Dreimol „Huh“ op de Frisöre! Gedanken und Bilder zur Corona-Krise

Die Sehnsucht nach dem Friseur wächst, Bild: Martin Jäger / pixelio.de
Die Sehnsucht nach einer ordentlichen Frisur wächst, Bild: Martin Jäger / pixelio.de

Die Corona-Krise hat uns fest im Griff. Und verändert unseren Alltag. Dabei sind Gesichtsmasken und das „sich-aus-dem-Weg-gehen“ hoffentlich nur vorübergehende Erscheinungen. Genau wie der temporäre Klopapapier-Notfall. Mittlerweile gibt es, zumindest in meinem bevorzugten Supermarkt, sogar 16er-Pack vierlagig wieder zu kaufen. Gottseidank – das „Geschäft“ ist gerettet.

Interessanter sind aber die Effekte, die niemand vorher auf dem Zettel hatte:
Zootiere langweilen sich – es fehlen ihnen die Besucher zum Anschauen. Und die Birkhühner in den Wäldern können endlich in Ruhe balzen. Beim Menschen ist die Frage der Balz noch offen: Wird es gegen Ende des Jahres einen Baby-Boom geben oder steigen die Scheidungsraten?

In Köln-Raderberg wird für die Helfer in der Corona-Krise geklatscht. Hier ein leider etwas dunkles Video vom 26.03. um 21 Uhr in der Raderberger Straße), Video: Uli Kievernagel
Abends um 21 Uhr wird für die Helfer in der Corona-Krise geklatscht. Hier ein leider etwas dunkles Video vom 26. März 2020, Video: Uli Kievernagel

Auch interessant: Gerade Väter stellen fest: „Mensch – ich habe Kinder. Und die muss ich beschäftigen.“ Gut zu beobachten in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Außerdem: Einbrecher will man in diesen Tagen bestimmt nicht sein. Genau wie Pfleger im Altenheim, Paketfahrer oder Kassiererin im Supermarkt. Es wurde zwar geklatscht – aber das macht den 10-Stunden-Tag im Aldi hinter Plexiglas auch nicht erträglicher.

Es gibt aber auch positive Erlebnisse, hier ein paar Beispiele:

  • Am kreativsten sind mal wieder Kinder. In meiner Nachbarschaft haben die Pänz Briefkästen gebastelt und an die Gartenzäune gehangen, um sich gegenseitig Nachrichten zu schreiben.
  • Menschen bieten ihren Nachbarn Unterstützung an. In vielen Hausfluren hängen Zettel mit dem Angebot, Einkäufe für Nachbarn zu erledigen.
  • Experten gehen davon aus, dass durch den fast kompletten Wegfall des Flugverkehrs bis zu 100 Mio. Tonnen CO2 eingespart werden. Auf einmal ist Deutschland wieder nah dran am Klimaziel – Corona sei gedankt.
  • Es werden Gabenzäune für die Menschen errichtet, die mit dem Kurzarbeitergeld nicht über den Monat kommen.

Öffnung der Frisöre steht bevor! Nicht nur die Frauen jubeln.

Und morgen, Montag, 4. Mai, ist dann auch der Tag X für alle, die sich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen können: DIE FRISEURE ÖFFNEN WIEDER! Zwar unter strengen Auflagen, aber egal: Es heißt endlich wieder „waschen – föhnen – legen“ . Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich dieses Thema massiv unterschätzt habe. Fragt gerne dazu bei Gelegenheit mal meine Frau – für sie ist ein Friseur systemrelevant.

Auch meine kölsche Lieblingslyrikern Juliane wartet sehnsüchtig darauf, dat de Hoor widder Fazung kreje. Diese Sehnsucht nach ´nem neuen Kopp hat sie in das Gedicht „Systemrelevante Hoorspalterei“ gepackt und sie hat das Gedicht auch wieder selbst eingesprochen. Härlisch. Unbedingt anhören.
Vell Freud domet.


Systemrelevante Hoorspalterei
Juliane Poloczek

Ich hald‘ et nit us! Wie sinn ich bloß us!
Un dat alles bloß durch dä blöde Virus!
De Hoor nit mieh brung, janz ohne Fazung.
Jetz sinn ich alt us, nit schön un nit jung.

Wie jään ich jetz wör beim mingem Frisör!
Ich bruche janz dringend jet neue Kolör.
Mingen Aansatz es jries, dat fingen ich fies.
Met dä schäbije Pürk föhlen ich mich ärch mies.

Wat maachen ich jetz? Nen Hoot opjesetz?
Fastelovendsdreispetz? Oder leever en Mötz?
Om Däätz nen Turban? Dat hööt sich joot aan.
Koppdooch oder Burka – dat wör doch ne Plan.

Doch baal määt hä op, dä Frisure-Shop.
Dann krijjen ich widder ne „neue Kopp“.
Met Packung un Färverei un janz vell Hoorspray.
Es et endlich vorbei met dä Hoorspalterei.

Dreimol „Huh“ op de Frisöre!


Wie immer ein paar Erklärungen zu ausgewählten kölschen Wörtern

Fazung = Form
schäbije Prück = wörtlich übersetzt: armselige Perücke, hier sind aber tatsächlich die eigenen Haare und keine Perücke gemeint
ärch = sehr
Däätz = Kopf
baal = bald
krijjen = bekommen


Mehr von Juliane Poloczek gibt es auch hier:


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Der Duffesbach – ja wo ist er denn?

Verlauf des Duffesbachs, Karte: Stadtentwässerungsbetriebe Köln
Verlauf des Duffesbachs, Karte: Stadtentwässerungsbetriebe Köln

 

Blaubach, Rothgerberbach, Mühlenbach, Weidenbach, Am Duffesbach – die Kölner Innenstadt ist voller Bäche. Der Kölsche spricht deswegen für die Strecke vom Eifelplatz, über St. Pantaleon und Waidmarkt bis zum Rhein auch nur von „den Bächen“. Aber wo sind diese Bäche? Und wie viele Bäche sind es denn überhaupt?

Ein Bach – viele Namen

Eigentlich ist es ganz einfach: Es gibt nur einen Bach – den Duffesbach. Dieser hat allerdings an verschiedenen Stellen unterschiedliche Namen. Und die Suche nach dem Duffesbach ist vergeblich: Der Bach ist heute durchgehend kanalisiert und läuft fast ausschließlich unterirdisch. Bei der Wasserqualität ist das auch besser, denn der niedrige Sauerstoffgehalt und die hohe Konzentration an Gift lässt im Wasser kaum Leben zu, so Hannah Brüggemann von der NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln.1„Duffesbach”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-108535-20141126-7, abgerufen: 2. März 2020

Der Fluss entspringt in Hürth-Knapsack – auch hier ist er heute nicht mehr zu sehen. Unterirdisch und kanalisiert tritt dieser erst für ein kurzes Stück im Grüngürtel an die Oberfläche. Und wenn nicht bereits die Römer den Bachlauf verlängert hätten, wäre schon im heutigen Zollstock Schluss gewesen – der Duffesbach versickerte schlichtweg.

Wer heute aber einen echten Fluss erwartet, wird enttäuscht. Zu sehen ist der Fluss nur auf einem kurzen Stück im Grüngürtel. Je nach Wetter ist kaum mehr als ein schmales Rinnsal auszumachen.

Trockengefallener Duffesbach im Grüngürtel, Bild: Travus / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
Trockengefallener Duffesbach im Grüngürtel, Bild: Travus / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Auch seine Mündung in den Rhein ist unspektakulär: Aus einem Rohr läuft der Duffesbach unterhalb der Wasseroberfläche direkt in den Rhein und ist nicht zu sehen – es sei denn, es ist extremes Niedrigwasser. Dann kann man zumindest das Rohr des Baches in Höhe der Rheingasse sehen. Hauptgrund dafür, dass der Duffesbach kaum noch Wasser führt, ist der Braunkohleabbau in der Ville. Damit sich die riesigen Tagebauten nicht mit Wasser füllten, musste der Grundwasserspiegel stark abgesenkt werden. So wurde dem Duffesbach schlichtweg das Wasser entzogen.

Mündung des Duffesbachs in den Rhein, Höhe Rheingasse. Nur zu sehen bei extremen Niedrigwasser, Bild: Marcus Bentfeld / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Mündung des Duffesbachs in den Rhein, Höhe Rheingasse. Nur zu sehen bei extremen Niedrigwasser, Bild: Marcus Bentfeld / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Bedeutende Wasserversorgung für die Stadt

Früher war das anders. Bevor die römische Wasserleitung aus der Eifel die Stadt mit Frischwasser versorgte, stellte der Duffesbach die wichtigste Wasserversorgung der Stadt dar, trieb unzählige Mühlen an und war existenziell für unterschiedliche Gewerbe. Die Namen „der Bäche“ weisen auf diese Nutzung hin:

  • Am Duffesbach
    Der Name leitet sich wahrscheinlich von einer Mühle, die „tuifhaus“ genannt wurde, her.
  • Rothgerberbach
    Hier waren viele Gerber im mittelalterlichen Köln ansässig.
  • Weidenbach und Blaubach
    An diesem Abschnitt waren die Färber zu finden, die mit Färberwaid Stoffe färbten.
  • Mühlenbach
    Dieser Name erschließt sich von selbst. Der Kölsche kennt heute noch die „Malzmühle“ wegen des dort gebrauten, süffigen Mühlen-Kölschs.

Die Nutzung des Wassers war für die Handwerker existenziell und jahrhundertelang Gegenstand von Streit: Wer durfte das Wasser wann nutzen? Dies führte 1560 sogar zum „Kölner Wasserkrieg“.

Unter dem "Rothgerberbach" verläuft der kanalisierte Fluss, Bild: HOWI - Horsch, Willy / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
Unter dem „Rothgerberbach“ verläuft der kanalisierte Fluss, Bild: HOWI – Horsch, Willy / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
Der Duffesbach bleibt kanalisiert

Es ist nicht zu erwarten, dass der Duffesbach eines Tages wieder an die Oberfläche geholt und zur Naherholung beitragen wird. Hintergrund ist, dass der Bach nie ein natürliches Bett gehabt hat und schon seit der römischen Zeit in Köln durch Menschen kanalisiert wurde. Außerdem ist schlichtweg kein Platz für eine Führung des Gewässers an der Oberfläche vorhanden.

Typisch Kölsch: Wenn man den Bach schon nicht sieht, kann man aber immerhin darüber singen. So haben die Bläck Fööss dem Duffesbach in dem Lied der „Drei vun d´r Eierquell“ eine wunderschöne Zeile gewidmet:

„Mer trofe e Mädche am Duffesbach,
do kräte met däm singem Tuppes Krach.“


Der Duffesbach im Wechsel der Jahreszeiten (bitte Bilder anklicken)

Ein großes DANKE an Andy Ramacher und Elisabeth van Langen für die Fotos.


 

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Kölsche Sisyphusarbeit: Sich zum Schänzchen arbeiten

Sisyphos müht sich mit dem Stein ab - er arbeitet sich zum Schänzchen. Hier ein Darstellung von Tizian
Sisyphos müht sich mit dem Stein ab – er arbeitet sich zum Schänzchen. Hier ein Darstellung von Tizian

In der griechischen Mythologie wurde Sisyphus vom Gott Hermes dazu gezwungen, immer wieder einen schweren Stein einen Berg hinaufzurollen. Und wenn Sisyphus fast oben angekommen ist, rollt der Stein hinunter und er muss wieder vor vorne anfangen. Man spricht deswegen von einer Sisyphusaufgabe. Das bedeutet, einer schweren oder anstrengenden Tätigkeit nachzugehen ohne ein Ende abzusehen.

Der Kölner braucht für die Beschreibung von solchen Tätigkeiten keine Gottheiten. Der Kölner spricht einfach vom Schänzchen oder Schänzjen. Jetzt rollen Kölsche bekanntlich keine Steine irgendwelche Berge rauf. Das würde der Kölsche, auch mangels geeigneter Berge, nie machen. Deswegen hier ein anderes Beispiel: Nehmen wir mal an, ein Kölner wird dazu verdonnert, Laub aufzufegen. Eigentlich ist klar, dass die nächste Windböe direkt wieder weitere Blätter heranbläst. Doch der Kölsche fegt unermüdlich (nun ja, so unermüdlich wie es einem Kölner halt möglich ist) die Blätter. Dann arbeitet er sich zum Schänzchen. Er erledigt also eine niemals endende Aufgabe.

Ein Begriff aus dem Festungsbau

Tatsächlich handelt es sich bei einem Schänzchen um ein Bündel Anfeuerholz, also kleingeschnittenes Brennholz oder Reisig zum Anzünden eines Herdfeuers. So hielt meine Oma immer neben ihrem Herd aus Gusseisen die entsprechenden Klütten (Briketts) zur Befeuerung, ein paar Scheite Holz und eben das Schänzchen zum Anfeuern bereit.

Der Kölsche nennt sie Schänzchen: Reisigbündel zum Anzünden.
Der Kölsche nennt sie Schänzchen: Reisigbündel zum Anzünden.

Jetzt stellt sich die Frage, wie der Begriff für das Anfeuerholz zur Sisyphusaufgabe werden konnte. Die Erklärung stammt aus dem Festungsbau. Eine Schanze ist eine militärische Befestigungsanlage. Das bekannteste Beispiel dürfte Hitlers Führerhauptquartier Wolfsschanze im heutigen Polen sein. Eine Schanze im engeren Sinne ist ein Befestigungswerk, welches nicht dauerhaft angelegt ist. Gebildet wurden diese Anlagen aus Schanzkörben. Das sind runde Geflechte aus Reisig, die mit Erde gefüllt waren. Der Bau dieser Anlagen war sehr beschwerlich und eigentlich wurde die Anlage auch nie wirklich fertig. Eine echte Sisyphusaufgabe, bei der man sich zum Schänzchen arbeitet. Nur am Rande: Wenn sich jemand heute hinter etwas verschanzt, hat das die gleiche Wortherkunft.

Schanzkörbe: Mit Erde gefüllte Reisigkörbe als militärische Befestigung im 16. Jahrhundert
Schanzkörbe: Mit Erde gefüllte Reisigkörbe als militärische Befestigung im 16. Jahrhundert

Am Bonner Rheinufer gibt es noch heute das Schänzchen. Das als Biergarten genutzte Gelände war ursprünglich ein Teil des römischen Militärlagers Castra Bonnensia. Auch hier dürften sich etliche Römer und Bonner zum Schänzchen gearbeitet haben.

Sich zum Schänzchen suchen

Heute wird das Schänzchen in vielen Bedeutungen genutzt. So kann man sich an einem leckeren Essen ein Schänzchen dran essen oder ein Schänzchen anfressen. Wenn etwas sehr lustig ist, lacht sich der Kölner zum Schänzchen. Und wenn man etwas nicht findet, sucht man sich zum Schänzchen. Und fängt wieder von vorne an zu suchen. Immer wieder. Genau wie Sisyphus, der immer wieder seinen Stein den Berg raufrollt.


In dem Lied „Dann gom’mer nom Königsfors“ von Karl Berbuer lautet es im Refrain „… de Schänzcher injepack wie Wandervögel“. Hier sind mit Schänzcher allerdings keine Reisigbündel oder Anfeuerholz gemeint, sondern es geht um Wegzehrung wie zum Beispiel Butterbrote. Der Sprachforscher Peter Honnen bestätigt dies im Mitmachwörterbuch der rheinischen Umgangssprache: „Schänzchen als scherzhafte Bezeichnung für ein Butterbrot gibt es tatsächlich im westlichen Köln bis hin nach Frechen. Diese Bedeutung ist jedoch nur sehr kleinräumig verbreitet.“


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Köln in Corona-Zeiten und die Hoffnung auf bessere Zeiten

Trauriger Anblick: Ein abgesperrter Spielplatz zu Corona-Zeiten, Bild: Silke Kievernagel
Trauriger Anblick: Ein abgesperrter Spielplatz zu Corona-Zeiten, Bild: Silke Kievernagel

Ich gebe es zu – ich habe es schon wieder getan! Eigentlich wollte ich mich im Köln-Ding der Woche bewusst nicht mehr mit der Corona-Krise beschäftigen.

Dass ich es heute doch noch einmal mache, seid IHR schuld. Die Resonanz auf das Gedicht „Joode Zigge – Schläächte Zigge“ meiner kölschen Lieblingslyrikerin Juliane Poloczek (im Köln-Ding von vor zwei Wochen) hat mich umgehauen. Selten gab es zu meiner sonntäglichen Post so viele Rückmeldungen. Das macht mir klar, dass uns die Krise alle stark beschäftigt. Und dann hat Juliane mir noch diese Woche ihr neues Gedicht „Jlöck, Freud, Spass un Eu“ vorgestellt. Sie beschreibt hier ihre Freude daran, wenn die Zeiten wieder „normal“ sind, man sich gegenseitig besuchen kann und nicht mehr alleine zu Hause vor der Äujelskess (dem Fernseher) sitzt. Mein Tipp: Juliane hat dieses Gedicht extra für euch noch einmal eingesprochen. Ihr herrliches Kölsch ist ein Traum für die Ohren.


Jlöck, Freud, Spass un Eu
Juliane Poloczek

Wat weed dat schön, wann mr uns all widder besööke.
Wat han ich Freud, wann ich mi Leevje widder dröcke.
Wat weed ich juhze, wann ich dich widder bütze
ohne ming Schnüss met ner Mask dovür ze schütze.
Wat sin mr fruh, wann mr widder eng zesammesitze
ohne Angs beim Neese dr Nohbor aanzespritze.
Wat für e Jlöck, wann e Fes‘ mr widder fiere
un nit nor doheim en de Äujelskess stiere.

Wat han ich Eu, wann em Chor ich widder singe
Un hoffe, de richtije Tönche och ze finge.
Wie joot, mit de Fraulück widder Sport ze drieve
un dann dr Muskelkater mit Salv jet enzerieve.
Nä, wat ne Spass, mit Fründe en dr Weetschaff esse,
bei nem Jlas Wing die schwere Zick endlich verjesse.
Wie wunderbar, uns widder en et Auch ze luure.
Ich bin janz sicher, et weed su lang nit duure.


Ein paar Erklärungen zu ausgewählten kölschen Wörtern

  • Jlöck = Glück
  • Eu = Spaß, Freude
  • Besööke = besuchen
  • juhze = (vor Freude) jauchzen
  • Schnüss = Mund
  • Äujelskess = Fernseher
  • Auch = Auge
  • luure = sehen, schauen
  • duure = dauern

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Wüstenschiffe in Weidenpesch: Europas erstes Kamelrennen

So könnte das Kamelrennen in Köln ausgesehen haben, hier ein Bild eines Rennens aus den 1940er Jahren
So könnte das Kamelrennen in Köln ausgesehen haben, hier ein Bild eines anderen Rennens aus den 1940er Jahren

Im September 1969 war endlich mal wieder volles Haus auf der Galopprennbahn in Weidenpesch: 18.000 Besucher waren gekommen. Allerdings standen diesmal nicht die üblichen Rennpferde im Mittelpunkt. Der klamme Kölner Rennverein hatte zum Kamelrennen eingeladen. Zu dieser Zeit konnten die normalen Galopprennen in Weidenpesch kaum noch Zuschauer anlocken, das Wettgeschehen dümpelte vor sich hin. Da kam ein großes Event wie das in Europa einmalige Kamelrennen genau richtig.

Wie gut, dass die Kölner Zigarettenfabrik Neuerburg ein Jahr zuvor die Marke Camel erstmals auf dem deutschen Markt angeboten hatte und jetzt dringend nach Werbemöglichkeiten für diese Marke suchte. Da bot sich das als „Camel-Cup“ deklarierte Rennen perfekt an, um die Marke zu inszenieren.

Der Kölner Oberbürgermeister Theo "Döres" Burauen, Bild: Bundesarchiv
Der Kölner Oberbürgermeister Theo „Döres“ Burauen, Bild: Bundesarchiv

Eingefädelt hatte diese Idee der Kölner Oberbürgermeister Theo Burauen. Der überaus beliebte Politiker wurde von den Kölnern nur „Döres“ (die kölsche Bezeichnung für Theodor) genannt und hatte bereits eine Menge Erfolge zu verbuchen, unter anderem den Neubau des Opernhauses, der Sporthochschule sowie der Severins– und Zoobrücke. Doch ein Kamelrennen war auch für den Döres neu.

Rasen und Kurven für Rennkamele ungewohnt

Die Kamele wurden für das Rennen eigens aus Marokko eingeflogen. Mitsamt Jockeys und Betreuern. Der Besitzer der Kamele, König Hassan II. von Marokko, ließ sich das Spektakel gut bezahlen: Neben einer nicht unerheblichen Leihgebühr mussten die Kölner auch alle anstehenden Kosten bezahlen.

Dabei wäre der Transport fast gescheitert: Die Piloten der eigens gecharterten Frachtmaschinen weigerten sich zunächst, die nicht an Flüge gewohnten Tiere an Bord zu nehmen. Erst als die Tiere gefesselt waren und an Bord zusätzlich Pistolen verstaut wurden, um eventuell wild gewordene Kamele während des Flugs erschießen zu können, hoben die Transportflieger Richtung Köln-Wahn ab. Zum Schuss kam es nicht – die stark betäubten Tiere haben den Flug wohl eher verschlafen.

In Weidenpesch angekommen mussten die Kamele zunächst an die für sie ungewohnten Bedingungen gewöhnt werden. Das Geläuf aus Rasen war den Tieren genauso unbekannt wie die Kurven der Rennbahn. Bei den klassischen Kamelrennen in ihrer Heimat ging es einfach nur im vollen Tempo von bis zu 60 km/h im Sand geradeaus.

Insider-Tipps für kölsche Prominenz

Am Renntag gab es dann ein volles Haus in Weidenpesch. Auch die Buchmacher freuten sich: 35.000 Mark wurden verwettet. Es war auch reichlich Kölner Prominenz anwesend, neben der Stadtspitze auch Baronin Gabrielle von Oppenheim, damals Besitzerin des Gestüts Schlenderhan.

Ob die edle und reiche Dame den Tipp eines marokkanischen Insiders auf die Kamele „Tuareg“ und „Antar“ zu setzen, berücksichtigt, ist nicht überliefert. Es wäre zu empfehlen gewesen: Trotz kuriosem Rennverlauf  – der spätere Sieger brettert zunächst im vollen Lauf in eine Hecke – gewinnt „Tuareg“ das Rennen.

Kamelrennen in Dubai, Bild: Lars Plougmann / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)
Kamelrennen in Dubai, Bild: Lars Plougmann / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.0)

Heute sind die Rennkamele Statussymbole der reichen Scheichs aus dem Nahen Osten. Schnelle Tiere kosten bis zu fünf Millionen Euro und werden in Privatjets zu den Rennen in Katar oder Dubai geflogen. Es ist unwahrscheinlich, dass es in Köln noch einmal zu einem solchen Rennen kommt. Oder doch? Mal sehen.


Übrigens ist auf dem Gelände der Rennbahn auch ein ganz besonderes Stück Filmkulisse zu sehen: Deutschlands älteste erhalten Fußball-Stadiontribüne.


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Joode Zigge – Schläächte Zigge

Immer gut gelaunt: Meine kölsche Lieblingslyrikerin Juliane Poloczek
Meine kölsche Lieblingslyrikerin Juliane Poloczek

Es sind seltsame Zeiten.
Unsere gewohnte Lebensweise, immer aus dem Vollen zu schöpfen und ein Leben zu führen, in welchem immer alles möglich ist, wird durch die Corona-Krise unvermittelt gestoppt. Wir wollen einander nahe sein, müssen aber, um aufeinander aufzupassen, auf einmal Distanz wahren.
Eine wirklich seltsame Zeit.

Meine kölsche Lieblingslyrikerin Juliane Poloczek hat sich Gedanken zu dieser speziellen Situation gemacht und diese Gedanken in ein kölsches Gedicht gepackt. Meine Empfehlung: HÖRT REINJuliane spricht und schreibt in einem wunderschönen Kölsch. Falls ihr einzelne Worte nicht versteht, ist das kein Problem.  Ich habe weiter unten ein paar Übersetzungen beigefügt.

Ein großes DANKE an Juliane, dass ich euch dieses Gedicht vorstellen darf.


Joode Zigge – Schläächte Zigge
(Juliane Poloczek)

Nohm Kreech jebore, keine Hunger jekannt.
Wat hatte mr et joot en unserem Land!
Mr hat Klütte em Keller un Ääpel jenooch.
Un keiner moot friere, nä, jar kein Frooch.
De Lück hatten Arbeit; et jing immer vüraan.
Et joov alles ze kaufe; mr trook sich schick aan.
Jetz wor alles möchlich, alle Dürre woren op.
De Freiheit unendlich, do stunnte mr drop.
Mr kunnt liere, studiere. Mr fung dann nen Job
Et wood joot verdeent. Keiner maat sich nen Kopp.
Jeder kunnt jetz verreise, wollt övverall hin.
Immer wigger un wigger. Maat dat dann noch Sinn?

Un dann janz urplötzlich –  do stunnt alles still.
Keiner hät mich jefrooch, ov ich dat och will.
Zom eeschte Mol vür enem leere Rejal.
Op eimol es Lück treffe illejal.
De Schulle, Fabrike un Lädens sin zo.
Jeder bliev en dr Bud: sei un ich un och do.
Beim Spazierjang öm dä Nächste ne Bore jemaat.
Bloß am Telefon weed de Schnüss noch jeschwaad.
Die herrlije Freiheit, es die jetz am Eng?
Mr wesse et nit. – Bieß zesamme de Zäng.
Rieß dich jet am Reeme. Et weed nit jeschannt.
Och nit op de Rejierung. – Et es e joot Land!


Ein paar Erklärungen zu ausgewählten kölschen Wörtern

  • Zigge = Zeiten
  • Kreech = Krieg
  • Klütte = Brikett
  • Frooch = Frage
  • Lück = Leute, Menschen
  • joov = gab
  • Dürre = Türen
  • Mr kunnt liere, studiere = Wir konnten lernen, studieren
  • Immer wigger un wigger = Immer weiter und weiter
  • do stunnt = da stand
  • ne Bore jemaat = einen Bogen (drumherum) gemacht
  • weed de Schnüss noch jeschwaad = wird noch miteinander gesprochen
  • Rieß dich jet am Reeme = Reiß dich am Riemen
  • Et weed nit jeschannt = Es wird nicht geschimpft.

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Der Bismarck-Turm – Abschluss des Gürtels am Rhein

Luftaufnahme des Kölner Bismarckturms aus einem Zeppelin im Jahr 1914, Bild: Bismarcktuerme.de
Luftaufnahme des Kölner Bismarckturms aus einem Zeppelin im Jahr 1914, Bild: Bismarcktuerme.net

Vor ein paar Wochen in der Linie 16: „Wat is dat eijentlich für e Ding?“ fragt ein mittelalter Herr die neben ihm sitzende Dame, als wir an der Haltestelle Bayenthalgürtel halten. „Dat is e Stöck vun d´r ahle Stadtmauer“ entgegnet sie. Und liegt damit leider völlig falsch. Das vermeintliche Stück Stadtmauer ist der Bismarck-Turm am Rhein. Und dieser hat mit der Stadtbefestigung definitiv nichts zu tun.

Bauwerke zu Ehren des „Reichsgründers“

Zu Ehren Otto von Bismarcks wurden zwischen 1869 und 1934 insgesamt 240 Bismarcktürme und -säulen im deutschsprachigen Raum errichtet. Davon sind heute noch 174 Exemplare erhalten. Einer davon ist der Bismarck-Turm bei uns am Rheinufer. Diese Türme sollten die Verdienste Bismarcks bei der Gründung des Deutschen Reichs deutlich machen.

Jörg Bielefeld betreibt die Seite Bismarck-Türme und erläutert die Besonderheit dieser Denkmäler: „Die Bismarcktürme wurden meist vom Bürgertum durch Spendensammlungen finanziert und finden sich an exponierten Standorten. Oft wurden diese mit einer Feuervorrichtung versehen, die an bestimmten Tagen entzündet wurde. Die Türme sehen nicht alle gleich aus. Vorbild ist der im Jahr 1899 entstandene Bismarckturm-Entwurf „Götterdämmerung“ in Form einer wuchtigen Feuersäule“. Allerdings, so Jörg Bielefeld, wich man aus verschiedenen Gründen in vielen Orten vom Einheitsentwurf ab und beauftragte einen eigenen Architekten. So entstanden Bismarcktürme mit sehr unterschiedlichen architektonischen Formen. Dazu gehört auch der Kölner Bismarck-Turm, einer der ungewöhnlichsten Bismarcktürme.

Kölner Darstellung als Rolandsfigur 

Der Kölner Turm sollte individuell sein. Und so entschied man sich für einen Entwurf des Architekten Arnold Hartmann. Bismarck wurde hier als „Rolandsfigur“ dargestellt. Mit einer Rüstung wie ein Ritter und einem großen Schild wacht der 15 Meter große Bismarck über das Reich. Ab 1900 wurde mit der Sammlung von Spenden für einen Bismarckturm begonnen, größter Einzelspender war der Kölner Schokoladeproduzenten Heinrich Stollwerck. Er wohnte in der Villa Bismarckburg, fast um die Ecke.

Skizze von Architekt Arnold Hartmann mit ursprünglich vorgesehenem Unterbau, Bild: Bismarcktuerme.de
Skizze von Architekt Arnold Hartmann mit ursprünglich vorgesehenem Unterbau, Bild: Bismarcktuerme.net

Bereits im Juni 1903 wurde der Turm feierlich eingeweiht. Allerdings konnte aus Geldmangel der ursprünglich geplante breite Sockel nicht realisiert werden. Aber es gab eine Befeuerung des Turms durch Öl. Dieses Öl qualmte allerdings mehr als es einen echten Feuerschein entwickelte. Daher wurde der Turm bereits 1907 an eine Gasleitung angeschlossen. Doch auch damit war man unzufrieden, und man verwendete wieder Öl zur Befeuerung. Im Jahr 1939 brannte auf dem Turm letztmalig ein Feuer.

Der Bismarck-Turm am Rheinufer, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
Der Bismarck-Turm am Rheinufer, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
Vorschlag: Nutzung als Kletteranlage

Im Jahr 1980 wurde der Turm unter Denkmalschutz gestellt und ab 2001 regelmäßig saniert. So flossen mehrere Hunderttausend Euro in das wenig bekannte und nicht wirklich beliebte Denkmal. Das findet nicht nur der Kölner Historiker Martin Stankowski befremdlich. Er wohnt an der Bottmühle in der Südstadt, nicht weit vom Bismarck-Turm entfernt und hat 2015 in der Technischen Hochschule einen Wettbewerb zur Umnutzung des Turms angeregt. Die Studenten waren äußerst kreativ. Ihre Vorschläge gingen von der Einrichtung gastronomischer Betriebe, einer mit einem gläsernen Aufzug zu erreichende Aussichtsplattform über eine Kletteranlage bis hin zum Abriss des Turms – nur der steinerne Bismarck sollte übrig bleiben.

In einem Interview mit der Stadtrevue lobt Stankowski insbesondere die Idee mit der Kletteranlage: „Aus städtebaulicher Sicht erfüllt das Denkmal noch immer eine Funktion, weil es den Abschluss des Gürtels bildet. Politisch und künstlerisch hat es aber keine Bedeutung“. Und mit der Kletteranlage, so Stankowski, hätten die Menschen immerhin etwas davon.

Wir sind aber in Köln. Passiert ist – bis auf die Pflege der Grünanlage rund um das Denkmal – nichts. Und solange werden auch die Kölschen damit wenig  anfangen können. Und den Bismarckturm fälschlicherweise der Stadtmauer zuordnen.


Ein großes DANKE an Jörg Bielefeld von der Website „Bismarcktürme“ , der mich mit Informationen und Bildern bei diesem Artikel unterstützt hat. Auf seiner Seite sind auch noch mehr Bilder und sehenswerte alte Postkarten  vom Kölner Bismarckturm zu finden. 


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Et ärme Dier han – Melancholie auf kölsche Art

Leere Kneipen. Da bekommt nicht nur der Stammgast et ärme Dier.
Leere Kneipen. Da bekommt nicht nur der Stammgast et ärme Dier.

Die Corona-Krise hat uns alle fest um Griff. Weder der EffZeh noch Fortuna Köln spielen, alle Theater haben zu, Konzerte werden abgsagt. Das öffentliche Leben kommt zum Stillstand. Selbst unser geliebtes Kölsch sollen wir nicht mehr in unserer Stamkneipe sondern lieber alleine zu Hause trinken. 

Da bekommt der Kölsche schnell „et ärme Dier“. Wortwörtlich übersetzt bedeutet das „Das arme Tier haben.“. Eigentlich kein wirklich sinnvoller Satz. Der Kölsche jedoch versteht direkt, was damit gemeint ist: Eine allgemein trübsinnige Stimmung. Gepaart mit etwas Melancholie und Traurigkeit.

Et ärme Dier tritt mit oder ohne konkreten Auslöser auf

Es gibt weder eine Erklärung, wo diese Redewendung herkommt noch welches Tier denn nun genau mitleidenswert ist. Klar ist nur, dass et ärme Dier nicht unbedingt einen konkreten Auslöser haben muss. So kann zwar eine Krankheit oder Umstände wie ein gerade erlebtes Unglück zum ärme Dier führen: „Däm Jupp singe Onkel ist dut. Dä Jupp hät jetz schwer et ärme Dier.“ (Übersetzung: Josefs Onkel ist gestorben, der Josef ist jetzt ganz traurig.). In diesem Fall ist es ein besonders gravierender Fall von Traurigkeit, weil dä Jupp ja schwer et ärme Dier hat.

Aber dat ärme Dier kann auch völlig ohne nachvollziehbaren Anlass auftreten. Dann handelt es sich eher um Weltschmerz und der Trübsinn wie ins diesem Fall: „Dat Billa kütt nit mieh uss däm Huus eruss. Et hät wohl et ärme Dier.“ (Übersetzung: Sibylle verlässt das Haus nicht mehr. Sie hat wohl eine melancholische Phase.).

Muuzich oder jömelisch sind ähnliche Gemütszustände

Bei uns zu Hause wurde für eine allgemeines  Stimmungstief auch der Begriff jömelisch verwendet. Bei meiner üblichen Theken-Umfrage in meiner Stammkneipe war dieser Begriff aber nicht geläufig. Gängige Umschreibungen waren hier trorich (traurig) oder muuzich (mürrisch).

Besonders schön ist der Ausspruch des kölschen Musikers Gerd Köster „Lackier dat ärme Dier vür d`r Düür.“ Wortwörtlich bedeuet das „Lackier dein armes Tier vor der Tür“ und bedeutet: Lass deine schlechte Laune draußen, die hat hier nix zu suchen.

Alle Fälle vom ärme Dier sind aber immer von einer echten Depression zu unterscheiden. So weit geht et ärme Dier dann nicht. Irgendwann scheint wieder die Sonne un däm Jupp un dä Billa geht es dann auch besser. Corona ist dann Geschichte und die Kneipen sind wieder voll.

So ist das ärme Dier eher nur ein zeitweilige Erscheinung. Was für ein Glück!


Meine Nachbarin Juliane Poloczek hatte wegen der aktuellen Corona-Krise schwer et ärme Dier.  Am 20. März 2020 hat sie ihre Gedanken in dieses Gedicht gepackt:

Et ärme Dier
(Juliane Poloczek)

Wesst ihr, wat dat es, et ärme Dier?
Dat hat ich hück. Doch! Jläuvt et mir.
Jeschlofe hat ich och ald schlääch.
Wie ich opstunnt, wor mir janix rääch.
Aan einem Stöck hät ich kriesche könne.
Dä Zostand dunn ich keinem jönne.
De janze Zick wor ich muuzisch bloß
Un hat för övverhaup nix Los‘.
Ich wollt nit erus, un  dat wor joot!
Denn em Momang, do hält mr uns koot.
Mir Ahle, mir sollen nit mieh erus.
Dr janze Daach soll mr blieve ze Hus.
Hück fung ich dat richtisch, do passten et mir.
Denn hück hat ich wirklich et ärme Dier.

Ein großes DANKE an Juliane, dass ich ihr Gedicht hier veröffentlichen darf. Ein anderes (fröhlicheres) Gedicht von Juliane hatte ich bereits Weihnachten veröffentlicht.


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Zu Unrecht (fast) vergessen: Die Frauenrechtlerin Else Falk

Else Falk hat diesen Aufruf für die Durchsetzung des Frauenwahlrechtes unterzeichnet, Bild: Raimond Spekking
Else Falk hat diesen Aufruf für die Durchsetzung des Frauenwahlrechtes unterzeichnet, Bild: Raimond Spekking

Die Frauenrechtlerin Else Falk wäre stolz gewesen: Die Stadt Köln vergibt seit 2020 den „Else-Falk-Preis“. Dieser Preis wird an Frauen, die in Köln „eine Vorbildfunktion erfüllen und durch ihr Engagement in herausragender Weise für Geschlechtergerechtigkeit gewirkt haben.“ verliehen. Ganz in der Tradition von Else Falk, die vor etwa 150 Jahren geboren wurde und wegweisende Projekte für Frauen in Köln initiiert hat.

Aktiv für Frauen und Mädchen

Else Falk wurde am 25. April 1872 als Else Wahl in Barmen geboren. 1898 zog sei mit ihrem Mann, dem Juristen Bernhard Falk, nach Köln. Genau wie zum Beispiel Marie Juchacz kämpft auch Else Falk für das Frauenwahlrecht. Sie engagiert sich bei verschiedenen Kölner Institutionen, und die Liste ihrer Tätigkeiten ist lang:

  • Schatzmeisterin der Kölner Nationalen Frauengemeinschaft,
  • Vorsitzende vom Stadtverband Kölner Frauenvereine,
  • Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Stadtverbände von Rheinland und Westfalen,
  • Vorsitzende des Kölner Vereins Fünfter Wohlfahrtsverband und Vorstandsmitglied des Landesverbandes,
  • Gründung und Leitung des Vereins Müttererholung und Mütterschulung,
  • Initiierung von vier Rentnerinnenheimen für durch Krieg und Inflation verarmte Frauen,
  • Begründung der städtischen Blindenbibliothek,
  • Mitwirkung im Vorstand der Kölner „Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen“ (GEDOK).

Besonders beeindruckend war ihre pragmatische Art, einfach anzupacken. So richtetet sie 1918 die öffentliche Kölner Kriegsblindenbibliothek ein. Um den Bestand an Büchern zu vergrößern, stanzte sie mit einer Gruppe von Frauen Bücher in Brailleschrift aus. Ebenfalls leitete sie eine Schusterwerkstatt. Diese Werkstatt diente dazu, Kriegsinvaliden ein Einkommen zu sichern.

Notleidende Kinder unterstützte sie in der Vereinigung für Kinderspeisungen. Ihr Einsatz für verarmte Witwen führte zum Bau von Wohnungen für Kleinrentnerinnen. Ab etwa 1925 galt ihr Einsatz auch der Fürsorge berufstätiger Mütter. Sie gründete den Verein für Müttererholung und Mütterschulung, welcher speziell berufstätigen Frauen Mütterkuren ermöglichte. Auch die Errichtung der Riehler Heimstätten wurde durch Falk maßgeblich unterstützt.

Repressalien und Demütigungen durch die Nationalsozialisten

Bereits 1932 ahnte die Jüdin Else Falk, welche besorgniserregende Entwicklung von den Nationalsozialisten ausgeht. Sie gehörte zu den Mitunterzeichnerinnen eines Aufrufes der Kölner Frauenvereine gegen Hitlers Wahl zum Reichskanzler.

Else Falk wurde bereits im März 1933 gezwungen, vom Vorsitz des Stadtverbandes Kölner Frauenvereine zurückzutreten. Trotz der wachsenden Repressalien gegen Juden setze sich Else Falk im Rahmen der „Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnenvereine aller Kunstgattungen“ (GEDOK) für die jüdischen Künstlerinnen ein, die aus dieser Vereinigung ausgeschlossen wurden.

Gemeinsam mit ihrem Mann und ihren Söhnen musste sie mehrfach in Köln umziehen. Bereits im Jahr 1933 hatte sie einen schweren Schicksalsschlag erlitten. Ihrem Sohn Fritz, ein promovierter Jurist am Oberlandesgericht in Düsseldorf, wurde wegen seiner jüdischen Herkunft die Arbeitserlaubnis entzogen. Gedemütigt durch die Ausgrenzung beging er am 11. Dezember 1933 Selbstmord.

Im Rahmen der Novemberpogrome 1938 wurde ihre Wohnung verwüstet. 1939 floh die Familie nach Belgien, Freunde beschützten sie in Brüssel vor den Nazis. Nachdem ihr Mann 1944 in Brüssel starb, folgte Else Falk ihrem Sohn Ernst, der sich in Sao Paolo niedergelassen hat. Else Falk starb 1956 im Alter von 83 Jahren in Brasilien.

Copyright: Ayla Gillessen
Copyright: Ayla Gillessen

Else-Falk-Preis

Seit 2020 verleiht die Stadt Köln alle zwei Jahre den Else-Falk-Preis. Ganz im Geist von Else Falk würdigt dieser Preis das außergewöhnliches Engagement von Frauen bei der Gleichstellung von Frauen und Männern oder Mädchen und Jungen. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert. Bisherige Preisträgerinnen waren:

Frauke Mahr (2020)

Genau wie Else Falk ist Frauke Mahr aktiv und ganz pragmatisch für Frauen und Mädchen in Köln tätig. Sie gründete in Köln das erste Frauenhaus in Deutschland und hat das Projekt Edelgard ins Leben gerufen. Edelgard schützt Frauen und Mädchen. Sie finden bei Belästigung und akuter Bedrohung Orte, wo sie durchatmen und ihre nächsten Schritte planen können.

Behshid Najafi (2022)

Am 31. Mai 2022 verlieh die Stadt Köln Behshid Najafi den Else-Falk-Preis. Die Deutsch-Iranerin setzt sich seit Jahrzehnten für die Sichtbarmachung der komplexen Formen von Benachteiligungen migrierter und geflüchteter Frauen ein. Sie wurde ausgezeichnet für ihr außergewöhnliches Engagement im Bereich Frauenrechte und ihren Einsatz im Kampf gegen Sexismus und Rassismus in Köln.

Christiane Lehmann (2024)

Seit über 26 Jahren arbeitet die Tischlerin und Sozialarbeiterin Christiane Lehmann im Handwerkerinnenhaus Köln und hat maßgeblich zu dessen Ausbau und Erfolg beigetragen. Sie setzt ihre Energie dafür ein, die Angebote für Mädchen stetig zu erweitern und das Handwerkerinnenhaus zu einem Ort zu machen, an dem die jungen Frauen in ihrer Vielfalt wahrgenommen, gestärkt und unterstützt werden.


 

Starke Frauen aus Köln

Starke Frauen

Weitere Portraits wichtiger Frauen für Köln findet ihr in der Rubrik „Starke Frauen“.


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Das Kastell Alteburg – Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien

Das Flottenlager Alteburg, Zeichnung: Erich Hermans
Das Flottenlager Alteburg, Zeichnung: Erich Hermans

Heute flaniert man durch die Straßen der Marienburg. Große Bäume säumen die breiten Straßen, noble Autos der Marienburger stehen am Straßenrand. Kein Müll liegt herum, keine Plakate verschandeln die Landschaft. Die noblen Villen mit ihren gepflegten Vorgärten lassen einen glatt vergessen, dass man sich immer noch Köln befindet.

Vor 2.000 Jahren sah es hier ganz anders aus: Das Flottenkastell Alteburg war das Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien. Die römische Rheinflotte wurde um 13 v. Chr. aufgestellt und war eine Teilstreitkraft der römischen Flotte in den römischen Provinzen Ober- und Niedergermanien. Ihr Hauptquartier befand sich zunächst im Legionslager Vetera Castra bei Xanten und ab 50 n. Chr. im Kastell Alteburg. Heute erinnert kaum noch etwas an dieses große römische Kastell mit einer Stammbesatzung von mehr als 1.000 Mann. Lediglich die Straßennamen „Auf dem Römerberg“ und „Am Römerkastell“ lassen darauf schließen, dass es hier eine der wichtigsten römischen Verteidigungsanlagen am Rhein gab.

Da es kaum schriftliche Belege zu dem Kastel Alteburg gibt, kann auch die exakte Gründung nicht bestimmt werden. Die Römische Rheinflotte kann ab 13 v. Chr. nachgewiesen werden. Ganz im Sinne einer modernen Armee führten die Römer kombinierte Landeunternehmen der Flussstreitkräfte mit der Landarmee durch. Auf Patrouillenfahrten wurde der Rhein als wichtigster Verkehrsweg gesichert – immerhin war die Colonia Claudia Ara Agrippinensium ein extrem wichtiges Handelszentrum und der Rhein die Lebensader. Folglich ist es verständlich, dass die Flotte zum Schutz der Colonia und des Rheins auch ein entsprechendes Lager benötigte. Dieses Flottenkastell wurde etwa Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. im heutigen Marienburg errichtet.

Unterkünfte für mehr als 1.000 Soldaten

Es gibt wenig gesicherte Erkenntnisse zu dem Lager Alteburg. Lediglich Grabungen aus den Jahren 1926/27 und später in den Jahren 1995/96 und 1998 bieten Informationen zu diesem strategisch bedeutsamen Lager. Das Kastell nahm mit rund 90.000 Quadratmetern eine Fläche von ungefähr sechs Fußballfeldern ein. Hier wurden Werkstätten, Unterkünfte, Verwaltung und auch ein eigener Tempel für die Soldaten errichtet. Zunächst nur in einfacher Lehmwerktechnik, später als Steinbauten.

Ansicht der Alteburg von Osten, Zeichnung: Erich Hermans
Ansicht der Alteburg von Osten, Zeichnung: Erich Hermans

Dabei waren die Marinesoldaten privilegiert: Sie hatten bessere Unterkünfte und es ist auch davon auszugehen, dass sie besser versorgt wurden. Bei Grabungen wurden neben Keramik und Tierknochen auch Waffen, Werkzeuge und Geräte gefunden. Eine Besonderheit des Kastells Alteburg waren die von den Archäologen gefunden großen, schweren Webgewichte. Diese kamen bei Webstühlen zum Einsatz, auf denen grobe Stoffe hergestellt wurden – Segel für die auf dem Rhein verkehrenden Kriegsschiffe.

Im Archäologischen Park Xanten wurde eine "Lusorie" nachgebaut. Diese schnellen, wendigen Boote wurden von den Römern auf dem Rhein eingesetzt, um sich vor den Einfällen der Germanen zu schützen. Bild: Uli Kievernagel
Im Archäologischen Park Xanten wurde eine „Lusorie“ nachgebaut. Diese schnellen, wendigen Boote wurden von den Römern auf dem Rhein eingesetzt, um sich vor den Einfällen der Germanen zu schützen. Bild: Uli Kievernagel
Zerstört durch die Franken

Das Kastell wurde im dritten Jahrhundert n.Chr. bei einem Angriff durch die Franken zerstört. Da auch der Rhein in den Jahrhunderten immer wieder sein Bett verlassen hat, wurden die Gebäude vernichtet. Zumindest das, was die Kölner davon übriggelassen haben. Denn es ist davon auszugehen, dass Teile der Steingebäude abgerissen und diese als Baumaterial an anderer Stelle wieder eingesetzt wurden. Ende des 18. Jahrhunderts wurde auf dem früheren Gelände des Kastells die bis heute erhalten gebliebene Alteburger Mühle (An der Alteburger Mühle 6) errichtet.

Heute in dem friedlichen Stadtteil Marienburg – bis auf die Straßennamen – nichts mehr an das Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien.

Plan des Flottenlagers Alteburg, Zeichnung: Erich Hermans


Im Jahr 2017 ging der Geisterzoch unter dem Motto „Dr römischen Flott ze Ihre: Öm de Alteburch eröm“ vom Chlodwigplatz aus bis zum ehemaligen Kastell und zurück.  


Ein weiteres wichtiges Kastell der Römer war das Kastell Divita, der Brückenkopf im heutigen Deutz.


Ein großes DANKE an Erich Hermans, der mir erlaubt hat, die Zeichnungen des Flottenlagers für diesen Beitrag zu verwenden und an Franz-Josef Knöchel von KuLaDig, der mir historische Informationen zum Kastell zur Verfügung gestellt hat.


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