Die Himmelssäule am Dom – 29 Jahre Unklarheit über den Stifter

Die Himmelssäule auf dem Roncalliplatz, Bild: © Raimond Spekking
Die Himmelssäule auf dem Roncalliplatz, Bild: © Raimond Spekking

Das Ding ist 62 Tonnen schwer, etwa zehn Meter hoch und steht fast mitten auf dem Roncalliplatz am Dom. Doch trotz ihrer Größe geht die „Himmelssäule“ eher unter. Ganz selten fragen Teilnehmer bei Stadtführungen, was es denn mit diesem Monolithen auf sich hat.

Dabei verbirgt sich eine durchaus kuriose Geschichte hinter dem Kunstwerk. Im Mittelpunkt: Der Lions Club und unbezahlte Rechnungen.

Ein sichtbares Zeichen der Lions an einem markanten Platz

Im Jahr 1984 fand eine Versammlung aller deutschen Lions-Clubs in Köln statt. Lions Club International ist eine Institution mit mehr als 1,4 Millionen Mitgliedern, die sich weltweit in fast 50.000 Clubs organisiert haben. Allein für Köln listet die Website des Lions-Club 15 Clubs auf. Unter dem Motto „We Serve“ („Wir dienen“) engagieren sich die Lions bei sozialen und kulturellen Projekten.

Logo des Lions Club International
Logo des Lions Club International

Zur Versammlung 1984 in Köln wollten die Lions eine Skulptur stiften, die „ … auf einem markanten Platz im innerstädtischen Bereich aufgestellt werden“ sollte, schrieb der damalige Vorsitzende des rheinischen Lions-Districts Günter Huhn am 19. September 1983 an den Oberbürgermeister der Stadt Köln, Dr. Norbert Burger. [Quelle: Die Zeit Nr. 17/1986].

Mit Sicherheit war es für das Vorhaben hilfreich, dass es sich bei Dr. Norbert Burger ebenfalls um ein Lions-Mitglied handelte. Und für städtische Verhältnisse ging es ungewohnt schnell: Bereits am 7. Oktober 1983 kam es zu einem Vorgespräch mit dem renommierten Künstler Heinz Mack – selbstverständlich auch ein Lions-Mitglied.

Heinz Mack (*geboren am 8. März 1931) ist ein deutscher Bildhauer und Maler und war zusammen mit Otto Piene Mitbegründer der international renommierten Künstlergruppe ZERO. Mack sollte im Auftrag des Lions Club ein Kunstwerk schaffen, welches „als sichtbares Zeichen von uns Lions in die Stadt Köln ausstrahlt.“1Quelle: Die Zeit Nr. 17/1986

Aufstellung der Himmelssäule direkt am Kölner Dom, Bild: Ulrich Stoltenberg
Aufstellung der Himmelssäule direkt am Kölner Dom, Bild: Ulrich Stoltenberg

Aufstellung fast direkt am Dom

Der gewünschte markante Platz war schnell gefunden: Das Kunstwerk sollte auf dem Roncalli-Platz, fast direkt am Dom, platziert werden. Den Beteiligten war auch klar, dass diese exponierte Lage eine besondere Herausforderung darstellte. Der Künstler Heinz Mack im „LION“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International2Ausgabe vom Januar 2013 dazu:

„Ja, es ist eine künstlerische Provokation gewesen. Die besondere Einladung, etwas unmittelbar vor den Dom zu stellen, war die eigentliche Herausforderung. Der Dom in seiner architektonischen und auch strukturalen Macht hat mich gefordert.“

Diese „künstlerische Provokation“ setzte Mack in der Säule Columne pro Caelo  – Himmelssäule –  aus Granit um. 10 Meter hoch, 62 Tonnen schwer. Um die Säule laufen waagerecht Rillen, deren Abstände zum Boden immer kleiner werden.

Der Künstler will mit der Himmelssäule einen direkten Bezug zum Dom herstellen: „Der Dom besteht aus tausenden, unzählbar vielen Steinen. Die Stele ist ein einziger Stein, dieser eine steht den vielen gegenüber. Umgekehrt können sich die vielen Steine durch den einen repräsentiert sehen.“ [Heinz Mack im „LION“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International, Ausgabe vom Januar 2013]

J. Keller sieht in dem Beitrag „Ein Geschenk des Himmels?“  einen „Dialog“ zwischen Säule und Dom:

„Durch ihre aufwändige Kannelierung,3Kannelierung ist die Auskehlung eines Objektes mit Furchen. die die Säule wie ein Band umschließt und nach unten hin enger wird, könnte man glauben, dass der Monolith unter seinem eigenen Gewicht in sich zusammensackt. Durch ihre Platzierung gegenüber des Doms geht die Himmelssäule gewissermaßen einen Dialog mit der gigantischen Kirche ein. Zum einen strecken sich beide Gebäude nach oben, dem Himmel entgegen, zum anderen symbolisiert ihre pure steinerne Masse geistiges und geistliches Gewicht.

Eben dieses Gewicht stellte auch jenseitig aller geistigen und geistlichen Symbolik ein Problem dar: So mussten Statiker aufwändig prüfen, ob der ausgewählte Platz die Himmelssäule tragen konnte und ob der Transport der Säule an diesen Platz überhaupt möglich war. Immerhin befindet sich unter dem Roncalliplatz eine Tiefgarage.

Nachdem diese technische Hürde genommen wurde, warb Oberbürgermeister und Lions-Mitglied Dr. Norbert Burger beim Domkapitel und im Rat der Stadt Köln um Verständnis. Mit Erfolg: Am 24. Mai 1984 nahm die Stadt die Schenkung der Lions dankend an.

Im "Dialog": Die Himmelssäule und der Dom, Bild: Uli Kievernagel
Im „Dialog“: Die Himmelssäule und der Dom, Bild: Uli Kievernagel

29 Jahre Unklarheit über Stifter 

Grundsätzlich hätte damit alles gut sein können. Doch aus damals unerklärlichen Gründen distanzierte sich der Vorstand der Kölner Lions wenige Stunden vor der feierlichen Übergabe von dem Kunstwerk. Allerdings waren ja bereits Fakten geschaffen worden und die Säule stand, zehn Meter hoch, gut sichtbar auf dem Roncalliplatz.

Die konkreten Hintergründe dafür waren lange nicht bekannt. Erst ein Gespräch mit Chefredakteur Ulrich Stoltenberg, dem

„Es ging um 93.500 DM. Das waren die Kosten für den Transport und die Aufstellung der Säule. Heinz Mack hatte die Säule gestiftet, auch das Material war eine Stiftung. Allerdings sollte der Betrag für Transport und Aufstellung von den Kölner Lions alleine aufgebracht werden.“

Doch die Kassen waren leer und der betroffene Kölner Lions Club bestand nur aus 30 Mitgliedern, die dann alleine den Betrag hätten aufbringen müssen, so Pressesprecher Stoltenberg.

Die Lösung war, den Betrag auf viele Schultern zu  verteilen. So legten die Lions Deutschland zusammen, der Betrag wurde noch im Jahr 1984 bezahlt. Stoltenberg war auch Initiator einer neuen Plakette, die den Stifter eindeutig benannte.

Alte & neue Plakette mit der korrekten Bezeichnung der Stifter der Himmelssäule, Bilder: Ulrich Stoltenberg
Im Jahr 2013 wurde die neue Plakette an der Säule angebracht und auch der Künstler Heinz Mack zeigte sich erleichtert:

„Jahrelang gab es eine Unsicherheit in dem Sinne: Die Skulptur hat irgendwas mit uns Lions zu tun. Viele andere haben das auch so empfunden. Da kam schon die Frage auf, ob die Lions wirklich stolz auf dieses Werk sind und sich damit identifizieren können.“4Heinz Mack im „Lion“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International, Ausgabe vom Januar 2013

Jürgen Roters, Kölner Oberbürgermeister 2009 - 2015, setzt gemeinsam mit Heinz-Joachim Kersting, Governorratsvorsitzender Lions Deutschland, die neue Plakette an der Himmelssäule ein. Bild: Ulrich Stoltenberg
Jürgen Roters, Kölner Oberbürgermeister 2009 – 2015, setzt gemeinsam mit Heinz-Joachim Kersting, Governorratsvorsitzender Lions Deutschland, die neue Plakette an der Himmelssäule ein. Bild: Ulrich Stoltenberg

Kletterer auf der Himmelssäule

Der Granit der Säule ist in jedem Fall beständig. Und auch recht rauh und griffig. Daher nutzen Freeclimber jahrelang die Säule als Kletterobjekt. Der Künstler Mack sieht diese Zweckentfremdung völlig gelassen:

„Wir haben in Köln eine Hochschule für Sport, und die jungen Leute klettern dort mit ihren zehn Fingern hoch, zerstören aber nichts. Dieser Granit hält das aus. In zehn Metern Höhe angekommen, postieren sie sich und lassen Fotos machen. Das ist natürlich eine liebenswerte Geschichte, ich habe überhaupt nichts dagegen einzuwenden.“5Heinz Mack im „Lion“, dem offiziellen Magazin von Lions Clubs International , Ausgabe vom Januar 2013

Und damit beschreibt der Hessen geborene Mack liebevoll Artikel 1 des Kölsche Grundgesetzes:
Et es wie et es.
Auch bei einer Himmelssäule.

Ideal für Freeclimber: Die Himmelssäule mit ihren Rillen und dem griffigen Granit, Bild: Uli Kievernagel
Ideal für Freeclimber: Die Himmelssäule mit ihren Rillen und dem griffigen Granit, Bild: Uli Kievernagel

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Kölner Brücken: Die Deutzer Kettenhängebrücke – Todesfalle für Hunderte Menschen im Krieg

Die Deutzer Kettenhängebrücke im Jahr 1925, Bild:_ Book "1000 Years of Rhenish Art" from 1925, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Deutzer Kettenhängebrücke im Jahr 1925, Bild: Book „1000 Years of Rhenish Art“ from 1925, Public domain, via Wikimedia Commons

Tagtäglich rollen tausende Autofahrer und Radfahrer vorbei und selbst die Fußgänger laufen meistens uninteressiert weiter: Das letzte Stück der alten Kettenhängebrücke steht auf der Deutzer Brücke – und es bekommt nicht die Beachtung, die es verdient hätte. Immerhin wiegt dieses Teil fast eine Tonne, und ist neun Meter lang. Das Bauteil stammt aus der Deutzer Kettenhängebrücke, die bei ihrem Einsturz im Februar 1945 Hunderte Menschen mit in den Tode gerissen hat.

Bei Bauarbeiten im Jahr 1977 zufällig gefundes Teil der Deutzer Kettenhängebrücke, Bild: Uli Kievernagel
Bei Bauarbeiten im Jahr 1977 zufällig gefundes Teil der Deutzer Kettenhängebrücke, Bild: Uli Kievernagel

Eine „unechte“ Hängebrücke

Nachdem der steigende Verkehr im Zuge der Industrialisierung stark zugenommen hatte, wurde es Anfang des 20. Jahrhunderts in Köln unumgänglich, neue Brücken zu bauen. Zwar gab es die Deutzer Schwimmbrücke, die aber den wesentlichen Nachteil hatte, dass sie für durchfahrende Schiffe immer erst aufwändig geöffnet werden musste.

Doch die Realisierung einer Brücke exakt an dieser Stelle, an der 1600 Jahre vorher mit der Konstantinbrücke bereits die erste feste Rheinquerung stand, war schwieriger als zunächst angenommen.

Die Brücke musste hoch genug sein, um den Schiffen eine Mindestdurchfahrthöhe zu garantieren. Gleichzeitig erschwerte die Bodenbeschaffenheit am Ufer die Konstruktion: Eine „echte“ Hängebrücke leitet die Kräfte in massive Widerlager am Ufer ein, wie zum Beispiel die Mülheimer Brücke. Aber der durch Rheinkiesel geprägte, eher „schwammige“, Boden in der Innenstadt machte dieses Konstruktionsprinzip unmöglich.


Steckbrief Kettenhängebrücke (später „Hindenburgbrücke“)

  • Länge: 369 m
  • Breite: ursprünglich 18.7 m / ab 1940: 27.50 m
  • Baubeginn: 1913
  • Fertigstellung: 3. Juli 1915
  • Umbau: 1940
  • Einsturz: 28. Februar 1945 

Daher entschied man sich für eine „unechte Hängebrücke“. Bei diesem Brückentyp gibt es keine massive Aufhängung am Ufer, sondern die Verankerung der Kabel erfolgt durch Befestigung an den Fahrbahnrändern. Deswegen sind kräftige, von einem zum anderen Ende der Brücke durchlaufende, Versteifungsträger notwendig.

Der „Cölner Brückenstreit“

Bereits im Jahr 1898 gab es einen ersten Wettbewerb für eine feste Straßenbrücke zwischen Heumarkt und Deutzer Freiheit – allerdings ergebnislos.  Auch weitere Ausschreibungen verliefen im Sande. 

Bis man zur Konstruktions-Entscheidung der „selbstverankerten, versteiften Kettenhängebrücke“ kam, wurden 38 (!) Entwürfe diskutiert und wieder verworfen bis der 39. Vorschlag eine Mehrheit im Stadtrat bekam.1Quelle: Der SPIEGEL „Kontrapunkt am Rhein“ vom 01.01.1957 Dies ist der Beweis: Früher war auch nicht alles besser, schneller und einfacher!

Die Deutzer Hängebrücke, Fotograf: unbekannt
Die Deutzer Hängebrücke, Fotograf: unbekannt

Den Zuschlag bekamen im Jahr 1912 die Firmen MAN Werk Gustavsburg (Stahlüberbau) und Grün & Bilfinger (Unterbauten). Allerdings gab es nach der Auftragsvergabe Ärger: Die „Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG“ behauptete, der Siegerentwurf wäre ein Plagiat ihres Entwurfs aus dem Jahr 1911.

Es kam zu einem Gerichtsverfahren. Die Gutachter gaben sich im Landgericht Köln die Klinke in die Hand, erst im April 1914 gab es eine außergerichtliche Einigung. Bis dahin war das Verfahren weit über die Grenzen der Domstadt als „Cölner Brückenstreit“ bekannt.

Massive Baumaßnahmen – bis heute sichtbare Lücken

Noch während das Gerichtsverfahren lief war 1913 Baubeginn der Deutzer Hängebrücke. Dafür waren massive Auffahrtsrampen erforderlich. Auf der Deutzer Seite wurden in Höhe der Deutzer Freiheit zahlreiche Gebäude abgebrochen und der am Deutzer Ufer (heute Rheinboulevard) befindliche „Bahnhof Schiffsbrücke“ musste abgerissen werden.

Die Deutzer Schiffbrücke um 1900, Bild: US- Library of Congress
Vorläufer der Deutzer Kettenhängebrücke: Die Deutzer Schiffbrücke, hier um 1900, Bild: US- Library of Congress

Gravierender jedoch waren die Baumaßnahmen auf der linksrheinischen Seite. Die Häuser auf der Markmanngasse, der Rheinuferstraße und am Heumarkt wurden abgebrochen, um Platz für die Rampen zu schaffen. Noch heute klafft hier ein „Loch“ in der Bebauung. Auch der Heumarkt, zuvor ein nahezu geschlossener Platz, wurde durch die Rampen zur Brücke zum Verkehrsknotenpunkt.

Harmonische und elegante Form

Am 3. Juli 1915 war es soweit: Die Brücke mit einem Konstruktionsgewicht von rund 6.200 Tonnen und Kosten von mehr als sieben Millionen Mark wurde eröffnet. Allerdings fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit: In Europa tobte der Erste Weltkrieg, große Feierlichkeiten passten nicht in die Zeit.

Dabei hätte die Deutzer Kettenhängebrücke mehr verdient. Die Website „Rheinische Industriekultur“ würdigt ausdrücklich dieses Bauwerk:

„Berühmt wurde die 1913-15 erbaute Deutzer Brücke auch hinsichtlich ihrer harmonischen und eleganten Form. Der Rhein wurde mit drei Öffnungen im Verhältnis 1: 2: 1 überspannt. Die Mittelöffnung war 185 Meter weit. Die Brücke war einschließlich der Pylonen eine reine Stahlkonstruktion, bei der sich die ganze architektonische Gestaltungskraft auf das Ingenieurbauwerk konzentrierte. Es war ein frühes Beispiel für die Aufhebung der im 19. Jahrhundert noch so gewichtigen Trennung von Architektur und Ingenieurwesen.“

Später wurde die Brücke, zu Ehren des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg (1847 – 1934), in „Hindenburgbrücke“ umbenannt.

Postkarte der Deutzer Kettenhängerbrücke, Bildquelle: unbekannt, gescannt von und mit freundlicher Genehmigung von Derzsi Elekes Andor
Postkarte der Deutzer Kettenhängerbrücke, Bildquelle: unbekannt, gescannt von und mit freundlicher Genehmigung von Derzsi Elekes Andor

Einsturz am 28. Februar 1945 fordert Hunderte Todesopfer

Im zweiten Weltkrieg wurden die Kölner Brücken stark beschädigt oder sogar vollständig gesprengt, zum Teil durch Bomben der Alliierten, zum Teil durch die Wehrmacht selber.

Die 8. US-Luftflotte erhielt Anfang Januar 1945 den Befehl, die letzten vier Kölner Rheinbrücken zu zerstören. Bis Mitte Januar wurden daher gezielt Angriffe auf die Brücken geflogen. Einige der schweren Bomben mit bis zu 1.000 Kilogramm Gewicht trafen zwar auch die Brücken, durchschlugen allerdings nur die Fahrbahnen und explodierten relativ wirkungslos im Rhein.

Trotzdem zeigte das Bombardement Wirkung: Am 6. Januar krachte die Südbrücke ein, am 28. Januar brach die Rodenkirchener Autobahnbrücke zusammen.

Das NS-DOK hat im Rahmen der Ausstellung „Kriegsende in Köln“ auch Originalzitate zu den Bombardements auf die Brücken veröffentlicht. So schrieb Christa Lehmacher am 11. Januar 1945 einen Brief an ihren Bruder:

„Wir haben am vergangenen Samstag, am Sonntag, und gestern einen schweren Angriff auf Köln gehabt. Die Mülheimer Brücke lag ja schon lange im Wasser. Jetzt haben sie die Südbrücke, die noch den ganzen Transport rüber ließ, auch ins Wasser gelegt. Die Hindenburg- und Hohenzollernbrücke haben auch schwere Treffer erhalten, sind aber beide noch befahrbar. Die Rodenkirchener Brücke ist auch schwer mitgenommen, hängt aber auch noch am Seidenfaden.“

Am 28. Februar 1945 kam es auf der Deutzer Hängebrücke zur Katastrophe: Es wurden Reparaturarbeiten durchgeführt, gleichzeitig war das Bauwerk durch Flüchtlinge und Militärfahrzeuge, die noch schnell versuchten, sich ins Rechtsrheinische abzusetzen, stark belastet und stürzte ein.

Das zerstörte Köln am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Trümmer der Deutzer Kettenhängebrücke liegen im Rhein. Bild: gemeinfrei / U.S. Department of Defense, Fotograf: Jack Clemmer
Das zerstörte Köln am Ende des Zweiten Weltkriegs. Die Trümmer der Deutzer Kettenhängebrücke liegen im Rhein. Bild: gemeinfrei / U.S. Department of Defense, Fotograf: Jack Clemmer

Bedingt durch die Kriegswirren ist bis heute unklar, wie viele Opfer dieser Einsturz forderte. Es ist aber davon auszugehen, dass mehrere Hundert Menschen hier ihr Leben verloren.

Neue Deutzer Brücke nutzt alte Rampen und Brückenpfeiler

Nach dem Krieg wurden schnell neue Brücken errichtet. An der Stelle der Deutzer Hängebrücke wurde ab 1947 die neue Deutzer Brücke gebaut. Die erste Stahlkastenträgerbrücke der Welt wurde am 16. Oktober 1948 eingeweiht. Der Bau konnte auch deswegen so zügig beendet werden, weil die neue Brücke sowohl die alten Rampen als auch die Brückenpfeiler der Deutzer Hängebrücke nutzt.

Ursprüngliche Lage des 1977 gefunden Kettenglieds, Quelle Bild der Brücke: unbekannt, Bild: Kettenglied Uli Kievernagel
Ursprüngliche Lage des 1977 gefunden Kettenglieds, Quelle Bild der Brücke: unbekannt, Bild: Kettenglied Uli Kievernagel

Das auf der Brücke ausgestellte Kettenglied wurde erst 1977 zufällig bei Bauarbeiten im Rhein gefunden. Und bleibt bis heute mehr oder weniger unbeachtet.

Es sei denn, man steht mal wieder auf der Brücke im Stau.  


Alle bisher erschienenen Geschichten zu den Kölner Brücken 


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Der Decke Pitter

Am 30. November 1924 wird die "Petersglocke, in Köln besser bekannt als "Decke Pitter", geweiht, Bild: Annaglocke, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Am 30. November 1924 wird die Petersglocke, in Köln besser bekannt als „Decke Pitter“, geweiht, Bild: Annaglocke, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

VORSICHT!  Bitte nicht verwechseln:
Der „Drüje Pitter“ ist ein Brunnen, der „Decke Pitter“ ist die Petrusglocke und das „Pittermännchen“ ist ein 10-Liter-Fass


Er ist mit 24 Tonnen so schwer wie fünf ausgewachsene Elefanten. Und wenn er sich meldet, ist er lauter als eine ganze Herde Elefanten: Die Petersglocke, von den Kölnern liebevoll „Decke Pitter“ genannt, ist die größte Glocke im Dom. Und war bis Ende November 2016 auch die größte freischwingende Glocke der Welt. Diesen Rekord hat der Decke Pitter an eine noch eine Tonne schwerere Glocke in Bukarest verloren.

Vorläufer Kaiserglocke war noch schwerer

Vor dem Decke Pitter hing die „Kaiserglocke“ im Dom. Mit mehr als 27 Tonnen Gewicht war die Kaiserglocke sogar noch 3 Tonnen schwerer als die Petrusglocke. Allerdings hatte die 1874 gegossene Kaiserglocke kein langes Leben: Während des Ersten Weltkriegs wurde sie eingeschmolzen, um aus dem Metall „kriegswichtiges Material“, vorrangig Kanonen, herzustellen.

Aber die Kölner wollten wieder eine neue, große Glocke für den Dom. Doch neben der Finanzierung einer solchen Glocke gab es  auch Probleme, überhaupt einen Glockengießer für eine neue Riesenglocke zu finden. Schon beim Guß der „Kaiserglocke“ waren die Giesser verzweifelt, weil der Guss zweimal missglückt war.

Am 31. März 1922, nahm der Glockengießermeister Heinrich Ulrich aus Apolda in Thüringen den Auftrag an. Durch die Inflation war der Preis der Glocke für Gießermeister Ulrich schwer kalkulierbar. Schon der ursprüngliche Betrag bei Auftragserteilung im Jahr 1922 lag bei 60 Millionen Mark. Doch die stetig wachsende Geldentwertung machte eine seriöse Kalkulation in Reichsmark unmöglich. Um überhaupt abgesichert zu sein, verlangte Ulrich zusätzlich 5.000 US-Dollar, die von reichen Kölnern gespendet wurden. Tragisch: Heinrich Ulrich, der Glockengießer, der den Decke Pitter erschaffen hat, erlebte die Einweihung seines Meisterwerks nicht. Er starb im Februar 1924 an einer Grippe.

Glockengießer Heinrich Ulrich war sichtlich stolz auf sein Werk, so schrieb er diese Postkarte an seinen Kollegen Kurtz „Domglocke ist glänzend ausgefallen. Reines C0 mit großer Oberterz wie verlangt. Äußeres prächtig.“, Bild: Herbert Ulrich († 1924), Public domain, via Wikimedia Commons
Glockengießer Heinrich Ulrich war sichtlich stolz auf sein Werk, so schrieb er diese Postkarte an seinen Kollegen Kurtz „Domglocke ist glänzend ausgefallen. Reines C0 mit großer Oberterz wie verlangt. Äußeres prächtig.“, Bild: Herbert Ulrich († 1924), Public domain, via Wikimedia Commons

Guss am 5. Mai 1922

So wurde der „Decke Pitter“ am 5. Mai 1922 im thüringischen Apolda gegossen, Dafür waren mehr als 30 Festmeter Fichtenholz nötig, um das notwendige Metall zu schmelzen. Und dann ging es ganz flott: In weniger als 10 Minuten war die Glocke gegossen. Allerdings dauerte es zwei Wochen, bis das Metall ausgekühlt war.

Es sollte aber noch bis November 1924 dauern, bevor die Glocke ihre Reise nach Köln antreten konnte. Hintergrund war, dass die Franzosen das Ruhrgebiet besetzt hatten. So bestand die Gefahr, dass die Glocke als Reparationsgut von den Franzosen dort beschlagnahmt werden könnte. Daher verbrachte der „Decke Pitter“ zunächst anderthalb Jahre in Apolda und entwickelte sich dort zum Zuschauer-Magneten.

Bis Ende 1924 verblieb der Decke Pitter in Apolda und wurde dort zum Zuschauermagneten, Bild: Archiv Margarete Schilling, Apolda, Foto aus dem Jahr 1923, CC0, via Wikimedia Commons
Bis Ende 1924 verblieb der Decke Pitter in Apolda und wurde dort zum Zuschauermagneten, Bild: Archiv Margarete Schilling, Apolda, Foto aus dem Jahr 1923, CC0, via Wikimedia Commons

Per Bahn kam die Glocke im November 2024 nach Köln. Das letzte Wegstück bis zum Dom begleiteten tausende begeisterte Kölner.

Angekommen in Köln musste für die 24 Tonnen schwere Glocke der Dachstuhl im Dom verstärkt werden. Und da die 3,20 Meter hohe und 3,22 Meter breite Glocke nicht durch die Türen passte, wurde  ein Mittelpfeiler im Hauptportal ausgebaut.

Erste Glockenschläge am Heiligabend 1924

Die ersten Glockenschläge der Petersglocke erklangen am Heiligabend 1924. Allerdings nur drei Mal, dann riss ein Seil, und die Glocke blieb stumm. Es sollte bis Oktober 1925 dauern, bis der Decke Pitter wieder läutete.

Der Decke Pitter mit dem neuen Klöppel, Bild: Raimond Spekking
Der Decke Pitter mit dem neuen Klöppel, Bild: Raimond Spekking

Die Inschrift auf der Petersglocke lautet: 

St. Peter bin ich genannt
schütze das deutsche Land.
Geboren aus deutschem Leid
ruf ich zur Einigkeit.

Klöppelbruch 2011

Es geschah am Dreikönigstag 2011 morgens um 6:35 Uhr: Beim Läuten der Petersglocke brach der etwa 800 kg schwere Klöppel auseinander. Bis auf die Domplatte war das Krachen des herabfallenden Metalls zu hören.

Hintergrund war die unsachgemäße Aufhängung des Klöppels. Der alte Klöppel war nicht mehr zu retten, deswegen wurde im Oktober 2011 ein neuer Klöppel geschmiedet. Am 2. Dezember 2011 war erstmals wieder der tiefe Klang des Decke Pitter zu hören.

Der Decke Pitter und der abgebrochene, 800 kg schwere, Klöppel, Bild: Elke Wetzig (Elya) E-Mail: ew_wp@web.de, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons
Der Decke Pitter und der abgebrochene, 800 kg schwere, Klöppel, Bild: Elke Wetzig (Elya) E-Mail: ew_wp@web.de, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Läuteordnung 

Im Juli 2021 titelt der Kölner Express „Schonkur für den Decken Pitter“:  Ein Riss in der Glocke, welcher bereits seit den 1950er Jahren bekannt war, machte es erforderlich, den Pitter seltener und jeweils kürzer zu läuten. Damit soll die Langlebigkeit der Glocke gesichert werden.

Der Decke Pitter ist aktuell1Stand 3. Mai 2024 an folgenden Tagen zu hören:

  • 5. Januar, Einläuten Erscheinung des Herrn
    19:30 Uhr montags bis samstags, 20:00 Uhr sonntags
  • 6. Januar, Erscheinung des Herrn
    9:40 Uhr
  • Osternacht
    22:15 Uhr
  • Ostersonntag
    9:40 Uhr
  • Vorabend Christi Himmelfahrt
    19:30 Uhr
  • Christi Himmelfahrt
    9:40 Uhr
  • Vorabend Pfingstsonntag
    20:00 Uhr
  • Pfingstsonntag
    9:40 Uhr
  • 28. Juni, Einläuten Heiliger Peter und Paul
    19:30 Uhr montags bis samstags, 20:00 Uhr sonntags
  • 29. Juni Heiliger Peter und Paul
    9:40 Uhr sonntags, 18:10 Uhr montags bis samstags
  • 26. September, Einläuten Weihetag Dom
    19:30 Uhr montags bis samstags, 20:00 Uhr sonntags
  • 27. September , Weihetag Dom
    9:40 Uhr sonntags, 18:10 Uhr montags bis samstags
  • 7. Dezember, Einläuten Mariä Empfängnis
    19:30 Uhr montags bis freitags
  • 8. Dezember, Mariä Empfängnis
    18:10 Uhr montags bis freitags, samstags vor dem Hochamt
    am 9.12. um 18:10 Uhr, statt am 8.12., wenn der 8.12. ein Sonntag ist
  • 24. Dezember, Weihnachten
    19:20 Uhr,
    Einläuten des Weihnachtsfestes durch die Kölner Innenstadtkirchen
    23:10 Uhr,
    Christmette in der Heiligen Nacht

Wenn die Glocke zwischendurch läutet, ist etwas Besonderes passiert: Entweder ist der Papst oder der jeweilige Kölner Erzbischof verstorben. Dann läutet der Decke Pitter 30 Minuten lang und bis zu Beisetzung des Papstes bzw. Erzbischofs täglich um 12 Uhr. 

Wer darauf nicht warten will, kann auch hier den einzigartigen „Dur-Terz-Nebenschlagton“ der Glocke hören.


109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas
109 Meter hoch und nicht wirklich geliebt: Der Vierungsturm des Kölner Doms, Bild: CEphoto, Uwe Aranas

Auch im Vierungsturm des Doms hängen Glocken: Die Angelusglocke, die Wandlungsglocke und die Mettglocke. Bitte beachten: Der Name der Mettglocke hängt nicht mit einem kölschen Lieblingsessen ,sondern mit dem Begriff „Mette“, einem nächtlichen oder frühmorgendlichen Gottesdienst, zusammen.


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Das neue Kölnische Stadtmuseum: Ganz Köln in einem Museum!

Das Kölnische Stadtmuseum, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0
Das Kölnische Stadtmuseum, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

Seit dem 23. März 2024 haben wir Kölner endlich wieder unser Stadtmuseum. Nachdem das alte Quartier im Zeughaus bereits 2017 wegen eines massiven Wasserschadens aufgegeben werden musste, war das Stadtmuseum ein Museum ohne Heimat. Bis jetzt.

Zwar ist der neue Standort im ehemaligen Kaufhaus Sauer in der Minoritenstraße nur als Interimsstandort vorgesehen – wer aber Köln kennt, dem ist auch klar: Solche Übergangslösungen haben in Kölle immer eine sehr, sehr lange Lebenszeit.

Von der Hahnentorburg über das Zeughaus in das ehemalige Kaufhaus

Die Ausstellung zur kölschen Stadtgeschichte hat bereits eine lange Reise hinter sich: Wie bei so vielen Museen in Köln bildete die umfangreiche Sammlung Ferdinand Franz Wallrafs den Grundstock. Ab 1888 wurde die Stadtgeschichte in der Hahnentorburg ausgestellt und ab 1902 zusätzlich in der Eigelsteintorburg. Da die Aufteilung auf zwei Standorte alles andere als optimal war, erwog man bereits 1912, das Zeughaus als Ausstellungsort zu nutzen. Allerdings machte der Erste Weltkrieg diese Pläne zunichte.

Auch der Plan, die alte Kürassierkaserne der Preußen in Deutz als „Rheinisches Museum“ zu nutzen, musste wegen der Weltwirtschaftskrise verschoben werden. Die Nationalsozialisten erkannten das propagandistische Potenzial eines solches Museums und eröffneten dort am 21. Mai 1936 das „Haus der Rheinischen Heimat“ in Deutz.

Das Zeughaus, bis 2017 Heimat des Kölnischen Stadtmuseums. Bild: Raimond Spekking
Das Zeughaus, bis 2017 Heimat des Kölnischen Stadtmuseums. Bild: Raimond Spekking

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam erneut der Gedanke auf, dem Stadtmuseum im Zeughaus eine Heimat zu geben. Doch der Wiederaufbau des im Krieg stark beschädigten Gebäudes verzögerte sich. Erst 1958 wurde die Dauerausstellung eröffnet, die dort bis zu dem Wasserschaden im Jahr 2017 gezeigt wurde.

Der schlechte Zustand des Zeughauses machte eine Fortführung der Ausstellung unmöglich. Daher gab es 2018 einen Ratsbeschluss, das ehemalige Modehaus Franz Sauer als Interimsquartier zu nutzen. Doch es sollte noch bis 2024 dauern, bis die Ausstellung dort eröffnet werden konnte.

Eine perfekte Darstellung – mit nur 0,1% aller möglichen Exponante

Der Umzug in das ehemalige Kaufhaus stellte die Kuratoren vor eine eigentlich unlösbare Aufgabe: Nur 750 Quadratmeter stehen dort für die Dauerausstellung zur Verfügung. Allerdings gibt es etwa 500.000 Ausstellungsstücke, gezeigt werden können davon nur etwa 650 Exponate, weniger als 0,1%.

Stefan Lewejohann (links) und Sascha Pries (rechts), die beiden Kuratoren der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, Bilder: Kölnisches Stadtmuseum
Stefan Lewejohann (links) und Sascha Pries (rechts), die beiden Kuratoren der Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum, Bilder: Kölnisches Stadtmuseum

Diese Aufgaben haben die Kuratoren exzellent gelöst, indem man sich von einer lexikonartigen Darstellung der Stadtgeschichte gelöst hat. Stattdessen wurde, so Stefan Lewejohann, einer der Kuratoren, ein „fragender Ansatz“ gewählt:

„Wir erzählen die Kölner Stadtgeschichte jetzt durch einen fragenden Ansatz. Das heißt, dass wir emotionale Fragen stellen und dadurch episodenhaft die Kölner Stadtgeschichte erklären. Zu diesen Fragen zählt beispielsweise „Was lieben wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“ oder „Worauf haben wir Lust?“.“

Raum der Stadtgeschichte – mit innovativer Technologie

Um aber auch einen Überblick über die Geschichte der Stadt zu bieten, haben die Kuratoren an den Beginn der Ausstellungsrunde den „Raum der Stadtgeschichte“ platziert. Hier werden kurz und kompakt die wichtigsten Entwicklungen der Stadt, von der römischen Kolonie über die Franken zur mittelalterlichen Handelsmetropole, zur kurzen, aber nachhaltigen Besetzung durch die Franzosen und die anschließende Befestigung durch die Preußen, die Gleichschaltung im NS-Unrechtsstaat ab 1933, die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs bis hin zur heutigen Medienstadt, in aller Kürze gezeigt.

Das Kölner Stadtmodell zeigt die Stadt im Jahr 1571. Und durch Augmented-Reality bietet dieses Modell eine echte Zeitreise, Bild: RBA, S. Walz, rba_d040440_03
Das Kölner Stadtmodell zeigt die Stadt im Jahr 1571. Und durch Augmented-Reality bietet dieses Modell eine echte Zeitreise, Bild: RBA, S. Walz, rba_d040440_03

Kern dieses Ausstellungsteils ist das riesige Stadtmodell. Dieses Modell zeigt Köln im Jahr 1571 und wurde bereits im „alten“ Stadtmuseum viel bewundert.

Doch jetzt gibt es eine aufregende Neuerung: Mittels Augmented-Reality können Besucher direkt im Stadtmodell digital in verschiedene Epochen der Stadtgeschichte eintauchen. So schweben auf einmal über der alten Ansicht der Stadt 120 Sehenswürdigkeiten, die in 13 verschiedene Epochen der Stadtgeschichte erkundet werden können. Und zwischendurch regnet es sogar Kamelle. Zumindest virtuell.

Frageräume als Orte der (Selbst-)Reflexion

Trotz aller virtueller Ausflüge blieb für die Ausstellungsmacher das Problem, auf vergleichsweise kleiner Fläche die Stadtgeschichte lebendig zu machen. Daher hat man sich für einen durchaus unkonventionellen Weg entschieden: Weg von der klassischen Chronologie oder Jahrhundert-Räumen hin zu acht aktuellen Fragen, die die Besucher beschäftigen und emotional berühren. Fragen wie: „Was lieben wir?“, „Worauf hoffen wir?“, „Was macht uns Angst?“, „Was verbindet uns?“, „Was macht uns wütend?“, „Worauf haben wir Lust?“, „Woran glauben wir?“ und „Was bewegt uns?“ bilden das Grundgerüst der neuen Dauerausstellung.

Auch eine Art von Religion: Kutte eines FC-Fans, Bild: Privatbesitz RBA, T. Kreusler, rba_d060046_02
In der Abteilung „Woran glauben wir?“: Auch eine Art von Religion: Die Kutte eines FC-Fans, Bild: Privatbesitz RBA, T. Kreusler, rba_d060046_02

Dieser völlig neue Ansatz bietet Raum für Raum eine äußerst spannende Zusammenstellung: So werden in dem Raum „Woran glauben wir?“ erwartungsgemäß das christliche, das jüdische und das muslimische Köln vorgestellt. Diesen Religionen werden dann aber andere „Götter“ als Ersatzreligionen gegenübergestellt, zum Beispiel der Fußball. Nicht umsonst bezeichnen viele Fans die Stars ihrer Lieblingsvereine als „Götter“.

Gleich daneben: „Götze Geld“. Gezeigt werden die älteste Münze des Stadtmuseums, der „Triens/Drittel-Goldschilling“ (ca. Ende 6. Jahrhunderts) über die „Kölner Mark“ (aus dem 15. Jahrhundert) bis hin zu Zwei-Euro-Münze mit dem Kölner Dom (aus dem Jahr 2011).

Der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich (Bronzeplastik), Bild: Uli Kievernagel
Der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich (Bronzeplastik), Bild: Uli Kievernagel

Klüngel, „Lust auf Lust“ und „Heimweh nach Köln“

Der Raum „Was macht uns wütend?“ zeigt, was die wütenden Kämpfe früherer Generationen für Gerechtigkeit gebracht haben: freie und demokratische Wahlen, eine unabhängige Justiz, ein gerechtes Steuersystem, die Abschaffung der Todesstrafe und die Trennung von Kirche und Staat. Wichtigstes Exponat ist hier der von einem Schwert durchbohrte Kopf des (vermeintlichen) Kämpfers gegen den kölschen Klüngel, Nikolaus Gülich.

Saftiger wird es im Raum „Worauf haben wir Lust?“. Hier geht es um Sex, Genuss und Freizügigkeit. So wird neben einem speziellen „Stadtplan für Männer“ aus dem Jahr 1972 auch die legendäre und Afri-Cola Werbung mit eher lasziven Nonnen aus dem Jahr 1967 gezeigt.

Afri-Cola-Anzeige (reprint), 1967/68 ©RBA, rba_d048067
Afri-Cola-Anzeige (reprint), 1967/68 ©RBA, rba_d048067

Im Raum „Was lieben wir?“ gehen die Ausstellungsmacher der besonderen Liebe der Kölner zu ihrer Stadt nach. Diese, oft auch übertriebene, „Heimattümelei“ zeigt sich in den zahllosen Liedern über Dom, Rhing und Sunnesching.

Die Ausstellung nähert sich diesem Thema äußerst reflektiert. Passend zum Lied „Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann wird das Essgeschirr des Kölners Johann Borsari gezeigt, der dieses während seiner sowjetischen Kriegsgefangenschaft mit dem Dom verziert hat.

Modernstes Museum Kölns auf engem Raum

Wahrscheinlich war es gerade die räumliche Enge, welche die Museumsmacher dazu gebracht hat, völlig neue Wege zu gehen. Wenn nur 650 von ca. 500.000 Exponaten gezeigt werden können, sind innovative Wege unumgänglich. Entstanden ist Kölns modernstes Museum. So weist der Direktor des Hauses, Dr. Matthias Hamann, auch ausdrücklich darauf hin:

„Der neue Standort ist nicht nur ein Interim. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zum Stadtmuseum der Zukunft.“

Und hier liegt Hamann richtig: Obwohl das Haus als Interim bezeichnet wird, werden wir uns noch viele, viele Jahre und vielleicht sogar Jahrzehnte an der spannenden, modernen Ausstellung erfreuen können.

Wettet jemand dagegen?


Daten und Fakten zum Kölnischen Stadtmuseum

Adresse
Minoritenstr. 13
50667 Köln

Öffnungszeiten
Dienstags: 10:00 bis 20:00 Uhr
Mittwochs bis sonntags: 10:00 bis 17:00 Uhr

Eintritt
5 Euro, ermäßigt 3 Euro

Kontakt
Telefon: +49(0)221 221-22398
ksm@stadt-koeln.de
www.koelnisches-stadtmuseum.de


Der Corona-Briefkasten von Ana und Lea aus Raderberg, Bild: Uli Kievernagel
Der Corona-Briefkasten von Ana und Lea aus Raderberg, Bild: Uli Kievernagel

Das neueste Exponat der Stadtgeschichte kommt aus meiner Nachbarschaft in Raderberg

Während der Corona-Beschränkungen konnten die Kinder meiner Nachbarschaft nicht miteinander spielen. Stattdessen haben sie sich kleine Briefkästen gebastelt und konnten so zumindest Nachrichten austauschen.

Ich hatte im Jahr 2020 Stefan Lewejohann vom Stadtmuseum auf diese Briefkästen aufmerksam gemacht. Er hat dankend die Schenkung der Kinder angenommen und einige dieser Briefkästen als Dokumente der Zeitgeschichte in den Bestand des Stadtmuseums übernommen. Und einer dieser Briefkästen ist tatsächlich das neueste Exponat im „Raum der Stadtgeschichte“ und hängt jetzt in unmittelbarer Nachbarschaft zum Verbundbrief oder zum Stadtsiegel. Was für eine Ehre!


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Die NS-Gedenkstätte Gremberger Wäldchen

Der etwa zwei Meter große Findling mit kyrillscher Inschrift auf der NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen. Bis heute ins unbekannt, wer den Stein aufgestellt hat.Bild: Uli Kievernagel
Der etwa zwei Meter große Findling mit kyrillscher Inschrift auf der NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen. Bis heute ist unbekannt, wer den Stein aufgestellt hat. Bild: Uli Kievernagel

Still ist es hier schon seit langer Zeit nicht mehr. Eingezwängt zwischen der A4, dem Östlichen Zubringer und der S-Bahn liegt das Gremberger Wäldchen. Zwar wurde das Wäldchen um etwa 1900 speziell als Naherholungsgebiet konzipiert, aber durch das stetige Rauschen des Verkehrslärms kann das Wäldchen diese Funktion heute nicht mehr erfüllen. Und wird es in Zukunft noch weniger, wenn der geplante Ausbau der A4 erfolgen sollte.

Eingezwängt zwischen Autobahn und S-Bahnstrecke: Das Gremberger Wäldchen. Der geplante Ausbau der A4 gefährdet die Gedenkstätte, Karte: OpenStreetMap
Eingezwängt zwischen Autobahn und S-Bahnstrecke: Das Gremberger Wäldchen. Der geplante Ausbau der A4 gefährdet die Gedenkstätte, Karte: OpenStreetMap

Mittendrin liegt die „Gedenkstätte Gremberger Wäldchen“. Diese Gedenkstätte erinnert an osteuropäische Zwangsarbeit*innen, die hier zwischen 1941 und 1945 von den nationalsozialistischen Machthabern ermordet wurden.

Eher unscheinbare Gedenkstätte

Eingefasst von einem Jägerzaun erscheint das Gelände zunächst wie ein kleiner Friedhof mitten im Wald. Am Eingang erklärt eine Tafel, aufgestellt von der Stadt Köln, dass es sich um eine Gedenkstätte handelt.

Die NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen, Bild: Uli Kievernagel
Die NS-Gedenkstätte im Gremberger Wäldchen, Bild: Uli Kievernagel

Auf dem Gelände befindet sich ein knapp zwei Meter hoher Findling mit kyrillischer Inschrift. Wer diesen Findling aufgestellt hat, ist bis heute nicht bekannt.1Kölner Stadt-Anzeiger: Kölns geheimnisvollste Orte vom 4. Februar 2019, https://www.ksta.de/koeln/das-sind-koelns-geheimnisvollste-orte-sote-239029, abgerufen am 15. März 2024 Kurz nach dem Krieg stand der Stein auf einmal dort. Und ohne russische Sprachkenntnisse war auch die Inschrift nicht zu lesen.

Erst 1985 wurde auf Initiative der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes eine Steintafel mit der Übersetzung der kyrillischen Inschrift des Findlings am Eingang aufgestellt:

Die Inschrift der Platte ist eine Übersetzung des kyrillschen Texts auf dem Findling, Bild: Uli Kievernagel
Die Inschrift der Platte ist eine Übersetzung des kyrillschen Texts auf dem Findling, Bild: Uli Kievernagel

Der Text auf Steintafel lautet:

„Hier sind 74 sowjetische Bürger begraben, die während ihrer Gefangenschaft unter dem Faschismus in den Jahren 1941 bis 1945 ermordet wurden.“

An dieser Steintafel am Eingang ist auf einem Sockel ein Relief angebracht. Dieses Relief zeigt das Keramikrelief „Trauernde Eltern“ des Künstlers Klaus Balke. Ursprünglich war dieses Relief aus Bronze gefertigt. Allerdings wurde diese Bronzeplastik im Jahr 2020 gestohlen und im Januar 2022 durch das motivgleiche Relief aus Keramik ersetzt.

Auf dem Sockel ist ein Zitat aus der „Kriegsfibel“ von Bertolt Brecht angebracht:

„Und alles Mitleid, Frau, nenn ich gelogen,
das sich nicht wandelt in den roten Zorn,
der nicht mehr ruht, bis endlich ausgezogen,
dem Fleisch der Menschheit dieser alte Dorn.“

Das Relief „Trauernde Eltern“ von Klaus Balke, Bild: Uli Kievernagel
Das Relief „Trauernde Eltern“ von Klaus Balke, Bild: Uli Kievernagel

Krankensammellager als Sterbeort

Die Gedenkstätte zeigt nicht annähernd, welches unvorstellbare Grauen sich hier ereignet hat. In der Nähe der Gedenkstätte befand sich von Anfang der 1940er Jahre bis 1945 ein Krankensammellager. Hier wurden kranke Menschen und Schwangere, die als Zwangsarbeiter in Köln arbeiten mussten, dem Sterben überlassen. Insbesondere an Tuberkulose erkrankte Menschen starben hier einen unwürdigen Tod.

Matthias Lammers hat sich im Rahmen seiner Masterarbeit „Gefangen im Wäldchen“ intensiv mit dem Gremberger Wäldchen beschäftigt. Er spricht von einem „Sterbelager“. Es ist davon auszugehen, dass mindestens 60 Prozent der in diesem Krankensammellager eingelieferten Menschen starben.2Krankensammellager für Zwangsarbeiter im Gremberger Wäldchen: Vergessen und durch Ausbau der A4 bedroht, report-K, https://www.report-k.de/krankensammellager-fuer-zwangsarbeiter-im-gremberger-waeldchen-vergessen-verdraengt-und-durch-den-ausbau-der-a4-bedroht/ abgerufen am 28. März 2024

Diese Menschen wurden auf dem „Slawenfeld“ (Westfriedhof) verscharrt, da gemäß der NS-Ideologie die als „Untermenschen“ bezeichneten Slawen nicht zusammen mit den Toten der vermeintlichen „Herrenrasse“ begraben werden durften.

Der Tag des Grauens am 8. April 1945

Die Amerikaner erreichen am 5. März 1945 Köln und besetzen die linksrheinischen Stadtteile. Erst Wochen später erfolgt die Besetzung des rechtsrheinischen Kölns. In dieser Zeit versuchen die Nationalsozialisten alle Spuren ihrer Gräueltaten zu verwischen und räumen auch das Lager im Gremberger Wäldchen am 8. April 1945 wegen angeblicher „Seuchengefahr“.

Ein Mob aus NS-Funktionären, Männern aus dem Volkssturm und der Hitlerjugend feuerte wahllos in die Baracken. Akten der britischen Armee belegen, dass ein 17-Jähriger Hitlerjunge direkt unter Krankenbetten Feuer legte. Ein Gleichaltriger tötete Häftlinge des Lagers durch Genickschuss.

Dem Massaker fielen unzählige Menschen zum Opfer. Es ist davon auszugehen, dass diese an Ort und Stelle verscharrt wurden. Exakte Zahlen zu den Opfern liegen nicht vor. Erst am 12. April 1945 befreiten die Amerikaner die Überlebenden.

Obwohl britische Behörden die deutschen Strafverfolgungsbehörden später über die Gräueltaten informierten, wurden diese Täter nie verfolgt, es wurde noch nicht einmal ein Aktenzeichen angelegt.3Kölner Stadt-Anzeiger: Kölns geheimnisvollste Orte vom 4. Februar 2019, https://www.ksta.de/koeln/das-sind-koelns-geheimnisvollste-orte-sote-239029, abgerufen am 15. März 2024 Gebhard Aders, ehemaliger Leiter des Porzer Stadtarchivs, hatte nach intensiven Recherchen die Namen von zwei Tätern ermitteln können. Allerdings waren beide kurz zuvor gestorben. So sind diese Taten bis heute ungesühnt.

In der 1960er Jahren von Kindern als Spielplatz genutzt

Uwe Zinnow hat als Kind im Gremberger Wäldchen  gespielt und kennt daher die Lage des Krankensammellagers:

„Das eigentliche Lager befand sich parallel zur Autobahn. Unmittelbar vor der Autobahnbrücke (Überführung Gremberger Ring) rechts den Weg rein. Links kurz vor dem Abhang zur Autobahn befindet sich noch der kleine Tiefbunker der Wachmannschaft. Als Kinder haben wir dort Ende der 60er Jahre unser „Räuberlager“ gehabt ohne den geschichtlichen Hintergrund zu wissen. Auf dem Weg lag überall Holzkohle, worüber wir uns damals schon wunderten. Es waren die Reste der Holzbaracken.“

Der Geograph Dr. Dietmar Hermsdörfer zeigt auf seinen Website verschiedene Karten, die „Köln im Wandel“ zeigen. Er hat dieses Bild rausgesucht, welches die Lage des Lagers zeigt:

Auf einem Bild aus dem Jahr 1951 sind in der Mitte noch die Reste des Barackenlagers zu erkennen. Die heutige Gedenkstätte liegt links davon. Gut zu erkennen: links unten die Eisenbahnbrücken über die A4 und rechts unten das Autobahn-Kreuz Gremberg. Bild: Geobasis NRW, Urheber: Hansa Luftbild AG, Eigentümer: Landesarchiv NRW, Bestand: RW0230
Auf einem Bild aus dem Jahr 1951 sind in der Mitte noch die Reste des Barackenlagers zu erkennen. Die heutige Gedenkstätte liegt links davon. Gut zu erkennen: links unten die Eisenbahnbrücken über die A4 und rechts unten das Autobahn-Kreuz Gremberg. Bild: Geobasis NRW, Urheber: Hansa Luftbild AG, Eigentümer: Landesarchiv NRW, Bestand: RW0230

Seit Juni 2024 besteht Denkmalschutz 

Zurzeit laufen die Planungen, die A4 zu verbreitern, auf Hochtouren. Ab etwa 2030 soll es auch am Gremberger Wäldchen mit den Bauarbeiten losgehen. Das Krankensammellager wurde am 27. Juni 2024 wurde offiziell als Bodendenkmal Nr. 506 unter Denkmalschutz gestellt.4Quelle: „Schutz des Bodendenkmals im Gremberger Wäldchen“ vom 22.01.2025, https://a4plus.koeln/aktuelles/schutz-des-bodendenkmals-im-gremberger-waldchen, abgerufen am 27.05.2025 und bleibt somit verschont. Die Autobahn GmbH des Bundes informiert dazu: 

„Das Bodendenkmal wird vom geplanten 8-spurigen Ausbau der A4 nicht beeinträchtigt. Bereits die für die Bauaktivitäten benötigten Flächen und Baustraßen werden so geplant, dass diese den Bereich des Bodendenkmals nicht beanspruchen.“5Quelle: „Schutz des Bodendenkmals im Gremberger Wäldchen“ vom 22.01.2025, https://a4plus.koeln/aktuelles/schutz-des-bodendenkmals-im-gremberger-waldchen, abgerufen am 27.05.2025


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Kölner Stadtteile: Libur – hier wohnen die glücklichsten Kölner!

Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.
Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.

Der kleine Stadtteil Libur ist Kölns Veedel der Rekorde:

  • Libur ist der, gemessen an der Zahl der Einwohner, kleinste Stadtteil Kölns. Stand 31. Dezember 2022 gab es genau 1.145 Liburer.
  • Libur hat auch niedrigste Bevölkerungsdichte innerhalb Kölns: Hier leben gerade einmal 180 Einwohner je Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Köln leben, im Durchschnitt über alle Veedel, die Menschen etwa 15x so gedrängt. Es sind exakt 2.679 Einwohner je Quadratkilometer. Noch krasser wird der Unterschied, wenn man sich enge Südstadt ansieht: Hier leben auf einem Quadratkilometer mehr als 13.000 Menschen.
  • Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.

Vielleicht sind das auch die Gründe, warum in Libur nachweislich die glücklichsten Kölner leben.

Haus am Grabhügel

Die Gegend um Libur wurde bereits vor sehr langer Zeit besiedelt. Eine dort gefundene Axt lässt vermuten, dass es dort bereits in der Jungsteinzeit (circa 5.500 – 4.900 v. Chr.) eine erste Siedlung der sogenannten „Bandkeramiker“1Die Bandkeramik bzw. bandkeramische Kultur ist die erste auf Ackerbau und Viehzucht basierende Kultur der Jungsteinzeit mit Verbreitungsgebieten in ganz Mitteleuropa.  Der Name „Bandkeramiker“ bezieht sich auf die bandartigen Verzierungen auf ihren Tongefäßen. gab.

Ausschnitt aus der "Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789“, hier ist Libur noch als „Liebour“ verzeichnet. Bild: Wilhelm Fabricius
Ausschnitt aus der „Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789“, hier ist Libur noch als „Liebour“ verzeichnet. Bild: Wilhelm Fabricius

Der erste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 1183. In einer Sammlung von Wunderberichten wird die Ortschaft „villula lebure“ erwähnt. In späteren Aufzeichnungen lautet der Name „Lebur“. Weitere Schreibweisen lauten Liebour und Liebuire. Die erste Silbe „Le“ im Althochdeutschen könnte „Obdach“ bedeuten, „bûr“ bezeichnet ein kleines Haus. Eine andere Interpretation geht davon aus, dass sich die erste Silbe auf „Leo“, einen Grabhügel bezieht. Zusammen mit „bûr“ könnte das Haus am Grabhügel“ bedeuten.

Schon seit dem Mittelalter gehörte Libur zum Herzogtum Berg. Während der französischen Besatzung des Rheinlands (von 1794 bis 1814/15) war Libur Teil des Grand-Duché de Berg et de Clèves2Die französische Bezeichnung für das Großherzogtum Berg., anschließend wurde es Teil der Preußischen Rheinprovinz. 1929 erfolgte die Eingemeindung nach Porz. Durch das von den Porzern so ungeliebte „Köln-Gesetz“ wurde auch Libur 1975 Teil der Stadt Köln.

Eigenständiger, dörflicher Charakter

Libur hat bis heute sein dörfliches Erscheinungsbild erhalten. Das liegt auch daran, dass Libur eher isoliert liegt und daher nicht mit den Nachbargemeinden, z.B. Lind oder Wahn, zusammengewachsen ist. So beschreibt auch die Stadt Köln Libur als „Weiler mit achteckigem Ortskern, auf den zahlreiche Straßen von den umliegenden Dörfern zulaufen. … Das immer noch etwas abgeschiedene Libur inmitten agrarisch genutzter Flächen hat noch einen Gutteil seines ländlichen Charakters bewahrt.“

Typische Backsteinbauten in der Pastor-Huthmacher-Straße in Köln-Libur, Bild: Franz-Josef Knöchel, Landschaftsverband Rheinland / CC BY 4.0
Typische Backsteinbauten in der Pastor-Huthmacher-Straße in Köln-Libur, Bild: Franz-Josef Knöchel, Landschaftsverband Rheinland / CC BY 4.0

Diese Abgeschiedenheit hat Libur zwar den eigenständigen, dörflichen Charakter gesichert, gleichzeitig ist die aber die Verkehrsanbindung des Ortes eher schlecht – es gibt gerade eine Buslinie. Trotzdem gibt es Verkehrslärm in Libur: Je nach Wind und Abflugrouten sind die startenden Flieger des nah gelegenen Flughafens Köln/Bonn leider gut zu hören.

Tausende Sprenggranten in der Liburer „Schullekul“

Im März 1957 stand das ruhige Libur auf einmal im Zentrum des Interesses. Der Kölner-Stadt-Anzeiger hatte berichtet, dass „… Schulkinder erzählt hätten, sie würden aus dem Teich Handgranaten, Flak- und Panzergeschosse herausholen, sie zerlegen, weiße Säckchen mit Pulver hervorholen und diese in der Abenddämmerung anzünden.“

Mit „dem Teich“ war der Liburer Löschteich gemeint. Dieser lag neben der Volksschule und wurde daher nur „Schullekul“ genannt. Es war zwar in Libur ein offenes Geheimnis, dass Wehrmachtssoldaten, kurz bevor die Amerikaner einrückten, ihre Spuren verwischten und die Waffen kurzerhand in dem Löschteich versenkten. Aber es gab keinerlei Aufzeichnung, wie viele und welche Waffen dort entsorgt wurden.

Der ehemalige Feuerlöschteich Schullekul wurde Ende der 1950er in einen Bolzplatz umgewandelt. Bild: Jotpe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der ehemalige Feuerlöschteich Schullekul wurde Ende der 1950er in einen Bolzplatz umgewandelt. Bild: Jotpe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Tatsächlich handelte es sich bei der Schullekul um ein stinkendes, modriges Gewässer, welches – unabhängig vom Fund der Kampfmittel – saniert werden sollte. Nur wollte weder die Porzer Stadtverwaltung noch die Bezirksregierung die Verantwortung und somit die Kosten dafür übernehmen. Erst mit dem Artikel im Stadt-Anzeiger und der somit öffentlich gewordenen Gefährdung der Dorfjugend kam Bewegung in die Angelegenheit und es wurde ein Dringlichkeitsbeschluss gefasst: Die Schullekul wurde ausgepumpt und die Kampfmittel-Räumer machten große Augen. Immerhin wurden

  • 522 Sprenggranten
  • 692 Infanterie-Patronen
  • 121 Stielhandgranaten
  • 14 Gewehre
  • 6 Maschinengewehre

sowie weitere diverse „Granaten und weitere Munition“ aus dem schlammigen Gewässer geborgen. Der Teich verschwand und an der Stelle ist heute ein Sportplatz zu finden.

Viel Land – wenig Menschen: Das dörfliche Libur. Bild: aachim3, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Viel Land – wenig Menschen: Das dörfliche Libur. Bild: aachim3, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Veedels-Check: Libur auf Platz 1

Heute ist Libur ganz vorne in Kölle: Im Veedels-Check des Kölner-Stadt-Anzeigers3aus dem Jahr 2018 machte Libur das Rennen und landete auf dem ersten Platz aller kölschen Veedel. Fast 80% der Bewohner gaben an, nicht aus Libur weg ziehen zu wollen. Dabei spielt auch der „kölsche Veedelscharakter“ des Dorfes eine Rolle: Auf die Frage, wie kölsch Libur ist, landete das kleine Libur auf Platz acht von allen 86 Kölner Stadtteilen.

Vergleich Bevölkerungsdichte, Graphik: Uli Kievernagel
Vergleich Bevölkerungsdichte, Graphik: Uli Kievernagel

Kleiner Wermutstropfen: Selbst die eingefleischten Libur-Fans bemängeln die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten und die eher schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

Aber das machen Initiativen wie der „Junggesellenverein Libur“, der Weihnachtsbasar der Katholischen Frauengemeinschaft und das Straßenfest „Der längste Desch vun Libur“ wieder wett. Und auch im Karneval pflegt das „Rekord-Dorf“ Libur eine ganz besonderen Tradition: Hier stehen die Jecken am Straßenrand und werfen Kamelle für die Pänz, die im Zoch mitgehen.

Also noch ein weiterer Rekord:
In Libur gibt es den „verkehrtesten“ Karnevalszoch von ganz Köln.


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Klettenberg wird in „Knollendorf“ umbenannt +++ Eilmeldung +++

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat am 1. April 2023 verkündet, dass der Stadtteil Klettenberg in Knollendorf umbenannnt wird. Bild: Jens Koch, Bearbeitung Uli Kievernagel

Eingeweihte wussten es schon länger – doch am 1. April 2024 wird es amtlich: Der Kölner Stadtteil „Klettenberg“ wird in „Knollendorf“ umbenannt.

Oberbürgermeister Henriette Reker dazu: „Wir folgen mit dieser Namensänderung einem starken Wunsch der Klettenberger Bürger. Schon lange wünschen sich die Bewohner dieses Veedels einen ausdrucksstarken Namen. Diesen haben wir mit Knollendorf gefunden.“

Ab jetzt immer pünktlich: In Knollendorf fahren Busse und Bahnen der KVB - Knollendorfer Verkehrs-Betriebe mit dem markanten Logo "Woosch un Öllig"
Ab jetzt immer pünktlich: In Knollendorf fahren Busse und Bahnen der KVB – Knollendorfer Verkehrs-Betriebe mit dem markanten Logo „Woosch un Öllig“

Unabhängiges Veedel entsteht

Mit dieser Namensänderung geht auch eine umfassende Verwaltungsreform einher: Das neue Viertel Knollendorf wird nicht länger Stadtteil des Stadtbezirks 3 (Lindenthal) sein, sondern es entsteht ein von der Stadt Köln komplett unabhängiges Veedel. So wird auch der beliebte Klettenbergpark in „Knollendorfpark“ umbenannt. Busse und Bahnen in Knollendorf fahren unter dem neuen Logo der KVB – Knollendorfer Verkehrs Betriebe. 

Stolz zeigt der Speimanes die Hänneschen-Blootwosch, Bild: Hänneschen-Theater
Der neue Veedels-Bürgermeister Hermann Speichel (rechts) ist immer da, wenn es um die Wurst geht. Links: Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Bild: Hänneschen-Theater

„Wir geben damit der Bevölkerung Knollendorfs größtmöglich Autarkie“, so Henriette Reker bei der heutigen Pressekonferenz. Die Oberbürgermeisterin weiter: „Veedels-Bürgermeister von Knollendorf wird Hermann Speichel, der bereits bewiesen hat, dass er – gerade wenn es um die Wurst geht – immer einen kühlen Kopf bewahrt.“

Der so geehrte Hermann Speichel, von den Knollendorfern nur zärtlich „Speimanes“ genannt, stand für ein persönliches Interview (gottseidank!) nicht zur Verfügung.

Tünnes, mit bürgerlichen Namen Anton Schmitz, ist gutmütig, hilfsbereit und ein einfach gestrickter Charakter, Bild: Hänneschen-Theater
Anton Schmitz freut sich auf günstiges Kölsch & Schabau, Bild: Hänneschen-Theater

Steuern auf Alkohol werden abgeschafft

Im Knollendorfer Gasthaus, ehemals bekannt als Petersberger Hof, reibt sich Wirt Peter Mehlwurm voller Vorfreude die Hände. Denn Bürgermeister Speichel hat ihm versprochen, als erste Amtshandlung die Steuern auf Alkohol abzuschaffen. „Dann kommen auch die Gäste aus Zollstock und Sülz. Das wird ein gutes Geschäft.“

Auch der im Veedel nur als „Tünnes“ bekannte Anton Schmitz freut sich, kann doch gerade der Freund von Kölsch und Schabau eine Menge Geld sparen.

Aus "Klettenberg" wird Knollendorf. Bild: Hänneschen Theater
Aus „Klettenberg“ wird Knollendorf. Bild: Hänneschen Theater, Bearbeitung: Uli Kievernagel

Kritische Stimmen

Die Ordnungsmacht im neuen Knollendorf wird vom schnauzbärtigen Dorfpolizisten Schnäuzerkowski repräsentiert. Sichtlich gestresst murmelt der Vertreter der Staatsgewalt: „Der janze Platz ist verhaftet.“

Wahrscheinlich übt der gesetztestreue Ordnungshüter bereits seinen Text, wenn Scharen trinkfreudiger Kölner aus den Nachbarvierteln im Knollendorfer Gasthaus einfallen. Der Vertreter der Schmier hat sichtlich Angst, dass es in seinem Viertel zu ähnlichen Bildern wie an Karneval im Kwartier Latäng kommen könnte.

Der Schäl, ein listiges Schlitzohr, Bild: Hänneschen-Thaater
Ist dieser Herr der anonyme Beschwerdeführer gegen Veedels-Bürgermeister Speichel? Bild: Hänneschen-Thaater

Es gibt aber auch andere kritische Stimmen. Unsere Redaktion haben anonyme Hinweise per e-mail erreicht. Ein gewisser Herr S. beschwert sich: „Ich wäre der bessere Bürgermeister. Hermann „Speimanes“ Speichel ist nicht geeignet, unser Veedel auch wirtschaftlich nach vorne zu bringen. Dafür bin ich dank meiner Kontakte der viel bessere Mann.“ Erste Recherchen haben ergeben, dass die Nachricht mit der Adresse „schael@knollendorf.de“ abgeschickt wurde. Das Investigativ-Team des Köln-Lotsen ist zuversichtlich, die Identität des S. schnell zu ermitteln.

Der junge und immer fröhliche Knollendorfer Johannes Knoll ist aber wie immer aufgeschlossen:

„Et kütt wie et kütt. Un et hätt noch immer joot jejange.
Ävver
mer losse doch he nit et Hännesche mit uns mache!“


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Der Köbes im Brauhaus – Mythos & Wahrheit

Ein Köbes mit einem Kranz Kölsch bei der Arbeit
Ein Köbes mit einem Kranz Kölsch bei der Arbeit

  

Er ist der unumstrittene Herr im Brauhaus: Der Köbes! Als Gast ist man geduldet. Mehr nicht. Der Köbes allein entscheidet, ob und wann man sein Kölsch bekommt, denn in einem kölschem Brauhaus bestellt man kein Kölsch: Der Köbes teilt es einem zu.

Dabei gehört der Köbes, genau wie die blankgescheuerten Holztische, die ausgesprochen hohe Lautstärke der Gäste und die kölsche Fooderkaat, zum Inventar eines Brauhauses.

Der Köbes ist die Person, die außerhalb Kölns als „Kellner“ oder „Ober“ bezeichnet wird. Eine Berufsbezeichnung, die der kölsche Köbes nicht gerne hört und Rufe wie „Hallo, Herr Ober“ schlichtweg ignoriert.

Weste, blauer Pullover, Lederschürze – der Köbes ist gut zu erkennen

Der Köbes ist gut erkennen: Die typische Kleidung ist eine Weste, blauer (Woll-)Pullover, Lederschürze und der Geldbeutel aus Leder. In der Hand trägt er den Kölschkranz aus Metall und im Gesicht eine leicht spöttische Miene, die dem Gast direkt signalisiert: Pass op Jung, ich bin hier der Chef!

Ein Köbes im Brauhaus Früh genießt sein Feierabendbier, Bild: Willy Horsch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Ein Köbes im Brauhaus Früh genießt sein Feierabendbier, Bild: Willy Horsch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der ideale Köbes hat übrigens unendlich viele Rolle zu erfüllen: Er ist Geheimnisträger („Verzäll bloss nit minger Frau, dat ich he wor!“), kennt jeden Klaaf uss däm Veedel („Häste jehüürt: Dat Marie kritt alt widder e Kind“) und gibt gerne ungefragt medizinische und sonstige Ratschläge („Dat siebzehnte Kölsch ist jut für die Nieren“).

Gelegentlich überziehen einzelne Köbesse schon mal etwas mit ihrer deftigen und manchmal unverschämt wirkenden Ausdrucksweise. Dann wird es auch dem Urkölschen zu viel. Aber das ist die Ausnahme. Eher spielen die kölschen Köbesse ihre Rolle als Muuzepuckel, so wie mir Toni aus Buchheim berichtete:

Meine Frau und ich sitzen im Peters Brauhaus. Uns schräg gegenüber eine achtköpfige Gruppe von Touristen. Sie sprechen Spanisch.
Irgendwann kommt der Köbes. Er gibt sein Bestes: schaut mürrisch, rotzt seine Worte unverständlich in den Raum und stellt ungefragt Kölsch vor die Gäste. Die gucken fragend, bemühen ihr bestes Englisch und bekommen zum Dank die Speisenkarte auf den Tisch geknallt.  Mehrfach geben sie später das Zeichen, bestellen zu wollen. Als sich der Köbes endlich bequemt, verströmt seine ganze Körperhaltung überschäumenden Abscheu. Meine Frau und ich gucken uns an. Sie sagt: „Das geht ja gar nicht. Was sollen die Touristen denn denken?“  Ich will gerade aufstehen und dem Köbes etwas zu seinem unmöglichen Verhalten sagen. Da wechselt dieser übergangslos ins Spanische, erklärt – so vermute ich – was es mit dem Köbes auf sich hat und erntet erleichtertes Lachen der Gäste und ihren donnernden Applaus. Danach ist unsere Stimmung im beschwingten  ‚Su jett jitt et nur in Kölle-Modus‘. Das ist so einer der Momente, wo ich einfach nur dankbar bin, im bunten Kölle zu leben.

Herkunft des Begriffs „Köbes“ ist unklar

Die gängige Legende besagt, dass der Name des Köbes von Jakobspilgern stammt. Diese hätten während ihrer oft monatelangen Pilgerreise zwischendurch in den Brauhäusern gearbeitet, um etwas Geld für die Reise zu verdienen. Der Kölner nennt den Jakob „Köbes“, und da die Pilger auf dem Weg zum Heiligen Jakob waren, hatten sie schnell den Spitznamen „Köbes“ bekommen. Allerdings gibt es für diese, zugegeben nette, Legende keine Belege.

Tatsächlich waren die Brauersburschen, die „Brauers-Pooschte“, als Köbes tätig. Diese schufteten tagsüber als Lehrjungen in der Brauerei und verdienten sich abends noch ein paar Mark als Köbes dazu. Wie es von diesen Brauers-Pooschte zum Begriff „Köbes“ kam ist unklar. Vielleicht war einer der Jungs namens Jakob besonders schlagfertig, und so wurde sein Vorname zum gesamten Gattungsbegriff. Aber auch das ist reine Spekulation.

Durstige Gäste warten im "Früh im Veedel" auf den Köbes, Bild: Gordito1869, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Durstige Gäste warten im „Früh im Veedel“ auf den Köbes, Bild: Gordito1869, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Eins ist sicher: Der Köbes ist älter das Kölsch!

Klar ist aber, dass es den Köbes schon lange vor dem Kölsch gab. In einem Schreinsbuch1Schreinsbücher waren im mittelalterlichen Köln die Vorläufer der heutigen Grundbücher. aus dem 12. Jahrhundert wird ausdrücklich der Bierschenk Burkard erwähnt. Er betrieb eine Gastwirtschaft direkt neben der Kirche St. Maximin. In den historischen Unterlagen wird ausdrücklich „Burkardus dator cervisie“ erwähnt. Dies kann man mit „Burkard, der Bierschenker“ übersetzen. Somit ist Burkard der erste namentlich bekannte Köbes.  

Doch wer heute auf Spurensuche geht, wird weder Burkard noch die Kirche finden – auf diesem Gelände steht mittlerweile der Hauptbahnhof.

Heute arbeiten Menschen aus der ganzen Welt als Köbes

Auch wenn es immer wieder lautet „Nä – su ne echte Köbes jitt et hück nit mieh.“ ist das nicht richtig. Es gibt noch die schlagfertigen Typen, die zwar deftig, am Ende auch aber irgendwie charmant, Kölsch servieren. Wer das bezweifelt, sollte unbedingt mal sein Kölsch im Päffgen in der Salzgasse oder in der Schreckenskammer trinken.

Tatsächlich kommen aber heute auch viele der Servicekräfte in den Brauhäusern nicht aus Köln und verstehen nicht immer die typische Sprache der Kölner. Sie sind aber immer bemüht, in die großen Fußstapfen der alten, urkölschen Köbesse zu treten. Und auch hier gilt:

Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.2Bläck Fööss: Unser Stammbaum

Deswegen bleibt es auch bei dem ungeschriebenen Gebot, dem Köbes auch zwischendurch mal ein Kölsch auszugeben. In den meisten Brauhäusern ist es den Köbessen zwar ausdrücklich verboten, während der Arbeit zu trinken, aber wenn keiner in dem Moment hinschaut …

Und wie ist es mit den weiblichen Köbessen?

Ursprünglich waren die Köbesse ausschließlich Männer, weil in der Regel die Brauersburschen das Bier ausschenkten. Allerdings arbeiteten in vielen Gaststätten auch im 19.Jahrhundert schon Kellnerinnen. Ein Umstand, der einige Zeitgenossen doch sehr erregte. Ein gewisser Friedrich Pollads regte sich darüber so sehr auf, dass er 1891 das Bändchen „Das Unwesen der Kellnerinnenwirtschaften in Köln.“ veröffentlichte.

Pollad-Buch Kellnerinnen
 

Der Moralapostel Pollads verurteilte die weiblichen Bedienungen als „Animierdamen„, die ihre Gäste finanziell und moralisch in den Untergang führen würden. Dass – falls an dieser sinnlosen Behauptung etwas dran sein sollte – die Männer und auch der reichlich ausgeschenkte Alkohol eine Rolle spielen würde, ließ der Autor mal eben unter den (Bier-)Tisch fallen.

Heute arbeiten Frauen und Männer in diesem Beruf. Und jedem, der immer noch meint, dass die Frauen der Rolle als Köbes nicht gewachsen seien, möge mal einen Abend im „Vogel“ auf dem Eigelstein verbringen. Die dortigen weiblichen Köbesse zeigen jedem Gast seine Grenzen in Punkto Schlagfertigkeit und Trinkfestigkeit auf.

Bargeldloses Prinzip: Der Köbes macht für jedes Kölsch einen Strich, Bild: Uli Kievernagel
Bargeldloses Prinzip: Der Köbes macht für jedes Kölsch einen Strich, Bild: Uli Kievernagel

 

Zum Umgang mit dem Köbes

Ein dringender Hinweis: Bitte niemals versuchen, schlagfertiger als der Köbes zu sein. Das wird erstens nicht gelingen und zweitens könnte der Köbes es anschließend vergessen, weiterhin Kölsch zu servieren. Deshalb gibt es ein paar Regeln, die man bei einem Besuch im Brauhaus beachten sollte:

  • Noch bevor der Köbes mit dem ersten Kölsch kommt, legt man einen Bierdeckel vor sich auf dem Tisch.
  • Man ruft den Köbes nicht heran. Er wird schon kommen, sobald alle am Tisch sitzen.
  • Niemand sollte in einem kölschen Brauhaus Mischgetränke (z.B. Radler oder Kölsch-Cola) bestellen.
  • Der Köbes wird so lange ungefragt Kölsch bringen, bis man abwinkt oder einen Bierdeckel aufs Glas legt.
  • Es gilt – während des Trinkens – das bargeldlose Prinzip: Der Köbes macht Striche für jedes Kölsch auf den Bierdeckel.
  • Am Ende kommt dann doch Bargeld ins Spiel. Jeder zahlt seinen Deckel oder man teilt den gemeinsamen Deckel. In jedem Fall aber gibt man dem Köbes reichlich Trinkgeld!

Ja dann: Prost!

PS Besonders spannend: 1933 gab es ein „Köbes-Rennen“. Mehr dazu demnähx im Köln-Ding der Woche.


Collage Köbes

Köbes Underground, KöbesColonius, Marie-Luise Nikuta und Köbes-Likör

Köbes Underground
Weil der Köbes kölsches Kulturgut ist, nennt sich die Hausband der Stunksitzung Köbes Underground. Dabei ist der Name eine doppelte Hommage: Zum einen an den Köbes im Brauhaus, zum anderen erinnert „Underground“ an die Sängerin von Velvet Underground, die 1988 verstorbene Kölnerin Nico Päffgen.

KöbesColonius
Guido Hofmann war tatsächlich mal als Köbes in Köln tätig. Heute führt er als Stadtführer KöbesColonius Menschen aus aller Welt humorvoll und äußerst versiert durch Köln.

Marie-Luise Nikuta
Und die unvergessene „Mottoqueen“ Marie-Luise Nikuta trug als Erkennungszeichen auf der Bühne oft blaues Köbes-Outfit.

Kräuterlikör „Köbes“
Der Familienbetrieb VAN LAACK im Belgischen Viertel vertreibt unter anderem den Kräuterlikör „Köbes“ mit immerhin 32 % Alkohol.


Der Köbes – Kölsch Zappjungeleed

Es gibt unzählige Lieder über den Köbes. Das Lied „Der Köbes – Kölsch Zappjungeleed“ beschreibt sehr genau das Verhalten eines typischen Köbes und seinen Umgang mit den Gästen.

Der Köbes (Kölsch Zappjungeleed)
(aus: Carnevals – Lieder III. Bändchen, Herausgeber: Johannes Böttger – Selbstverlag)

Dä Köbes eß wie jeder weiß,
Als Zappjung wohlbekannt,
Un wann hä och nit Köbes heiß,
Wed hä doch su genannt.

Un eß de Weetschaff stief voll Lück
Dat mäht bei im nix uhs,
Hä denk bei sich „die Lück han Zick“
Un mäht sich gar nix druhs

Alles klopp dann wie verröck,
Rubbeldibbeldum, rubbeldibbeldum,
Met dem Glas an einem Stöck,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum.

Wann dann der Köbes kütt,
Schreit durchenein die Schwitt:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran,
Köbes, schnell ’nen halven Hahn!
Köbes, komm du boore Poosch,
Meinste, ich hät keinen Doosch?
Wann de nit bahl bei mich küß,
Do vun mir kein Drinkgeld kriß!
Wells de nit, dann loß et stonn,
Tränendeer, ich gonn!

Der Köbes kütt vum boore Land
Un kritt kum up de Muul,
Doch hät hä stets en offe Hand,
Eß lans ein Sick jet fuul.

Hä kritt e Kamesol gestrick
Vun Wölle bletzebloo,
Dann weed noh Köllen hä gescheck,
Der Köbes dä eß doh.

An de Spölbütt kütt he dann
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum.
Zapp och ald ens dann un wann,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum.

Wann en de Stuvv hä kütt
Dann schreit de ganze Schwitt:

Refrain:

Köbes, Köbes ich ben dran …

Doch wann verledde kaum e Johr
Määt im et Zappe nix,
Der Köbes es dann, dat eß klor,
‚Ne Zappjung nett un fix.

Hä kennt sing Gäß, die hä bedeent,
Un schriev got op der Lei,
Wann einer sich jet ärg dren kneent,
Schriev hä e Glas derbei,

Och, dann weed sich expleziert,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
Wat dä Köbes nit schineet
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum

Doch bei dem Explezeer
Schreit alles glich noh Beer:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …

Et Trinke och der Köbes kann,
Dat hätt hä flöck geleet,
Beim Esse stellt hä singe Mann,
Dat weiß wahl jede Weet.

Och rechne kann hä flöck un got,
Hä määt nit vill Buhei,
Grief nor ne Gaß noh Stock un Hot,
Steiht Köbes glich derbei.

Beim Bezahle wie verröck,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
Söhk hä noh’m Fünfpenningstöck,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum

Wann hä et glich nit fingk,
Sitz alles do un gringk:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …

Doch ihrlich eß hä, brav un treu,
Un Spare määt im Spaß,
Et Drinkgeld dräht hä nevvenbei
Sich höhsch dann op de Kaß.

Un wann hä dann bei Johren eß,
Kauf hä en Weetschaff sich,
Un all die Stammgäß ganz geweß
Gonn bei de Köbbes glich,

Och, dann sitz hä unschineet,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
En der Thek als kölsche Weet,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum

Wann hä ens Rentner eß,
Schreit met hä ganz geweß:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …


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Die Schwarze Madonna in der Kupfergasse – eine Heilige mit „Bodenhaftung“

St. Maria in der Kupfergasse, Bild: Raimond Spekking
St. Maria in der Kupfergasse, Bild: Raimond Spekking

Im „Hillige Kölle“ gibt es unendlich viele Erinnerungsstätten an Heilige, wie zum Beispiel den Dreikönigsschrein , die „Goldene Kammer“ in St. Ursula oder die Marienstatue in St. Maria im Kapitol mit Äpfeln zur Erinnerung an den Appel-Jupp.

Doch zu kaum einer Heiligenfigur haben die Kölner eine so enge, fast schon persönliche, Bindung wie zu der Schwarzen Madonna in der Kupfergasse. Wenn meine Oma in der Innenstadt unterwegs war, gehörte ein Besuch dort genauso zum Pflichtprogramm wie das Einkaufen beim „Tietz“, dem heutigen Kaufhof.

Und der Bann der Schwarzen Madonna ist ungebrochen. Das zeigen auch die unendlich vielen Opferkerzen, die dort regelmäßig aufgestellt werden. Dabei wird die Schwarze Madonna bei allen möglichen Anliegen um Hilfe gebeten. So besucht auch traditionell das Kölner Dreigestirn am Karnevalssonntag die Schwarze Madonna, entzündet eine mit Karnevalsmotiven verzierte Kerze und bittet um gutes Wetter und einen erfolgreichen Ablauf des Rosenmontagszugs.

Eine dunkelhäutige Madonna

Die Madonna ist aus Lindenholz gefertigt. Dieses Holz hat eine weißlich/gelbliche bis maximal hellbräunliche Farbe. Der verstorbene Pfarrer an der Kirche St. Maria in der Kupfergasse, Werner Plänker, meinte, die Figur könne „… mit der dunklen Farbe auch das Leid und die Krankheit der Menschen, die zu ihr um Hilfe gefleht haben, angenommen haben.“ Das mag sein, wahrscheinlicher ist aber, dass der Ruß der unendlich vielen Opferkerzen die Figur geschwärzt hat. Immerhin steht die Figur bereits seit 1630 in Köln. Und hat – fast ein Wunder – alle Irrungen und Wirrungen in unserer Stadt bis heute unbeschadet überstanden.

Als dunkelhäutige Marienfigur ist die Schwarze Madonna in der Kupfergasse in guter Gesellschaft. Weltweit werden schwarze Madonnen verehrt, in Deutschland alleine 25 Exemplare. Die bekannteste Herleitung der schwarzen Madonnenfiguren bezieht sich auf das Hohelied Salomos in der Bibel. In dem recht „süffigen“, erotisch aufgeladenen Text lautet es:

„Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein. Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben dich die Mädchen. Zieh mich dir nach, so wollen wir laufen. Der König führte mich in seine Kammern. Wir wollen uns freuen und fröhlich sein über dich; wir preisen deine Liebe mehr als den Wein. Herzlich lieben sie dich. Ich bin braun, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, …“ 1In anderen Übersetzungen lautet es auch „Ich bin schwarz, aber gar lieblich …“

Die Schwarze Madonna in der Kupfergasse, Bild: Willy Horsch, CC BY 3.0
Die Schwarze Madonna in der Kupfergasse, Bild: Willy Horsch, CC BY 3.0

Anmutige Figur, mit Schmuck überladen

Ein genauer Blick auf die Schwarze Madonna zeigt, dass die Figur sehr anmutig ist. Bernd Imgrund beschreibt die Figur als „Eindrucksvoll, das moderne Gesicht zeugt vom Stolz auf das Kind in ihren Armen, aber auch von tiefer Ruhe und Glaubensfestigkeit.“2Bernd Imgrund: 111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss, emons-Verlag.

Dankbare Gläubige haben die Schwarzen Madonna mit Schmuckstücken beschenkt. Daher ist die Figur heute fast schon überladen, die gut gemeinten Gaben verhindern den ursprünglichen Blick die Figur.

Eine Heilige zum Anfassen

Und für die Kölschen ist und bleibt die Schwarze Madonna ursprünglich, also irgendwie eine Heilige zum Anfassen, die sich allen Anliegen annimmt. Und nur wer die kölschen Befindlichkeiten nicht kennt, ist darüber erstaunt, dass auch die Fans des ruhmreichen 1. FC Köln Opferkerzen aufstellen. Früher sollten diese Opferkerzen für die Meisterschaft sorgen, heute sollen diese wohl eher den drohenden Abstieg verhindern.

Hoffentlich wirkt es.


Bei d’r schwazze Madonna en d’r Kofferjass

Niemand geringeres als der großartige Ludwig Sebus hat der Schwarzen Madonna auch ein musikalisches Denkmal gesetzt. In seinem Lied „Bei d’r schwazze Madonna en d’r Kofferjass“ lautet es

Bei d´r Schwazze Madonna
en d´r Kofferjass,
brenne Kääze Dag en in un Dag us.
Bei d´r Schwazze Madonna
mäht manch einer Rass,
un keiner jeit heim ohne Trus.

Hochdeutsche Übersetzung:

Bei der Schwarzen Madonna
in der Kupfergasse
brennen Kerzen tagein und tagaus.
Bei der Schwarzen Madonna
macht manch einer Rast,
und keiner geht heim ohne Trost.


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Kölsche Wörter: Klaaf – Smalltalk op Kölsch

Der kölsche Smalltalk nennt sich Klaaf, Bild: Gerd Altmann auf Pixabay
Der kölsche Smalltalk nennt sich „Klaaf“, Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Wieder mal ein kölsches Wort, welches gleich mehre Bedeutungen hat. Während das „Klaafmul“ oder die „Klaafschnüss“ echte Schimpfwörter sind und sich am besten mit „Schwätzer“ übersetzen lassen, ist der „Klaaf“ als kleine, oft eher belanglose Unterhaltung positiv besetzt.

So wird aus der Begrüßung „Un, wie is et?“ schnell ein Klaaf, also eine nette Plauderei, mit Klatsch und Tratsch über die Nachbarschaft und das Leben im allgemeinem. In dieser Disziplin des Smalltalks sind die Kölschen tatsächlich Weltmeister: Viel reden ohne viel zu auszusagen. Man könnte den Klaaf auch als „beiläufige Konversation ohne Tiefgang“ bezeichnen.

Klaafe: Ein Schwätzchen halten

Wie immer lohnt sich ein Blick in den „Wrede“. Dort wird das Verb „klaafe“ wie folgt definiert:

„Grundbedeutung: den Mund offen halten;
1.
allgemein: plaudern, sprechen, mit einem ein Schwätzchen halten“
2. verräterisch ausschwätzen, verraten, verleumderisch antragen.“

Adam Wrede verwendet den Begriff „klaafe“ also auch im Sinne von denunzieren oder umgangssprachlich „petzen“.

Diese Bedeutung hat „klaafe“ heute allerdings eher verloren, wie meine beliebte Thekenumfrage zeigt. Klar wird beim Klaaf auch mal über jemand hergezogen („Häste alt jehürt – däm Schmitz sing Frau is durchjebrannt.“), aber nie im Sinne von verpetzen, eher im Sinne von tratschen. Folglich definiert Wrede das Substantiv „Klaaf“ als „allgemeines Geschwätz“. Und das zeigt, dass der Klaaf eher harmlos ist.

Eng verwandt mit „kalle“ und „schwade“

Wenn der Kölsche von „kalle“ spricht, ist das zwar ähnlich wie „klaafe“, aber eher allgemeiner. „Kalle“ kann als gemütlich miteinander reden, plaudern. Und dann sind wir auch direkt beim „schwade“, was allerdings eher als „unaufhörlich reden“ negativ besetzt ist.  

Der Sessionsorden 2003 der Kölsche Funkentöter: Klaaf und Tratsch auf Kölsche Art"
Der Sessionsorden 2003 der Kölsche Funkentöter: Klaaf und Tratsch auf Kölsche Art“

Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art

Im Jahr 2003 hat es der Klaaf zu echten Ruhm gebracht: Das Motto der damaligen Karnevalsession lautete „Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art“. Und selbstverständlich hatte die Motto-Queen Marie-Luise Nikuta auch sofort das passende Mottolied parat:

Klaaf un Tratsch op kölsche Aat
dat es hee zo Hus
mer schwaade Kölsch,
mer drinke Kölsch,
at häld uns en Schuss.

Interessanter als der Refrain sind allerdings die Strophen des Lieds. Dort lautet es unter anderem:

Däm Schmitz sing Frau es durchgebrannt
met singem beste Fründ.. 

Gewonne hät em Lotto
dat kniestige Bolze Käth

Dä Tünn vun gägenüvver
hät geerv e riesen Huus …

Et Nies us Neppes hät
de drette Schlankheitskur gemaht
doch we‘ mer et esu aansüht,
et hät fass nix gebraht.

Bei der Motto-Queen wird der Klaaf also zum echten Tratsch – passend zum Motto „Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art“

Der Mottoschal der Session 2003
Der Mottoschal der Session 2003

Es gibt tatsächlich eine „Smalltalk-Seminar“

Die Kunst des „Klaaf“ als belangloser Smalltalk ist dem Kölner irgendwie in die Wiege gelegt. Daher braucht der Kölsche an sich auch nicht solche Tipps wie „Smalltalk lernen: 9 Tipps & 5 Fallstricke“ oder ein „Smalltalk Online Training für deine leichte Konversation“ – der Kölsche hat diese Art der Plauderei schlichtweg intuitiv drauf.

Und manchmal auch etwas zu viel davon.
Aber dann wird aus dem klaafe schnell schwaade.


Podklaaf - Akteure 1. Kölner Podcast-Tag am 24.11.2023

PODKLAAF – ne Podcast op kölsch

Echten, unverfälschten kölschen Klaaf gibt es beim Podcast „PODKLAAF“. Karolin Küpper-Popp und Hermann Hertling erklären, wie Kölsch gebraut wird, wer den Dom gebaut hat und beantworten auch die Frage, wo die Heinzelmännchen hin sind. Hee weed bloß kölsch jeschwaadt!


KLAAF – Das kölsche Magazin

Unter dem Titel KLAAF gibt die Akademie för uns kölsche Sproch ein Magazin heraus. KLAAF erscheint zwei Mal im Jahr, und liegt dem von der Stadt Köln herausgegebenem Magazin „KölnerLeben“ bei, das kostenfrei in allen städtischen Einrichtungen ausliegt.


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