Der 11.11. – endlich geht der Karneval wieder los. Bild: Jörg Sabel / pixelio.de
Los – packt euch eine rote Nase ein, setzt eine lustige Mütze auf und geht raus. Schließlich ist heute der 11.11. – dä Fastovend jeiht endlich loss. Um 11.11 Uhr gibt es den Startschuss – und alle Jecken sind außer Rand und Band. Doch was hat es mit dieser Zahl 11 auf sich?
Die 11 als Zahl ohne Regeln
Tatsächlich gibt es viele Erklärungsansätze, warum tatsächlich die 11 die Narrenzahl ist. Am einfachsten ist die Erklärung, dass bei der 11 die beiden Ziffern 1 und 1 einträchtig nebeneinander stehen – als Symbol der Gleichheit im Karneval. Soll bedeuten: Egal, ob du Millionär oder armer Schlucker bist: Im Kostüm sind alle Jecken gleich.
Komplexer wird es bei der Deutung der 11 als Zahl, welche sich nicht den Regeln unterwirft. Während sich die 12 hervorragend teilen lässt, ist die 11 als Primzahl nicht teilbar. Man kann sie nicht mehr mit den Fingern beider Hände abzählen. Und sie überschreitet die Ordnung, die durch die 10 Gebote gegeben wurde. Deshalb hat das kölsche Grundgesetz ja auch 11 Gebote.
Lohn und Pacht waren am 11.11. fällig
Eine andere Herleitung ist, dass sich die Narrenzahl 11 auf die Französische Revolution bezieht: Die Abkürzung der Begriffe Egalité – Liberté – Fraternité lautet ELF. Schöne Geschichte, aber nicht wahr. Allein schon die Tatsache, dass 11 als Zahl der Jecken schon lange vor der Zeit der Französischen Revolution belegt ist, widerlegt diese These.
Einleuchtender ist die Deutung, dass am 11.11., dem Fest des St. Martin, das bäuerliche Jahr zu Ende ging. Pachtzahlungen wurden an diesem Tag fällig und die Knechte und Mägde bekamen ihren Lohn ausgezahlt. Es war also genug Geld im Umlauf, um es so richtig krachen zu lassen.
Feiert mit euren Nachbarn in der Kneipe um die Ecke
Wie auch immer: Nutzt diesen Tag heute, feiert ordentlich Karneval. Schließlich müssen wir ja noch bis zum Januar warten, bis es wieder richtig mit däm Fastelovend losgeht. Noch ein Tipp von mir: Meidet die Kölner Innenstadt. Dort ist es zu voll und zu laut. Geht in die Kneipe um die Ecke und schunkelt mit euren Nachbarn an der Theke.
Gedenktafel, in d’r Kayjass Nummer Null (Kaygasse, Ecke Großer Griechenmarkt),Bild: 1971markus@wikipedia.de, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Jedes kölsche Schulkind kennt diesen Text:
„En d’r Kayjass Nummer Null steiht en steinahl Schull, un do hammer dren studeet. Unser Lehrer, dä hieß Welsch, sproch en unverfälschtes Kölsch ... … Dreimol Null es Null, bliev Null, denn mer woren en d‘r Kayjass en d’r Schull.“
Bei dem von den „Drei Laachduve“ aus der Session 1938/39 besungenen Lehrer handelt es sich um Heinrich Welsch, und genau dieser Lehrer Welsch hat tatsächlich ein musikalisches Denkmal verdient.
Allerdings war Welsch nie in der Kaygasse tätig, sondern leitete im rechtsrheinischen Kalk eine Sonderschule für Kinder, die einer besonderen Fürsorge bedurften. Man kann davon ausgehen, dass die „Drei Laachduve“ Welsch wegen des Reims in die Kaygasse versetzt haben, denn die ursprüngliche Schule lag in der Hollweghstraße . Das hätte doch das Reimschema arg strapaziert.
Geburtshaus von Heinrich Welsch in Arzdorf, Bild: Wolfgang Lietzau
Welsch – ein Pädagoge mit Herz
Heinrich Welsch wurde 1848 in Arzdorf, heute ein Ortsteil von Wachtberg, geboren. Er war ausgebildeter Lehrer mit einem Examen des Königlich Preußischen Lehrerseminars in Brühl. Nach verschiedenen Stationen, unter anderem in Worringen und Sülz, kam er 1881, mitten in der industriellen Revolution, nach Kalk. Erschreckt über die Verhältnisse in der Arbeiterschaft erkannte Welsch sehr schnell, dass Bildung der Schlüssel zum sozialen Erfolg seiner Schüler war. Im Jahr 1905 gründete er die „Hilfsschule“ in Kalk. Der Lehrer Welsch kümmerte sich rührend um seine Schüler – nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der der Rohrstock noch als pädagogisches Mittel galt. So brachte er zum Beispiel Mädchen, die wegen einer ungewollten Schwangerschaft verstoßen wurden, wieder zurück zu ihren Familien.
Das Ehrengrab von Heinrich Welsch auf dem Kalker Friedhof, Bild: A.Savin
Zu seinen Bemühungen um die Bildung gehört auch, dass Welsch 1884 mit 1.700 von ansässigen Betrieben gespendeten Büchern die erste Volksbibliothek in Kalk gründete. Heinrich Welsch schied im Jahr 1914 aus dem Schuldienst aus und verstarb 1935. Sein Grab auf der dem Friedhof in Kalk ist ein Ehrengrab, die Stadt Köln kümmert sich um die Grabpflege.
Lehrer-Welsch-Preis
Neben dem bekannten Lied lebt Heinrich Welsch aber auch im Lehrer-Welsch-Sprachpreis weiter. Die Kölner Sektion des Vereins Deutsche Sprache verleiht diesen seit 2004 an Personen oder Institutionen, die sich um die Hochsprache und den Erhalt der kölschen Sprache verdient gemacht haben. Der Sänger Ludwig Sebus, selbst Preisträger im Jahr 2008, dazu im Kölner-Stadt-Anzeiger „Das Vermächtnis des legendären Lehrers Welsch ist doch viel mehr als Drei mal Null. Er verkörperte die kölsche Seele. Als Lehrer hat er alle Menschen gleich gesehen und gleich behandelt.“. Erster Preisträger war Alexander von Chiari der im Motto des Rosenmontagszugs 2005 das Wort „Kids“ durch „Pänz“ ersetzte. Weitere Preisträger waren unter anderem „Die Sendung mit der Maus“ oder die Wise Guys.
„Papa gnädig“
Ich widme dieses „Köln-Ding der Woche“ ausdrücklich meinem am 2. April 2023 verstorbenen Vater Peter Kievernagel, ebenfalls Lehrer. Seine Schüler sprachen von ihm als „Papa gnädig“, weil er bei Prüfungen auch schon mal gerne ein Auge zudrückte.
Ganz in der Tradition von Heinrich Welsch.
Zwar stammt das Lied von der „steinahl Schull“ im Original von den „Drei Laachduve“, allerdings ist die überarbeitete Version der „Vier Botze“ die heimliche Hymne Kölns.
Ein kölsches Lied, in dem weder „Dom“, noch „Rhing“, „EffZeh“ oder „Sunnesching“ vorkommt, verdient immer eine besondere Beachtung. Dieses kleine Kunststück ist der Band Kasalla mit „Mer sin Eins“ gelungen. Pünktlich zu den hohen Feiertagen im Fastelovend endet die Mini-Serie „Kölsche Tön & ihre Geschichte“ mit diesem Titel aus dem letzten Jahr (2017).
Auch wenn viele Menschen die eingängigen Textzeilen gerne laut mitsingen, darf unterstellt werden, dass insbesondere die nicht ortskundigen Jecken, aber auch mancher Kölner, nicht genau wissen, über was man gerade singt. Deshalb hier ein etwas genauerer Blick auf einzelne Textzeilen:
„Vun der Südkurv bes zom Nordkrüz“ Klar – hier ist legendäre Südkurve im Müngersdorfer Stadion gemeint. Hier feiert (und leidet) der FC-Fan mit seinem 1. FC Köln. Das Nordkreuz ist das staugeplagte Autobahnkreuz im Kölner Norden. Hier treffen die A1 und A57 aufeinander.
„Un vum Pletschbach zom Troodelööh“ Der Pletschbach ist ein Bächlein, welches zwar als Rheinzufluss geführt wird, tatsächlich aber eher ein meistens kleines oder sogar trockenes Rinnsal in Worringen ist. Der Troodelööh ist der „Kölsche Everest“.
„vun Wesshoven bes noh Ossheim“ Westhoven ist einer der vielen Porzer Stadtteile. Ostheim ist ebenfalls ein rechtsrheinischer Stadtteil, zwischen Gremberg, Vingst und Merheim.
„Mer sin Mürer un Chirurge“
Ein „Mürer“ ist en Maurer. Diese Textzeile zielt auf die sozialen Unterschiede ab, die im Karneval egalisiert werden.
„Rude Funk und schwatzes Schof“
Der Rote Funke ist ein ganz besonderes Exemplar im Karneval. Perfekt organisiert – und wenn er im Rudel mit vielen anderen Funken auftritt, sogar lustig. Das „Schwarze Schaf“ erklärt sich vom selbst.
„Banker, Bischoff, Stroßemädche“ Wieder einmal wird die Einigkeit trotz sozialer Unterschiede beschworen. Besonders schön ist, dass der Bischof und ein Straßenmädchen gemeinsam Platz in einer Zeile, sogar direkt nebeneinander, finden.
„Mer sin Fäns öm ze jewinne, op dem Jras un op dem Ies“
Einnmal mehr geht es um den Fußball, und der findet bekanntlich auf dem Gras statt. Wobei hier bestimmt auch – neben dem allmächtigen FC – die Kölner Fortuna gemeint ist. Auf dem „Ies“, also auf dem „Eis“ drehen die Eishockeyspieler der Kölner Haie ihre Runden.
„Mer sin Arsch Huh un Sartory“ Die Initiative „Arsch huh – Zäng ussenander!“ ist Kölns Antwort auf die fremdenfeindlichen Übergriffe Anfang der 90er Jahre. Unvergessen ist das Konzert am 9. November 1992. Über 100.000 Menschen haben sich auf dem Kölner Chlodwigplatz versammelt, um gegen Rassismus und Neonazis zu demonstrieren. Mit „Sartory“ ist der große Veranstaltungsraum auf der Friesenstraße gemacht. Dieser steht hier als Symbol für den organisierten Karneval.
Wie diese Textzeile zeigt, geht es in dem Lied darum, dass wir in Köln trotz aller Gegensätzlichkeit, trotz links- und rechtsrheinischer Wohnlage, trotz sozialen Unterschieden und Weltanschauungen zusammengehören. „Mer sin Eins“ wörtlich übersetzt bedeutet „Wir sind Eins“.
Gut zu wissen: Kasalla gehört mit einer Reihe anderer, junger Bands wie Cat Ballou, Querbeat, Miljö oder auch den Klüngelköpp zur einer neuen, erfolgreichen Generation (Karnevals-) Bands. Der Aufstieg dieser Bands ist eng verbunden mit einer neuen Lust an Karneval, getrieben durch die Initiative „Loss mer singe“. Genial einfach bietet „Loss mer singe“ die Möglichkeit, die jeweils neuen Lieder Jahr für Jahr kennenzulernen und gemeinsam zu singen. „Loss mer singe“ geht dafür raus. In die Kneipen in den Veedeln. Ohne Eintritt und immer mit Textzettel von 20 ausgewählten, neuen Liedern. So wurde eine neue Zielgruppe für den Karneval erschlossen: Jecke, die nicht auf eine der klassischen Sitzungen gehen, sondern die in ihrer Kneipe gemeinsam und ungezwungen feiern wollen.
Ein kritischer Blick auf Köln heute zeigt, dass die Veränderung der Stadt kaum noch aufzuhalten ist. Immer mehr zahlungskräftige Menschen ziehen in die Veedel, die alteingesessenen Bewohner werden „wegsaniert“. So werden ganze Bevölkerungsgruppen einfach ausgetauscht. Das Schlagwort dafür ist „Gentrifizierung“. Dieses Wort war in den 70ern noch nicht bekannt. Aber der Vorgang sehr wohl.
Sanierung im Severinsviertel
Der Rat der Stadt Köln beschloss 1973 die Sanierung des Severinsviertels. Bis zu 50% der Gebäude des „Vringsveedels“ waren betroffen. Und schnell wurde klar: Die entstehenden Neubauten waren nichts für den oft schmalen Geldbeutel der Menschen in der Südstadt. So formierte sich – angetrieben von Studenten und weiteren Sanierungsgegnern – der Widerstand.
Der Bläck Fööss Haus- und Hoftexter Hans Knipp und Hartmut Priess, Bassist der Band, griffen diesen Protest auf. Die Idee war, die Stadtverwaltung zu mahnen, doch bitte „die Kirche im Dorf zu lassen“. Übersetzt auf Kölner Verhältnisse: „Den Dom in Kölle zu lassen.“
Kölscher Größenwahn
Und Hans Knipp nimmt dann noch – mit einem Augenzwinkern – den typisch kölschen Größenwahn auf die Schippe: Die „Sixth Avenue“ mit der Ehrenstraße zu vergleichen oder die Akropolis einfach neben das Rathaus zu setzen, ist Ausdruck dieser kölschen Großmannssucht.
Heute ist das Lied aktueller denn je. Luxussanierungen, horrende Mieten und Preise von locker 5.000 Euro für einen Quadratmeter Wohnraum führen dazu, dass sozial schwächere Gesellschaftsschichten aus der Stadt an den Rand oder in die Peripherie gedrängt werden. Der Charakter ganzer Veedel verändert sich. Eine Hoffnung: Bürgervereine wie zum Beispiel RADERBERG und -THAL stemmen sich gegen diese Entwicklung. Ich wünsche den Verantwortlichen dabei viel Erfolg!
Kurios: „Mer losse d´r Dom en Kölle“ war die A-Seite der dritten Bläck Fööss Single. Der Song auf der B-Seite kann berechtigterweise als Hymne unserer Stadt bezeichnet werden. Es handelt sich um „En uns´rem Veedel“.
Refrain:
Mer losse d’r Dom en Kölle,
denn do jehöt hä hin.
Wat soll dä dann woanders,
dat hät doch keine Senn.
Mer losse d’r Dom en Kölle,
denn do es hä zo Hus
un op singem ahle Platz
bliev hä och jot en Schoss,
un op singem ahle Platz
bliev hä och jot en Schoss.
Stell d’r für d’r Kreml stünd am Ebertplatz,
stell d’r für d’r Louvre stünd am Rhing,
do wör für die zwei doch vell zo winnich Platz,
dat wör doch e unvührstellbar Ding.
Am Jürzenich, do wör villeich et Pentajon,
am Rothus stünd dann die Akropolis,
do wöss mer övverhaup nit wo mer hinjon sollt,
un doröm es dat eine janz jewess:
Mer losse d’r Dom en Kölle, …
Die Ihrestross die hiess villeich Sixth Avenue,
oder die Nord-Süd-Fahrt Brennerpass.
D’r Mont Klamott dä heiss op eimol Zuckerhot.
Do köm dat Panorama schwer en Brass.
Jet froch ich üch, wem domet jeholfe es,
wat nötz die janze Stadtsanierung schon,
do soll doch leever alles blieve wie et es
un mir behalde uns’re schöne Dom.
Mer losse d’r Dom en Kölle, …
Die Besatzungszonen nach dem 2. Weltkrieg, Bildquelle: Elymnus
Mit dem Klassiker „Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien“ von Karl Berbuer setze ich heute die Mini-Reihe „Kölsche Tön & ihre Geschichte“ fort. Ziel ist, dass ihr an Karneval textsicher mitsingen könnt und auch die Hintergründe der Lieder kennt.
Als Karl Berbuer das Lied 1948 schrieb, sollte es eigentlich der „Bizonesien-Song“ werden. Damit war die Amerikanisch-Britische-Besatzungszone nach dem 2. Weltkrieg gemeint. Tatsächlich trat aber Frankreich auch der Bizone bei – und so wurde es eine Trizone. Berbuer änderte den Refrain noch vor der Veröffentlichung und sorgte mit dem Lied schnell für Ärger bei den Alliierten.
Verhöhnung der Nazis, kein Revanchismus
„Die Deutschen werden wieder frech“ titelte die britische „Times“ und witterte Revanchismus gegenüber den Siegermächten. Gemeint war die Textzeile „Ein kleines Häuflein Diplomaten macht heut die große Politik, sie schaffen Zonen, ändern Staaten“.
Gewiss war hier eine Kritik an den Besatzungsmächten enthalten, aber das Lied ist nicht als deutsche Kraftmeierei zu verstehen. Vielmehr verhöhnt Berbuer mit dem Reim „Wir haben Mägdelein mit feurig wildem Wesien“ das nationalsozialistische Schlagwort vom „Deutschen Wesen“.
Heimliche Nationalhymne
Auch die Briten akzeptierten irgendwann den Trizonesien-Song, und so konnte sich dieses Lied zur mehr oder weniger heimlichen Nationalhymne entwickeln. So erklang das Lied bei einem Fußballspiel zwischen Engländern und deutschen Kriegsgefangenen, direkt nach „God save the King“. Auch in Köln wurde diese Ersatzhymne bei der Siegerehrung nach einem Radrennen gespielt.
Konrad Adenauer erinnert sich gut daran, dass „Trizonesien“ statt einer Nationalhymne gespielt wurde. Bild: Bundesarchiv, Katherine Young, CC BY-SA 3.0 DE
Konrad Adenauer erinnerte sich sehr gut daran: „Es war auch manches belgische Militär in Uniform da vertreten, und schließlich wurden die Nationalhymnen angestimmt, und die Musikkapelle, … hat ohne besonderen Auftrag, als die deutsche Nationalhymne angestimmt werden sollte, das schöne Karnevalslied „Ich bin ein Einwohner von Trizonesien“ angestimmt. … Da sind zahlreiche belgische Soldaten aufgestanden und haben salutiert, weil sie glaubten, das wäre die Nationalhymne.“
Doch Adenauer wollte eine „echte“ Nationalhymne und setzte das „Lied der Deutschen“, und zwar nur die dritte Strophe, als Hymne durch. Doch das war erst 1952.
Nur am Rande: Ich persönlich hätte nichts gegen den Trizonesien-Song als Hymne gehabt. Ganz im Gegenteil: Etwas mehr Humor hätte vielleicht schon manche diplomatische Krise entschärft.
Mein lieber Freund, mein lieber Freund,
die alten Zeiten sind vorbei,
ob man da lacht, ob man da weint,
die Welt geht weiter, eins, zwei, drei.
Ein kleines Häuflein Diplomaten
macht heut die große Politik,
sie schaffen Zonen, ändern Staaten.
Und was ist hier mit uns im Augenblick?
Refrain:
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien,
Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!
Wir haben Mägdelein mit feurig wildem Wesien,
Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!
Wir sind zwar keine Menschenfresser,
doch wir küssen um so besser.
Wir sind die Eingeborenen von Trizonesien,
Hei-di-tschimmela-tschimmela-tschimmela-tschimmela-bumm!
Doch fremder Mann, damit du’s weißt,
ein Trizonesier hat Humor
er hat Kultur, er hat auch Geist,
darin macht keiner ihm was vor.
Selbst Goethe stammt aus Trizonesien,
Beethovens Wiege ist bekannt.
Nein, sowas gibt’s nicht in Chinesien,
darum sind wir auch stolz auf unser Land.
Das „Müllemer Böötche“, Fotograf unbekannt, Bildquelle: Die Handelskammer für den Kreis Mülheim am Rhein (1871-1914), Heinz Hermanns
Damit ihr an Fastelovend textsicher mitsingen könnt, gibt es bis Karneval die Mini-Reihe „Kölsche Tön & ihre Geschichte“. Wir starten mit dem Klassiker von Karl Berbuer „Heidewitzka Herr Kapitän“:
Vordergründig geht es um einen klassischen Ausflug von Köln-Mülheim zum Drachenfels. Dass dabei ordentlich gefeiert und getrunken wird, versteht sich von selbst, immerhin ist dä Schmitz „ald jetz su voll wie en Spritz“. Und als dann auch noch ein Sturm mit Windstärke 11 aufkommt, wird „selvs de Frau Dotz, die met dem Wallfeschformat“ davon seekrank.
Tatsächlich ist aber der Refrain von besonderer Bedeutung. Dazu muss man wissen, dass Berbuer das Lied 1936 veröffentlicht hat. Und dann bekommt „Heidewitzka“ auf einmal eine ganz andere Bedeutung – als Verhöhnung des nationalsozialistischen „Heil Hitler“ Grußes.
Das „Müllemer Böötche“ gab es übrigens tatsächlich. Bis 1888 verkehrte eine Fähre zwischen dem damals noch nicht eingemeindeten Mülheim und den linksrheinischen Kölner Stadtteilen. Erst eine Schiffsbrücke und 1929 die mächtige Mülheimer Brücke machten den Fährbetrieb überflüssig.
Das Lied kam 1949 zu besonderen Ehren: Konrad Adenauer wurde bei einem Besuch in Chicago mit „Heidewitzka“ begrüßt – eine Verlegenheitslösung der Amerikaner, da es noch keine deutsche Nationalhymne gab. Auch Berbuers Trizonesien-Lied übernahm die Funktion der Ersatz-Hymne.
Eimol em Johr dann weed en Scheffstour gemaht,
denn su en Faht, hät keinen Baat.
Eimol em Johr well mer der Drachenfels sin
wo köme mer söns hin?
Liebchen ade, mer stechen he
mem Müllemer Böötche endlich en See,
un wenn et ovends spät op Heim ahn dann geiht,
dann rofe mer vör luter Freud:
Refrain:
Heidewitzka, Herr Kapitän!
Mem Müllemer Böötche fahre mer su jähn,
m’r kann su schön em Dunkle schunkele,
wenn üvver uns de Sterne funkele.
Heidewitzka, Herr Kapitän!
Mem Möllemer Böötche fahre mer su jähn.
Volldampf voraus! Et geiht d’r Rhing jetzt entlang
met Sang un Klang, de Fesch wähde bang,
met hundert Knöddele dat litt klor ob d’r Hand,
wink uns et blaue Band.
Süch ens d’r Schmitz, met singem Fitz,
die sin ald jetz su voll wie an Spritz,
hä fällt dem Zigarettenboy öm d’r Hals
brüllt met’ner Stemm su voller Schmalz
Heidewitzka, Herr Kapitän! …
Jung, ob dem Scheff ham’mer ald Windstärke 11,
bal Halver Zwölf un gar kein Hölf,
selvs de Frau Dotz, die met dem Wallfeschformat,
wood dovun seekrank grad.
Heimlich un stell bütz doch dat Bell
en der Kajütt ne knochige Böll,
nä et wed Zick met uns, mer müsse ahn Land,
mer sin jo wie us Rand und Band.
Heidewitzka, Herr Kapitän! …
Kurios: In den 1930er Jahren wurde auch eine niederländische Variante von Heidewitzka veröffentlicht. Allerdings geht es hier nicht um einen Ausflug sondern um den wachsenden Autoverkehr .
Lädt alle Krade nach Köln ein: Bömmel Lückerath, Bild: Bläck Föös
Im Jahr 2004 war die Aufregung beim damaligen Kölner Oberbürgermeister Fritz Schramma groß: Hatten doch die Bläck Fööss mit dem Lied „Kradechor“ alle Krade in unsere schöne Domstadt eingeladen. Und das auch noch ausgerechnet auf der Prinzenproklamation. Also beim „Hochamt“ des offiziellen Karnevals. Noch auf der Bühne bat Schramma den frisch proklamierten Bauern des Dreigestirns, ihn bei der Verteidigung der Stadt gegen die Krade zu unterstützen.
Heute noch ein Schimpfwort?
Und schon war der Streit um das kölsche Wort Krade entbrannt. Das Kölsch-Lexikon der Akademie för uns kölsche Sproch übersetzt „Kradepack“ kurz und knapp mit „Pöbel“. Im „Wrede“ (das renommierte Kölsch-Lexikon) ist Krad auch ein Schimpfwort. Bömmel Lückerath von den Bläck Fööss hält dagegen: „Das war vielleicht vor 50 Jahren so. Heute ist das fast ein Kosename für einen echten Kölschen, der mit beiden Beinen im Leben steht.“ Und jetzt? Was bedeutet „Krad“ denn nun wirklich?
Ich habe letzte Woche eine kleine, nicht repräsentative, Umfrage in meiner Stammkneipe gestartet. Und die Wahrheit liegt anscheinend irgendwo zwischen Schrammas Interpretation und Bömmels Meinung: Keiner der Befragten möchte sich selbst als Krad bezeichnen. Als Kosename geht das Wort anscheinend nicht durch. Gleichzeitig werden Dritte, in der Regel nicht anwesende, Personen, gerne liebevoll als Krad bezeichnet, ohne dass es sich dabei um eine Beschimpfung handelt.
Womit wir wieder bei Schramma und anderen offiziellen Vertretern der Stadt und des Karnevals wären: Beim Kradechor regt man sich auf, wenn aber das Eilemann-Trio frivol „Wir steigen auf das Matterhorn – Mal von hinten, mal von vorn…“ singt, stimmt man mit voller Brust ein. Dat jitt et nur in Kölle.