarettist
  • Biggi Wanninger, Stunksitzungspräsidentin
  • Tobias Mintert, Barbetreiber
  • Björn Heuser, Liedermacher
  • Annette Frier, Schauspielerin
  • Alexander Wehrle, 1. FC Köln
  • Jürgen Domian, Moderator
  • Toni Schumacher, FC-Legende
  • Uli Kievernagel, Köln-Lotse

Rückmeldungen

Ich habe verschiedene Rückmeldungen zu diesem Beitrag erhalten. Und Toni hat das neue kölsche Grundgesetz noch um einen ganz wichtigen Punkt erweitert:

Hallo Uli,
watt en schlaue Verfassung. Ävver eine Artikel hann se verjesse: Mir maskeere uns em janze Johr! (Domit mir noch lang  övver d’r Südfriedhof loofe künne un nit do lieje müsse.)
Ne schöne Jrooß 
Toni 

Und Henning aus Münster kennt mich persönlich und beschreibt meinen Schmerz sehr gut:

Mein lieber Köln – Lotse,
ich weiß, wie schwer es Dir fallen wird, die Füße ab dem 11.11. still zu halten. Daher meinen Respekt, es nicht nur selbst zu tun sondern auch dazu aufzurufen.
Es ist wahr, richtig und wichtig, sich genau so zu verhalten, auf dass es nächstes Jahr wieder unbeschwert möglich sein wird zum alten Grundgesetz zurück zu kehren. Respekt, dass Du zu den Unterzeichnern gehörst, Jood jemaht.
Alaaf aus Münster.
Henning

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Ne janz hätzlische Jlöckwonsch, leev Bläck Fööss

Die Bläck Fööss im Jahr 2020, Bild: Leonie Handrick
Die Bläck Fööss im Jahr 2020, Bild: Leonie Handrick

Leck mich en dä Täsch – jetzt feiern die Fööss bereits ihr 50jähriges Bandjubiläum. Dazu auch vom Köln-Lotsen ne janz hätzlische Jlöckwonsch. Un: Et deit mir leid, dat die Party wejen däm bedrissenen Corona erst nächstes Jahr stattfindet.

Die Fööss als konstanter Bestandteil im Leben

Wenn man in den 1970er Jahren hier aufgewachsen ist, ist man automatisch auch mit den Bläck Fööss aufgewachsen. Das ging bereits beim Fastelovend im Kindergarten los. Wir tanzten ausgelassen zu „Pänz, Pänz, Pänz“ oder „De Mama kritt schon widder e Kind“. In der Schule später wurde eher „Ming eetste Fründin“ interessant. Als Teenager war man natürlich viel zu cool um zuzugeben, dass man bei „Huusmeister Kaczmarek“ gerne leise mitrappt:

Hammer keine Hammer, jo wo hammer en dann,
hammer keine Hammer, jo dann nemme mer de Zang,
hammer keine Hammer un finge mer kein Zang,
jo, dann nemme mer su lang de Iesestang.
Hibbe di Hipp Hipp, de Hibbe di Hopp,
do haue mer de Näl met d’r Stang op d’r Kopp.

So haben die Fööss für jede Gemütslage den passenden Song bereit. Zum Beispiel für Exil-Kölsche die melancholische Heimweh-Ballade „Ich han ’nen Deckel“

Ich hätt niemols, niemols
jedaach, dat ich su oft
an Kölle denke muss.

Und auch die älteren Titel der Fööss sind top aktuell. Immer mehr zahlungskräftige Menschen ziehen in die Veedel, die alteingesessenen Bewohner werden „wegsaniert“. So werden ganze Bevölkerungsgruppen einfach ausgetauscht. Das Schlagwort dafür ist  „Gentrifizierung“. Dieses Wort war in den 70ern noch nicht bekannt. Aber der Vorgang sehr wohl. Und wird von den Fööss in dem Lied „Mer losse d´r Dom in Kölle“ aufgegriffen.

Das schönste Geburtstagsgeschenk haben sich die Fööss selbst gemacht

Heute sind die Fööss fester Bestandteil des kölschen Kulturguts. Und das ist gut so, denn ohne die neue Art der Bläck Fööss, kölsche Lieder zu interpretieren, gäbe es heute weder Brings noch Kasalla, Cat Ballou oder Miljö.

Bömmel Lückerath, Bild: Bläck Föös
Fööss-Gründungsmitglied Bömmel Lückerath, Bild: Bläck Föös

Mit dem flammneuen Lied „50 Johr (met Musik em Bloot)“ haben sich die Fööss selber ein wunderbares Geburtstagsgeschenk gemacht. Der Song greift viele der Fööss-Klassiker auf und holt diese wunderbar in unsere aktuelle Zeit. Da steht im „Bickendorfer Büdche“ auf einmal „ene Hermes Shop“ und „En de Weetschaff op d’r Eck es hück en Wettbüro.“. Selbst der Buur, der einst in Berkesdörp op d’r Huhzick ausgelassen üvver Desch un Bänk un Stöhl jedanz hät, feiert in dem Lied bereits seine joldene Huhzick.

Die schönste Liedzeile in „50 Johr“ aber betrifft eine gewisse Katharina Meier:

„Un ich laach mim Meiers Kättche
weil et zo schwer es für mi Rädsche.“

Und jeder Kölsche erinnert sich an et Kättche, den Webers Mattes und an die wunderbaren Ereignisse, die man mit in den letzten 50 Jahren mit den Fööss-Songs erlebt hat.

Junge, dat hat ühr esch jood jemaht. Vielen Dank.


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Zurück zu den Wurzeln – der Rusemondachszoch im Stadion 

Rosenmontagszug auf dem Neumarkt, Gemälde von Simon Meister, Köln 1836
Rosenmontagszug auf dem Neumarkt, Gemälde von Simon Meister, Köln 1836

Bevor sich das Festkomitee Kölner Karneval dazu entschlossen hat, eine Friedensdemo statt des Rosenmontagszugs zu veranstalten, gab es die Idee, den Zoch 2022 im Müngersdorfer Stadion seine Runden drehen zu lassen. Anschließend sollten die Persiflagewagen an ausgewählten Plätzen entlang des eigentlichen Zugwegs ausgestellt. Die Idee: Dann kütt der Zoch nit zo dä Lück – dann kumme die Lück zum Zoch. Keine schlechte Idee, um den Corona-Bedingungen Rechnung zu tragen.

Auch der erste Zoch „nur“ im Kreis

Der Zoch im Stadion wäre ähnlich wie der erste gewesen. Der allererste Zoch ging an Rosenmontag auch nicht quer durch die Stadt, sondern rund um den Neumarkt. Dort feierten am 10. Februar 1823 insgesamt 15 Gruppen1Darunter die Roten Funken und das Reiterkops Jan von Werth. die „Die Thronbesteigung des Helden Carneval“. Heute unvorstellbar: Die Vorbereitungszeit betrug gerade mal zwei Wochen.

Auszug aus dem Programm des ersten Kölner Rosenmontagszuges vom 10. Februar 1823
Auszug aus dem Programm des ersten Kölner Rosenmontagszuges vom 10. Februar 1823

Das frisch gegründete Festkomitee hatte die Zeit genutzt und ein strenges, zwölf Paragraphen umfassendes, Reglement für diesen ersten Zoch verfasst. Genauso, wie es die gut organisierten preußischen Besatzer gerne sahen:

„Der in ganz Teutschland einstens so berühmte kölnische Carneval soll durch das Zusammenwirken mehrerer Verehrer alter Volksthümlichkeit in diesem Jahre durch einen allgemeinen Maskenzug erneuert und auch gefeiert werden. Die dabei zum Grunde gelegte Idee ist die Thronbesteigung Carneval’s gedacht als König des Volksfestes.“
§1 Ablaufplan Rosenmontag 1823

Neue Konzepte – und Rückbesinnung auf den leiseren Karneval

Nach dem immer „größer – weiter – lauter“ der vergangenen Jahre ist die Rückbesinnung des Karnevals auf die Wurzeln eine positive Entwicklung. Schade nur, dass es durch die notwendigen strikten Einlassregeln nicht mehr jedem Jeck möglich sein wird, einfach hinzugehen, sich an die Straße zu stellen und den Zoch zu sehen.

Und ich bin sicher, dass noch weitere kreative Ideen kommen, wie Karneval unter Corona-Bedingungen gefeiert werden kann. Es ist nur keine Auszeichnung für den kölschen Fasteleer, dass es für diese Kreativität erst einer weltweiten Pandemie bedarf.


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Marie-Luise Nikuta: Die kölsche Motto-Queen

Marie Luise Nikuta auf der Bühne zur ColognePride 2006, Bild: Raimond Spekking
Marie Luise Nikuta auf der Bühne zur ColognePride 2006, Bild: Raimond Spekking

Podcast Nikuta 8

 

Es war jedes Jahr eines der Rituale des kölschen Fasteleers: Das Festkomitee gab immer an Veilchendienstag das Sessionsmotto für die kommende Session bekannt. Und knapp eine Stunde später hörte man eine gut gelaunte Marie-Luise Nikuta via Telefon im Radio das entsprechende Sessionslied trällern. So schnell wie die „Motto-Queen“ war sonst niemand.

Seit 1977 komponierte und textete „die Nikuta“ in Windeseile unvergessene Mottolieder, darunter zum Beispiel „E paar Grosche för Ies“, den „Straßenbahn Song: Weißte wat, m´r fahre met d´r Stroßebahn noh Hus“ oder auch „Hokus, Pokus, Kölsche Zauberei“. Kritiker warfen ihr vor, rein oberflächliche Stimmungslieder zu singen. Und tatsächlich sind viele ihrer insgesamt 160 Karnevalslieder, wie zum Beispiel „Kölle loss jonn“ mit den Textzeilen

„Kumm loss mer laache,
jet Freud uns mache,
kumm loss mer singe,
kumm loss mer springe,
kumm loss mer fiere,
uns amüsiere
denn Fasteovend is e härrlisch Fess.“

keine wirklich tiefgründigen Lieder, aber mit eingängigen Melodien und nie anzüglich. Dieser zweifelhafte Ruhm gebührt anderen Karnevalsgrößen.1So zum Beispiel der Herrensitzungs-Schenkelklopfer des Eilemann-Trios „Wir steigen auf das Matterhorn – mal von hinten, mal von vorn…“

Erfolgreich im von Männern dominierten Karneval

Marie-Luise Nikuta wor en esch kölsch Mädchen: Geboren am 25. Juli 1938 in Nippes hatte sie schon als Kind Klavierunterricht. Ihr erster Auftritt, gemeinsam mit einem Kinderchor, war auf einer Karnevalssitzung im Williamsbau.

Die Familie blieb bis 1944 in Köln, erst dann flüchtete man aus der fast völlig zerstörten Stadt nach Overath. Dort hielten es die Familie, neben Vater und Mutter gab es noch eine Schwester, aber nicht lange aus. Direkt nach dem Kriegsende ging es zurück nach Nippes.

1968 startet ihre Fastelovends-Karriere mit einem Auftritt beim Literarischen Komitee. Neben dem Karneval arbeitete sie bis zur Geburt ihrer Tochter als Versicherungskauffrau bei Gerling. Ihre große Stütze, Förderer und die Liebe ihres Lebens war ihr Mann Willi. Seit 1960 waren die beiden ein Paar. Er spornt sie an und hält ihr den Rücken frei. So singt sie auf der Bühne im Gürzenich, und hinter der Bühne wechselt Willi die Windeln der gemeinsamen Tochter Andrea.  „Er hat mich unterstützt. Das war wichtig. Ich war ja eine der ganz wenigen Frauen im von Männern dominierten Karneval. Manche haben uns belächelt. Es gab sogar ein paar Machos, die tönten, dass sie sowas in ihrer Ehe nicht tolerieren würden.“ so Marie-Luise Nikuta in einem Interview mit dem Express.

Die Zeiten für Künstlerinnen im Karneval waren hart und sind es heute noch. Männliche Kollegen spotten über die mit roten Haaren und im Köbes-Kostüm auftretende Nikuta. Doch ihr Erfolg spricht für sich. Auch das Festkomitee erkennt dies zwar spät, aber immerhin an: „Sie hat den Karneval – in einer Zeit, als das noch lange nicht selbstverständlich war – weiblicher gemacht. Sie hat die Bühnen der Stadt gegen manch damalige männliche Widerstände erobert.“ so Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn im Februar 2020. Das war allerdings bereits nach dem Tod von Marie-Luise Nikuta.

Ein Star in der LGBT-Community

Ein ganz besonderes Verhältnis hatte Marie-Luise Nikuta zur LGBT-Community2Abkürzung für Lesbian, Gay, Bisexual and Transgender, also Lesbisch, Schwul, Bisexuell und Transgender in Köln. Als eine der wenigen Künstler*innen aus der Karnevalszene trat sie regelmäßig bei schwul-lesbischen Veranstaltungen auf. Und dazu kam es eher zufällig. Sie hatte eine Buchung für eine Veranstaltung in der Altstadt. Nikuta dazu „Als ich da ankam, waren nur Männer da. Ich habe mir da erst einmal gar nichts bei gedacht. Und dann fragte mich jemand, ob ich ein Problem damit hätte, hier aufzutreten – warum sollte ich? Erst da hab‘ ich verstanden, wo ich damals war.“ Die konservativen Karnevalisten sind entsetzt, doch Marie-Luise steht zu ihrer Fangemeinde: „Natürlich bin ich weiter da aufgetreten. Die Stimmung war immer sensationell.“

Maria Luise Nikuta auf einem Paradewagen in der CSD-Parade 2009, Bild: Raimond Spekking
Maria Luise Nikuta auf einem Paradewagen in der CSD-Parade 2009, Bild: Raimond Spekking
Tod ausgerechnet an Karnevalsdienstag – dem „Motto-Tag“

Zur Zäsur im Leben von Marie-Luise Nikuta wird der 18. Dezember 2013. Anfänglich eher harmlose Kopfschmerzen entpuppen sich als Schlaganfall. Noch am gleichen Tag wird sie operiert. Ihr offizieller Rückzug von der Bühne findet bei der Sessionseröffnung am Elften im Elften 2014 statt. 

Ausgerechnet an „ihrem Motto-Tag“ – Karnevalsdienstag 2020 – stirbt Marie-Luise Nikuta im Alter von 81 Jahren. Und wieder werden an diesem Tag ihr zu Ehren im Radio und in den Kneipen die Lieder der Mottoqueen gespielt, wie schon seit 1977.    


Die Nikutas waren trotz der Prominenz ganz bodenständig , wie mir Bäätes geschrieben hat:
„Lieber Uli,
eine Zeitlang habe ich in Mauenheim gearbeitet, wo Frau Nikuta mit ihrem Mann wohnte. Völlig normale Lück. 
Bäätes“


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Un wer is dat schuld? Dä Nubbel!

Ein typischer Nubbel am Eingang einer kölschen Kneipe, Bild: Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)
Ein typischer Nubbel am Eingang einer kölschen Kneipe, Bild: Superbass / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Jetzt hängen Sie wieder über den Kneipen: Die bemitleidenswerten Nubbel. Das sind Strohpuppen, die in der Nacht zu Aschermittwoch verbrannt werden, um uns von allen (Karnevals-)Sünden zu befreien. Zugegeben: Das ist recht praktisch! Wir feiern heftig Karneval, schlagen über die Stränge und schuld ist immer nur dä Nubbel.

Die ersten Nubbel wurden im Rheinland ab etwa Anfang des 19. Jahrhunderts verbrannt. Allerdings ist der Begriff „Nubbel“ recht neu und stammt aus den 1950er Jahren. Bis dahin war der Begriff „Zachaies“ geläufig. Gleiches Prinzip, nur anderer Begriff: Eine Figur muss für die Verfehlungen einstehen. Dabei steht der Nubbel jedes Jahr wieder neu auf, er entsteht also aus seiner eigenen Asche.

Der Nubbel trägt die Schuld – an allem!

Der Ablauf der Nubbel-Verbrennung ist immer weitesgehend gleich: Die bereits vor Weiberfastnacht aufgehängte Puppe wird in der Nacht zu Aschermittwoch abgenommen. Ein als Geistlicher oder Bestatter kostümierter Jeck liest dann die Anklageschrift mit den Sünden des Nubbels vor. Mit jeder Verfehlung wird das anwesende Volk gefragt: „Un wer is dat schuld?“ Die Antwort ist – na klar – der Nubbel. Klassische Anklagen des Nubbels sind:

  • Wer is et schuld, dat mer noh Fastelovend all malad und blank sin?
    (Wer ist es schuld, dass wir nach Karneval alle krank und pleite sind?)
  • Wer is et schuld, dat dä Eff Zeh alt widder su schläch jespillt hät?
    (Wer ist es schuld, dass der ruhmreiche 1. FC Köln schon so bescheiden gespielt hat?)
  • Wer ist et schuld, dat die bedrissene Autobahnbröck immer noch kapott es?
    (Wer ist et schuld, dass die Autobahnbrücke der A1 über der Rhein immer noch defekt ist?)

Das anwesende Volk antwortet auf jede Anklage immer lauthals mit „Dä Nubbel“. Am Ende der Anklage wird der Nubbel angezündet und verbrannt. Durch das Feuer werden alle Jecken, die Stadt, der FC und wer auch immer von ihren Sünden befreit. So lässt sich anschließend hervorragend weiterfeien – bis zum Morgen des Aschermittwochs. Erst dann ist wirklich Schluss.

Auch dieser Nubbel von einer Kneipe auf Severinsstraße wird Karnevalsdienstag brennen, Bild: Dstern at German Wikipedia [Public domain]
Auch dieser Nubbel, von einer Kneipe auf der Severinsstraße, wird Karnevalsdienstag brennen, Bild: Dstern at German Wikipedia [Public domain]

In der Südstadt wird der Nubbel zum Rebell

Kölns größte Nubbelverbrennung ist im Quartier Latin, im Studentenviertel an der Zülpicher Straße. Dort fährt eine alte Leichenwagen-Kutsche durch die Straßen und sammelt die Nubbel der verschiedenen Kneipen ein. Die eigentliche Verbrennung ist dann vor Hellers Brauhaus auf der Roonstraße. Mehrere Tausend Jecken beschuldigen den Nubbel aller Sünden und singen nach der Verbrennung gemeinsam „In unserem Veedel“ bevor es zurück in die vielen Kneipen des Viertels geht.

Auf der Merowinger Straße in der Südstadt wird der Nubbel vor der Kneipe/Restaurant Filos verbrannt. Der Pfarrer der nahegelegenen Lutherkirche, Hans Mörtter, leitet diese Verbrennung. Hier steht der Nubbel aber nicht für die begangenen Sünden, sondern für das letzte Stück Rebellion in uns allen: Rebellion gegen Intoleranz, Rassismus und Hass. Folgerichtig wird die Asche des verbrannten Nubbels in kleine, durchlöcherte Säcke gefüllt und an mit Helium gefüllte Ballons gebunden. Beim Aufstieg in den Himmel soll dann die Asche des Nubbels auf uns niederrieseln und den Geist der Rebellion anfachen. Daher hofft man auch, dass Südwind herrscht. So kann sich die Asche vorrangig über die Nobelviertel Marienburg und Hahnwald verteilen.

Sündenverbrennung in Raderberg

Einen ganz anderen Weg geht der Bürgerverein RADERBERG und -THAL im Kölner Süden: Bereits weit vor Karneval verteilt der Verein im ganzen Viertel „Sündenkarten“. Hier können die Jecken ihre individuellen Sünden eintragen und an die Pinnwand „Beichtstuhl“ im Brauhaus am Kloster hängen.

RADERBERG und -THAL, Sündenkarte 2020
RADERBERG und -THAL, Sündenkarte 2020

An Karnevalsdienstag kommen dann mit Klaus Eberhard, dem evangelischen Pfarrer der Gemeinde, und Thomas Frings, einem katholischen Geistlichen, zwei echte Profis, die gemeinsam die „schönsten“ Sündenkarten zitieren, die Sünden einordnen und dann verbrennen. Auch hier ist der Sünder somit befreit von der Sündenlast und kann unbeschwert weiterfeiern. Dies ist Kölns schönster Karnevalsabschluss. Vorbeikommen lohnt sich unbedingt.
Übrigens: Ich werde auch dort sein.


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Warum rufen wir „Kölle Alaaf“?

ALAAF-Schriftzug
ALAAF-Schriftzug, Bild: Uli Kievernagel

Podcast Alaaf + Zahl 11, 24

Wir Kölner sind mit unserem Ruf „Alaaf“ zu Fastelovend nicht alleine. Quer durch Deutschland rufen alle Jecken viele unterschiedliche karnevalistische Schlachtrufe. Zu meinen persönlichen Lieblingsrufen gehören:

Hoorig, hoorig – isch dia Katz lautet der Ruf der Narrenzunft Zell am Harmersbach.

Der Ruf in Westernhausen (Hohenlohekreis) wird spätestens nach dem achten Bier auch für geübte Zungen kritisch: Houlzschlaichel ferschi.

Ha-Tschi ruft der Fellbacher Carneval Club 1981 e.V.

Im Dietfurter Chinesenfasching ruft man Kille-Wau.

Wer mal Karneval in Würzburg-Unterdürrbach gefeiert hat, kennt auch „Schnüdel Klar“.

Nicht alle Düsseldorfer rufen „Helau“: In Unterbach lautet der Ruf „I-a“

Mein persönlicher Favorit ist aber Öleme Öwwäh aus dem wunderschönen Dorf Ulmen in der Vulkaneifel. Das geht eindeutig nur nach dem zehnten Bier.

Zweigeteilter Narrenruf

Der klassische Narrenruf besteht aus zwei Teilen: Zunächst etwas, was gewürdigt werden soll, meistens ein Ort, eine Person oder ein Karnevalsverein und dann der der eigentliche Ruf. Ganz klassisch ruft ein Redner den ersten Teil und die Jecken im Saal oder auf der Straße antworten mit dem Narrenruf. Der Ruf wird in de Regel dreimal wiederholt. In Köln bedeutet das regelmäßig: Der Vorrufer ruft „Kölle“ und alle antworten „Alaaf“.

Unzählige viele falsche Herleitungen von Alaaf

Aber woher kommt dieses schöne Wort „Alaaf“? Der Kölner Philologe Heribert Augustinus Hilgers (1935-2012) hat in seinem Buch „Alaaf! Ein Kölner Hochruf“ mit allerhand Fehlinterpretationen aufgeräumt. So schön die Geschichten auch sein mögen, sie sind leider alle falsch:

  • Nicht richtig ist zum Beispiel, dass Alaaf vom keltischen Wort „alef“ („Glück“) abstammt.
  • Schön, aber ebenso falsch, ist die Geschichte, dass sich Alaaf auf das Tarotspiel bezieht, weil der jüdische Buchstabe „aleph“ der Karte des Narren zugeordnet sei.
  • Auch die Herleitungen aus dem alemannischen „A Laaf´n“, dem spanischen „alaber“ oder dem syrischen „hadegel“, sind alle, so Hilgers in seinem Buch, nicht haltbar.
  • Und auch wenn wir aus der französischen Besatzungszeit viele Wörter in die kölsche Sprache übernommen haben, stimmt es auch nicht, dass sich Alaaf von „eleve-toi, cologne“, also „Erhebe dich, Köln“ ableitet.

Alaaf ist viel älter als der institutionalisierte Karneval

Im Rheinland gab es den Begriff „Alaaf“ bereits seit Mitte des 16. Jahrhunderts. Und damit knapp 300 Jahre vor dem institutionalisierten Karneval. Tatsächlich wurde ein Krug mit der Inschrift „Allaf für einen goden Druingk“ also „Nichts geht über einen guten Trank“ gefunden. Dieser Krug stammt ungefähr aus dem Jahr 1550. Und Alaaf war ein durchaus üblicher Ruf, nicht nur als Trinkspruch.

Also – liebe Karnevalisten: Ruft gerne oft und laut Alaaf, denkt aber daran, dass dieser Ruf älter als euer wunderschönes Fest ist. Und es ist durchaus erlaubt, auch mal andere schöne Narrenrufe zu benutzen.

Darauf ein dreifaches „Öleme Öwwäh“


Eine andere Geschichte versucht, die Entstehung von „Alaaf“ und „Helau“ gleichzeitig zu erklären. Diese Legende bezieht sich auf das Stapelrecht, also die Pflicht für alle Kaufleute, alle über den Rhein transportierten Güter in Köln zu einem festgelegten Preis anzubieten. Dabei galt immer der Befehl: Alaaf – also „Alles abladen!“

Ein Kaufmann aus Mainz wollte sich mit den Worten „Ik will he lau fahrn“ dem Stapelrecht nicht unterwerfen. Der arme Mann wurde, so die Legende, bei dem Versuch, das Stapelrecht zu umgehen, tödlich verwundet und im Düsseldorfer Stadtteil Kaiserswerth beerdigt. Von ihm sei heute nur noch der Ruf „Helau“ übriggeblieben.


Eine eindrucksvolle Sammlung von Narrenrufen hat Wolfgang Schallenhofer aus Wien auf der auf der Website „Kirchenweb“ zusammengetragen.


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Is et am rääne? – Büttenredner Karl Küpper

Gedenktafel für Karl Küpper am Haus Kalker Hauptstr. 215 in Köln-Kalk.
Gedenktafel für Karl Küpper am Haus Kalker Hauptstr. 215 in Köln-Kalk.

 

Der Karneval und das Dritte Reich sind ein dunkles Kapitel. Zu den lobenswerten Ausnahmen gehört der Büttenredner Karl Küpper. Als „Ne Verdötschte“  machte sich Küpper auf Kölns Karnevalsbühnen über die Nazis lustig. Ein Klassiker waren seine Auftritte, die Hand zum Hitlergruß ausgetreckt und die Frage in den Raum „Is et am rääne?“ oder auch „Su huh litt der Dreck bei uns im Keller.“

Seine subversiven Auftritte blieben nicht ohne Folgen. Im Jahr 1939 belegten die Nazis ihn mit einem lebenslangem Rede- und Auftrittsverbot. Einer Verhaftung umging er mit seiner freiwilligen Meldung zur Wehrmacht. Das Redeverbot wurde aufgehoben und Küpper spielte im Fronttheater.

Zurück aus Kriegsgefangenschaft war Küpper wieder Redner im Karneval – und prangerte die Einflussnahme der alten Nazis in Wirtschaft und Gesellschaft an. So hob er bei einem Auftritt im Karneval 1951 den rechten Arm und rief in den Saal „Et es widder am rähne!“. Und wieder wurde er Opfer der vermeintlichen Eliten und mit einem faktischen Auftrittsverbot im Karneval bestraft. Küpper beendete 1960 seine Karriere als Büttenredner und wurde Gastwirt in Köln-Kalk. 1970 verstarb Karl Küpper im Alter von 64 Jahren. Sein Grab ist auf Melaten zu finden.

Im Jahr 2011 hat die Stadt einen Platz in der Innenstadt nach Karl Küpper benannt. Die aber wohl schönste Ehrung für Küpper stammt von der Stunksitzung: Präsident Jürgen Becker hat eine Rede des „Verdötschten“ im originalen Wortlaut vorgetragen.


November 2019: AfD will das Gedenken an Karl Küpper missbrauchen

Gleich zweimal wurde Karl Küpper von den Nazis von den Bühnen verbannt: Zunächst 1939 mit einem ausgesprochenen Auftrittsverbot durch die braunen Machthaber. In der Nachkriegszeit wurde er zum zweiten Mal Opfer der vermeintlichen Eliten. Die alten Nazis, die es in Politik und Gesellschaft wieder zu Ruhm und Ehre gebracht haben, stellten ihn mit einem faktischen Auftrittsverbot kalt.

Und jetzt, 80 Jahre später, vergreifen sich wieder Politiker von Rechtsaußen an dem verdienten Karnevalisten. Ausgerechnet die AfD, deren Protagonist sogar laut Gerichtsbeschluss Faschist genannt werden darf, will einen „Karl Küpper Preis“ für die beste politische Büttenrede der Session ins Leben rufen. Also eine Partei, die eindeutig rechtes Gedankengut vertritt, will einen erklärten Gegner für ihre perfiden Zwecke missbrauchen.

Um eins klarzustellen: Würde Karl Küpper heute noch leben, wäre er entschiedener Gegner der widerlichen Politik der AfD. Sein Sohn, Gerhard Küpper, wendet sich auch ganz entschieden gegen diese Provokation. Er schreibt in einem Brief an unsere Oberbürgermeisterin Henriette Reker „Mein Vater war zu seinen Lebzeiten strikt gegen jede Form nationalsozialistischen Gedankenguts und hat sie mit allen Mitteln unter Lebensgefahr bekämpft; würde er heute noch leben, würde er diesen Kampf auch mit der AfD aufnehmen.“.

In aller Deutlichkeit

Wenn eine tiefbraune Partei sich ausgerechnet an einem Gegner der NS-Diktatur vergreift, um diesen für ihre populistischen Zwecke zu missbrauchen, müssen wir alle unsere Stimme dagegen erheben. Also liebes Festkomitee, liebe Präsidenten der Karnevalsgesellschaften, liebe aktive Büttenredner – höre ich euch?

Ich habe diesen Aufruf an Büttenredner und Funktionäre der Karnevalsgesellschaften geschickt. Die Rückmeldungen dazu findet ihr hier: Stimmen zum Beitrag „Is et am rääne?“ – Büttenredner Karl Küpper


Der Unbeugsame – der Widerstand des Karl Küpper

Theaterstück "Der Unbeugsame - der Widerstand des Karl Küpper" in der Volksbühne am Rudolfplatz
Theaterstück „Der Unbeugsame – der Widerstand des Karl Küpper“ in der Volksbühne am Rudolfplatz

In der Volksbühne am Rudolfplatz lief das Stück „Der Unbeugsame – der Widerstand des Karl Küpper“. Gerd Köster spielte Karl Küpper.

Ob und wann es weitere Vorstellungen geben wird wird auf der Website der Volksbühne veröffentlicht.


Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper

Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper
Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper

Der Historiker und Publizist Fritz Bilz hat das lesenswerte Buch „Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper“ veröffentlicht. 

Fritz Bilz
Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper
3. erweiterte Auflage, Köln 2020
20 Euro, erhältlich in jeder Buchhandlung


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Jan von Werth – vom Bauernsohn zum Reitergeneral

Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel
Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel

Griet: „Jan, wer et hät jewoss.“
Jan: „Griet, wer et hät jedonn.“

Die Sage von Jan und Griet zeigt, wohin es führt, wenn statt der Liebe nur auf das Geld geschaut wird. Sehr frei übersetzt bedeutet dieser Wortwechsel:

Griet: „Jan, hätte ich gewusst, dass du so eine Karriere machst,
hätte ich dich nicht verschmäht.“

Jan: (kurz und bündig): „Griet, du hast es schlichtweg verbockt.“

Die Sage von Jan und Griet ist Kölner Kulturgut

Die Magd Griet verschmähte einst den armen Bauernsohn Jan, weil sie auf eine bessere Partie hofft. Dieser verlässt Köln, verdingt sich als Söldner und macht eine steile Karriere. Viel später kommt er als hochdekorierter und reicher General nach Köln zurück. Aber es ist zu spät für die Liebe – Griet hat es verbockt.

Ob an der traurigen Liebesgeschichte etwas dran ist? Wahrscheinlich eher nicht, denn es gibt keine Belege dafür. Den Jan aber gab es tatsächlich. Und seine steile militärische Karriere belegen zahlreiche Quellen.

Bauernsohn macht Karriere im Militär

Jan, eigentlich Johann, kommt wahrscheinlich im Jahr 1591 auf die Welt. Wo genau, lässt sich nicht mehr ermitteln, wahrscheinlich in Büttgen am Niederrhein. Die Familie zieht 1599 nach Köln und Jan arbeitet als Pferdeknecht. Wahrlich keine gute Partie! Und die Aussichten für einen mittellosen Knecht waren auch nicht gerade rosig.

Einen Ausweg für Männer wie Jan – ohne Perspektive und Geld – boten die zahlreichen Werber: Gesucht wurden junge, starke und ungebundene Männer für die Söldnerheere. Der Bedarf an Soldaten war enorm, denn große und kleine Kriege gab es zahlreich. Spätestens mit dem Dreißigjährigen Krieg ab 1618 war jeder, der irgendeine Waffe halten konnte, als Söldner gefragt. So entschließt sich Jan im Alter von etwa 19 Jahren dazu, in das wallonische Heer unter der spanischen Flagge einzutreten.

„Franzosenschreck“ Jan von Werth

Jan war ein guter Krieger, furchtlos und ein echter Draufgänger. Schnell machte der Haudegen Jan von Werth eine steile Karriere, vom Fußsoldaten bis hin zum General. Er überlebte viele Verletzungen, so auch eine Kugel, die seine Wange durchschlug und ihm im Hals steckenblieb. Für wen er dabei kämpfte, bestimmte der, der ihn dafür bezahlte – ein klassischer Söldner eben. So zog er für die Spanier, für Kurköln, die Bayern und für Ferdinand II., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, ins Feld.

Jan von Werth, Gemälde im Pfarrhaus von Neersen, Repro: Udo Schmitz
Jan von Werth, Gemälde im Pfarrhaus von Neersen, Repro: Udo Schmitz

Die Kriegsgeschäfte liefen gut, sein erklärter Lieblingsgegner waren die Franzosen, gegen die er in mehr als zwei Dutzend Schlachten gewann. Das brachte ihm nicht nur den Titel „Franzosenschreck“ ein, sondern auch Ländereien, Güter und viel Geld. Sein Meisterstück war 1637 die Eroberung der von den Franzosen gehaltenen Festung Ehrenbreitstein in Koblenz durch eine Belagerung.

Kein Wunder, dass der französische König Ludwig XIII. und Kardinal Richelieu sehr erfreut waren, als Jan 1638 in französische Gefangenschaft geriet. Bei der Schlacht in Rheinfelden wurde sein Pferd unter ihm weggeschossen, die Flucht zu Fuß misslang. Vier Jahre war Jan Gefangener, allerdings nicht bei Wasser und Brot, sondern er wurde – im Gegenzug zu seinem Ehrenwort, nicht zu fliehen – sehr gut behandelt und 1642 gegen den schwedischen General Gustaf Graf Horn ausgetauscht.

Gedenkplakette zum "Spill an d´r Vringspooz" direkt an der Severinstorburg, Bild: UIi Kievernagel
Gedenkplakette zum „Spill an d´r Vringspooz“ direkt an der Severinstorburg, Bild: UIi Kievernagel

Im Jahr 1650, im Alter von etwa 60 Jahren, setzte sich Jan in seinem eigenen Schloss Benatek, im heutigen Tschechien, zur Ruhe. Eigentlich war es ein Wunder, dass Jan tatsächlich dieses Alter erreichte. Die durchschnittliche Lebenserwartung im 17. Jahrhundert lag bei ungefähr 30 Jahren und Jan hatte in unzähligen Schlachten gekämpft. Am 12. September 1652 starb Jan von Werth. Er hinterließ neben einer Ehefrau, die immerhin 41 Jahre jünger war, ein großes Vermögen und zahlreiche Güter und Ländereien in Böhmen, Bayern, Köln und im Rheingau.

Tja Griet, dumm gelaufen. Ävver: „Wer et hät jewoss.“


Der Jan-von-Werth-Brunnen auf dem Alter Markt, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Der Jan-von-Werth-Brunnen auf dem Alter Markt, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Jan-von-Werth-Brunnen

Der Kölner Verschönerungsverein hatte bereits 1881 die Idee, zu Ehren Jan von Werths einen einen Brunnen aufzustellen. Doch es dauerte zwei Jahre, bis der Stadtrat diesen Brunnen genehmigte. Allerdings weigerte sich die Stadt, irgendwelche Kosten dafür zu übernehmen.  Nach zähen Verhandlungen bezahlte die Stadt dann aber doch das Fundament und die laufenden Kosten für das Wasser des Brunnens. Dieser wurde am 14. Juli 1884 eingeweiht.
 
Eigentlich hätte man den Reitergeneral Jan von Werth auf einem Pferd sitzend darstellen müssen. Da aber auf dem benachbarten Heumarkt bereits das Reiterdenkmal zu Ehren König Friedrich Wilhelm III. stand, wurde Jan von Werth stehend mit großem Schwert dargestellt.
 

Auf der Lotsentour Innenstadt besuchen wir diesen Brunnen auf dem Alter Markt.


Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel
Dat Spillche vun Jan und Griet vom Reiter-Korps Jan von Werth, zu sehen jedes Jahr an Wieverfastelovend an d´r Vringsporz, Bild: Uli Kievernagel

Jedes Jahr an Weiberfastnacht spielt das Reiter-Korps Jan von Werth, eine der Traditionsgesellschaften des kölschen Karnevals, das Aufeinandertreffen von Jan und Griet an der Severinstorburg nach. Anders als in der Sage finden sich die beiden hier aber jedes Jahr und ziehen gemeinsam mit Kölns ersten Karnevalszug des Session zum Alter Markt. Hier der entscheidende Moment aus dem Jahr 2019.


„Die Moritat vun Jan un Griet“

Auch die Kölner Band BAP hat die Sage mit „Die Moritat vun Jan un Griet“ aufgegriffen. Hier wird Jan von Griet sehr deutlich abserviert, weil er nix ahn de Fööß hät, also ein armer Schlucker ist:

„Nä Jan, du siehs bei mir kei Land,
verjess et, du kriss nie ming Hand,
wat du och deiß, wat du och lööß,
du häss nix ahn de Fööß, Mann!
Et deit mer leid, du weiß Bescheid,
dat du bei mir nit lande kanns,
Niete wie du, die hann bei mir kein Chance.“


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