Kölner Stadtteile: Libur – hier wohnen die glücklichsten Kölner!

Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.
Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.

Der kleine Stadtteil Libur ist Kölns Veedel der Rekorde:

  • Libur ist der, gemessen an der Zahl der Einwohner, kleinste Stadtteil Kölns. Stand 31. Dezember 2022 gab es genau 1.145 Liburer.
  • Libur hat auch niedrigste Bevölkerungsdichte innerhalb Kölns: Hier leben gerade einmal 180 Einwohner je Quadratkilometer. Zum Vergleich: In Köln leben, im Durchschnitt über alle Veedel, die Menschen etwa 15x so gedrängt. Es sind exakt 2.679 Einwohner je Quadratkilometer. Noch krasser wird der Unterschied, wenn man sich enge Südstadt ansieht: Hier leben auf einem Quadratkilometer mehr als 13.000 Menschen.
  • Kein Kölner Stadtteil liegt näher an Italien: Libur ist das südlichste Veedel der Stadt.

Vielleicht sind das auch die Gründe, warum in Libur nachweislich die glücklichsten Kölner leben.

Haus am Grabhügel

Die Gegend um Libur wurde bereits vor sehr langer Zeit besiedelt. Eine dort gefundene Axt lässt vermuten, dass es dort bereits in der Jungsteinzeit (circa 5.500 – 4.900 v. Chr.) eine erste Siedlung der sogenannten „Bandkeramiker“1Die Bandkeramik bzw. bandkeramische Kultur ist die erste auf Ackerbau und Viehzucht basierende Kultur der Jungsteinzeit mit Verbreitungsgebieten in ganz Mitteleuropa.  Der Name „Bandkeramiker“ bezieht sich auf die bandartigen Verzierungen auf ihren Tongefäßen. gab.

Ausschnitt aus der "Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789“, hier ist Libur noch als „Liebour“ verzeichnet. Bild: Wilhelm Fabricius
Ausschnitt aus der „Karte der politischen und administrativen Eintheilung der heutigen preussischen Rheinprovinz für das Jahr 1789“, hier ist Libur noch als „Liebour“ verzeichnet. Bild: Wilhelm Fabricius

Der erste schriftliche Nachweis stammt aus dem Jahr 1183. In einer Sammlung von Wunderberichten wird die Ortschaft „villula lebure“ erwähnt. In späteren Aufzeichnungen lautet der Name „Lebur“. Weitere Schreibweisen lauten Liebour und Liebuire. Die erste Silbe „Le“ im Althochdeutschen könnte „Obdach“ bedeuten, „bûr“ bezeichnet ein kleines Haus. Eine andere Interpretation geht davon aus, dass sich die erste Silbe auf „Leo“, einen Grabhügel bezieht. Zusammen mit „bûr“ könnte das Haus am Grabhügel“ bedeuten.

Schon seit dem Mittelalter gehörte Libur zum Herzogtum Berg. Während der französischen Besatzung des Rheinlands (von 1794 bis 1814/15) war Libur Teil des Grand-Duché de Berg et de Clèves2Die französische Bezeichnung für das Großherzogtum Berg., anschließend wurde es Teil der Preußischen Rheinprovinz. 1929 erfolgte die Eingemeindung nach Porz. Durch das von den Porzern so ungeliebte „Köln-Gesetz“ wurde auch Libur 1975 Teil der Stadt Köln.

Eigenständiger, dörflicher Charakter

Libur hat bis heute sein dörfliches Erscheinungsbild erhalten. Das liegt auch daran, dass Libur eher isoliert liegt und daher nicht mit den Nachbargemeinden, z.B. Lind oder Wahn, zusammengewachsen ist. So beschreibt auch die Stadt Köln Libur als „Weiler mit achteckigem Ortskern, auf den zahlreiche Straßen von den umliegenden Dörfern zulaufen. … Das immer noch etwas abgeschiedene Libur inmitten agrarisch genutzter Flächen hat noch einen Gutteil seines ländlichen Charakters bewahrt.“

Typische Backsteinbauten in der Pastor-Huthmacher-Straße in Köln-Libur, Bild: Franz-Josef Knöchel, Landschaftsverband Rheinland / CC BY 4.0
Typische Backsteinbauten in der Pastor-Huthmacher-Straße in Köln-Libur, Bild: Franz-Josef Knöchel, Landschaftsverband Rheinland / CC BY 4.0

Diese Abgeschiedenheit hat Libur zwar den eigenständigen, dörflichen Charakter gesichert, gleichzeitig ist die aber die Verkehrsanbindung des Ortes eher schlecht – es gibt gerade eine Buslinie. Trotzdem gibt es Verkehrslärm in Libur: Je nach Wind und Abflugrouten sind die startenden Flieger des nah gelegenen Flughafens Köln/Bonn leider gut zu hören.

Tausende Sprenggranten in der Liburer „Schullekul“

Im März 1957 stand das ruhige Libur auf einmal im Zentrum des Interesses. Der Kölner-Stadt-Anzeiger hatte berichtet, dass „… Schulkinder erzählt hätten, sie würden aus dem Teich Handgranaten, Flak- und Panzergeschosse herausholen, sie zerlegen, weiße Säckchen mit Pulver hervorholen und diese in der Abenddämmerung anzünden.“

Mit „dem Teich“ war der Liburer Löschteich gemeint. Dieser lag neben der Volksschule und wurde daher nur „Schullekul“ genannt. Es war zwar in Libur ein offenes Geheimnis, dass Wehrmachtssoldaten, kurz bevor die Amerikaner einrückten, ihre Spuren verwischten und die Waffen kurzerhand in dem Löschteich versenkten. Aber es gab keinerlei Aufzeichnung, wie viele und welche Waffen dort entsorgt wurden.

Der ehemalige Feuerlöschteich Schullekul wurde Ende der 1950er in einen Bolzplatz umgewandelt. Bild: Jotpe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der ehemalige Feuerlöschteich Schullekul wurde Ende der 1950er in einen Bolzplatz umgewandelt. Bild: Jotpe, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Tatsächlich handelte es sich bei der Schullekul um ein stinkendes, modriges Gewässer, welches – unabhängig vom Fund der Kampfmittel – saniert werden sollte. Nur wollte weder die Porzer Stadtverwaltung noch die Bezirksregierung die Verantwortung und somit die Kosten dafür übernehmen. Erst mit dem Artikel im Stadt-Anzeiger und der somit öffentlich gewordenen Gefährdung der Dorfjugend kam Bewegung in die Angelegenheit und es wurde ein Dringlichkeitsbeschluss gefasst: Die Schullekul wurde ausgepumpt und die Kampfmittel-Räumer machten große Augen. Immerhin wurden

  • 522 Sprenggranten
  • 692 Infanterie-Patronen
  • 121 Stielhandgranaten
  • 14 Gewehre
  • 6 Maschinengewehre

sowie weitere diverse „Granaten und weitere Munition“ aus dem schlammigen Gewässer geborgen. Der Teich verschwand und an der Stelle ist heute ein Sportplatz zu finden.

Viel Land – wenig Menschen: Das dörfliche Libur. Bild: aachim3, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Viel Land – wenig Menschen: Das dörfliche Libur. Bild: aachim3, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Veedels-Check: Libur auf Platz 1

Heute ist Libur ganz vorne in Kölle: Im Veedels-Check des Kölner-Stadt-Anzeigers3aus dem Jahr 2018 machte Libur das Rennen und landete auf dem ersten Platz aller kölschen Veedel. Fast 80% der Bewohner gaben an, nicht aus Libur weg ziehen zu wollen. Dabei spielt auch der „kölsche Veedelscharakter“ des Dorfes eine Rolle: Auf die Frage, wie kölsch Libur ist, landete das kleine Libur auf Platz acht von allen 86 Kölner Stadtteilen.

Vergleich Bevölkerungsdichte, Graphik: Uli Kievernagel
Vergleich Bevölkerungsdichte, Graphik: Uli Kievernagel

Kleiner Wermutstropfen: Selbst die eingefleischten Libur-Fans bemängeln die fehlenden Einkaufsmöglichkeiten und die eher schlechte Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr.

Aber das machen Initiativen wie der „Junggesellenverein Libur“, der Weihnachtsbasar der Katholischen Frauengemeinschaft und das Straßenfest „Der längste Desch vun Libur“ wieder wett. Und auch im Karneval pflegt das „Rekord-Dorf“ Libur eine ganz besonderen Tradition: Hier stehen die Jecken am Straßenrand und werfen Kamelle für die Pänz, die im Zoch mitgehen.

Also noch ein weiterer Rekord:
In Libur gibt es den „verkehrtesten“ Karnevalszoch von ganz Köln.


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Klettenberg wird in „Knollendorf“ umbenannt +++ Eilmeldung +++

Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat am 1. April 2023 verkündet, dass der Stadtteil Klettenberg in Knollendorf umbenannnt wird. Bild: Jens Koch, Bearbeitung Uli Kievernagel

Eingeweihte wussten es schon länger – doch am 1. April 2024 wird es amtlich: Der Kölner Stadtteil „Klettenberg“ wird in „Knollendorf“ umbenannt.

Oberbürgermeister Henriette Reker dazu: „Wir folgen mit dieser Namensänderung einem starken Wunsch der Klettenberger Bürger. Schon lange wünschen sich die Bewohner dieses Veedels einen ausdrucksstarken Namen. Diesen haben wir mit Knollendorf gefunden.“

Ab jetzt immer pünktlich: In Knollendorf fahren Busse und Bahnen der KVB - Knollendorfer Verkehrs-Betriebe mit dem markanten Logo "Woosch un Öllig"
Ab jetzt immer pünktlich: In Knollendorf fahren Busse und Bahnen der KVB – Knollendorfer Verkehrs-Betriebe mit dem markanten Logo „Woosch un Öllig“

Unabhängiges Veedel entsteht

Mit dieser Namensänderung geht auch eine umfassende Verwaltungsreform einher: Das neue Viertel Knollendorf wird nicht länger Stadtteil des Stadtbezirks 3 (Lindenthal) sein, sondern es entsteht ein von der Stadt Köln komplett unabhängiges Veedel. So wird auch der beliebte Klettenbergpark in „Knollendorfpark“ umbenannt. Busse und Bahnen in Knollendorf fahren unter dem neuen Logo der KVB – Knollendorfer Verkehrs Betriebe. 

Stolz zeigt der Speimanes die Hänneschen-Blootwosch, Bild: Hänneschen-Theater
Der neue Veedels-Bürgermeister Hermann Speichel (rechts) ist immer da, wenn es um die Wurst geht. Links: Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Bild: Hänneschen-Theater

„Wir geben damit der Bevölkerung Knollendorfs größtmöglich Autarkie“, so Henriette Reker bei der heutigen Pressekonferenz. Die Oberbürgermeisterin weiter: „Veedels-Bürgermeister von Knollendorf wird Hermann Speichel, der bereits bewiesen hat, dass er – gerade wenn es um die Wurst geht – immer einen kühlen Kopf bewahrt.“

Der so geehrte Hermann Speichel, von den Knollendorfern nur zärtlich „Speimanes“ genannt, stand für ein persönliches Interview (gottseidank!) nicht zur Verfügung.

Tünnes, mit bürgerlichen Namen Anton Schmitz, ist gutmütig, hilfsbereit und ein einfach gestrickter Charakter, Bild: Hänneschen-Theater
Anton Schmitz freut sich auf günstiges Kölsch & Schabau, Bild: Hänneschen-Theater

Steuern auf Alkohol werden abgeschafft

Im Knollendorfer Gasthaus, ehemals bekannt als Petersberger Hof, reibt sich Wirt Peter Mehlwurm voller Vorfreude die Hände. Denn Bürgermeister Speichel hat ihm versprochen, als erste Amtshandlung die Steuern auf Alkohol abzuschaffen. „Dann kommen auch die Gäste aus Zollstock und Sülz. Das wird ein gutes Geschäft.“

Auch der im Veedel nur als „Tünnes“ bekannte Anton Schmitz freut sich, kann doch gerade der Freund von Kölsch und Schabau eine Menge Geld sparen.

Aus "Klettenberg" wird Knollendorf. Bild: Hänneschen Theater
Aus „Klettenberg“ wird Knollendorf. Bild: Hänneschen Theater, Bearbeitung: Uli Kievernagel

Kritische Stimmen

Die Ordnungsmacht im neuen Knollendorf wird vom schnauzbärtigen Dorfpolizisten Schnäuzerkowski repräsentiert. Sichtlich gestresst murmelt der Vertreter der Staatsgewalt: „Der janze Platz ist verhaftet.“

Wahrscheinlich übt der gesetztestreue Ordnungshüter bereits seinen Text, wenn Scharen trinkfreudiger Kölner aus den Nachbarvierteln im Knollendorfer Gasthaus einfallen. Der Vertreter der Schmier hat sichtlich Angst, dass es in seinem Viertel zu ähnlichen Bildern wie an Karneval im Kwartier Latäng kommen könnte.

Der Schäl, ein listiges Schlitzohr, Bild: Hänneschen-Thaater
Ist dieser Herr der anonyme Beschwerdeführer gegen Veedels-Bürgermeister Speichel? Bild: Hänneschen-Thaater

Es gibt aber auch andere kritische Stimmen. Unsere Redaktion haben anonyme Hinweise per e-mail erreicht. Ein gewisser Herr S. beschwert sich: „Ich wäre der bessere Bürgermeister. Hermann „Speimanes“ Speichel ist nicht geeignet, unser Veedel auch wirtschaftlich nach vorne zu bringen. Dafür bin ich dank meiner Kontakte der viel bessere Mann.“ Erste Recherchen haben ergeben, dass die Nachricht mit der Adresse „schael@knollendorf.de“ abgeschickt wurde. Das Investigativ-Team des Köln-Lotsen ist zuversichtlich, die Identität des S. schnell zu ermitteln.

Der junge und immer fröhliche Knollendorfer Johannes Knoll ist aber wie immer aufgeschlossen:

„Et kütt wie et kütt. Un et hätt noch immer joot jejange.
Ävver
mer losse doch he nit et Hännesche mit uns mache!“


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Der Köbes im Brauhaus – Mythos & Wahrheit

Ein Köbes mit einem Kranz Kölsch bei der Arbeit
Ein Köbes mit einem Kranz Kölsch bei der Arbeit

  

Er ist der unumstrittene Herr im Brauhaus: Der Köbes! Als Gast ist man geduldet. Mehr nicht. Der Köbes allein entscheidet, ob und wann man sein Kölsch bekommt, denn in einem kölschem Brauhaus bestellt man kein Kölsch: Der Köbes teilt es einem zu.

Dabei gehört der Köbes, genau wie die blankgescheuerten Holztische, die ausgesprochen hohe Lautstärke der Gäste und die kölsche Fooderkaat, zum Inventar eines Brauhauses.

Der Köbes ist die Person, die außerhalb Kölns als „Kellner“ oder „Ober“ bezeichnet wird. Eine Berufsbezeichnung, die der kölsche Köbes nicht gerne hört und Rufe wie „Hallo, Herr Ober“ schlichtweg ignoriert.

Weste, blauer Pullover, Lederschürze – der Köbes ist gut zu erkennen

Der Köbes ist gut erkennen: Die typische Kleidung ist eine Weste, blauer (Woll-)Pullover, Lederschürze und der Geldbeutel aus Leder. In der Hand trägt er den Kölschkranz aus Metall und im Gesicht eine leicht spöttische Miene, die dem Gast direkt signalisiert: Pass op Jung, ich bin hier der Chef!

Ein Köbes im Brauhaus Früh genießt sein Feierabendbier, Bild: Willy Horsch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Ein Köbes im Brauhaus Früh genießt sein Feierabendbier, Bild: Willy Horsch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Der ideale Köbes hat übrigens unendlich viele Rolle zu erfüllen: Er ist Geheimnisträger („Verzäll bloss nit minger Frau, dat ich he wor!“), kennt jeden Klaaf uss däm Veedel („Häste jehüürt: Dat Marie kritt alt widder e Kind“) und gibt gerne ungefragt medizinische und sonstige Ratschläge („Dat siebzehnte Kölsch ist jut für die Nieren“).

Gelegentlich überziehen einzelne Köbesse schon mal etwas mit ihrer deftigen und manchmal unverschämt wirkenden Ausdrucksweise. Dann wird es auch dem Urkölschen zu viel. Aber das ist die Ausnahme. Eher spielen die kölschen Köbesse ihre Rolle als Muuzepuckel, so wie mir Toni aus Buchheim berichtete:

Meine Frau und ich sitzen im Peters Brauhaus. Uns schräg gegenüber eine achtköpfige Gruppe von Touristen. Sie sprechen Spanisch.
Irgendwann kommt der Köbes. Er gibt sein Bestes: schaut mürrisch, rotzt seine Worte unverständlich in den Raum und stellt ungefragt Kölsch vor die Gäste. Die gucken fragend, bemühen ihr bestes Englisch und bekommen zum Dank die Speisenkarte auf den Tisch geknallt.  Mehrfach geben sie später das Zeichen, bestellen zu wollen. Als sich der Köbes endlich bequemt, verströmt seine ganze Körperhaltung überschäumenden Abscheu. Meine Frau und ich gucken uns an. Sie sagt: „Das geht ja gar nicht. Was sollen die Touristen denn denken?“  Ich will gerade aufstehen und dem Köbes etwas zu seinem unmöglichen Verhalten sagen. Da wechselt dieser übergangslos ins Spanische, erklärt – so vermute ich – was es mit dem Köbes auf sich hat und erntet erleichtertes Lachen der Gäste und ihren donnernden Applaus. Danach ist unsere Stimmung im beschwingten  ‚Su jett jitt et nur in Kölle-Modus‘. Das ist so einer der Momente, wo ich einfach nur dankbar bin, im bunten Kölle zu leben.

Herkunft des Begriffs „Köbes“ ist unklar

Die gängige Legende besagt, dass der Name des Köbes von Jakobspilgern stammt. Diese hätten während ihrer oft monatelangen Pilgerreise zwischendurch in den Brauhäusern gearbeitet, um etwas Geld für die Reise zu verdienen. Der Kölner nennt den Jakob „Köbes“, und da die Pilger auf dem Weg zum Heiligen Jakob waren, hatten sie schnell den Spitznamen „Köbes“ bekommen. Allerdings gibt es für diese, zugegeben nette, Legende keine Belege.

Tatsächlich waren die Brauersburschen, die „Brauers-Pooschte“, als Köbes tätig. Diese schufteten tagsüber als Lehrjungen in der Brauerei und verdienten sich abends noch ein paar Mark als Köbes dazu. Wie es von diesen Brauers-Pooschte zum Begriff „Köbes“ kam ist unklar. Vielleicht war einer der Jungs namens Jakob besonders schlagfertig, und so wurde sein Vorname zum gesamten Gattungsbegriff. Aber auch das ist reine Spekulation.

Durstige Gäste warten im "Früh im Veedel" auf den Köbes, Bild: Gordito1869, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Durstige Gäste warten im „Früh im Veedel“ auf den Köbes, Bild: Gordito1869, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Eins ist sicher: Der Köbes ist älter das Kölsch!

Klar ist aber, dass es den Köbes schon lange vor dem Kölsch gab. In einem Schreinsbuch1Schreinsbücher waren im mittelalterlichen Köln die Vorläufer der heutigen Grundbücher. aus dem 12. Jahrhundert wird ausdrücklich der Bierschenk Burkard erwähnt. Er betrieb eine Gastwirtschaft direkt neben der Kirche St. Maximin. In den historischen Unterlagen wird ausdrücklich „Burkardus dator cervisie“ erwähnt. Dies kann man mit „Burkard, der Bierschenker“ übersetzen. Somit ist Burkard der erste namentlich bekannte Köbes.  

Doch wer heute auf Spurensuche geht, wird weder Burkard noch die Kirche finden – auf diesem Gelände steht mittlerweile der Hauptbahnhof.

Heute arbeiten Menschen aus der ganzen Welt als Köbes

Auch wenn es immer wieder lautet „Nä – su ne echte Köbes jitt et hück nit mieh.“ ist das nicht richtig. Es gibt noch die schlagfertigen Typen, die zwar deftig, am Ende auch aber irgendwie charmant, Kölsch servieren. Wer das bezweifelt, sollte unbedingt mal sein Kölsch im Päffgen in der Salzgasse oder in der Schreckenskammer trinken.

Tatsächlich kommen aber heute auch viele der Servicekräfte in den Brauhäusern nicht aus Köln und verstehen nicht immer die typische Sprache der Kölner. Sie sind aber immer bemüht, in die großen Fußstapfen der alten, urkölschen Köbesse zu treten. Und auch hier gilt:

Su simmer all he hinjekumme,
mir sprechen hück all dieselve Sproch.
Mir han dodurch su vill jewonne.
Mir sin wie mer sin, mir Jecke am Rhing.2Bläck Fööss: Unser Stammbaum

Deswegen bleibt es auch bei dem ungeschriebenen Gebot, dem Köbes auch zwischendurch mal ein Kölsch auszugeben. In den meisten Brauhäusern ist es den Köbessen zwar ausdrücklich verboten, während der Arbeit zu trinken, aber wenn keiner in dem Moment hinschaut …

Und wie ist es mit den weiblichen Köbessen?

Ursprünglich waren die Köbesse ausschließlich Männer, weil in der Regel die Brauersburschen das Bier ausschenkten. Allerdings arbeiteten in vielen Gaststätten auch im 19.Jahrhundert schon Kellnerinnen. Ein Umstand, der einige Zeitgenossen doch sehr erregte. Ein gewisser Friedrich Pollads regte sich darüber so sehr auf, dass er 1891 das Bändchen „Das Unwesen der Kellnerinnenwirtschaften in Köln.“ veröffentlichte.

Pollad-Buch Kellnerinnen
 

Der Moralapostel Pollads verurteilte die weiblichen Bedienungen als „Animierdamen„, die ihre Gäste finanziell und moralisch in den Untergang führen würden. Dass – falls an dieser sinnlosen Behauptung etwas dran sein sollte – die Männer und auch der reichlich ausgeschenkte Alkohol eine Rolle spielen würde, ließ der Autor mal eben unter den (Bier-)Tisch fallen.

Heute arbeiten Frauen und Männer in diesem Beruf. Und jedem, der immer noch meint, dass die Frauen der Rolle als Köbes nicht gewachsen seien, möge mal einen Abend im „Vogel“ auf dem Eigelstein verbringen. Die dortigen weiblichen Köbesse zeigen jedem Gast seine Grenzen in Punkto Schlagfertigkeit und Trinkfestigkeit auf.

Bargeldloses Prinzip: Der Köbes macht für jedes Kölsch einen Strich, Bild: Uli Kievernagel
Bargeldloses Prinzip: Der Köbes macht für jedes Kölsch einen Strich, Bild: Uli Kievernagel

 

Zum Umgang mit dem Köbes

Ein dringender Hinweis: Bitte niemals versuchen, schlagfertiger als der Köbes zu sein. Das wird erstens nicht gelingen und zweitens könnte der Köbes es anschließend vergessen, weiterhin Kölsch zu servieren. Deshalb gibt es ein paar Regeln, die man bei einem Besuch im Brauhaus beachten sollte:

  • Noch bevor der Köbes mit dem ersten Kölsch kommt, legt man einen Bierdeckel vor sich auf dem Tisch.
  • Man ruft den Köbes nicht heran. Er wird schon kommen, sobald alle am Tisch sitzen.
  • Niemand sollte in einem kölschen Brauhaus Mischgetränke (z.B. Radler oder Kölsch-Cola) bestellen.
  • Der Köbes wird so lange ungefragt Kölsch bringen, bis man abwinkt oder einen Bierdeckel aufs Glas legt.
  • Es gilt – während des Trinkens – das bargeldlose Prinzip: Der Köbes macht Striche für jedes Kölsch auf den Bierdeckel.
  • Am Ende kommt dann doch Bargeld ins Spiel. Jeder zahlt seinen Deckel oder man teilt den gemeinsamen Deckel. In jedem Fall aber gibt man dem Köbes reichlich Trinkgeld!

Ja dann: Prost!

PS Besonders spannend: 1933 gab es ein „Köbes-Rennen“. Mehr dazu demnähx im Köln-Ding der Woche.


Collage Köbes

Köbes Underground, KöbesColonius, Marie-Luise Nikuta und Köbes-Likör

Köbes Underground
Weil der Köbes kölsches Kulturgut ist, nennt sich die Hausband der Stunksitzung Köbes Underground. Dabei ist der Name eine doppelte Hommage: Zum einen an den Köbes im Brauhaus, zum anderen erinnert „Underground“ an die Sängerin von Velvet Underground, die 1988 verstorbene Kölnerin Nico Päffgen.

KöbesColonius
Guido Hofmann war tatsächlich mal als Köbes in Köln tätig. Heute führt er als Stadtführer KöbesColonius Menschen aus aller Welt humorvoll und äußerst versiert durch Köln.

Marie-Luise Nikuta
Und die unvergessene „Mottoqueen“ Marie-Luise Nikuta trug als Erkennungszeichen auf der Bühne oft blaues Köbes-Outfit.

Kräuterlikör „Köbes“
Der Familienbetrieb VAN LAACK im Belgischen Viertel vertreibt unter anderem den Kräuterlikör „Köbes“ mit immerhin 32 % Alkohol.


Der Köbes – Kölsch Zappjungeleed

Es gibt unzählige Lieder über den Köbes. Das Lied „Der Köbes – Kölsch Zappjungeleed“ beschreibt sehr genau das Verhalten eines typischen Köbes und seinen Umgang mit den Gästen.

Der Köbes (Kölsch Zappjungeleed)
(aus: Carnevals – Lieder III. Bändchen, Herausgeber: Johannes Böttger – Selbstverlag)

Dä Köbes eß wie jeder weiß,
Als Zappjung wohlbekannt,
Un wann hä och nit Köbes heiß,
Wed hä doch su genannt.

Un eß de Weetschaff stief voll Lück
Dat mäht bei im nix uhs,
Hä denk bei sich „die Lück han Zick“
Un mäht sich gar nix druhs

Alles klopp dann wie verröck,
Rubbeldibbeldum, rubbeldibbeldum,
Met dem Glas an einem Stöck,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum.

Wann dann der Köbes kütt,
Schreit durchenein die Schwitt:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran,
Köbes, schnell ’nen halven Hahn!
Köbes, komm du boore Poosch,
Meinste, ich hät keinen Doosch?
Wann de nit bahl bei mich küß,
Do vun mir kein Drinkgeld kriß!
Wells de nit, dann loß et stonn,
Tränendeer, ich gonn!

Der Köbes kütt vum boore Land
Un kritt kum up de Muul,
Doch hät hä stets en offe Hand,
Eß lans ein Sick jet fuul.

Hä kritt e Kamesol gestrick
Vun Wölle bletzebloo,
Dann weed noh Köllen hä gescheck,
Der Köbes dä eß doh.

An de Spölbütt kütt he dann
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum.
Zapp och ald ens dann un wann,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum.

Wann en de Stuvv hä kütt
Dann schreit de ganze Schwitt:

Refrain:

Köbes, Köbes ich ben dran …

Doch wann verledde kaum e Johr
Määt im et Zappe nix,
Der Köbes es dann, dat eß klor,
‚Ne Zappjung nett un fix.

Hä kennt sing Gäß, die hä bedeent,
Un schriev got op der Lei,
Wann einer sich jet ärg dren kneent,
Schriev hä e Glas derbei,

Och, dann weed sich expleziert,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
Wat dä Köbes nit schineet
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum

Doch bei dem Explezeer
Schreit alles glich noh Beer:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …

Et Trinke och der Köbes kann,
Dat hätt hä flöck geleet,
Beim Esse stellt hä singe Mann,
Dat weiß wahl jede Weet.

Och rechne kann hä flöck un got,
Hä määt nit vill Buhei,
Grief nor ne Gaß noh Stock un Hot,
Steiht Köbes glich derbei.

Beim Bezahle wie verröck,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
Söhk hä noh’m Fünfpenningstöck,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum

Wann hä et glich nit fingk,
Sitz alles do un gringk:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …

Doch ihrlich eß hä, brav un treu,
Un Spare määt im Spaß,
Et Drinkgeld dräht hä nevvenbei
Sich höhsch dann op de Kaß.

Un wann hä dann bei Johren eß,
Kauf hä en Weetschaff sich,
Un all die Stammgäß ganz geweß
Gonn bei de Köbbes glich,

Och, dann sitz hä unschineet,
Rubbeldibbeldumm, rubbeldibbeldum
En der Thek als kölsche Weet,
Rubbeldibbeldubbeldibbeldum

Wann hä ens Rentner eß,
Schreit met hä ganz geweß:

Refrain:
Köbes, Köbes ich ben dran …


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Die Schwarze Madonna in der Kupfergasse – eine Heilige mit „Bodenhaftung“

St. Maria in der Kupfergasse, Bild: Raimond Spekking
St. Maria in der Kupfergasse, Bild: Raimond Spekking

Im „Hillige Kölle“ gibt es unendlich viele Erinnerungsstätten an Heilige, wie zum Beispiel den Dreikönigsschrein , die „Goldene Kammer“ in St. Ursula oder die Marienstatue in St. Maria im Kapitol mit Äpfeln zur Erinnerung an den Appel-Jupp.

Doch zu kaum einer Heiligenfigur haben die Kölner eine so enge, fast schon persönliche, Bindung wie zu der Schwarzen Madonna in der Kupfergasse. Wenn meine Oma in der Innenstadt unterwegs war, gehörte ein Besuch dort genauso zum Pflichtprogramm wie das Einkaufen beim „Tietz“, dem heutigen Kaufhof.

Und der Bann der Schwarzen Madonna ist ungebrochen. Das zeigen auch die unendlich vielen Opferkerzen, die dort regelmäßig aufgestellt werden. Dabei wird die Schwarze Madonna bei allen möglichen Anliegen um Hilfe gebeten. So besucht auch traditionell das Kölner Dreigestirn am Karnevalssonntag die Schwarze Madonna, entzündet eine mit Karnevalsmotiven verzierte Kerze und bittet um gutes Wetter und einen erfolgreichen Ablauf des Rosenmontagszugs.

Eine dunkelhäutige Madonna

Die Madonna ist aus Lindenholz gefertigt. Dieses Holz hat eine weißlich/gelbliche bis maximal hellbräunliche Farbe. Der verstorbene Pfarrer an der Kirche St. Maria in der Kupfergasse, Werner Plänker, meinte, die Figur könne „… mit der dunklen Farbe auch das Leid und die Krankheit der Menschen, die zu ihr um Hilfe gefleht haben, angenommen haben.“ Das mag sein, wahrscheinlicher ist aber, dass der Ruß der unendlich vielen Opferkerzen die Figur geschwärzt hat. Immerhin steht die Figur bereits seit 1630 in Köln. Und hat – fast ein Wunder – alle Irrungen und Wirrungen in unserer Stadt bis heute unbeschadet überstanden.

Als dunkelhäutige Marienfigur ist die Schwarze Madonna in der Kupfergasse in guter Gesellschaft. Weltweit werden schwarze Madonnen verehrt, in Deutschland alleine 25 Exemplare. Die bekannteste Herleitung der schwarzen Madonnenfiguren bezieht sich auf das Hohelied Salomos in der Bibel. In dem recht „süffigen“, erotisch aufgeladenen Text lautet es:

„Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein. Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben dich die Mädchen. Zieh mich dir nach, so wollen wir laufen. Der König führte mich in seine Kammern. Wir wollen uns freuen und fröhlich sein über dich; wir preisen deine Liebe mehr als den Wein. Herzlich lieben sie dich. Ich bin braun, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, …“ 1In anderen Übersetzungen lautet es auch „Ich bin schwarz, aber gar lieblich …“

Die Schwarze Madonna in der Kupfergasse, Bild: Willy Horsch, CC BY 3.0
Die Schwarze Madonna in der Kupfergasse, Bild: Willy Horsch, CC BY 3.0

Anmutige Figur, mit Schmuck überladen

Ein genauer Blick auf die Schwarze Madonna zeigt, dass die Figur sehr anmutig ist. Bernd Imgrund beschreibt die Figur als „Eindrucksvoll, das moderne Gesicht zeugt vom Stolz auf das Kind in ihren Armen, aber auch von tiefer Ruhe und Glaubensfestigkeit.“2Bernd Imgrund: 111 Kölner Orte, die man gesehen haben muss, emons-Verlag.

Dankbare Gläubige haben die Schwarzen Madonna mit Schmuckstücken beschenkt. Daher ist die Figur heute fast schon überladen, die gut gemeinten Gaben verhindern den ursprünglichen Blick die Figur.

Eine Heilige zum Anfassen

Und für die Kölschen ist und bleibt die Schwarze Madonna ursprünglich, also irgendwie eine Heilige zum Anfassen, die sich allen Anliegen annimmt. Und nur wer die kölschen Befindlichkeiten nicht kennt, ist darüber erstaunt, dass auch die Fans des ruhmreichen 1. FC Köln Opferkerzen aufstellen. Früher sollten diese Opferkerzen für die Meisterschaft sorgen, heute sollen diese wohl eher den drohenden Abstieg verhindern.

Hoffentlich wirkt es.


Bei d’r schwazze Madonna en d’r Kofferjass

Niemand geringeres als der großartige Ludwig Sebus hat der Schwarzen Madonna auch ein musikalisches Denkmal gesetzt. In seinem Lied „Bei d’r schwazze Madonna en d’r Kofferjass“ lautet es

Bei d´r Schwazze Madonna
en d´r Kofferjass,
brenne Kääze Dag en in un Dag us.
Bei d´r Schwazze Madonna
mäht manch einer Rass,
un keiner jeit heim ohne Trus.

Hochdeutsche Übersetzung:

Bei der Schwarzen Madonna
in der Kupfergasse
brennen Kerzen tagein und tagaus.
Bei der Schwarzen Madonna
macht manch einer Rast,
und keiner geht heim ohne Trost.


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Kölsche Wörter: Klaaf – Smalltalk op Kölsch

Der kölsche Smalltalk nennt sich Klaaf, Bild: Gerd Altmann auf Pixabay
Der kölsche Smalltalk nennt sich „Klaaf“, Bild: Gerd Altmann auf Pixabay

Wieder mal ein kölsches Wort, welches gleich mehre Bedeutungen hat. Während das „Klaafmul“ oder die „Klaafschnüss“ echte Schimpfwörter sind und sich am besten mit „Schwätzer“ übersetzen lassen, ist der „Klaaf“ als kleine, oft eher belanglose Unterhaltung positiv besetzt.

So wird aus der Begrüßung „Un, wie is et?“ schnell ein Klaaf, also eine nette Plauderei, mit Klatsch und Tratsch über die Nachbarschaft und das Leben im allgemeinem. In dieser Disziplin des Smalltalks sind die Kölschen tatsächlich Weltmeister: Viel reden ohne viel zu auszusagen. Man könnte den Klaaf auch als „beiläufige Konversation ohne Tiefgang“ bezeichnen.

Klaafe: Ein Schwätzchen halten

Wie immer lohnt sich ein Blick in den „Wrede“. Dort wird das Verb „klaafe“ wie folgt definiert:

„Grundbedeutung: den Mund offen halten;
1.
allgemein: plaudern, sprechen, mit einem ein Schwätzchen halten“
2. verräterisch ausschwätzen, verraten, verleumderisch antragen.“

Adam Wrede verwendet den Begriff „klaafe“ also auch im Sinne von denunzieren oder umgangssprachlich „petzen“.

Diese Bedeutung hat „klaafe“ heute allerdings eher verloren, wie meine beliebte Thekenumfrage zeigt. Klar wird beim Klaaf auch mal über jemand hergezogen („Häste alt jehürt – däm Schmitz sing Frau is durchjebrannt.“), aber nie im Sinne von verpetzen, eher im Sinne von tratschen. Folglich definiert Wrede das Substantiv „Klaaf“ als „allgemeines Geschwätz“. Und das zeigt, dass der Klaaf eher harmlos ist.

Eng verwandt mit „kalle“ und „schwade“

Wenn der Kölsche von „kalle“ spricht, ist das zwar ähnlich wie „klaafe“, aber eher allgemeiner. „Kalle“ kann als gemütlich miteinander reden, plaudern. Und dann sind wir auch direkt beim „schwade“, was allerdings eher als „unaufhörlich reden“ negativ besetzt ist.  

Der Sessionsorden 2003 der Kölsche Funkentöter: Klaaf und Tratsch auf Kölsche Art"
Der Sessionsorden 2003 der Kölsche Funkentöter: Klaaf und Tratsch auf Kölsche Art“

Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art

Im Jahr 2003 hat es der Klaaf zu echten Ruhm gebracht: Das Motto der damaligen Karnevalsession lautete „Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art“. Und selbstverständlich hatte die Motto-Queen Marie-Luise Nikuta auch sofort das passende Mottolied parat:

Klaaf un Tratsch op kölsche Aat
dat es hee zo Hus
mer schwaade Kölsch,
mer drinke Kölsch,
at häld uns en Schuss.

Interessanter als der Refrain sind allerdings die Strophen des Lieds. Dort lautet es unter anderem:

Däm Schmitz sing Frau es durchgebrannt
met singem beste Fründ.. 

Gewonne hät em Lotto
dat kniestige Bolze Käth

Dä Tünn vun gägenüvver
hät geerv e riesen Huus …

Et Nies us Neppes hät
de drette Schlankheitskur gemaht
doch we‘ mer et esu aansüht,
et hät fass nix gebraht.

Bei der Motto-Queen wird der Klaaf also zum echten Tratsch – passend zum Motto „Klaaf und Tratsch – auf kölsche Art“

Der Mottoschal der Session 2003
Der Mottoschal der Session 2003

Es gibt tatsächlich eine „Smalltalk-Seminar“

Die Kunst des „Klaaf“ als belangloser Smalltalk ist dem Kölner irgendwie in die Wiege gelegt. Daher braucht der Kölsche an sich auch nicht solche Tipps wie „Smalltalk lernen: 9 Tipps & 5 Fallstricke“ oder ein „Smalltalk Online Training für deine leichte Konversation“ – der Kölsche hat diese Art der Plauderei schlichtweg intuitiv drauf.

Und manchmal auch etwas zu viel davon.
Aber dann wird aus dem klaafe schnell schwaade.


Podklaaf - Akteure 1. Kölner Podcast-Tag am 24.11.2023

PODKLAAF – ne Podcast op kölsch

Echten, unverfälschten kölschen Klaaf gibt es beim Podcast „PODKLAAF“. Karolin Küpper-Popp und Hermann Hertling erklären, wie Kölsch gebraut wird, wer den Dom gebaut hat und beantworten auch die Frage, wo die Heinzelmännchen hin sind. Hee weed bloß kölsch jeschwaadt!


KLAAF – Das kölsche Magazin

Unter dem Titel KLAAF gibt die Akademie för uns kölsche Sproch ein Magazin heraus. KLAAF erscheint zwei Mal im Jahr, und liegt dem von der Stadt Köln herausgegebenem Magazin „KölnerLeben“ bei, das kostenfrei in allen städtischen Einrichtungen ausliegt.


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„Köln muss mal“: Kampagne für mehr und bessere öffentliche Toiletten

Das Logo der Kampagne "Köln muss mal", Bild: Pauline Muszi
Das Logo der Kampagne „Köln muss mal“, Bild: Pauline Muszi

 „Wo finde ich denn eine Toilette?“ – erfahrene Stadtführer wissen mit dieser Frage umzugehen. Dann wird flott ein Brauhaus angesteuert, weil die öffentlichen Toiletten eher selten und nicht immer einladend sind. Alle trinken im Brauhaus ein/zwei Kölsch, alle gehen aufs Klo, und dann laufen wir weiter.

Der Trick mit dem Kölsch im Brauhaus funktioniert auch bei den Stadtführungen in der Innenstadt recht gut. Sobald man sich aber außerhalb der touristischen Hotspots bewegt, wird das schwieriger. Schnell erkennt man: Köln hat ein Toilettenproblem!

Wenn man sich die nackten Zahlen ansieht, ist es erschreckend: Tatsächlich gibt es eine öffentliche Toilette pro 15.000 Kölner:innen. Falls man jetzt noch die Touristen mit einberechnet, wird es ganz finster, dann sind es etwa 50.000 Menschen pro öffentlichem Klo. Dieser Wahnsinn zeigt sich ganz besonders an Karneval, wenn flott jede Menge Dixi-Klos aufgestellt werden, um das Pinkel-Problem irgendwie in den Griff zu bekommen. Meistens vergeblich.

Große Themen unserer Gesellschaft auf humorvolle und zugängliche Weise vermitteln

Doch statt nur zu klagen hat sich die Designerin Pauline Muszi mir ihrer Diplomarbeit „Köln muss mal. – Eine multimediale Kampagne zur Umsetzung zur Umsetzung eines öffentlichen Toilettenkonzepts für Köln“ ganz konkret mit dem Kölner Klo-Problem beschäftigt.

Die Designerin Pauline Muszi, Bild: Pauline Muszi
Die Designerin Pauline Muszi, Bild: Pauline Muszi

Nicht das erste „heiße Eisen“, welches Pauline angefasst hat. In der Vergangenheit hat sie bereits eine Kampagne zur Erhöhung der Wahlbeteiligung konzipiert („Deine Wahl“) oder ein Magazin zur Auseinandersetzung mit der Geschlechterdynamik in der deutschen Sprache entworfen („Gen_der_die_das„)

Pauline hat 2023 ihren Abschluss im Studiengang „Nachhaltiges Design“ an der ecosign/Akademie für Gestaltung in Köln gemacht. Und was alle Projekte der Designerin gemeinsam haben, beschreibt sie selber wie folgt: „Mit meinen Projekten möchte ich Komplexes nahbar machen und zeigen, dass auch die ganz großen Themen unserer Gesellschaft auf humorvolle und zugängliche Weise vermittelt werden können.“ Und genau das zeigt ihre Kampagne „Köln muss mal“ auf eindrucksvolle Weise.

Köln am Ende des Rankings „Öffentliche Toiletten“

Die Designerin hat aufwändig die Toilettensituation in Köln ermittelt. Und das Ergebnis ist niederschmetternd: Vergleicht man die selbsternannte Metropole am Rhein mit anderen Großstädten, dann liegt Köln da, wo auch aktuell1Stand: Februar 2024 der 1. FC Köln liegt: Am Ende der Tabelle. Paris verfügt über dreimal so viele öffentliche Toiletten, Zürich über mehr als viermal so viele Toiletten pro 100.000 Einwohner.

Beschämend: Köln bietet nur sechs öffentliche Toiletten pro 100.000 Einwohner, Graphik: Pauline Muszi "Köln muss mal"
Beschämend: Köln bietet nur sechs öffentliche Toiletten pro 100.000 Einwohner, Graphik: Pauline Muszi „Köln muss mal“

In ihrer Diplomarbeit „Köln muss mal“ hat Pauline Muszi aber auch die weitergehenden Funktionen der Toiletten als möglichst geschützten Raum untersucht. Dazu sollten Toiletten, neben der Verrichtung der menschlichen Notdurft, auch einen Raum bieten, um sich herzurichten, sich umzuziehen, sich zu waschen oder medizinischer Versorgung nachzugehen. Und selbstverständlich auch, um Kinder zu wickeln. Und hier wird es für Menschen, die mit Kindern unterwegs sind, ganz bitter, denn es gibt in Köln gerade mal sieben öffentliche Toiletten mit Wickeltisch. Beschämend für die Möchtegern-Weltstadt am Rhein.

Menschen ohne Penis müssen zahlen

Es gibt verschieden Arten von öffentlichen Toiletten, eine davon sind die sogenannten „City-Toiletten“. Diese Toiletten sind fest installierte Container, die 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche geöffnet sind.

Beschämend: Die Nutzung der Sitztoiletten kostet 50 Cent, während die Urinale kostenlos nutzbar sind. Paulines nüchternes Fazit: „Menschen ohne Penis müssen zahlen.“

Menschen ohne Penis müssen für den Gang aufs Klo bezahlen, Graphik: Pauline Muszi "Köln muss mal"
Menschen ohne Penis müssen für den Gang aufs Klo bezahlen, Graphik: Pauline Muszi „Köln muss mal“

„Ich bin kein echtes Klo. Und genau das ist das Problem.“  

In ihrer Diplomarbeit weist Pauline Muszi nach, dass zwar viel über Toilettenkonzepte gesprochen wird, aber in der Praxis nur sehr wenig passiert: „Die Wichtigkeit einer adäquaten öffentlichen Toi­lettenversorgung wird betont, Probleme und Lösungen diskutiert, innovative Zu­gänge vorgestellt und doch schaffen diese Ansätze nur äußerst selten den Sprung aus der Theorie in die Praxis städtischer Toilettenkonzepte.“

Provokant: Ein WC ohne Sichtschutz im öffentlichen Raum, Bild: Pauline Muszi "Köln muss mal"
Provokant: Ein WC ohne Sichtschutz im öffentlichen Raum, Bild: Pauline Muszi „Köln muss mal“

Für Pauline Grund genug, mit der Kampagne „Köln muss mal“ genau das Klo-Problem anzupacken. Ihr Ziel: Toiletten aus der Sphäre des Privaten herausholen und mitten in der Öffentlich­keit platzieren. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Pauline hat, auf einem Quadrat aus blauen Fliesen stehend, ein WC  genau an die Or­te gebracht, wo es an sanitären Anlagen fehlt. Ohne Sichtschutz, mitten auf einem Gehweg oder einer Wiese.

Nähert man sich diesem WC und klappt den Deckel auf, liest man „Ich bin kein echtes Klo. Und genau das ist das Problem.“  

Das Dilemma zur Kölner Klo-Situation, Bild: Pauline Muszi "Köln muss mal"
Das Dilemma zur Kölner Klo-Situation, Bild: Pauline Muszi „Köln muss mal“

Petition „Köln muss mal“ – Wette mit Pauline

Die Kampagne geht noch weiter und soll tatsächlich zu einer Veränderung der Toiletten-Situation in Köln führen. Dazu hat Pauline eine Petition ins Leben gerufen: Ziel der Petition ist es, der Kölner Stadtverwaltung zu signalisieren, dass es an der Zeit ist, etwas an den öffentlichen Toiletten der Stadt zu verändern.

Die Petition zur Kölner-Toilettenrevolution, Bild: Pauline Muszi "Köln muss mal"
Die Petition zur Kölner-Toilettenrevolution, Bild: Pauline Muszi „Köln muss mal“

Bis heute2Stand 28. Februar 2024 haben 222 Menschen diese Petition bei change.org unterschrieben. Das ist viel zu wenig. Daher habe ich mit Pauline um elf Kölsch gewettet, dass wir über das „Köln-Ding der Woche“ die Anzahl der Unterschriften verdoppeln werden.

Also: Jetzt brauche ich eure Unterstützung! Nehmt euch zwei Minuten Zeit und unterzeichnet diese Petition, damit wir möglichst schnell auf 444 Unterstützer (oder gerne auch mehr!) kommen. Hier geht es direkt zur Petition

Denn die Toilettensituation geht uns alle an!


Toiletten und Sprache

Für wohl kaum einen anderen Ort gibt es so viele Bezeichnungen wie für die Toilette. In ihrer lesenswerten Diplomarbeit hat Pauline auch Namen für Toiletten gesammelt. Ich gebe zu, dass ich auch nicht alle kannte.

Abort
Abtritt
Banjo
Bedürfnisanstalt
Brunsheisl
Büchse
Donnerbalken
Gelegenheit
Gewisses Örtchen
Häuschen
Häusl
Heisl
Hütte
Kackschlot
Kackstuhl
Keramik
Keramikabteilung
Klo
Klöchen
Klosett
Latrine
Lokalität
Lokus
Null-Null
Orkus
Örtchen
Örtlichkeit
Pfanne
Pinkelbude
Pinkelstelle
Pipibox
Pissbude
Pissoir
Plumpser
Porzellanschüssel
Posenke
Pott
Retirade
Sanitäre Anlagen
Schacht
Scheißhaus
Schietgemaack
Schüssel
Seilgarten
Soach-Hüttn
Spiegelbude
Stilles Örtchen
Stuhl
Thron
Toilette
Topf
Töpfchen
Trichter
Wasserklosett
WC
Weißes Haus
Wo der Kaiser zu Fuß hingeht
Wohin
Wurstfabrik


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Die Jahnwiese – Ort des ganz großen Sports!

Mehr als 20.000 Turner bei kollektiven Freiübungen auf der Jahnweise beim 14. Deutschen Turnfest 1928. Bild: Bundesarchiv, Bild 102-06313 / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Mehr als 20.000 Turner bei kollektiven Freiübungen auf der Jahnwiese beim 14. Deutschen Turnfest 1928. Bild: Bundesarchiv, Bild 102-06313 / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Ihre Namen lauten „1. FC Rhein-Grätschen“, „13 Malzbier Kreuzweise“ oder „Fortuna Konzeptlos“: Gemeint sind die Teams der „Bunten Liga Köln“, die auf der Jahnwiese um Punkte, Ehre oder manchmal auch nur darum spielen, den Ball nicht zu verstolpern.

Es ist der Ort des ganz großen Sports in Köln: Im Stadion spielen die Profis des ruhmreichen Eff Zeh um Punkte in der Bundesliga1Stand: Februar 2024, auf der Jahnwiese davor sind selbst talentierte Hobbykicker schon mal damit beschäftigt, die 90 Minuten auf dem Platz schlichtweg zu überleben.

Historischer Grund dank Versailler Vertrag und Adenauer

Dabei spielen die Fußballer auf historischem Grund: Die Jahnwiesen standen 1928 im Mittelpunkt beim 14. Deutschen Turnfest in Köln. Bis zu 300.000 Menschen aus 21 Ländern kamen nach Köln. Es fanden unzählige Wettkämpfe statt, der Höhepunkt der Turnwettbewerbe waren kollektive Freiübungen von 20.000 Turnerinnen und Turnern auf der Jahnwiese.

Zu verdanken haben die Kölner die Jahnwiese und den ganzen Grüngürtel dem Versailler Vertrag und dem weitsichtigen damaligen Oberbürgermeister Adenauer. Während der Versailler Vertrag die Deutschen zur Schleifung der massiven Befestigungsanlagen rund um Köln verpflichtete, sah Adenauer darin eine einzigartige Chance.

Das rheinische Schlitzohr wollte unbedingt den Kölnern Zugang zu unberührter Natur innerhalb der Stadt ermöglichen. Sein Plan: Ein breiter, grüner Gürtel rund um Köln. In diesem Grüngürtel waren auch Sportanlagen, Spielplätze und Schwimmbäder geplant. Und so auch die Jahnwiese.

Genau wie der Raderthaler Volkspark waren die Jahnwiesen ein „soziales Grün“ und boten allen Kölnern Platz, Sport auszuüben. Ein für damalige Verhältnisse völlig neuer Ansatz: Parks und Grünanlagen sollten nicht mehr nur für die gehobene Gesellschaft zum Flanieren genutzt werden, sondern als Orte zur aktiven Bewegung für alle – auch für die in völlig beengten Wohnungen lebende Arbeiterschaft.

Das Jahndenkmal aus dem Jahr 1928 an den Jahnwiesen, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Das Jahndenkmal aus dem Jahr 1928 an den Jahnwiesen, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Turnvater Jahn: „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“

Gewidmet wurde dieses Gelände Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn (1778 – 1852). Der als „Turnvater Jahn“ bekannte Pädagoge und Politiker gilt als Initiator der deutschen Turnbewegung. Dabei ist Jahn nicht unumstritten, galten sein Bestrebungen doch dazu, die deutsche Jugend auf einen Kampf gegen die französischen Besatzer vorzubereiten.

Ihm zu Ehren wurde zu seinem 150. Geburtstag das Jahndenkmal an den Jahnwiesen im Juli 1928 feierlich enthüllt: Vier kreuzförmig angeordnete „F“ stehen auf einem schlanken, 15 Meter hohen Eisenbetonpfeiler. Die vier „F“ stehen für das Motto der Deutschen Turnerschaft „Frisch, Fromm, Fröhlich, Frei“.

Obwohl das Denkmal auf einer kleinen Anhöhe steht, die ursprünglich als Zuschauertribüne gedacht war, ist es heute kaum noch sichtbar, da es von den Bäumen eines kleinen Wäldchens überwuchert wird.

Alter römischer Gutshof unter der Jahnwiese

Es war bereits länger bekannt, dass sich unter der Jahnwiese Überreste eines alten römischen Gutshofs befanden. Völlig unverständlich: Anstatt in aller gebotenen Ruhe diesen Schatz zu sichern, mussten 1926 vollkommen kurzfristig im Zuge der Ausschachtarbeiten zur Errichtung der Jahnwiese die archäologischen Grabungen durchgeführt werden.

Erläuterungstafel zu den Ausgrabungen, Bild: Nicola, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Erläuterungstafel zu den Ausgrabungen, Bild: Nicola, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der Leiter der Ausgrabung, Fritz Fremersdorf, schrieb später, er habe „in aller Eile die Vorbereitung für eine eingehende wissenschaftliche Untersuchung treffen müssen, um den Planierungsarbeiten zuvorzukommen“.

Glück im Unglück: Durch den Konkurs der Baufirma, die die Jahnwiese planieren sollte, blieb etwas mehr Zeit für die Archäologen. So konnten das Haupthaus, elf Nebengebäude, mehrere Brunnen und eine Grabgruppe mit sechs Sarkophagen gefunden werden. Die Dokumentation zur Grabung liegt im Römisch-Germanischen Museum vor, die Ausgrabungen wurden anschließend, wie bei solchen Funden üblich, zugeschüttet.

Ein Luftbild der Jahnwiesen, Heimat der "Bunten Liga Köln", Bild: dronepicr, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Ein Luftbild der Jahnwiesen, Heimat der „Bunten Liga Köln“, Bild: dronepicr, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons

DFB wollte Jahnwiese nutzen

Die zehn Rasenplätze – sieben Groß- und drei Kleinspielfelder – der Jahnwiese werden heute nicht nur von den Hobbykickern genutzt. Auch Baseballer werfen ihr Bälle auf der Fläche vor dem Stadion. Neu ist eine Fläche mit Open-Air-Geräten. Man könnte sich fast wie am Muscle Beach in Los Angeles fühlen.

Dabei war die Jahnwiese im Jahr 2012 als Bewegungs-Oase in der Großstadt akut gefährdet. Die Stadt plante, gemeinsam mit dem Deutschen Fußball Bund, auf den Jahnwiesen ein Leistungszentrum zu errichten. Doch die Kölner gingen für ihre Jahnwiese auf die Barrikaden und verhinderten die Bebauung.

Gut so! Denn sonst hätten „FC Holzbein Köln“ oder „Ajax Lattenstramm“ aus der Bunten Liga keine Heimat mehr gehabt.


Der "Come-Together-Cup" findet jedes Jahr auf der Jahnwiese statt.
Der „Come-Together-Cup“ findet jedes Jahr auf der Jahnwiese statt.

Der „Come-Together-Cup“ für Weltoffenheit, Gleichberechtigung und Vielfalt

Im „Come-Together-Cup“ (CTC) auf der Jahnwiese kicken weit über 1.000 Hobbyfußballer „us Spass an d’r Freud“ in über 80 Teams gegeneinander. Dazu gibt es ein Programm mit Live-Musik und mehr. Der CTC steht für Weltoffenheit, Gleichberechtigung und Vielfalt.

2023 haben mehr als 20.000 Besucher die Teams  auf dem Rasen angefeuert.


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Trude Herr: Niemals geht man so ganz

"Dat Pummel" - Trude Herr als kölsche Ulknudel, Bild: Trude-Herr-Fanclub
„Dat Pummel“ – Trude Herr als kölsche Ulknudel, Bild: Trude-Herr-Fanclub

Podcast Trude Herr, 22

„Niemals geht man so ganz
irgendwas von mir bleibt hier.“
(Trude Herr)

Dieses Lied gehört auf einer kölschen Beerdigung schon fast zum Inventar. Und auch als Zitat schmückt es viele Todesanzeigen in Köln & drumherum. Trude spielte im Jahr 1987, bereits schwer krank, diese kölsche Hymne zusammen mit Wolfgang Niedecken und Tommy Engel ein. Die Single klettert in den deutschen Charts auf Platz 20. Trude Herr selber starb – nach einem bewegten Leben – am 16. März 1991.

Kindheit in Mülheim

Ihre Kindheit verbringt Trude überwiegend in Köln-Mülheim. Ihr Vater war Mitglied der KPD und wurde 1933 wegen seiner politischen Gesinnung von den Nationalsozialisten verhaftet und für viele Jahre in ein Konzentrationslager verschleppt. Die Familie litt schwer unter dem Verlust, Trude wurde von ihrer Mutter und der sieben Jahre älteren Schwester Agy großgezogen. Der von Trude geliebte Vater starb 1961.

Die Familie wird 1943 ausgebombt und in das hessische Ewersbach evakuiert. In Dillenburg arbeitet sie als Schreibkraft im Krankenhaus, später im Einwohnermeldeamt. Nach dem Krieg kehren die Herrs wieder in das zerstörte Köln zurück und Trude arbeitet bei der der von der KPD herausgegebenen Zeitung „Die Volksstimme“.

Lange hält es die temperamentvolle Trude nicht am Schreibtisch aus: Bereits 1946 schließt sie sich einer Aachener Wanderbühne an und 1947 heuert sie beim großen Willy Millowitsch an. Doch der „Pummel“, wie Trude wegen ihrer schon damals stattlichen Figur, genannt wurde, wollte mehr und gründete im Jahr 1949 zusammen mit Gustav Schellhardt die „Kölner Lustspielbühne“. Leider ohne wirtschaftlichem Erfolg – das Theater musste schon kurz danach Konkurs anmelden und Trude verdiente sich ihren Lebensunterhalt im „Barberina“, einer Schwulen-Bar an der Hohe Pforte.

Als „Madame Wirtschaftswunder“ im Karneval

Erfolgreicher waren ihre Auftritte im Karneval. Als „Madame Wirtschaftswunder“ oder „Besatzungskind“ eroberte sie zwar ab Mitte der 1950er Jahre die Bühnen der Karnevalssäle, aber ihre oft vulgäre Art und die Gesellschaftskritik in ihren Büttenreden waren den konservativen Funktionären im Karneval ein Dorn im Auge. Als sie sich dann noch mit ihrer Nummer „Die Karnevalspräsidentengattin“ unmittelbar über die spaßbefreiten Frackträger lustig machte, war schnell Schluss mit lustig. Weitere Auftritte als „Präsidentengattin“ wurden ihr untersagt.

Trude Herr in den 1960er Jahren, Bild: Trude-Herr-Fanclub
Trude Herr in den 1960er Jahren, Bild: Trude-Herr-Fanclub

Somit war der Weg frei für die große Stadt: 1958 Trude wurde für das Revuetheater „Tingel-Tangel“ in Berlin engagiert. Dieses Engagement und ihre Präsenz in Berlin ebnete ihr auch den Weg ins Kino. In mehr als 30 Filmen mimte sie die rheinische Ulknudel, darunter auch Kassenschlager wie „Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett“ oder „Drillinge an Bord“ mit Heinz Erhardt. In dieser Zeit entstand auch mit „Ich will keine Schokolade“ ihr größter Hit.

Trude Herrs größter Hit "Ich will keine Schokolade"
Trude Herrs größter Hit „Ich will keine Schokolade“

Bei einer ihrer Reisen nach Afrika verliebte sich Trude in den Tuareg Ahmed M’Barek. Doch die 1969 geschlossene Ehe war nicht besonders glücklich und wurde 1976 geschieden. Glücklicher waren von 1970 bis 1976 ihre Inszenierungen mit eigenem Ensemble im Millowitsch-Theater. „Scheidung auf kölsch“, „Familie Pütz“ oder „Pflaumenschwemme“ waren erfolgreiche Stücke und führten gleichzeitig zu Streit mit Willy Millowitsch. Der eher deftige Humor Trude Herrs vertrug sich nicht mit Millowitschs Verständnis von Volkstheater.

Theater im Vringsveedel: „Ruhm hatten wir immer genug, nur kein Geld.“

Diese Konflikte führten dazu, dass Trude ihr eigenes Theater gründete. 1977 pachtete sie ein ehemaliges Kino auf der Severinstraße und gründete das „Theater im Vringsveedel“. Schnell wurde ihr Theater – gemessen an der Auslastung – zum erfolgreichsten in ganz Nordrhein-Westfalen. Gemessen am finanziellen Erfolg war es ein Flop. Trude Herrs lakonischer Kommentar dazu „Ruhm hatten wir immer genug, nur kein Geld.“ Nachdem sie vergeblich versuchte, städtische Zuschüsse zu erlangen, musste sie das Theater 1986 schließen.

Für Trude Herr selber, mittlerweile 59 Jahre alt, war es auch die Chance, etwas Neues zu machen. Sie ging ins Tonstudio und coverte auf der Platte „Ich sage, was ich meine“ internationale Hits. Aus „I Want To Know What Love Is“ wurde „Ich weiss jenau wat de meinz“ und „Beast of Burden“ wird zur „Hipp vum Nümaat“. Auf dieser Platte ist als letztes Stück auch „Niemals geht man so ganz“. Dieses Lied war ihr Abschiedsgeschenk an ihre Heimatstadt.

Trude Herr ist in Köln auch an eher unerwarteten Orten zu finden wie hier auf einem Stromkasten auf der Zwirnerstraße, ganz in der Nähe des Trude-Herr-Denkmals. Bild: Annette Esser
Trude Herr ist in Köln auch an eher unerwarteten Orten zu finden. Zum Beispiel auf einem Stromkasten auf der Zwirnerstraße, ganz in der Nähe des Trude-Herr-Denkmals. Bild: Annette Esser

Trude Herr stirbt in Südfrankreich an Herzversagen

Die schwer kranke Künstlerin zog noch im Jahr 1987 auf die Fidschi-Inseln und lernte dort ihren letzten Partner Samuel Bawesi kennen. 1991 kehrte sie für wenige Wochen noch einmal nach Köln zurück, um dann im Februar 1991 in die Nähe von Aix-en-Provence zu ziehen. Trude Herr starb dort am 16. März 1991 an Herzversagen.

Trude Herr ist tot – aber ihr Lied „Niemals geht man so ganz“ ist unvergänglich. Nicht nur auf kölschen Beerdigungen.


Trude-Herr-Schule im Mülheim

Im August 2020 hat die „11. Kölner Gesamtschule Mülheim“ verkündet, in Zukunft den Namen „Trude-Herr-Schule“ zu tragen. Weitere mögliche  Namenpatronen für die Schule waren die Edelweißpiratin Gertrud „Mucki“ Koch oder die von den Nationalsozialisten ermordete Ärztin Lilli Jahn. 

Es war kein einfache Entscheidung, so Schulleiterin Monika Raabe in einem Bericht der Kölner Stadt-Anzeigers. Man habe sich für Trude Herr entschieden, weil die in Mülheim aufgewachsene Künstlerin für Bodenständigkeit stehe, genau wie die Schule. 


 

Das Trude-Herr-Denkmal in der Kölner Südstadt, Bild: Raimond Spekking
Das Trude-Herr-Denkmal in der Kölner Südstadt, Bild: Raimond Spekking

Ähnlich turbulent wie ihr Leben ist auch die Geschichte um das Trude-Herr-Denkmal direkt am Bürgerhaus Stollwerck. Ohne schützende Glasur wurde dieses Denkmal im Jahr 2002 aufgestellt und verrottete. Gerettet wurde es erst 2012 durch eine Spende des Trude-Herr-Fanclubs.

Gedenktafel für Trude Herr vor ihrem ehemaligen Theater (heute das Oden-Kino) auf der Severinstraße
Gedenktafel für Trude Herr vor ihrem ehemaligen Theater (heute das Oden-Kino) auf der Severinstraße

Vor ihrem ehemaligen Theater in der Severinstraße ist seit 2012 eine Bronzetafel angebracht, welche an das „Theater im Vringsveedel“ und seine Gründerin erinnert.


Ein muskalisches Denkmal für Trude Herr setzte die Band L.S.E. mit dem Stück „Trudi“ auf dem Album „Für et Hätz un jä¬jen d’r Kopp“.

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Mehr Informationen

 Dort lautet es:

Wä kennt en Kölle die Superfrau
Met däm unwahrscheinliche Körperbau?
Wä hät jedanz, jesunge un Theater jemat
Un keinem noh d’r Schnüss jeschwaad?

Diese Beschreibung hätte Trude Herr gefallen.


Ein großes DANKE an den Trude-Herr-Fanclub. Ich durfte für dieses Köln-Ding der Woche deren Bilder verwenden.


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Die Hänneschen-Predigt in St. Agnes: Nie widder is hück!

Das Hänneschen hat in der Agneskirche gepredigt. Neben der festlich geschmückten Agnes steht die Puppe der Bestemo aus dem Hänneschen-Theater, daneben ein Bild einer Puppe zu Ehren von Fanny Meyer., Bild: Uli Kievernagel
Das Hänneschen hat in der Agneskirche gepredigt. Neben der festlich geschmückten Agnes steht die Puppe der Bestemo aus dem Hänneschen-Theater, daneben ein Bild einer Puppe zu Ehren von Fanny Meyer., Bild: Uli Kievernagel

Seit Karneval 2021 gibt es in St. Agnes den Fastelovendsgottesdienst. Das Team und Peter Otten, Klaus Nelißen, Thomas Frings, Georg Hinz und vielen anderen schafft es seitdem jedes Jahr, eine besinnliche aber auch heitere und leichte Stimmung zu erzeugen.

Unterstützt wurden die Macher dieses Jahr von Kasalla, Stephan Brings, Stephan Knittler, den Ex-Fööss Bömmel Lückerath und Kafi Biermann sowie den Kölner Ratsbläsern. Und auch vom Hänneschen!

Das Hänneschen predigt in einer Kirche

Das Hänneschen feiert im Jahr 2024 seinen 222 Geburtstag. Und durfte zum ersten Mal in seiner langen Geschichte in einer Kirche predigen. Ich hatte die große Ehre, die Predigt  für das Hänneschen  schreiben zu dürfen, die dann in genialer Weise von dem Hänneschen-Puppenspieler Jacky von Guretzky-Cornitz vorgetragen wurde. 

Jacky spielt seit mehr als 40 Jahren das Hänneschen und hat gerade bei dieser Predigt die Holzpuppe richtig lebendig werden lassen. Dafür ein großes DANKE!  Die Idee für die Predigt kam von meiner Frau Silke: In der Predigt sollte das Leben der Puppenspielerin Fanny Meyer beschrieben werden..

Fanny Meyer (* 1905 – + vermutlich 1943)

Sie war ein Mädchen aus der Kölner Südstadt. Nach der Schauspielschule spielte Fanny Meyer im Hänneschen-Theater. Ihre Rolle war die der Bestemo, der Großmutter. 

Ihr Vater war Jude, ihre Mutter Katholikin. Die Nazis erklärten auch sie aufgrund der „Nürnberger Gesetze“ zum „Jüdischen Mischling ersten Grades“. 1933 war sie die letzte jüdische Künstlerin am Hänneschen-Theater. Bis 1935 durfte sie weiterspielen, dann wurde ihr Vertrag gekündigt. Ein bescheidenes Auskommen sicherte ihr das 1936 neu gegründete jüdische Marionetten-Theater.

Ab Anfang der 1940er Jahre arbeitete sie in einer Kölner Kartonagenfabrik, wahrscheinlich war es Zwangsarbeit. 1942 wurden Fanny und ihr Mann zunächst im „Judenlager“ KölnMüngersdorf interniert und von dort nach Auschwitz deportiert. Es gibt noch eine Postkarte an ihren Vater aus dem März 1943. Danach verliert sich die Spur. Sie wurde in Auschwitz ermordet.

Marina Barth hat das Leben von Fanny Meyer in ihrem lesenswerten Roman „Lumpenball“ (Emons-Verlag 2017) beschrieben.

Den Mitschnitt der Predigt gibt es hier (zum Starten bitte auf das Bild klicken) :

Das Hänneschen predigt im Fastelovendsgottesdienst in St. Agnes (5. Februar 2024)
Das Hänneschen predigt im Fastelovendsgottesdienst in St. Agnes (5. Februar 2024), zum Starten bitte auf das Bild klicken 

Wer den Text gerne nachlesen will: Hier ist das Manuskript der Predigt:

Hänneschen-Predigt: Nie widder is hück!

Jetzt musste das Hänneschen erst 222 Jahre alt werden, um es erste Mal in einer Kirche predigen zu dürfen. Der Ludwig Sebus, der durfte das schon, da war gerade erst mal 97 Jahre alt.

In däm Text uss d´r Bibel evens jing et daröm, dat man sich nit sorjen sull un et esu mache sull wie die Vögel im Himmel – da janzen Dach eröm fleje un jood es. Ävver kann man dat hück noch mache? Müssen wir uns nicht Sorgen darum machen, wat um uns eröm passeet?

Dä Fastelvoend verleitet natürlich dazu, nur dä Spaß zu sin. Kumm loss mer fiere, jet suffe und dann luure, op mer met dä Schüss jet danze kann. Dat is och jood esu. Doch trotz aller Spaß an d´r Freud müssen wir immer noch aufpassen, wat um uns eröm passeet! Opjepass: Wenn wir dat hück nit dun, dann kann unser geliebter, bunter Karneval schnell braun werden.

Denn: Nie widder is hück!

Gerade heute, gerade jetzt, zeigt sich, dass wir für unsere Lebensart einstehen müssen. Do treffen sich echt fiese Strippenzieher in Hinterzimmern, öm ze plane, wie man Minsche footbring, de dänne nit jefalle. Et jitt vill ze vill Minsche, die han verjesse – oder die wulle et nie mieh wisse – wat schon ens he bei uns passeet is. Ävver mer dürfte et nie verjesse: Ejal wohin de luurst, dä Schuhß ess fruchtbar noch, uss däm die Nazibrut russkroch. Wir müssen jetzt, wo die letzten Zeitzeugen verschwinden, die Erinnerung wachhalten.

Denn: Nie widder is hück!

Und deswegen will ich euch üch jetzt die Geschichte von Fanny Meyer erzählen. Fanny wood 1905 jeboore. Et wor e Mädche uss d´r Kölner Südstadt. Fanny hät et Abitur jemaht un donoh die Schauspielschull besök. Sie hät als Schauspielerin och im Millowitsch-Theater jespillt. Un ab 1929 wor dat selbstbewusste Mädche he bei uns Hänneschen. Wenn do he bei uns im Hännesche metspillst, musst do en echt kölsche Schnüss am Lief han un vell Spaß an d´r Freud metbrenge.

Fanny Meyer hat beides jehat: Sie hät Kölsch jeschwaad un wor ene Puppenspielerin mit Leidenschaft. Sie hät die Bestemo jespillt, dat is de Oma. Die Bestemo iss, wie och et Fanny wor: Hätzensjood, ävver och wehrhaft. Fanny wor ene joode Puppenspielerin un se hät jään im Hännesche jespillt.

Fanny Meyer (links) als Hänneschen-Puppe mit „ihrer“ Figur der Bestemo (rechts), Bild: Hänneschen-Theater
Fanny Meyer (links) als Hänneschen-Puppe mit „ihrer“ Figur der Bestemo (rechts), Bild: Hänneschen-Theater

Dä Vatter vun däm Fanny Meyer wor Jude, die Mutter Katholikin. Die Nazis han dat Mädche als „Jüdischer Mischling ersten Grades“, man säht uch verächtlich „Halbjude“, bezeichnet. Und deswäje wood uch 1935 ihr Vertrag im Hännesche als Puppenspielerin jekündigt. Damit Fanny noch jet verdeeene kunnt, hät et noch in enem jüdischen Marionetten-Theater jespillt. Ävver nit lang, dann moht se als Zwangsarbeiterin Kartons zesamme klävve. 1942 wood et Fanny noh Auschwitz deportiert und dort ermordet.

Mer han üch hück die orijinale Fijur der Bestemo, die vun Fanny Meyer jespillt wurde, mitjebraht. Sie steiht do, tirek nävven dä Agnes. Denn mer wulle üch doran erinnere, wat passeet wenn mir nit all zesamme stonn.

Denn: Nie widder is hück!

Un wenn dä Jesus uns säht, dat mer op die Vüjjel luure sulle, die sich um nix ze kümmere bruche, dann bedügg dat nit, dat mer nix dun sulle. Dä säht uch, dat mer „Kleingläubige“ wöre. Jood, ich bin tatsächlich kleen. Ävver uch dat meint hä nit. Hä meint, dat et immer Hoffnung jitt. Ejal, wie düster et weed. Nit verzweifele, do is einer, der immer bei dir is. Mer müsse ävver alle Mann zesammestonn! Denn: Nie widder is hück!

Der einzige jüdische Karnevalsverein Deutschlands, die „Kölsche Kippa Köpp“, erinnert mit dem Sessionsorden 2024 an Fanny Meyer. Bild: Uli Kievernagel. Ein großes DANKE an Thomas Frings für diesen Orden.
Der einzige jüdische Karnevalsverein Deutschlands, die „Kölsche Kippa Köpp“, erinnert mit dem Sessionsorden 2024 an Fanny Meyer. Bild: Uli Kievernagel. Ein großes DANKE an Thomas Frings für diesen Orden.

Un so wor et in Kölle. Do woren et bei der jroßen Demo nit nur einer, do woren 70.000 Minsche, die oppjestande sin. Die zesamme stonn. Ejal, wie laut die braunen Drecksäck sin, mir sin lauter.

Un doröm erinnere ich üch uch hück an dat Fanny Meyer. He in Kölle is kein Platz für Hass. Denn: Nie widder is hück!

Amen


Stolpersteine für Fanny Meyer und ihren Mann Lothar Heineberg an der Ecke Oversburgstraße/ Follerstraße in der Kölner Südstadt. Bild: Marina Barth
Stolpersteine für Fanny Meyer und ihren Mann Lothar Heineberg in der Kölner Südstadt. Bild: Marina Barth

Stolperstein für Fanny Meyer

Im November 2024 wurden zwei Stolpersteine für Fanny Meyer und ihren Mann Lothar Heineberg an der Ecke Oversburgstraße/ Follerstraße in der Kölner Südstadt verlegt. 


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Die kölsche Sprache – mehr als nur ein Dialekt (Teil I)

Dieser Witz spiegelt das Selbstverständnis des Kölners wider: Unter der „göttlichen Sprache“ machen wir es schon gar nicht. Dabei ist die kölsche Sprache streng genommen kein Dialekt. Der Unterschied zu anderen Mundarten liegt darin, dass sich die deutschen Dialekte immer an hochdeutsche Texte anlehnten. Das bedeutet, dass vorhandene Texte in Mundart übersetzt wurden. Die kölsche Sprache hatte aber immer ihre eigenen Texte, die bestenfalls zurück ins Hochdeutsche übersetzt wurden und immer noch werden. Somit ist Kölsch eher eine eigenständige Sprache und kein Dialekt.

Der „Rheinische Fächer“ – Grenzen zwischen Sprache, Bier und Karneval tun sich auf

Köln, als ursprünglich römische Stadt, kam etwa Mitte des 5. Jahrhunderts unter fränkische Herrschaft. So wurde das offizielle Latein durch das germanische Fränkische verdrängt, allerdings mit regionalen Unterschieden. So entstand im Rheinland der „Rheinische Fächer“ mit den lokal verschiedenen Ausprägungen des Fränkischen.

Der Rheinische Fächer – Verteilung der Fränkischen Mundarten, Bild: Juschki - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Der Rheinische Fächer – Verteilung der Fränkischen Mundarten, Bild: Juschki – Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0

Die am Rhein wohnenden Franken wurden Ripuaren1ripa = Flussufer genannt. In Köln wurde daher Ripuarisch, eine Variante des Fränkischen, gesprochen. Linguistisch gesehen ist Kölsch eine Variante des Ripuarischen.

Eine besondere Beachtung verdient die „Benrather Linie“ (im Bild oben mit „B“ bezeichnet) die auch als „maken-machen“-Linie bezeichnet wird. Genau an dieser Linie scheiden sich nicht nur sprachlich die Geister. Denn Köln liegt südlich, Düsseldorf nördlich von Benrath. Während man in unserer schönen Domstadt bei vielen Wörtern den „ch“-Laut wie in „Kachel“ spricht, wird daraus in dem Dorf weiter nördlich ein „k“-Laut: Das kölsche „Daach“ wird weiter nördlich zum „Daak“ oder der kölsche „Koche“ zum „Kock“.

Ziemlich genau an der Benrather Linie verläuft übrigens auch die Kölsch– und Altbier-Grenze. Und während der Kölsche mit dem korrekten Alaaf Karneval feiert, ruft der Düsseldorfer Helau. Hier wird die Benrather Linie zum Alaaf-Helau-Äquator.

Kölsch wurde über Jahrhunderte nur mündlich überliefert

Ripuarisch wurde über Jahrhunderte nur mündlich überliefert. Adam Wrede, der „Kölsche Sprachpapst“2Verfasser des Standardwerks „Neuer Kölnischer Sprachschatz“ geht davon aus, dass es noch bis zum 12./13. Jahrhundert gedauert hat, bis sich so etwas wie eine schriftliche Stadtsprache entwickelt hat.

Eindrucksvollster Beleg für diese Stadtsprache ist die Reimchronik des Gottfried von Hagen im Jahr 1270 – auch wenn das verwendete Ripuarisch für unsere Ohren heute kaum kölsch klingt. Wenn Gottfried von Hagen zum Beispiel „Häufig gibt es Regen nach Sonnenschein.“ ausdrücken will, schreibt er „ducke komet regen na sunne schine“. Da klingt immerhin so etwas wie „Sunnesching“ durch. Das wiederum versteht der Kölsche.

Auszug "Kölnische Reimchronik" (1270) von Gottfried von Hagen
Nachdruck „Kölnische Reimchronik“ (erschienen 1270) von Gottfried von Hagen

Ab etwa dem frühen 17. Jahrhundert wurde in Köln die niederfränkische Schriftsprache aufgegeben und zunehmend die sich entwickelnde neuhochdeutsche Schriftsprache verwendet. Einhergehend damit ist auch eine Trennung von gesprochener und geschriebener Sprache zu beobachten – die Kölner Mundart nach unserem heutigen Verständnis entsteht.

Umbruch in der Mitte des 19. Jahrhunderts

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts war Kölsch die Umgangssprache in der Domstadt. In dem Buch „Ausflug nach Köln“ äußerte Johanna Schopenhauer „Verstehen und sprechen muss diese Volkssprache jeder Einwohner von Köln.“

Nicht nur auf der Straße im Alltag wurde Kölsch gesprochen. Auch der „Kölsche Adel“, also alteingessene kölsche Familien, pflegten ihre kölsche Sprache. So soll der reiche Bankier Abraham Schaafhausen, Vater der Rheingräfin Sibylle Mertens-Schaafhausen und immerhin Präsident der Handelskammer, auschließlich kölsch gesprochen haben. Auch bei Verhandlungen am Gericht wurde kölsch gesprochen, genau wie bei Sitzungen des Stadtrats.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat dann plötzlich eine Wende ein. Mit dem Fortschreiten der industriellen Revolution kamen sehr viele Arbeiter nach Köln. Und diese sprachen Kölsch. Dadurch wurde die kölsche Sprache zur Sprache der Arbeiter. Das Bürgertum wiederum wollte sich von den Arbeitern auch mit der Sprache abgrenzen und sprach Hochdeutsch.

(wird fortgesetzt)


Im Teil II „Die Kölsche Sprache – mehr als nur ein Dialekt“ werfen wir einen Blick darauf, wie sich Kölsch von der Gossensprache zum Kult entwickelt hat und welche Verdienste insbesondere die Bläck Fööss dabei hatten.


Die "Akademie för uns kölsche Sproch"steht für den Erhalt und die Förderung einer lebendigen und zeitgemäßen kölschen Sprache, die immer auch mit der Geschichte und Kultur der Stadt Köln sowie den vielfältigen Lebensarten ihrer Bewohner in Zusammenhang steht.

Wer echtes Kölsch lernen will, kann sein Kölsch-Diplom an der „Akademie för uns kölsche Sproch“ machen.  Hier können Kölner und Nichtkölner einen Einblick in die kölsche Sprache und Kultur erhalten.

Etwas weniger aufwendig ist mein Tipp: Geht mal in eine kölsche Weetschaff op d´r Eck und stellt euch an die Theke. Spätestens nach dem fünften Kölsch klappt das auch mit der Sprache. Und falls ihr doch nichts verstehen solltet,  habt ihr zumindest Spaß gehabt.


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