Kölsche Originale: Orjels-Palm – ein vornehmer Straßenmusikant

Johann Joseph Palm, in Köln als "Orjels-Palm" bekannt, verdiente sich sein Geld mit einer Drehorgel und später mit einem „Romantische Panorama“. Bild: KI-generiert
Johann Joseph Palm, in Köln als „Orjels-Palm“ bekannt, verdiente sich sein Geld mit einer Drehorgel und später mit einem „Romantische Panorama“. Bild: KI-generiert

Am Ende seines Lebens war Johann Joseph Palm – genannt Orjels-Palm oder Urjels-Palm – schlichtweg zu schwach, um weiterhin die schwere Drehorgel zu tragen und zu bedienen. Um trotzdem noch ein paar Groschen zu verdienen, hing sich Orjels-Palm noch ein „Romantisches Panorama“ um – ein Schaukasten mit einer Bergszene – und flanierte damit auf der Straße und bei seinen Gönnern.

Geld war zeitlebens knapp bei einem Mann wie Orjels-Palm. In einer Zeit, in der an soziale Leistungen wie Kindergeld oder Renten noch nicht zu denken war, musste der Drehorgelspieler ein Dutzend eigener Kinder und dazu auch noch mindestens zwei Enkelkinder ernähren. Die einzige Unterstützung des Staates bestand darin, dem kriegsversehrten Orjels-Palm eine Konzession zum Drehorgelspielen zu erteilen.

Palm als Soldat bei den „Schwarzen Husaren“

Johann Joseph Palm wird am 28. April 1801 in der Kleinen Neugasse (heute Tunisstraße) geboren. Mit 14 Jahren beginnt er eine Lehre als Maler und Vergolder. Als Geselle will er eigentlich auf die „Walz“ gehen. Mit Walz, Wanderjahre, Tippelei oder Gesellenwanderung werden die Jahre der Wanderschaft eines Gesellen als Voraussetzungen zur Meisterprüfung bezeichnet. Doch da macht ihm das preußische Wehrgesetz einen Strich durch die Rechnung: Die Walz ist nur mit einem „Kundschaftsbüchlein“ zulässig. Und dieses Büchlein erhält man erst nach Ableistung des Wehrdiensts. Palm wird daher im Herbst 1820 in Danzig Rekrut bei den „Schwarzen Husaren“.

Johann Joseph Palm, genannt Orjels Palm, in Husarenuniform an seiner Drehorgel, Bild: unbekannter Fotograf
Johann Joseph Palm, genannt Orjels Palm, in Husarenuniform an seiner Drehorgel, Bild: unbekannter Fotograf

Zuhause in Köln nimmt währenddessen sein persönliches Schicksal eine unglückliche Wendung: Cäcilie Hack, seine Liebe seit früher Kindheit, hat sich mit einem anderen verlobt. Palm reist nach Köln, um Cäcilie umzustimmen. Vergeblich. Enttäuscht reist er schnell wieder ab, um in der Türkei, Russland und in Griechenland zu kämpfen.

Nur kurzes Glück mit der Jugendliebe

Nach einer Schussverletzung am Knie, die ihn zeitlebens quälen wird, kommt Palm im Jahr 1830 nach Köln zurück und holt sein Glück nach: Er heiratet die zwischenzeitlich verwitwete Cäcilie Hack. Zunächst ist das Familienglück groß, bis 1838 bekommen die beiden vier Kinder. Palm betreibt eine Werkstatt in seinem ursprünglich erlernten Beruf als Maler und Vergolder.

Doch das Familienglück des Johann Joseph Palm findet durch den Tod seiner Frau Cäcilie im August 1839 ein jähes Ende. Als alleinstehender Vater ist Palm überfordert und heiratet bereits im April 1840 Sophia Kollgraff. Mit ihr zeugt er bis 1847 weitere neun Kinder. Die stetig wachsende Familie erfordert ständig mehr Platz. Die Folge sind 15 Umzüge in 34 Jahren, davon achtmal innerhalb der Straße „Unter Krahnenbäumen“.

Johann Joseph Palm, genannt Orjels-Palm, auf dem Karl-Berbuer-Brunnen Bild: Uli Kievernagel
Johann Joseph Palm, genannt Orjels-Palm, auf dem Karl-Berbuer-Brunnen Bild: Uli Kievernagel

In den 1840er Jahren verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Familie dramatisch. Aufträge als Maler findet er kaum noch, zu vergolden gibt es nichts mehr. Zwei Kinder sterben an Unterernährung. Er stellt einen Rentenantrag – dieser wird jedoch postwendend abgelehnt. Allerdings erhält er die Konzession als Drehorgelspieler und eine kleine Beihilfe zur Anschaffung einer solchen Orgel.

Tadellos gekleidet und gepflegt

Palm machte sich in Köln als Drehorgelspieler schnell einen Namen. Er war immer tadellos gekleidet: Blitzsaubere Husaren-Uniform, auf Hochglanz polierte Stiefeln und eine hohe, schwarze Mütze auf dem Kopf. Das hat sich anscheinend sogar bis nach Berlin herumgesprochen, denn dort stand in der Zeitung: „Das ganze Gegenteil vom Maler Bock war der Orgels-Palm, ein vornehmer Straßenmusikant.“

Urjels-Palm in der Bierdeckel-Serie "Kölsche Originale", Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer
Urjels-Palm in der Bierdeckel-Serie „Kölsche Originale“, Bild: Bild: rs-bierdeckel.de, Reinhold Schäfer

Und anders als seine Wettbewerber, die nur die üblichen Drehorgel-Stücke spielten, hatte Orjels-Palm auch eigene Stücke und Stücke seines Freundes Joseph Roesberg, der bereits mit dem Lied vom „Schnüsse Tring“ einen Karnevalshit gelandet hatte, im Repertoire.

Wo ist dann der Schwengel?

Eben dieser Joseph Roesberg erlaubte sich angeblich einen Scherz mit dem gutmütigen und stets heiteren Orjels-Palm. In Absprache mit dem Kirchenvorstand von Remagen sollte Palm sich dort als Organist vorstellen. Roesberg und seine Freunde spendierten Palm einen neuen Anzug und gaukelten ihm vor, dass er in der vollbesetzten Kirche am Kirmessonntag eine Probe seines Könnens als Orgelspieler abliefern sollte. Palm untersuchte fachmännisch die Orgel und soll dann gefragt haben „Wo is dann he dä Schwengel?“.

So schön diese Anekdote ist – sie kann aber leider nicht ganz der Wahrheit entsprechen. In der Remagener Pfarrkirche wurde nachweislich erst 1904 eine Orgel eingebaut. Und der gläubige Katholik Roesberg hätte wohl kaum einen Scherz mit der Kirche getrieben. Wahrscheinlicher ist es, dass der Freundeskreis um Roesberg dem Orjels-Palm nur etwas Gutes tun wollte und ihm unter einem Vorwand den neuen Anzug schenkte.

Fählen im och mänche Tön

Palm gehörte mit seiner Orgel bald zum Stadtbild. Johann Franz Weber, ein erfolgreicher Komponist kölscher Karnevalsmusik verewigt Orjels-Palm sogar in seinem Lied „Do deis meer leid“:

Met der Urgel trock erus
Künstler Palm von Hus ze Hus,
Fählen im och mänche Tön,
Schnüsse Tring spilt hä doch schön.
Doch sing Urgel manchmal brump
We en al, rostige Pump:
„Saht ens Palm“ su sähte Lück,
„Hät die Buchping hück?
Se deit uns leid,
Se deit uns leid,
Hat Ehr denn kei Gefühl?“1Übersetzung:
Mit der Orgel zieht er herum,
Künstler Palm, von Haus zu Haus.
Fehlen ihm auch manche Töne,
das Lied der „Schnüsse Tring“ spielt er doch schön.
Doch seien Orgel manchmal brummt
Wie eine rostige, alte Pumpe.
„Sagt mal, Palm“ so sagten die Leute,
„Hat die Bauchschmerzen heute?
Sie tut uns leid,
Sie tut uns leid,
Habt ihr denn kein Gefühl?“

Harte Arbeit für geringes Entgelt

Und Palm drehte fast 30 Jahre unermüdlich seine Orgel, um das notwendige Auskommen für die Familie zu verdienen. Dabei, so Reinhold Louis2 in seinem Buch „Kölner Originale“, Greven Verlag „… war er in der Tat harmlos: Palm lag nicht betrunken in der Gosse, er kam nicht in Konflikt mit den Gesetzeshütern, er war nicht verkommen, er borgte und schnorrte nicht, sondern leistete harte Arbeit für mehr oder weniger geringes Entgelt.“

Orjels-Palm kann in späteren Jahren die schwere Drehorgel nicht mehr bedienen und trägt stattdessen ein „Romantisches Panorama", Bild: unbekannter Fotograf
Orjels-Palm kann in späteren Jahren die schwere Drehorgel nicht mehr bedienen und trägt stattdessen ein „Romantisches Panorama“, Bild: unbekannter Fotograf

Und als die Orgel für den mittlerweile fast achtzigjährigen Palm schlichtweg zu schwer wird, sattelt er um und trägt das „Romantische Panorama“ um den Hals. Immer, um noch ein paar Groschen zu verdienen – die Kinder und Enkel haben schließlich Hunger.

Am 29. Januar 1882 stirbt Johann Joseph Palm. Und Köln verliert mit dem Straßenmusiker eines seiner Originale. Andere, die ihm als Straßenmusiker in Köln nachfolgen, werden weder so bekannt, noch als Original verehrt.

Ausnahmen: Klaus der Geiger und die Kelly-Family.
Aber das sind andere Geschichten.


Urenkel Emil Palm schreibt Musik für Ostermann

Es bleibt in der Familie: Der Urenkel von Orjels-Palm war Emil Palm (1890 – 1963). Und Emil Palm schrieb für Willi Ostermann, der selber kein Noten, lesen konnte, die von Ostermann vorgesungene Musik. 


Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die "Kölschen Originale"
Tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt verankert: Die „Kölschen Originale“

Weitere Geschichten zu den „Kölschen Originalen“ gibt es hier:


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Der Paolozzibrunnen im Rheingarten: Betreten ausdrücklich erwünscht!

Der Paolozzibrunnen im Rheingarten: Betreten ausdrücklich erwünscht! Bild: Uli Kievernagel
Der Paolozzibrunnen im Rheingarten: Betreten ausdrücklich erwünscht! Bild: Uli Kievernagel

Wer regelmäßig durch den Rheingarten spaziert, zwischen der Philharmonie und dem Rhein entlang, kennt ihn längst – auch wenn der Name nicht jedem geläufig ist: Der Paolozzibrunnen oder Rheingartenbrunnen. Eine monumentale Brunnen- und Skulpturenanlage, die seit 1986 still und doch eindrucksvoll ihre Geschichte erzählt. Mal ist der Brunnen Treffpunkt, mal Spielplatz, mal Denkmal – aber immer ein Ort, an dem sich Kunst und Leben begegnen.

Gestaltet wurde das Ensemble vom schottischen Künstler Eduardo Paolozzi, in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsarchitekten Georg Pencker und dem Architekten Erich Schneider. Mit seinen großvolumigen Bronzeskulpturen nimmt der Brunnen die Form einer gestrandeten Barke an. Das Wasser fließt auf etwa 20 Meter Breite und 50 Meter Länge durch schmale Rinnen und über unregelmäßige Stufen, unterbricht und verbindet die Wasserflächen gleichzeitig – ein ruhiges Spiel, das zum Verweilen einlädt.

Und während Kunstliebhaber sich an den abstrakten Bronzeskulpturen erfreuen, sind es vor allem die kölschen Pänz, die dem Brunnen Leben einhauchen. Sie springen, planschen, laufen durch das Wasser – nicht aus kunsttheoretischem Interesse, sondern aus purer Freude. Und genau das war Paolozzis Absicht: ein interaktives Kunstwerk, das Menschen einlädt, Teil davon zu werden.

Die Steinsockel des Paolozzibrunnens stammen von den einstigen Türmen der Hohenzollernbrücke. Bild: Uli Kievernagel
Die Steinsockel des Paolozzibrunnens stammen von den einstigen Türmen der Hohenzollernbrücke. Bild: Uli Kievernagel

Geschichte trifft Gegenwart

Was auf den ersten Blick wie eine moderne Interpretation städtischer Kunst wirkt, trägt in Wahrheit ein tiefes historisches Echo in sich. Die Steinsockel, auf denen einige der Skulpturen ruhen, stammen von den einstigen Türmen der Hohenzollernbrücke. Diese wurden nach dem Zweiten Weltkrieg abgetragen, und Reste davon fanden hier eine neue Bedeutung – als Symbole für Zerstörung und Wiederaufbau, für Wandel und Erinnerung.

Die bronzenen Elemente spiegeln die Stadtsilhouette wider – so wie sie ist, so wie sie war, vielleicht auch so wie sie sein könnte. Das Wasser, das alles durchzieht, verbindet nicht nur die einzelnen Skulpturenteile miteinander, sondern auch die Vergangenheit mit der Gegenwart. Ein stiller Verweis auf den Rhein, der direkt daneben vorbeizieht – seit Ewigkeiten Lebensader der hier wohnenden Menschen.

Die bronzenen Elemente des Paolozzibrunnens spiegeln die Stadtsilhouette wieder, Bild: Uli Kievernagel

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Die bronzenen Elemente des Paolozzibrunnens spiegeln die Stadtsilhouette wieder, Bild: Uli Kievernagel

Eduardo Paolozzi – ein Künstler zwischen Welten

Eduardo Paolozzi wurde 1924 als Sohn italienischer Einwanderer in Edinburgh geboren. Seine Eltern betrieben eine kleine Eisdiele im Stadtteil Leith in der Nähe des Hafens. Seine frühen Jahre waren geprägt von Krieg, Ausgrenzung und Neubeginn. 1940 wurde er – wie viele seiner Landsleute – als „feindlicher Ausländer“ interniert. Erst nach dem Krieg konnte er seiner Berufung zur Kunst folgen.

Er studierte in Edinburgh, London und Paris, traf dort auf Künstler wie Arp, Brancusi und Léger, wurde Mitglied der „Independent Group“, die als Keimzelle der britischen Pop-Art gilt. Paolozzi stellte weltweit aus – auf der Biennale in Venedig, mehrfach bei der documenta in Kassel, und auch in Düsseldorf. Er war ein Grenzgänger zwischen Bildhauerei, Grafik, Collage und Design. 1977 kam er nach Köln, wurde Professor an der Kölner Fachhochschule und blieb der Stadt bis 1981 verbunden.

Nach der Fertigstellung des Rheinufertunnels im Jahre 1982 wurde das Altstadtufer umgestaltet, und von 1984 bis 1986 entstand der Paolozzibrunnen, der bis heute ein lebendiger Ort der Begegnung ist.

Die großformatigen Skulpturen des Paolozzibrunnen sidn ein beliebter Treffpunkt, Bild: Uli Kievernagel
Die großformatigen Skulpturen des Paolozzibrunnen sidn ein beliebter Treffpunkt, Bild: Uli Kievernagel

Später wurde Paolozzi geadelt, Mitglied der Royal Academy of Arts, und übergab sein Lebenswerk der Scottish National Gallery of Modern Art. Dort, in der Dean Gallery in Edinburgh, ist heute auch eine Nachbildung seines Ateliers zu sehen. 2005 verstarb er in London – aber in Köln lebt seine Kunst weiter, Tag für Tag, zwischen Rhein und Philharmonie.

Keine Kunst um ehrfürchtig Abstand zu halten

Der Paolozzibrunnen ist mehr als nur ein Brunnen. Er ist ein Ort des Übergangs: zwischen Wasser und Stadt, Spiel und Ernst, Kunst und Alltag. Ein Platz, der zeigt, wie eng in Köln das Große mit dem Bodenständigen verbunden ist. Hier läuft man nicht ehrfürchtig um die Kunst herum – man geht durch sie hindurch. Kinder lachen, Menschen setzen sich auf die Steine, andere bleiben stehen und schauen. Und für einen Moment scheint das Leben einen Gang herunterzuschalten.

In einer Stadt, die insbesondere in der Innenstadt oft laut, schnell und voll ist, ist dieser Ort eine kleine Insel der Ruhe. Aufgeregtes Kindergeschrei inklusive.

Und vielleicht ist das Paolozzis größtes Vermächtnis:
Ein Raum, der offen ist für alle – für Gedanken, für Gespräche, für Spiele.


Brunnen in Köln
Brunnen in Köln

Neben dem Paolozzibrunnnen  haben wir auch andere Brunnen in Köln:


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Der Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster

Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild :Uli Kievernagel)
Fast der gleiche Blickwinkel, nur ca. 140 Jahre später: Links die Westseite des Sicherheitshafens um 1885 (Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln), rechts die Ansicht im Jahr 2024 (Bild : Uli Kievernagel)

 

Welche Merkmale muss ein städtisches Bauprojekt aufweisen, um als gänzlich missglückt bezeichnet zu werden? Mario Kramp, ehemaliger Leiter des Kölnischen Stadtmuseums, hat diese Merkmale aufgezählt:

  • Ewiges Gerangel um Finanzen,
  • geschönte Kostenschätzungen,
  • mangelnde Entschlusskraft,
  • Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten,
  • Dauer von Ausschreibungen und Fehlentscheidungen bei der Vergabe,
  • Planungsfehler, Bau- und Materialmängel,
  • unseriöse Firmen,
  • gegenseitige Schuldzuweisungen,
  • Wechsel in der Bauleitung,
  • Lobhudelei bei der Grundsteinlegung,
  • langwieriges Herumdoktern an einer eigentlich missglückten Konstruktion.1Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Und NEIN – hier geht es nicht um die Kölner Oper! Sondern um den Sicherheitshafen – ein kölsches Baudesaster mit Baubeginn ziemlich genau 200 Jahre vor dem Beginn der Opernsanierung.

Eisgang 1784

Die ganze Diskussion um einen Hafen, der den Rheinschiffern Schutz vor dem regelmäßigen Hochwasser des Rheins bieten sollte, begann nach dem Eisgang im Jahr 1784. 

Dieser verheerende Eisgang mit dem Jahrhundert-Hochwasser am 27./28. Februar 1784 kostete 65 Menschen in Köln das Leben, zerstörte bestehende Hafenanlagen und überflutetet das damals noch eigenständige Mülheim. Auch die komplette Kölner Schiffsflotte wurde vernichtet.

Verständlicherweise forderten die Rheinschiffer einen Schutz vor solchen Verwüstungen. Diese Forderung deckte sich auch mit den militärischen Interessen der französischen Besatzungsmacht, Schiffe in einem geschützten Bereich unterzubringen.

Die Forderung: Bau eines Sicherheitshafens, ähnlich wie Anlagen in Mainz und Düsseldorf.

Größtes städtebauliches Projekt der Franzosenzeit in Köln

Am Dreikönigstag 1811 (6. Januar) genehmigte Kaiser Napoleon höchstpersönlich den Bau eines Sicherheitshafens in Köln. Dieser sollte am heutigen Theodor-Heuss-Ring bis an die östliche Seite des heutigen Ebertplatzes heranreichen. Zwischen dem Hafen und der Stadt verlief damals dort noch die mittelalterliche Stadtmauer.

Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei
Stadtplan von Köln von ca. 1885, Der Sicherheitshafen ist unten rechts gut zu erkennen, Bild: gemeinfrei

In der Nähe des Hafens liegt das Kunibertstürmchen, Teil der mittelalterlichen Stadtmauer.2Die Kölner haben den Kunibertsturm und das Kunibertstürmchen verwechselt, daraus ist die Sage des „Weckschnapp“ entstanden. Daher wurde der Sicherheitshafen auch „Thürmchenshafen“ genannt. Weitere Namen waren „Napoleonhafen“ oder „Franzosenhafen“.

Voller Hoffnung, dass die Bauarbeiten schnell erledigt wären, berichtete das „Journal de la Roer“ in seiner Ausgabe vom 21. April 1812:

„Die Arbeiten am Sicherheitshafen … werden mit so viel Thätigkeit fortgesetzt, daß man sie künftiges Jahr beendigen wird.“

Diese Einschätzung sollte sich als völlig verfehlt erweisen. Zwar wurde im April 1811 mit den Vorarbeiten gestartet und Hafenmauern und Hafeneinfahrt errichtet. So konnte, mit allem Pomp inklusive Volksfest und Feuerwerk, am 10. November 1812 feierlich der Grundstein des Hafenbauwerks gesetzt werden. Der Präfekt des Departments, Jean Charles François de Ladoucette, erklärte auf dem feierlichem Bankett zur Grundsteinlegung dann auch großspurig:

 „Am 10. November 1812, im achten Jahr der Regierung Napoleons des Großen, Kaiser der Franzosen […] wurde der erste Stein gelegt für dieses Bauwerk, errichtet für die Sicherheit und die Wohlfahrt des Handels auf dem Rhein, mit Unterstützung der kaiserlichen Freigebigkeit, der Gelder der Stadt und der des Kölner Handels.“

Der Deal: Die Stadt bezahlt die Baukosten von 750.000 Franc und darf die Hafengebühren behalten. Der „Kölner Handel“ hatte sich an der Finanzierung des Sicherheitshafens beteiligt. In den „Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811 wird darauf hingewiesen, dass die Handelskammer dafür ein Darlehen in Höhe von 250.000 Franc bereitstellt.

„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811
„Nachrichten des Ruhrdepartements“ vom 18. Januar 1811

Teures Provisorium

Zwar wurde der Sicherheitshafen 1813 eröffnet – allerdings nur als Provisorium. Es fehlten noch Kais und Hafenanlagen, der Hafen war nicht tief genug ausgebaggert, und auch die geplante Brücke über die Hafeneinfahrt gab es noch nicht. Statt der geplanten 190 Schiffe fanden nur ca. 70 Schiffe dort Platz. Es darf aber auch bezweifelt werden, dass selbst diese Kapazität jemals komplett ausgelastet wurde. Angemessene Pflege und Ausbau des Hafens: Fehlanzeige!

Als 1814 die Franzosen abzogen, übernahmen die Preußen mit dem Hafen ein „.. ärgerliches Flickwerk, aus Geldmangel nur notdürftig instand gehalten.“3Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“ Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64]

Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt
Postkarte (um 1890) mit Blick über den Sicherheitshafen, Fotograf/Urheber: unbekannt

Ärgerlich war auch, dass bis 1820 immer noch keine Brücke über der Hafeneinfahrt errichtet war, weil ständig Geld fehlte. Als Kompromiss wurde beschlossen, eine provisorische Brücke aus Holz zu errichten. Zwar lag das eigens dafür bestellte Holz bereit, doch mangels Baugenehmigung verrottete dieses ungenutzt. Erst in den 1830ern wurde eine einfache Klappbrücke über der Hafeneinfahrt errichtet.

Im Jahr 1840 wurde das Hafenbecken noch einmal vertieft, allerdings wurde deutlich, dass die gesamte Hafenanlage eine grandiose Fehlplanung war. Das lag auch an der falsch konstruierten Hafeneinfahrt.

Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Westseite des Sicherheitshafens (1885), am heutigen Ebertplatz. Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, Public domain, via Wikimedia Commons

Hafeneinfahrt wird zum unüberwindbaren Nadelöhr

Während der überaus langen Bauzeit etablierte sich die Dampfschifffahrt auf dem Rhein. Die Schiffe wurden größer, und die schmale Hafeneinfahrt zum Sicherheitshafen entpuppte sich als unüberwindbares Nadelöhr. Diese Einfahrt stand senkrecht zum Rhein. Die starke Strömung des Rheins machte für die Schiffe ein Einfahrtsmanöver zu einem unkalkulierbaren Risiko.

Somit war der Hafen faktisch unbrauchbar. Auch die Rheinschiffahrts-Kommission bescheinigte, dass der Kölner Sicherheitshafen ganz unzulänglich und untauglich sei und der Bau eines ordentlichen Sicherheitshafens erforderlich ist.

Der "Allgemeine Anzeiger - Kölnische Handelszeitung" berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885
Der „Allgemeine Anzeiger – Kölnische Handelszeitung“ berichtet über die Bewertung der Rheinschiffahrts-Kommission zum Sicherheitshafen. Ausgabe Nr. 276 vom 25.11.1885

Mario Kramp schreibt dazu: „Wie man es drehte und wendete: In dem Augenblick, als der Sicherheitshafen endlich halbwegs fertiggestellt war, erkannte man, dass die ganze Anlage verfehlt und nicht mehr für moderne Erfordernisse herzurichten war.“4Kramp, Mario (2017)“Der ganze Bau stand von vornherein unter einem Unglücksstern.“. Der Sicherheitshafen: Köln und seine Großbaustelle 1788–1896. In: Geschichte in Köln, Zeitschrift für Stadt- und Regionalgeschichte (hrsg. Freunde des Kölnischen Stadtmuseums e.V.), Nr. 64

Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln
Diese Karte zeigt die schmale und fast in rechtem Winkel zum Rhein liegende Hafeneinfahrt des Sicherheitshafens. Bild: Historisches Archiv der Stadt Köln

Als Alternative entstand der Rheinauhafen. Dieser hat eine deutlich breitere Einfahrt (mehr als 21 Meter), und die Hafeneinfahrt liegt in einem deutlicher flacheren Winkel zum Rhein.

1895 wird das Hafenbecken zugeschüttet

Im Winter 1894/1895 haben die letzten Schiffe den Sicherheitshafen genutzt, das Hafenbecken versandete zunehmend und wurde zu einem Tümpel. Im Folgejahr wurde die Anlage komplett aufgegeben und das Hafenbecken verfüllt. Mit dem Abriss der Stadtmauer und der damit einhergehenden Stadterweiterung wurde der ehemalige Hafen zur größten Parkfläche entlang der Kölner Ringe umgewandelt.

Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei
Die Parkanlage auf dem ehemaligen Sicherheitshafen (um 1899), Bild: Rheinisches Bildarchiv Köln, gemeinfrei

Heute ist dieser Park auf der einen Seite eine grüne Oase in der Großstadt, auf der anderen Seite leider auch – zumindest bei gutem Wetter – beliebtes Aufenthaltsgebiet der kriminellen Szene am nahe gelegenen Ebertplatz. Trotzdem ist mit dem Park am Theodor-Heuss-Ring aus dem städtebaulichen Desaster „Sicherheitshafen“ zumindest noch etwas Gutes entstanden.

Ob es bei der Oper auch 80 Jahre dauern wird, bis trotz geschönter Kostenschätzungen, mangelnder Entschlusskraft, Unübersichtlichkeit der Verantwortlichkeiten, Planungsfehler, gegenseitigen Schuldzuweisungen und Wechsel in der Bauleitung etwas Gutes entsteht, ist noch offen.


Der "Kronleuchtersaal" unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Der „Kronleuchtersaal“ unter dem Theodor-Heuss-Ring, Bild: 1971markus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Der Kronleuchtersaal

Bei den Baumaßnahmen zur Verfüllung des alten Hafenbeckens wurde gleichzeitig ein noch heute genutztes Abwassersystem gebaut. Teil dieses Abwassersystems ist der seit 2004 unter Denkmalschutz stehende „Kronleuchtersaal“ (Ecke Theodor-Heuss-Ring und Clever Straße). Der Zugang zu diesem Saal ist direkt am Theodor-Heuss-Ring, etwa in Höhe der Hausnummer 19-21.

Seinem Namen verdankt dieser Abwasserkanal zwei Kronleuchtern. Es gibt Quellen, die besagen, dass diese Kornleuchter ein Geschenk von Kaiser Wilhelm II. an die Stadt Köln gewesen wären. Belegt ist das nicht und auch eher unwahrscheinlich: Es ist nur schwer vorstellbar, dass seine Majestät sich  ausgerechnet in einem Abwasserkanal „verewigen“ wollte. Wahrscheinlicher ist,  dass die Kölner diese zu Ehren des Kaisers aufgehangen haben.

Die Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln) bieten kostenlose  Führungen an. In ca. 30 Minuten  wird die Funktionsweise des Kanalsystems  erläutert. Man kann auch einen Blick in den Kronleuchtersaal werfen. Das ist aber nichts für Menschen mit sehr empfindlicher Nase – immerhin besichtigt man Abwasserkanäle.

Weitere Informationen zu diesen Touren gibt es auf der Website der Stadtentwässerungsbetriebe Köln (StEB Köln).


Der "Toto-Brunnen" am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel
Der „Toto-Brunnen“ am Theodor-Heuss-Ring, Bild: Uli Kievernagel

Der Toto-Brunnen – “Eine Brosche in der Wiese“

In dem Park befindet sich auch der „Toto-Brunnen“, etwa in Höhe Theodor-Heuss-Ring 13. Dieser Brunnen wurde 1953 von der Westdeutschen Fußball Toto GmbH gestiftet, deren Verwaltungssitz am Theodor-Heuss-Ring lag.

Der etwa 80 Quadratmeter große Brunnen erinnert – ganz im Stil der 1950er – an einen Nierentisch und stellt vier große Tropfen dar, aus denen früher Wasser sprudelte. Doch wegen regelmäßiger Defekte wurde der Brunnen in den 90er Jahren stillgelegt und von Pflanzen überwuchert.

Erst 2021 wurde der Brunnen saniert – allerdings ohne die Wasseranlage. Die Kosten von 300.000 zur Komplettsanierung waren der Stadt Köln zu hoch. Die „einfache Sanierung“ kostete nur 25.000 Euro.

Anton Bausinger, Vorsitzender des Verbandsbezirks Köln im Bauindustrieverband NRW, nennt diesen wasserlosen Brunnen prosaisch „eine Brosche in der Wiese“5Kölner Stadt-Anzeiger vom 8. Juni 2022. Dafür braucht man allerdings viel Phantasie – der Brunnen ohne Wasser wirkt eher wie eine beliebig zusammengestückelte Pflasterfläche.  


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Fronleichnams-Prozession „Mülheimer Gottestracht“: Wenn der Himmel den Rhein berührt

Die Mülheimer Gottestracht, eine Prozession, die auch auf dem Wasser stattfindet, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Mülheimer Gottestracht, eine Prozession, die auch auf dem Wasser stattfindet, Bild: Superbass, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Wenn an Fronleichnam die Schiffe bunt geschmückt über den Rhein schippern, Weihrauch durch die Gassen zieht und singende Menschen am und auf dem Rhein unterwegs sind, dann ist klar: Es ist wieder Zeit für die Mülheimer Gottestracht – eine der wohl außergewöhnlichsten Fronleichnamsprozessionen weit und breit. Und mit zahlreichen Begleitschiffen und Booten auch eine der größten Schiffsprozessionen auf einem Fluss.

Was wird an Fronleichnam gefeiert?

Fronleichnam ist ein katholisches Hochfest, bei dem die Gegenwart Christi in der Eucharistie gefeiert wird. Das klingt erstmal sehr kirchlich, bedeutet aber ganz einfach: Christen glauben, dass Jesus Christus in der geweihten Hostie, dem „Allerheiligsten“, anwesend ist.

Die Monstranz der Mülheimer Gottestracht, Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons
Die Monstranz der Mülheimer Gottestracht, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0 via Wikimedia Commons

Deshalb wird dieses „Allerheiligste“ nicht nur in der Kirche verehrt, sondern feierlich durch die Straßen getragen – in einer prachtvollen Monstranz1Die Monstranz ist ein kostbares liturgisches Schaugefäß. In der Monstranz wird in einem kleinen Fenster eine sogenannte konsekrierte Hostie zur Verehrung und Anbetung aufbewahrt. „Konsekriert“ bedeutet, dass die Hostie der Leib Christi ist. Deswegen sagt man auch „Allerheiligstes“ dazu. unter einem Traghimmel, begleitet von Gesang, Gebeten, Altären am Wegesrand – und in Mülheim sogar mit der großen Schiffsprozession auf dem Rhein.

Die Gottestracht – Mülheims ganz spezielles Fronleichnamsfest

In Mülheim hat Fronleichnam eine ganz besondere Form angenommen. Hier heißt die Prozession nicht einfach Fronleichnamsprozession, sondern Gottestracht – also wörtlich: „Das Tragen Gottes“.

Anders als klassische Prozessionen, die meist einen festen Weg von A nach B nehmen, ist die Mülheimer Gottestracht eine Rundprozession – zu Land und zu Wasser. Die Prozession startet an der Mülheimer Liebfrauenkirche. Dann zieht der Festzug durch das Veedel bis ans Rheinufer. Dort wartet schon ein großes Schiff aus der Flotte der Köln-Düsseldorfer Rheinschiffahrt. Auf diesem großen Schiff wird die Monstranz transportiert. Begleitet wird diese Schiffsprozession von etwa 100 weiteren Booten.

Der Schiffskorso der Mülheimer Gottestracht unter der Zoobrücke, Bild: Rolf Heinrich, Köln, via Wikimedia Commons
Der Schiffskorso der Mülheimer Gottestracht unter der Zoobrücke, Bild: Rolf Heinrich, Köln, via Wikimedia Commons

Der Schiffskorso gleitet feierlich stromaufwärts bis zur Zoobrücke und stromabwärts Richtung Stammheim – jeweils bis zu den alten Grenzen der Stadt Mülheim. Vom Rhein aus ergeht der Segen über „Strom und Land“.

Warum wird die Gottestracht auf dem Wasser gefeiert?

Dass die Prozession auch über den Rhein führt, hat nicht nur praktischen, sondern auch tief symbolischen Wert. Der Strom wird hier zum Zeichen für das Leben selbst – immer in Bewegung, verbindend, kraftvoll.

Auch vom Ufer aus verfolgen die Menschen die "M;ülheimer Gottestracht", Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Auch vom Ufer aus verfolgen die Menschen die „Mülheimer Gottestracht“, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Und so verbindet auch die Gottestracht die Menschen: Alt und Jung, Alteingesessene und Zugezogene, Menschen aus Köln und der ganzen Welt kommen zusammen, um Fronleichnam gemeinsam zu feiern.

Auf Spurensuche: Die alten Wurzeln der Prozession

Der Mülheimer Heimatforscher Norbert Krütt-Hüning hat fast 30 Jahre lang die Ursprünge der Gottestracht erforscht. Seine spannende These: Die Wurzeln reichen bis in vorchristliche Zeiten. Die Prozession folge auffällig genau den alten Grenzen Mülheims, vermutet Krütt-Hüning, und diene so  möglicherweise dem symbolischen Schutz des Orts.

Die Mülheimer Gottestracht auf einer Postkarte von 1906
Die Mülheimer Gottestracht auf einer Postkarte von 1906

Die Vorstellung, dass die Gottestracht ein Überbleibsel älterer, vielleicht germanischer, Rituale sein könnte, lässt aufhorchen. Zumindest seit dem 16. Jahrhundert ist belegt, dass das Heilige Sakrament durch Feld und Wald bis nach Dünnwald getragen wurde. Andere Quellen erzählen von alten Wegkreuzen, von Böllerschüssen in Buchheim, Stammheim und Schönrath, von langen Märschen durch den Weidenbruch – und immer wieder vom Rhein als zentralem Teil der Route.

Tatsächlich haben sich die Mülheimer mit der Eingemeindung im Jahr 1914 vertraglich zusichern lassen, dass die Stadt Köln für den Erhalt der Mülheimer Gottestracht eintritt.

Zeitungsanzeigen von Wirten speziell zur Mülheimer Gottestracht in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819
Zeitungsanzeigen von Wirten speziell zur Mülheimer Gottestracht in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819

Prozession wird auch zum Geschäft für die Wirte

Noch heute ist die Mülheimer Gottestracht ein echter Zuschauermagnet. Menschen stehen auf den Brücken und am Ufer und verfolgen diese ganz besondere Prozession. 

Es ist aber davon auszugehen, dass die Strahkraft dieser Veranstaltung vor etwa 200 Jahren noch wesentlich größer war.  So annoncierte der Wirt Johann Joseph Kellerhoven in der Kölnischen Zeitung vom 10. Juni 1819, dass er anlässlich der Prozession „mit gutem Weine, Maitrank, Kaffeee, Thee, Punsch und Schokolade“ seine Gästen aufwartet.   

Auch der Wirt des Lokals „Zur schönen Aussicht am Thürmchen“ inseriert zu diesem Anlass. Bei ihm gibt es neben feinem Kaffee und Weinwirtschaft auch eine „reinliche und prompte Bedienung“.

Für die Gläubigen mehr als ein folkloristisches Spektakel

Was heute wie ein folkloristisches Spektakel daherkommt, ist für viele Gläubige mehr als nur Brauchtum. Es ist Ausdruck von Hoffnung und Gemeinschaft. Oder, wie Pfarrer Stefan Wagner es ausdrückt: „Da, wo Menschen einander in Liebe und Gerechtigkeit begegnen, ist Gott selbst am Werk.“

Und so berührt vielleicht tatsächlich an Fronleichnam der Himmel den Rhein. In Mülheim.


Norbert Krütt-Hüning hat ein Buch über die Mülheim Gottestracht geschrieben.
Norbert Krütt-Hüning hat ein Buch über die Mülheim Gottestracht geschrieben.

Buch: „Die Bedeutung der Gottestracht für Mülheim am Rhein“

Wer mehr über die Geschichte der Gottestracht erfahren möchte, sollte einen Blick in das Buch „Die Bedeutung der Gottestracht für Mülheim am Rhein“ von Norbert Krütt-Hüning werfen. Das Buch ist für 18 Euro direkt beim Autor erhältlich (kruett@web.de). Ein echtes Stück kölscher Heimatforschung.


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Ein paar Fragen an Louise Farina – Zwischen Tradition & Innovation

Louise Farina vertritt die 9. Generation der Familie Farina, Bild: Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH
Louise Farina vertritt die 9. Generation der Familie Farina, Bild: Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

 

 

Farina – was für wohlklingender – und vor allem wohlriechender – Name: Die Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH ist die älteste bestehende Eau-de-Cologne- und Parfüm-Fabrik der Welt. Tatsächlich wurde das Eau-de-Cologne hier erfunden.

Das Unternehmen ist seit der Gründung 1709 im Familienbesitz. Noch leitet Johann Maria Farina in 8. Generation das Unternehmen. Doch mit Louise Farina steht bereits die 9. Generation bereit, um nach und nach die Leitung des Unternehmens zu übernehmen. Ein Novum in der über 300jährigen Tradition: Zum ersten Mal wird eine Frau an der Spitze des Unternehmens stehen, welches ursprünglich mit der „Ziffer 1“ im Kölner Unternehmensregister stand.

Das Farina-Stammhaus am prominenten Platz gegenüber dem Jülichs-Platz, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH
Das Farina-Stammhaus am prominenten Platz gegenüber dem Jülichs-Platz, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

Intensive Vorbereitung

Louise tritt ihre Aufgabe nicht unvorbereitet an: Nach einem Bachelor in Chemie an der Kölner Universität hat sie in Grasse und Paris zwei Jahre Parfümerie und ein Jahr in Padua Betriebswirtschaftrslehre studiert. 

Aktuell ist sie als „Head of Innovation and Development“ damit beschäftigt, die Marke Farina in die Zukunft zu führen. Gleichzeitig entwickelt sie auch eigene Düfte und bringt neue Ideen in die Vermarktung von Farina ein. Dazu gehört auch das neue Angebot der Duftseminare.

Die neuen Duftseminare – das Fragrance Atelier von Farina

Wo einst der Ursprung des berühmten Eau de Cologne liegt, entsteht nun ein neues, sinnliches Erlebnis: Farina öffnet die Türen zu dem brandneuen Duftatelier – einem Ort, an dem Duftgeschichte lebendig wird und Kreativität freien Lauf hat.

In den Farina-Duftseminaren können Besucher unter Anleitung ihre eigenen Düfte komponieren. Bild: Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH
In den Farina-Duftseminaren können Besucher unter Anleitung ihre eigenen Düfte komponieren. Bild: Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

Unter fachkundiger Anleitung tauchen Besucher in die faszinierende Welt der Parfumkunst ein. Sie lernen, wie Düfte komponiert werden, erfahren Spannendes über Duftfamilien und erschaffen am Ende ihre ganz persönliche Komposition.

Der individuell kreierte Duft – 50 ml eigene Kreativität – darf mit nach Hause genommen werden. Ein besonders Andenken an ein Erlebnis, das Tradition und Innovation auf duftende Weise vereint. Weitere Informationen gibt es dazu auf der Website des  Fragrance Atelier von Farina

Louise im Podcast

Frank und Uli vom Köln-Ding der Woche haben mit Louise unter anderem über

  • die Vergangenheit – mehr als 300 Jahre Farina,
  • die Gegenwart – Herausforderungen in der von Baustellen geprägten Innenstadt und
  • die Zukunft – Louises eigene Duft-Serie und das neue Duftatelier

gesprochen. 

 

 
 

Genau wie alle anderen Menschen in der Rubrik „Ein paar Fragen an …“ hat auch Louise Farina zu unseren „kölschen Fragen“ Rede und Antwort gestanden.

Diese Frage bekommst nur du gestellt, die haben wir noch keinen anderen gestellt: Nach was riecht Köln?

In diesem Haus riecht es nach unseren wunderbaren Düften, draußen riecht Köln nach Kölsch.

Wenn nicht Köln – wo sonst könntest du wohnen? Und warum gerade dort?

Das ist eindeutig Paris, die, wenn es um Kunst und Kultur geht, schönste Stadt der Welt

Welche kölsche Eigenschaft zeichnet dich aus?

Ich denke, das ist Weltoffenheit. Bei uns im Haus arbeiten Menschen aus ganz vielen Nationen und Altersklassen zusammen. Wir sind also eine sehr ganz bunte Mischung und darüber bin ich sehr froh

Nenne ein/zwei/drei Gründe, warum man Köln morgen verlassen sollte.

Ich kenne nur einen Grund: Dann kann man wiederkommen.

Was würden du morgen in unserer Stadt ändern?

Darüber könnte ich länger reden, aber um es auf den Punkt zu bringen: Die Verkehrspolitik.1Zum Hintergrund: Das Farina Haus ist seit Jahren „eingezwängt“ in ein Baustellenchaos. Bei uns sind während Corona die gesamten Parkplätze vor der Tür weggefallen, wofür ich ja noch Verständnis habe. Das schafft Platz für die vielen Menschen, die hier vorbeikommen, da müssen dann keine Autos auf der Straße stehen. Da aber der Lieferverkehr im selben Zuge weggefallen ist, können wir – und die anderen Läden – zu keiner Uhrzeit, an keinem Tag der Woche irgendwas anliefern lassen. Das führt dazu, dass ich jeden Tag mit dem Ordnungsamt verhandeln muss, wenn angeliefert wird.

Wo ist dein Lieblingsplatz in Köln?

Das ist die Aachener Straße direkt am Rudolfplatz mit den vielen Cafés und Bistros. Da sitze ich sehr gern.

Welche KölnerInnen haben dich beeinflusst / beeindruckt? Du darfst aber jetzt keine Familienmitglieder nennen!

Wenn ich ein Familienmitglied nennen dürfte, dann wäre das meine Großmutter Tina Farina. Außerhalb der Familie ist das Dr. Nicole Grünewald, die IHK-Präsidentin.

Was machst du zwischen Weiberfastnacht und Aschermittwoch?

Karneval feiern.

Was machst du zwischen Aschermittwoch und Weiberfastnacht?

Arbeiten.

Rievkooche, Klaus Steves / pixelio.de
Knusprige Rievkooche sind Louises kölsches Lieblingsessen, Bild: Klaus Steves / pixelio.de

Was ist dein kölsches Lieblingsessen?

Ganz ehrlich: Eigentlich esse ich lieber italienisch. Wenn es etwas aber etwas kölsches sein soll, dann gerne Rievkooche.

Wat hät für dich noch immer jood jejange?

Alles.

Dein Lieblingsschimpfwort auf Kölsch?

Su ene Driss – aber wenn ich mal schimpfe, dann eigentlich immer auf hochdeutsch.

Ein Blick in das Farina-Duftmuseum, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH
Ein Blick in das Farina-Duftmuseum, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

Wo drüber laachs de dich kapott?

Ich lache mich regelmäßig kaputt, wenn wir asiatische Schulklassen bei uns im Museum haben. Dann müssen schnellstmöglich alle Mitarbeiter in das Museum und versuchen, die Schüler davon abzuhalten, alles, also wirklich alles anzufassen und zu öffnen. Dann ist bei uns Ausnahmezustand. Dieses Chaos und die Panik in den Augen der Mitarbeiter zu sehen, ist schlichtweg komisch.

Bitte vervollständige den Satz: Köln ist …

… die Heimat des Eau de Cologne.


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Kölsche Tön: „Die hinger de Jardinge ston un spinxe“ – eine Anklage gegen Denunziation

Denunzianten stehen hinter Gardinen und hören mit, Bild: KI-generiert mithilfe von ChatGPT
Denunzianten stehen hinter Gardinen und hören mit, Bild: KI-generiert mithilfe von ChatGPT
Denunzianten stehen hinter Gardinen und hören mit

Als Jupp Schlösser und Gerhard Jussenhoven „Die hinger de Jardinge ston un spinxe“1Die hinter den Gardinen stehen und heimlich schauen im Jahr 1937 veröffentlichten, wirkte dieses Lied auf den ersten Blick wie ein typischer Karnevalshit: Ein harmloses Liedchen über neugierige Nachbarn, die ungesehen hinter den heimischen Gardinen stehen, alles mitbekommen, was in der Nachbarschaft läuft und diesen Klatsch & Tratsch brühwarm weitererzählen:

Dat dat Müllers Kätt ne Neue hät,
dat d’r Nubbels Chress gän Päädcher wett,
dat d’r Schmitz schon hätt sing dritte Frau,
wessen se ganz jenau.2Dass Käthe Müller einen Neuen hat,
dass Christian gerne auf Pferdewetten setzt,
dass Herr Schmitz schon die dritte Frau hat,
das wissen sie alles ganz genau.

Kritik an dem System der Überwachung

Doch wer genauer hinhört, erkennt schnell: Dieses Lied ist alles andere als harmlos. Es handelt sich um eine subtile Kritik an dem System der Überwachung und Denunziation im nationalsozialistischen Staat.

Die scheinbar harmlose Alltagsbeobachtung, dass Nachbarn alles mitbekommen, wird hier zur Anklage gegen die Schattenseite menschlicher Neugier. Denn 1937, als das Lied geschrieben und aufgeführt wurde, war Deutschland längst zu einem totalitären Überwachungsstaat geworden. Die Nationalsozialisten hatten ein Klima des Misstrauens und der Angst geschaffen, in dem eine unbedachte Bemerkung, ein falscher Blick oder ein Witz massive Konsequenzen haben konnte – nicht wegen offizieller Spitzel, sondern durch die Menschen, die „hinger de Jardinge ston“, die mithörten, meldeten und denunzierten.

Der Blockwart hört mit

Zentrale Figur dieser alltäglichen Bedrohung war der Blockwart – das verlängerte Ohr des Regimes im Wohnviertel. Aber mindestens genauso gefährlich waren oft die ganz normalen Nachbarn, Kollegen oder selbst Familienangehörige. Die Gestapo (Geheime Staatspolizei) nutzte ein engmaschiges Spitzelnetz aus der Bevölkerung.

Zwischen 1933 und 1945 waren es häufig eben jene „die hinger de Jardinge ston un spinxe“ die die Nachbarn, natürlich anonym, anzeigten, sei es aus Überzeugung, Angst, Opportunismus oder persönlicher Rache.

Der "Blockwart" war in der Zeit des Nationalsozialismus die rangniedrigsten Funktionsträger der NS-Partei, zuständig für die kleinteilige Kontrolle, Bespitzelung und Indoktrinierung der Bevölkerung. Bild: Stefan Kühn, CC0, via Wikimedia Commons
Der „Blockwart“ war in der Zeit des Nationalsozialismus die rangniedrigsten Funktionsträger der NS-Partei, zuständig für die kleinteilige Kontrolle, Bespitzelung und Indoktrinierung der Bevölkerung. Bild: Stefan Kühn, CC0, via Wikimedia Commons

In dieser Atmosphäre ein Lied aufzuführen, das genau diese Kultur der stillen Beobachtung und Weitergabe von Informationen aufs Korn nimmt, war von Jupp Schlösser und Gerhard Jussenhoven ein riskanter Akt der Zivilcourage. Hier wird, verkleidet in die Ironie des Karnevals der gefährliche Alltag in einer Diktatur entlarvt.

Tarnung durch Alltagsbezug

Der Text des Lieds bedient sich einer Sprache, die genug Alltagsbezug bietet, um offiziell als unpolitisch zu gelten, aber zwischen den Zeilen eine Botschaft transportiert: Achtung, überall wird geguckt, gespitzelt, notiert – und vielleicht auch gleich gemeldet.

Die Melodie ist beschwingt, der Rhythmus tänzerisch, die Sprache volkstümlich. Doch genau das war Teil der Strategie: Humor als Schutzschild, Musik als Ventil, Doppeldeutigkeit als Möglichkeit, Kritik zu üben. Jussenhoven sagte rückblickend: „Wir waren uns bewusst, dass es nicht ungefährlich war. Aber bei allen Aufführungen haben die anwesenden Nazi-Oberen immer fleißig mitgesungen.“3Begleitheft zum Programm der Bläck Fööss „Usjebom & Opjebaut – 80 Jahre Kriegesende in Köln“, Begleittexte von Wolfgang Oelsner, Köln, 2025. Allerdings sollte man auch wissen, dass Gerhard Jussenhoven am 1. Mai 1937 der NSDAP beitrat.4Mitgliedsnummer 5.945.797, Quelle: Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/18760941.

Auszug aus der Entnazifizierungsurkunde von Gerhard Jussenhoven. Er wurde in die Kategorie V "Entlastete: Personen, die vor einer Spruchkammer nachweisen konnten, dass sie nicht schuldig waren." eingeordnet.
Auszug aus der Entnazifizierungsurkunde von Gerhard Jussenhoven. Er wurde in die Kategorie V „Entlastete: Personen, die vor einer Spruchkammer nachweisen konnten,
dass sie nicht schuldig waren.“ eingeordnet.

Denunziation als Waffe

Im Nationalsozialismus wurde Denunziation zum Herrschaftsinstrument. Eine Bemerkung über Hitler, ein Witz über die Wehrmacht, das Lauschen ausländischer Radiosender oder das Verstecken jüdischer Nachbarn – all das konnte durch eine einfache Anzeige den Weg ins KZ oder zum Volksgerichtshof bedeuten. Und wer denunziert wurde, hatte selten eine Chance auf Gerechtigkeit.

Und so zeigt das Lied „Die hinger de Jardinge ston un spinxe“ nicht nur die typischen „Spökes“5spaßhafter Unsinn des kölschen Alltags, sondern stellt auch eine Warnung dar: Vor dem Menschen, der hinter der Gardine steht, und alles hört. Vor der Macht der kleinen Bosheit. Vor dem stillen Mitläufertum, das das Rückgrat jeder Diktatur bildet.

Kölscher Humor als Widerstand

Im Nationalsozialismus wurde der Kölner Karneval gleichgeschaltet und ideologisch vereinnahmt. Die NSDAP übernahm Kontrolle über Karnevalsvereine, jüdische Mitglieder wurden ausgeschlossen. Politische Kritik war verboten, viele traditionelle Elemente wurden angepasst oder entfernt.

Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper
Fritz Bilz: Unangepasst und widerborstig: Der Kölner Karnevalist Karl Küpper

Dennoch nutzten einige Künstler den Karneval, um in Liedtexten und Büttenreden offen oder versteckt Kritik zu üben. Der bekannte Kölner Bütttenredner Karl Küpper opponierte offen das Regime – und wurde dafür zusammengeschlagen und mit einem Auftrittsverbot belegt.

Die Zeit des Spitzeltums ist nicht vorbei

Dieses scheinbar harmlose Lied erinnert daran, wie dünn die Linie zwischen Nachbarschaftsneugier und gefährlichem Mitwissen ist. Und es warnt, wie leicht ein gesellschaftliches Klima entstehen kann, in dem Beobachten zur Kontrolle, Klatsch zur Anklage und Gucken zur Gefahr wird.

Denn selbstverständlich konnten Schlösser und Jussenhoven nicht ahnen, dass sich das Spitzeltum nicht nur im Nationalsozialismus etablierte, sondern auch im DDR-Unrechtsstaat. Beide Systeme – NS-Regime und die DDR – setzten stark auf gesellschaftliche Kontrolle durch Überwachung und Denunziation, oft durch ganz normale Bürgerinnen und Bürger. In der DDR waren dies bis zu 200.000 „Inoffizielle Mitarbeiter“ (IM) der Staatssicherheit, die auch „hinger de Jardinge ston“ und anschließend Meldung machten. Und auch in der durch einen Präsidenten Trump in den USA umgewandelten Gesellschaft ist die Denunziation nicht mehr weit.

Deshalb muss für unsere Gesellschaft gelten:
Kein Fußbreit den Faschisten! 


Die hinger de Jardinge ston un spinxe
(Text: Jupp Schlösser, Musik: Gerhard Jussenhoven, 1937)

Jede Minsch dä hätt sing Eigenaat,
dä spillt Lotterie und dä spillt Skat.
Widder and’re dun jett för ihr Wohl
drinke jähn Alkohol.

Vill die süht mer strebe ohne Rass,
and’re han am Schreberjade Spaß.
Doch se allemole han zoletz
doch e goldich Hätz.

Nur eine Minscheschlag
för däm nemm dich en aach:

Die hinger de Jardinge ston und spinxe,
dat sin de schlächste Minsche.
Se dauge nit, du kanns drop jon,
die hinger de Jardinge ston.

Dat dat Müllers Kätt ne Neue hät,
dat d’r Nubbels Chress gän Päädcher wett,
datt d’r Schmitz schon hätt sing dritte Frau,
wessen se ganz jenau.

Dröm loss et kumme wie et kütt,
an die Minsche stüre mer uns nit,
denn et jitt noch ein Jerechtigkeit,
die se all strofe deit.

Freue dun mer uns op Kölsch Aat,
richtig weed noch ens d’r Jeck jemaat,
denn wenn mer uns freue wat mer dun,
dat darf jeder sinn!

Et dun en Wirklichkeit
uns doch die Minsche leid:

Die hinger de Jardinge ston und spinxe,
dat sin de schlächste Minsche.
Se dauge nit, du kanns drop jon,
die hinger de Jardinge ston.


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Kölner Stadtteile: Zollstock – das Maß aller Dinge! Mit LIVE-Podcast.

Das Zollstockwappen: Unter den Drei Kronen des Kölner Wappens ist der Zollstock, das Zollhäuschen und das Pflaster des Zollstockswegs abgebildet.
Das Zollstockwappen: Unter den Drei Kronen des Kölner Wappens ist der Zollstock, das Zollhäuschen und das Pflaster des Zollstockswegs abgebildet.

Wenn es bei der Kölner Fortuna im Südstadion gut läuft, erschallt neben den obligatorischen „Fortuna“-Rufen auch „Zollstock ist das Maß aller Dinge.“ Was zunächst vermessen scheint, ist aber tatsächlich die Wahrheit: Mit einem Zollstock lassen sich alle beliebigen Dinge vermessen. Nur hat der Name des Kölschen Veedels Zollstock nichts mit dem gleichnamigen Gliedermaßstab zu tun, sondern mit einer ehemaligen Zollgrenze.

Zollgrenze zwischen erzbischöflichem Gebiet und der freien Reichsstadt Köln

Bevor der eigentliche Stadtteil entstand, fanden sich auf dem Gebiet des heutigen Zollstocks nur Kappesboore1Bauern, die Kohl anbauen. und, dank des lehmreichen Bodens, einige Ziegeleien. Erst 1877 findet sich die erste Erwähnung des Ortsnamens Zollstock in „Grevens Adressbuch“. Doch den eigentlichen Zollstock, welcher die Zollgrenze bildete, gab es bereits etwa 100 Jahre früher.

Schon seit etwa 1770 wurden vor den Stadttoren der Stadt Köln Schlagbäume aufgestellt. Die Zollgrenze bildete der Bischofsweg. Dieser Bischofsweg2Nicht zu verwechseln mit dem heutigen Bischofsweg als Verbindung zwischen Bonner Straße und Vorgebirgsstraße. lief einmal rund um die damalige Stadt Köln und markierte die Grenze zwischen der Reichsstadt Köln und den vom Erzbischof kontrollierten Territorien, abgegrenzt durch Schlagbäume. Auch im heutigen Zollstock befand sich ein solcher Schlagbaum.

Der Bischofsweg folgt im Abstand der Stadtmauer und "umrundet" die Stadt Köln, Bild: Schweidkarte aus dem 17. Jahrhundert.
Der Bischofsweg folgt im Abstand der Stadtmauer und „umrundet“ die Stadt Köln, Bild: Schweidkarte aus dem 17. Jahrhundert.

Zuerst wenig wohnliche Gegend, später „Schutzmannshausen“

Ab ca. 1815/16 gehörte das heutige Zollstocker Gebiet zur Bürgermeisterei Rondorf. Die Lehmhütten in Zollstock und die Kiesgruben führten dazu, dass es in Zollstock, so der Bürgerverein Zollstock, „aussah wie eine Mondlandschaft: Brachgelände, Mulden, Erdhügel, einige größere Gruben am Gottes- und Zollstocksweg reichten sogar bis aufs Grundwasser.“

Verständlich, dass sich hier zunächst nur wenige Menschen niederlassen wollten. So wurden für das Jahr 1880 gerade einmal 102 Einwohner verzeichnet. Im Zuge der zahlreichen Eingemeindungen im Jahr 1888 wurde der Stadtteil nach Köln eingemeindet – ein Glücksfall für Zollstock. Denn mit dieser Eingemeindung siedelten sich zahlreiche Unternehmen und damit auch deren Arbeitnehmer an.

So begann Zollstock ab dem Jahr 1900 massiv zu wachsen. Zahlreiche Wohnungsbaugenossenschaften errichteten Siedlungsbauten, vorrangig für Beamte. Schnell bürgerte sich daher der Begriff „Schutzmannshausen“ ein. Diese Wohnhäuser, unter anderem auch von Wilhelm Riphahn, prägen noch immer das Zollstocker Stadtbild. Heute leben mehr als 23.000 Menschen in diesem Stadtteil.

Die von dem renommierten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn 1927-30 konzipierte Wohnsiedlung in Zollstock, Bild: Asperatus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Die von dem renommierten Kölner Architekten Wilhelm Riphahn 1927-30 konzipierte Wohnsiedlung in Zollstock, Bild: Asperatus, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Straßenbahn selber bezahlt?

Zollstock ist durch die Straßenbahnlinie 12 angebunden. Karlheinz Steimel, Vorsitzender des Zollstocker Bürgervereins im Jahr 2008, stellte klar, dass Zollstocker Geschäftsleute und Bürger schon ab 1900 für eine Anbindung ans Straßenbahnnetz kämpften. Doch der Bau der Straßenbahn wurde von der Stadt erst beschlossen wurde, nachdem die „Vereinigung der Fabrik-, Haus- und Grundbesitzer von Köln Zollstock“ 50.000 Goldmark dafür gesammelt hatte.

Angeblich hätten die Zollstocker 1904 als einziger Stadtteil für die Schienen der Straßenbahn selber zahlen müssen.

Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die Linie 12, im Hintergrund die typischen Zollstocker Genossenschaftsbauten, Bild: Qualle, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

„Man muss ja auch nicht alles glauben, was man so hört … – mer kann et ävver jot wigger verzälle!“, so der Ur-Zollstocker, Stadtführer, Buchautor und Liedermacher Günter Schwanenberg zu der „Ortslegende“ rund um die bezahlte Straßenbahn. Tatsächlich, so Schwanenberg, wurden wohl auch andere Stadtteile zur Kasse gebeten.

Kölns größer Friedhof liegt in Zollstock

Die Endhaltestelle der Zollstocker Straßenbahnlinie 12 ist heute an Kölns größtem Friedhof, dem Südfriedhof. Auch wenn die Promi-Dichte nicht so hoch ist wie auf dem Melatenfriedhof, haben auf dem Südfriedhof eine ganze Reihe bekannter Kölner ihre letzte Ruhe gefunden. Und da das Villenviertel Marienburg zum Beerdigungsbezirk des Südfriedhofs gehört, gibt es auch hier eine kleine „Millionenallee“. 

Licht und Schatten auf dem Kölner Südfriedhof, Bild: Thomas Salditt
Licht und Schatten auf dem Kölner Südfriedhof, Bild: Thomas Salditt

Der eher an einen Park erinnernde Friedhof, eröffnet am 1. April 1901, weist nicht das typische schachbrettartige Muster von Friedhöfen auf. Die bogenförmig angelegten Wege des ältesten Teils des Friedhofs laden dazu ein, nicht systematisch über das Gelände zu gehen. Eher lässt man sich treiben, erkundet auch kleinere Gräberfelder.

Indianer mitten in der Stadt?

Eine Besonderheit ist die sogenannten „Indianersiedlung“ in Zollstock. Auf einem Gelände in der Nähe des Südfriedhofs wurden Ende der 1920er Jahre für bedürftige Menschen Behelfssiedlungen zugelassen. Die Auflagen für den Bau waren, um die Kosten möglichst niedrig zu halten, sehr gering. Allerdings musste schnell nach Erteilung eines „Bauscheins“ mit dem Bau begonnen werden. Wie und was gebaut wurde, wurde den Bauherren überlassen.

So entstanden sehr individuelle Bauten, die nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Flüchtlingen und später von Studenten, die alternative Wohnformen suchten, genutzt wurden. 

Doch schon seit den 1960er Jahren wurde über eine Erweiterung des Südfriedhofs nachgedacht. Dafür wurden die sich im städtischen Besitz befindlichen Parzellen der Indianersiedlung geräumt, berichtet der ausgewiesene Zollstock-Kenner Günter Schwanenberg. Die Parzellen, die sich im Besitz der Bahn befanden, blieben unangetastet.

Die Indanersiedlung in Köln-Zollstock, Bild: Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Die Indanersiedlung in Köln-Zollstock, Bild: Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Allerdings waren die Hippies und Kommunarden in der Siedlung von Seiten der Stadt wenig erwünscht. Daher beschloss man 1978 eine Änderung des Flächennutzungsplans: Die Indianersiedlung sollte verschwinden, stattdessen sollte der Südfriedhof vergrößert und auch Gewerbeflächen angeboten werden. Doch die Siedler zeigten sich wehrhaft und organisierten sich erfolgreich. Sie gründeten eine Genossenschaft und kauften das Gelände Ende der 1990er Jahre.

Der Begriff „Indianersiedlung“ stammt von dem Autor Hans Conrad Zander, ebenfalls Bewohner dieser Siedlung. Er besuchte Indianer-Reservate und stellte Ähnlichkeiten mit der Siedlung in Zollstock fest. Diese sei, so Zander, ähnlich eigenwillig und naturverbunden und er prägte daher den Begriff „Indianersiedlung“.

Das Kölner Südstadion, Bild: Uli Kievernagel
Das Kölner Südstadion, Bild: Uli Kievernagel

Denn Fortuna, dat simmer all he

Auch wenn sich der SC Fortuna Köln immer als „Südstadtverein“ präsentiert: Tatsächlich liegen Stadion und Geschäftsstelle in Zollstock. Wenn die Vereins-Hymne am Spieltag durch das Stadion an der Vorgebirgsstraße schallt und sich alle bei „Dausend Fahne, nur ze ahne“ in den Armen liegen, ist allen leidgeprüften Fortuna-Fans klar, dass es irgendwann so weit sein wird:

Eines Tages wird’s geschehen,
ja dann fahren wir nach Mailand,
um Fortuna Köln zu sehen.“

Aus & für Zollstock: In diesem Veedel ist man bestens organisiert!
Aus & für Zollstock: In diesem Veedel ist man bestens organisiert!

Zollstocker sind gut organisiert!

Auch unabhängig von den „Indianern“ zeigt sich Zollstock sehr gut organisiert. Nicht nur wegen des Bürgervereins Zollstock, immerhin einer der größten und ältesten Bürgervereine Kölns, sondern auch wegen zahlreicher Initiativen und Vereine wie zum Beispiel

 
Der idyllische Kalscheurer Weiher, links befinden sich Büdchen und Bootsverleih, Bild: Unclesam999, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der idyllische Kalscheurer Weiher, links befinden sich Büdchen und Bootsverleih, Bild: Unclesam999, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Einer der schönsten Biergarten Kölns befindet sich in Zollstock, am Kalscheurer Weiher. Im Grüngürtel betreibt eine Bürgerinitiative seit ein paar Jahren liebevoll ein Büdchen, für welches mehr als 40.000 Euro an Spenden eingeworben und viele tausend Stunden ehrenamtlicher Arbeit geleistet wurden. Für die Freizeitkapitäne gibt es einen Bootsverleih.

Zollstock aus Zollstock

Und wie war das jetzt mit „Maß aller Dinge“? Der Zollstocker Bürgerverein hat das mit dem „Zollstock aus Zollstock“ wörtlich genommen und zum 111jährigen Jubiläum tatsächlich einen Zollstock mit dem Zollstocker Wappen produzieren lassen.

Der „Zollstock aus Zollstock“ vom Allgemeinen Bürgerverein Zollstock e.V.
Der „Zollstock aus Zollstock“ vom Allgemeinen Bürgerverein Zollstock e.V., Bild: Uli Kievernagel

Jood jemaht!


111 Jahre Allgemeiner Bürgerverein Zollstock

Zum 111jährigen Jubiläum im Jahr 2019 hat der Allgemeine Bürgerverein Zollstock eine Festschrift herausgegeben. Der Ur-Zollstocker Günter Schwanenberg hat die Geschichte des Bürgervereins, die untrennbar mit der Geschichte des Veedels verbunden ist, aufgearbeitet.

Anders als übliche Festschriften, die oft nur aus Werbung des lokalen Einzelhandels bestehen, hat Schwanenberg akribisch, zum Teil kritisch, aber immer mit einem Augenzwinkern die 111 Jahre des Bürgervereins in 52 äußerst lesenswerte Seiten gefasst.


Der Theophanoplatz mitten in Zollstock, Bild: Quadworks, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Der Theophanoplatz mitten in Zollstock, Bild: Quadworks, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Zollstock: „Du häs Charme, ävver kei Minsch erkennt dat“

Die Bläck Föös haben neben der Fortuna-Vereinshymne auch noch einen zweiten Titel zu Zollstock im Repertoire. Im Lied „Zollstock“ aus der Feder von Hans Knipp heißt es:

Du liss janz noh bei d`r Maathall,
wick vun Amsterdam Rio un Rom,
m‘r läuf verdammp lang bes noh Knapsack
un och e joot Stöck bes zom Dom.

Joot versteck zwesche drei Täler,
Linden-, Bayen- un Raderthal,
recks Du Dich däm Himmel entjäje,
doch däm es dat völlich ejal.

Refrain:
Zollstock, Zollstock, Zollstock,
en Zollstock es et su schön.
Ding Kirche, Kneipe un Parkplätz,
ding Schreberjäde su jrön.

Zollstock, Zollstock, Zollstock, Zollstock,
die Melodie en mir klingk.
Dä kann sich jlöcklich schätze,
dä Dich om Stadtplan fingk.

Et Eifeltor es di Hätzstöck,
häs ne Friedhof, su still un su jroß.
Du häs Charme, ävver kei Minsch erkennt dat,
doch dat määt dir hätzlich winnich us.

Ding Mädche, die laache am Morje,
se laache d’r janze Daach,
se laache och noch am Ovend,
mein Jott, se laachen och de janze Naach.

Refrain:
Zollstock, Zollstock, Zollstock…

Du woods noch niemols besunge,
wä will, dä soll dat verston.
Do es noch kei Minsch drop jekumme,
dobei häs Du doch keinem jet jedon.

Ich ben leider nit he jebore,
ich kumm nur janz selden he hin.
Doch eine letzte Wunsch, dä hätt ich,
deef en Zollstock bejrave ze sin.

Refrain:
Zollstock, Zollstock, Zollstock…

Zollstock, Zollstock, Zoll- Zoll- Zollstock
E besje bes de wie ich
Ich kenne su- u – vill Minsche,
ävver keiner kennt mich.

Weißes Schiff, bring mich nach Zollstock
in die Heimat zurück.
Ich ston om Mond un luur op Zollstock.
Wann kütt die 12, ich muss noh Zollstock.
Zollstock, Zollstock schlof joot.


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Kölner Zionisten – Wegbereiter des jüdischen Staates

Delegation der Zionisten die am 2. November 1898 mit Kaiser Wilhelm II. auf dessen Palästinareise zusammentraf. Links die beiden Kölner Max Isidor Bodenheimer und David Wolffsohn, rechts von ihnen Theodor Herzl, Moses Schnirer und Joseph Seidener, Bild: gemeinfrei
Delegation der Zionisten, die am 2. November 1898 mit Kaiser Wilhelm II. auf dessen Palästinareise zusammentraf. Links die beiden Kölner Max Isidor Bodenheimer und David Wolffsohn, rechts von ihnen Theodor Herzl, Moses Schnirer und Joseph Seidener, Bild: gemeinfrei

Gastautorin dieses Artikels ist meine Stadtführer-Kollegin Irena Okoh. Sie ist als Stadtführerin in Köln und Leipzig tätig. Seit 2013 gehört sie zum Team von Rhenania Judaica, einer Gruppe von Stadtführerinnen und Stadtführern, die Touren zur jüdischen Geschichte in Köln und im Rheinland anbietet.

Das Team von Rhenania Judaica, von links: XX, YY, ZZ, AA, BB
Ein Teil des Teams von Rhenania Judaica, von links: Gerd Buurmann, Tal Kaizman (Gründerin), Ulla Mialkas, Irena Okoh, Anja Broich

Die „Kölner Thesen“ 

Im Jahr 1896 wurden die sogenannten Kölner Thesen veröffentlicht – ein frühes zionistisches Manifest, welches von Dr. Max Bodenheimer, David Wolffsohn und Moritz Levy Jr. im Namen der National-Jüdischen Vereinigung Köln unterzeichnet wurde. Darin heißt es:

„Die staatsbürgerliche Emancipation der Juden innerhalb der anderen Völker hat (…) nicht genügt, um die soziale und kulturelle Zukunft des jüdischen Stammes zu sichern, daher kann die endgültige Lösung der Judenfrage nur in der Bildung eines Staates bestehen; denn nur dieser ist in der Lage, die Juden als solche völkerrechtlich zu vertreten und diejenigen Juden aufzunehmen, die in ihrem Heimatland nicht bleiben können oder wollen. Der natürliche Mittelpunkt für diesen auf legalem Wege zu schaffenden Staat ist der historisch geweihte Boden Palästinas.“

Diese Thesen beeinflussten das Basler Programm, das auf dem 1. Zionistenkongress 1897 unter Leitung von Theodor Herzl verabschiedet wurde. Köln wurde damit zu einem ideellen Ausgangspunkt für den politischen Zionismus.

Was ist Zionismus?

Das Basler Programm beschreibt den Zionismus als Bestreben, „eine öffentlich-rechtlich gesicherte Heimstätte in Palästina für diejenigen Juden zu schaffen, die sich nicht anderswo assimilieren können oder wollen.“

Anfangs war die Bewegung in Deutschland klein und umstritten. Viele deutsche Juden sahen sich nach ihrer rechtlichen Gleichstellung 1871 als voll integrierte Bürger. Nach Jahrhunderten von Verfolgung hielten sie sich für endlich in Deutschland angekommen. Warum sollten sie Auswanderung unterstützen?

Die Max-Bodenheimer-Gedenktafel in der Richmodstraße, Bild: John Sykes
Die Max-Bodenheimer-Gedenktafel in der Richmodstraße, Bild: John Sykes

Max Bodenheimer beschrieb mehrere Versammlungen vor jüdischem Publikum mit vaterländischer Gesinnung, in denen seine zionistischen Vorträge lautstark gestört wurden, in Elberfeld sogar durch Absingen des Deutschlandlieds. Erst nach der Machtübergabe an die Nationalsozialisten wuchs infolge der judenfeindlichen Politik das Interesse am Zionismus.

Die israelische Flagge wurde von einem Kölner entworfen.

David Wolffsohn wurde zu einem der engsten Vertrauten von Theodor Herzl. Er half ihm bei der Vorbereitung des 1. Zionistenkongresses. Den Saal ließ er mit einer Flagge schmücken, die dem Tallit, dem jüdischen Gebetsschal, nachempfunden war, auf die ein Davidstern abgebildet ist.

Die Flagge Israels besteht aus einem zentral angeordneten blauen Davidstern zwischen zwei waagerechten blauen Streifen auf weißem Grund.
Die Flagge Israels besteht aus einem zentral angeordneten blauen Davidstern zwischen zwei waagerechten blauen Streifen auf weißem Grund.

1948 wurde sie erstmals in Palästina gehisst und im gleichen Jahr offiziell als Flagge des jüdischen Staates bestätigt. Nach Herzls frühem Tod wurde Wolffsohn 1905 zum Präsidenten der Zionistischen Weltorganisation gewählt. Das Amt übte er bis 1911 aus. Während dieser Zeit befand sich das Hauptbüro der Zionistischen Weltorganisation in Köln.

Kölns Beitrag zur Gründung Tel Avivs

Ab 1905 war Max Bodenheimer Direktor des Jüdischen Nationalfonds (JNF) und organisierte von seinem Kölner Büro aus die Finanzierung von Landkäufen in Palästina. Als Gegenmodell zum überfüllten und lauten Jaffa sollte nördlich davon eine Gartenstadt gebaut werden, die aus mit Schindeln gedeckten Häusern mit kleinen Gärten bestehen sollte.

Die Auslosung der Bauparzellen im April 1909, waren der Beginn der Stadt Tel Aviv, Bild: Avraham Soskin, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Auslosung der Bauparzellen im April 1909, waren der Beginn der Stadt Tel Aviv, Bild: Avraham Soskin, Public domain, via Wikimedia Commons

Im April 1909 trafen sich mitten in den Dünen einige Familien, die unter sich das Gelände verlosten, das sie einem Araber abgekauft hatten. Daraus entwickelte sich Tel Aviv.1Zwischen Tel Aviv und Köln besteht seit 1979 eine Städtepartnerschaft. Köln war die erste deutsche Stadt, die eine solche Partnerschaft mit Tel Aviv einging. Ermöglicht hatte das Max Bodenheimer persönlich, der den Familien JNF-Kredite bewilligte.

Ein zionistischer Oberbürgermeister und Bundeskanzler

Das Leben von Konrad Adenauer, 1876 in Köln geboren, war geprägt von Freundschaften zu Juden. Als Kölner Oberbürgermeister arbeitete er eng mit Vertretern der jüdischen Gemeinden und Einrichtungen Kölns zusammen. 1927 wurde er Mitglied im „Deutschen Komitee Pro Palästina“ und sprach auf dessen Kundgebung. Er versprach der zionistischen Idee seine Unterstützung.

Konrad Adenauer, Kölner Oberbürgermeister, Bild: Bundesarchiv, Katherine Young, CC BY-SA 3.0 DE
Konrad Adenauer, Kölner Oberbürgermeister, Bild: Bundesarchiv, Katherine Young, CC BY-SA 3.0 DE

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte er sich persönlich für den Wiederaufbau der Synagoge in der Roonstraße ein. Als Bundeskanzler unterzeichnete Adenauer 1952 das Luxemburger Abkommen über „Wiedergutmachungszahlungen“ an Israel gegen den Widerstand aus Teilen der Bevölkerung und seiner eigenen Regierung. Seine Freundschaft zum israelischen Premierminister David Ben Gurion ist legendär.

„Wer unsere besondere Verpflichtung gegenüber den Juden und dem Staat Israel verleugnen will, ist historisch und moralisch, aber auch politisch blind. Der weiß nichts von der jahrhundertelangen deutsch-jüdischen Geschichte und nichts von den reichen Beiträgen, die von Juden zur deutschen Kultur und Wissenschaft geleistet worden sind. Er begreift nicht die Schwere der Verbrechen des nationalsozialistischen Massenmords an den Juden.“2Konrad Adenauer 1966


Der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz ist Treffpunkt für die Stadtführungen "Die Kölner Thesen - Köln und der Zionismus", Bild: HOWI - Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz ist Treffpunkt für die Stadtführungen „Die Kölner Thesen – Köln und der Zionismus“, Bild: HOWI – Horsch, Willy, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons

Rhenania Judaica – Wege in das jüdische Rheinland

Weitere Informationen zu den Kölner Wurzeln, die zur Entstehung der zionistischen Bewegung im 19. Jahrhundert geführt hatten, zeigt das Team von Rhenania Judaica auf ganz speziellen Stadtführungen. 

Die nächsten Termine für die Tour „Die Kölner Thesen – Köln und der Zionismus“ sind 

  • 25. Mai 2025, 15 Uhr 
  • 17. August 2025, 15 Uhr
  • 26. Oktober 2025, 15 Uhr

Treffpunkt ist der Löwenbrunnen auf dem Erich-Klibansky-Platz

Tickets zum Preis von 19,50 Euro pro Person gibt es bei KölnTourismus und KölnTicket.


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Wie konnte der Kölner Dom die Bombardierungen überstehen?

Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört, Bild: U.S. Department of Defense
Köln im April 1945, mehr als 90% der Innenstadt sind zerstört aber der Dom steht. Bild:
U.S. Department of Defense

Gastautor dieses Artikels ist Werner Müller. Seine Leidenschaft gehört der Luftfahrt und insbesondere der Verbindung der Luftfahrt zur Geschichte der Stadt Köln. Werner Müller ist der Initiator des „1. Tag der Kölner Stadtgeschichte“ und Eigentümer des Historischen Luftfahrtarchiv Köln.

Das Historische Luftfahrtarchiv Köln

Das Historische Luftfahrtarchiv Köln erforscht die Geschichte der Kölner Luftfahrt und veröffentlicht diese Geschichte auf der Website, in Fernsehdokumentationen und Berichten sowie in Ausstellungen und Vorträgen. Nach über zwanzig Jahren Forschung wurden bisher mehr als 145 Themen1Stand: April 2025 auf der Website des Luftfahrtarchivs veröffentlicht. Weitere Kapitel sind in Vorbereitung. Diese Webseite ist die weltweit größte Webseite zur Luftfahrtgeschichte einer Stadt – auch deswegen, weil Köln die weltweit reichste Luftfahrtgeschichte hat. 

Für zukünftige Ausstellungen sind Anschauungsmodelle zur Kölner Luftfahrtgeschichte in Planung.

Werner Müller, Inhaber von Kölns Historischem Luftfahrtarchiv, Bild: Werner Müller
Werner Müller, Inhaber von Kölns Historischem Luftfahrtarchiv, Bild: Werner Müller

Weiterhin gesucht werden: Historische Unterlagen wie Fotos, Berichte oder Exponate zur Kölner Luftfahrt. Aber auch Interviews von Zeitzeugen sind gefragt.

Bei Interesse hält Werner Müller auch kostenlos einen Vortrag über die Geschichte der Kölner Luftfahrt. Die Eintrittsgelder gehen zu 100 Prozent an weltweite Hilfsprojekte. Kontakt:

Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Werner Müller
Fürstenbergstr. 33
51065 Köln
Mobil OI78/62225OO
E-Mail: WM51065@Yahoo.de
www.luftfahrtarchiv-koeln.de/

Bitte beachten: Das Historische Luftfahrtarchiv Köln ist ein rein privates und kein öffentliches Archiv. 

In diesem Gastbeitrag räumt Werner Müller mit dem Gerücht auf, dass die Alliierten bei den Bombenangriffen auf die Stadt speziell den Dom verschont hätten.


Köln liegt in Trümmern - aber der Dom steht! Bild: Sammliung Uli Kievernagel
Köln liegt in Trümmern – aber der Dom steht! Bild: Sammlung Uli Kievernagel

Was Köln über zweitausend Jahre an Kultur und Geld reich gemacht hat, wurde der Stadt im Laufe des 2. Weltkriegs zum Verhängnis. Köln wurde 262 mal aus der Luft angegriffen. Die Innenstadt wurde zu 90% zerstört.

Und am Ende des Krieges stand der weltbekannte Kölner Dom fast alleine in dieser Trümmerwüste.

Viele sprachen in diesen hoffnungslosen Zeiten daher von einem „Wunder“ und die ersten Legenden nahmen ihren Lauf. Die Behauptung, dass die Alliierten den Kölner Dom verschont haben, hört man immer wieder. Dafür wurden verschiedenen Gründe genannt wie z. B. dass der Dom als Orientierungs- und Navigationspunkt diente. Wieder andere Experten erklären, dass die Alliierten den kunsthistorischen Wert des Kölner Doms erkannten und deshalb den Dom vor der Zerstörung schützen wollten. Aber auch Nachkommen der damaligen Bomberbesatzungen, selber entsetzt über die ungeheure Zerstörung Kölns, versuchen eine Entschuldigung für die verheerende Zerstörung durch alliierte Bomberverbände zu finden.

Doch eine Überprüfung dieser Aussagen lässt Zweifel aufkommen.

Aussage: Der Dom als Orientierungspunkt

Einzelne hohe Gebäude in einem Häusermeer waren keine sicheren Orientierungspunkte. Aus großer Höhe sind zum Beispiel Flussläufe wie die Bögen des Rheins und die grauen Flächen der Städte ein besseres Orientierungsmerkmal. Auch wurde die Funknavigation immer mehr verbessert, weshalb optische Orientierung kaum noch angewandt wurde.

Aussage: Schutz als historisch wertvolles Gebäude

Neben dem Kölner Dom gab es viele einzigartigen Gebäude in Köln. Einem Kunsthistoriker, der durchgesetzt hätte, dass der Dom nicht zerstört wird, wären auch die romanischen Kirchen bekannt gewesen. Eine ähnliche Denkweise hätte es dann auch für andere deutsche Städte gegeben. Aber es ist kein Fall bekannt, in welchem historische Bauwerke bei den Bombardierungen bewusst „verschont“ wurden.

Aber worin bestanden die wahren Gründe, die den Dom gerettet haben?

Wenn diese Aussagen nachweislich nicht korrekt sein können, bleibt die Frage, wo die wahren Gründe zu suchen sind, warum der Dom gerettet wurde.

Schwierigkeit: Angriffshöhe

Die Angriffshöhe lag damals bei ca. sechs Kilometer. Hier unten ein Satellitenfoto von Google Earth aus dieser Höhe. Versuchen Sie innerhalb von ca. 30 Sekunden aus dieser Höhe von ca. sechs km den Dom zu finden und stellen sie sich vor, sie müssten einen Bombenteppich so genau um den Dom herum platzieren, dass der Dom NICHT getroffen wird.

Luftbild von Köln aus einer Höhe von etwa sechs Kilometern. Selbst für Ortskundige ist der Dom schwer zu lokalisieren. Bild: Google
Luftbild von Köln aus einer Höhe von etwa sechs Kilometern. Selbst für Ortskundige ist der Dom schwer zu lokalisieren. Bild: Google

Erschwerend kommt dazu, dass Wolken und Rauch sowie der ungeheure Stress und die Todesangst der Besatzung den Einsatz erschwerten. Nach und nach verschwanden auch die Straßenzüge unter Trümmern, was eine Orientierung aus der Luft selbst bei sehr guten Verhältnissen schon schwierig macht. In der Nacht wird es fast unmöglich, Ziele genau zu lokalisieren.

Die Britische Royal Air Force flog ihre Angriffe bei Nacht. Um ein Areal zu zerstören, wurden durch „Pathfinder“-Flugzeuge wie die DeHavilland „Mosquito“ Leuchtbomben am Fallschirm mit einer Brenndauer von ca. 3 Minuten abgeworfen. Die nachfolgenden Bomber warfen ihre Bombenteppiche dann in dieses Areal. Diese Leuchtbomben bekamen von den Deutschen auf Grund der spitzen Form und des Leuchtens den Spitznamen „Christbäume“.

Eine Leuchtbomben am Fallschirm zur Zielmarkierung, von den Deutschen "Christbäume" genannt. Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Eine Leuchtbombe am Fallschirm zur Zielmarkierung, von den Deutschen „Christbäume“ genannt. Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln, Werner Müller

Später wurde das H2S (Bodenradar) zur Navigation eingesetzt. Aber auch auf diesem Radarbild konnten keine Einzelgebäude erkannt werden.

Hier unten ein verdunkeltes Satellitenfoto von Köln bei Nacht. Bitte versuchen Sie auch hier den Dom zu finden. Ein Angriff mit gelenkten Gleitbomben auf das Umfeld des Doms, um den Dom selber zu verschonen, wäre nicht möglich gewesen, da der Dom nicht zu sehen wäre. Außerdem war die Stadt voll Rauch und Feuer, was eine weitere Sichtbehinderung bedeutet hätte.

Ein Luftbild von Köln aus einer Höhe von etwa sechs Kilometern bei Nacht. Bild: Google
Ein Luftbild von Köln aus einer Höhe von etwa sechs Kilometern bei Nacht. Bild: Google

Angriffe aus Hauptbahnhof und Rheinbrücken – unmittelbar neben dem Dom

Direkt neben dem Dom liegt der Hauptbahnhof und in der Verlängerung die Hohenzollernbrücke. Dieser Bahnknotenpunkt trägt auch den bezeichnenden Spitznamen „Drehkreuz des Westens“. Die Hohenzollernbrücke war eine der wichtigsten Brücken über den Rhein zur Versorgung der deutschen Truppen im Westen. Oberste Priorität der Alliierten war also auch die Ausschaltung von Transportknotenpunkten. Auch das könnte ein Grund für die fast vollständige und sinnlose Zerstörung der Kölner Innenstadt sein, da es noch keine gelenkten Bomben gab.

Ironie der Geschichte: Was die Alliierten nicht geschafft haben, wurde durch die Wehrmacht erledigt. Die für die Logistik so wichtige Hohenzollernbrücke wurde von der Wehrmacht am 6. März 1945 zerstört, als US-Truppen das linksrheinische Köln fast vollständig befreit hatten.

Die von der Wehrmacht am 6. März 1944 gesprengte Hohenzollernbrücke, Bild: Sammlung Uli Kievernagel
Die von der Wehrmacht am 6. März 1945 gesprengte Hohenzollernbrücke, Bild: Sammlung Uli Kievernagel

Nur Deutschland hatte mit der Gleitbombe Fritz X eine Lenkwaffe in Serienproduktion. Ein gezielter Abwurf war aber nur möglich, wenn direkte Sicht auf das Ziel vom Trägerflugzeug aus bestand. Die Alliierten besaßen solche Waffen nicht. Stattdessen wurden ganze Bombenteppiche in ein Zielgebiet abgeworfen, bei denen es unmöglich war, einzelne Gebäude auszusparen.

Gotischer Baustil bietet geringe Angriffsfläche

Eine weiterer Grund, warum der Kölner Dom nicht zerstört wurde, ist seine filigrane offene gotische Bauweise, die den Druckwellen nur eine geringe Angriffsfläche bot. Die Druckwellen ging also praktisch durch den Dom hindurch. Im Gegensatz dazu wurden z.B. die Romanischen Kirchen auf Grund ihrer massiven Bauweise mit großen Mauerflächen und kleinen Fenstern fast zerstört. Dort trafen die Druckwellen fast ganz auf die Mauern.

Hier die Gegenüberstellung einer romanischen und einer gotischen Kirche. Man sieht deutlich die wesentlich größere Fensterfläche der gotischen Bauweise bzw. die geringere Wandfläche. Wobei natürlich die wertvollen Kirchenfenster aller Kirchen mit Beginn des Krieges ausgebaut und eingelagert wurde.

Ein Vergleich typisch romanischer Bauweise (links) und gotischer Bauweise (rechts). Auffällig sind die rot markierten Fensterflächen. Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Ein Vergleich typisch romanischer Bauweise (links) und gotischer Bauweise (rechts). Auffällig sind die wesentlich größeren Fensterflächen (rot markiert) im gotischen Baustil.  Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln

Strebewerk stützt Mauern

Aber auch die Strebewerke haben ihre Aufgabe mehr als erfüllt. Ein Großteil der Druckwelle ging durch die großen Fenster. Aber der Teil der Druckwellen, die auf die Wände trafen, wurden von den Strebewerken abgeleitet bzw. die Mauern wurden durch die Strebewerke gestützt.

Das Volumen des Doms ist so groß, dass die Wirkung kleinerer Bomben im Inneren fast verpufft und auch durch die großen Fensteröffnungen keine große Sprengwirkung auf das Gebäude ausüben konnten.

Die Strebewerke am Kölner Dom schützen die Mauern, Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Die Strebewerke am Kölner Dom schützen die Mauern, Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln, Werner Müller

Tatsächlich knapp 70 Bombentreffer am Dom

Wenn die Alliierten den Dom verschonen wollten, warum wurde er dann von ca. fünfzig leichten und mittleren Bomben sowie neunzehn schweren (!) Bomben getroffen? Dabei wurden von 22 Gewölben neun zerstört. Entsprechend verheerend sah der Innenraum aus.

Blick auf den von Bomben zerstörten Innenraum des Kölner Doms. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-2008-0603-500 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons
Blick auf den von Bomben zerstörten Innenraum des Kölner Doms. Bild: Bundesarchiv, Bild 183-2008-0603-500 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 DE, via Wikimedia Commons

Der bekannteste Schaden wurde am Nordturm erzeugt. Dieser Bombentreffer wurde nach verschiedenen Erzählungen der Kölner durch KZ-Häftlinge, Zwangsarbeiter, eine Pionierkompanie oder eine zufällig in Köln stationierte Einheit der Wehrmacht aufgemauert. Die sogenannte „Domplombe“ bewahrte den Nordturm und somit die ganze Kathedrale vor dem Einsturz.

Wie die ehemalige Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner in Interviews erklärte, wurde diese Wunde durch eine reguläre Baufirma geschlossen. Die entsprechende Rechnung befindet sich im Archiv der Dombauhütte. Möglicherweise beschäftigte diese Firma aber KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter, wie es damals in Deutschland üblich war. Diese Plombe aus Ziegelsteinen wurde erst 2005 wieder mit gotischem Mauerwerk verkleidet.2Das Interview vom 5. August 2020 ist bei Domradio verfügbar.

Die aus Ziegelsteinen bestehende "Domplombe" war noch bis 2005 sichtbar, heute ist das Mauerwerk verkleidet, Bild: gemeinfrei
Die aus Ziegelsteinen bestehende „Domplombe“ war noch bis 2005 sichtbar, heute ist das Mauerwerk verkleidet, Bild: gemeinfrei

Wachmannschaft auf dem Dach

Eine besondere Anerkennung für Ihren Mut und ihre Weitsicht verdienen die Männer der Dombauhütte unter Dombaumeister Hans Güldenpfennig, die unter höchster Lebensgefahr während der Angriffe auf dem Dach des Doms Wache hielten, um Brandbomben sofort zu löschen.

Das brennende Köln bei Nacht während eines Luftangriffs von den Poller Wiesen aus gesehen. Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln
Das brennende Köln bei Nacht während eines Luftangriffs von den Poller Wiesen aus gesehen. Bild: Historisches Luftfahrtarchiv Köln, Werner Müller

Fazit: Wirkung des (vermeintlich) unversehrten Doms extrem groß

Auch wenn der Kölner Dom nur auf Grund seiner genialen Architekten und Handwerker überlebt hat, darf man nicht vergessen, welche ungeheure Wirkung der Dom auf die Kölner machte, deren Heimat zu 90% zerstört war, Viele Flüchtlinge und Soldaten kamen zurück in ihre Heimatstadt, in der kaum noch ein Stein auf dem anderen stand. Das ganze System war zusammengebrochen. Familienmitglieder und Freunde verstorben oder schwer verletzt. Keine Lebensmittelversorgung – keine Zukunft – keine Wohnung.

Die Lebensumstände waren katastrophal – aber in der Mitte der Stadt stand das Wahrzeichen von Köln: der Kölner Dom.

Da sprachen viele gerne von einem Wunder.


Heimweh noh Kölle, Bild: Dong-Uck Kong
Heimweh noh Kölle, Bild: Dong-Uck Kong

„Heimweh nach Köln“ von Willi Ostermann

Auch dank des Doms als Symbol der Hoffnung nach dem Krieg wurde das Lied von Willi Ostermann „Heimweh nach Köln“ zur inoffiziellen „kölschen Nationalhymne“ – bis heute.

Insbesondere die Zeilen im Refrain haben in dem Lied aus dem Jahr 1936 eine ganz besondere Wirkung auf heimkehrenden Kölnern gehabt:

Wenn ich su an ming Heimat denke
un sin d’r Dom su vör mir ston
mööch ich direk op Heim an schwenke,
ich mööch zo Foß no Kölle jon.


Ein großes DANKE an Werner Müller vom Luftfahrtarchiv für diesen Artikel.


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Die „Rheingräfin“ Sibylle Mertens-Schaaffhausen

Die "Rheingräfin" Sibylle Mertens-Schaafhausen (1797 - 1857)
Die „Rheingräfin“ Sibylle Mertens-Schaaffhausen (1797 – 1857)

Historikerin, Numismatikerin, Musikerin, Mäzenatin, Archäologin, Kunstsammlerin, Mitgründerin des Kölner Dombauvereins – Sibylle Mertens-Schaaffhausen war „eine der bemerkenswerten Frauen des 19. Jahrhunderts“.1Monika Salchert in ihrem Buch „Schräge Typen der Kölner Stadtgeschichte

Wäre Sie ein Mann gewesen, so würden wir heute nach ihr benannte Plätze, Straßen und Schulen kennen. Doch Sibylle Mertens-Schaaffhausen war eine Frau. Noch dazu eine Frau, die Frauen liebte. Und das in der hausbackenen und konservativen Zeit des Biedermeier. Ungeheuerlich.

Ein Mädchen des besseren Gesellschaft

Sibylle Mertens-Schaaffhausen wurde am 29. Januar 1797 in Köln geboren. Ihr Vater war der Bankier Abraham Schaaffhausen, einer der reichsten Männer des Rheinlands. Ihre Mutter Anna, geb. Giesen, starb wenige Tage nach der Geburt ihrer Tochter Sibylle.

Entsprechend der finanziellen Verhältnisse der Familie wurde sie als Mädchen der „feinen Gesellschaft“ erzogen. Sie sprach neben Italienisch auch Französisch und spielte hervorragend Klavier. Alles Attribute, die ein Mädchen aus der besseren Gesellschaft auszeichnen. Und so teilte sie auch das Schicksal vieler junger Mädchen der damaligen Zeit: Sie wurde im Rahmen eines Ehe-Arrangements im Alter von 19 Jahren mit dem fast doppelt so alten Bonner Kaufmann Ludwig „Louis“ Mertens verheiratet.

„Höllenehe“

Von Liebe war in der Ehe keine Spur zu finden. Louis Mertens teilte keine der feinsinnigen Interessen seiner jungen Frau. Aber er war Geschäftsführer in der Bank ihres Vaters.

Die Lyrikerin Annette von Droste-Hülshoff gehörte zum Freundeskreis von  Sibylle Mertens-Schaaffhausen. In einem Brief bezeichnete sie die Ehe ihrer Freundin als „Höllenehe“, Sibylle wäre vom ersten Tag der Ehe an an unglücklich gewesen. Aus der unglücklichen Ehe gingen aber sechs Kinder hervor. Kinder, die später das Lebenswerk ihrer Mutter vernichten sollten.

Zumindest erlaubten die finanziellen Mittel der Familie, dass man sich aus dem Weg gehen konnte. Man wohnte zwar offiziell zusammen im repräsentativen Haus der Familie in der Trankgasse in Köln, jedoch verbrachte Sibylle zunehmend mehr Zeit in ihrer Villa in Bonn, in ihrer Wohnung in Rom oder in ihrer Sommerresidenz auf dem Petersberg, wo heute das Hotel Steigenberger Grandhotel steht. 

Liebesbeziehung zu Adele Schopenhauer

Zwei Dinge wären im Leben von Mertens-Schaaffhausen undenkbar gewesen: Eine Scheidung und ein Coming-out. Damit wäre die von ihren Freunden zur „Rheingräfin“ geadelte Sibylle gesellschaftlich geächtet gewesen.

Mit Adele Schopenhauer, dee Schwester des Philosophen Arthur Schopenhauer, pflegte Mertens-Schaaffhausen einen sehr engen Umgang: Die beiden waren ein Paar, was dem Gatten selbstverständlich nicht gefiel und er Adele Schopenhauer Hausverbot erteilte.

Adele Schopenhauer in einem Porträt von Alexander von Sternberg aus dem Jahr 1841
Adele Schopenhauer in einem Porträt von Alexander von Sternberg aus dem Jahr 1841

Doch Sibylle war in Adele so sehr verliebt, dass sie in ihrem Tagebuch notierte:

„Stürbe sie, so spräng ich jetzt in den Rhein,
denn ich könnte nicht ohne sie bestehen.“

Um den gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen, waren die gegenseitigen Besuche und das Leben unter einem Dach immer als Pflege getarnt. Sobald eine der beiden erkrankte, was regelmäßig vorkam, zog die jeweils andere zu ihr und pflegte sie.

Nach einer zwischenzeitlichen Entfremdung – mehr als sieben Jahre gab es kaum Kontakt zwischen den beiden – sollten die beiden Frauen wieder zueinander finden. Schopenhauer zog in die Bonner Villa von Sibylle Mertens-Schaaffhausen und lebte dort bis zu ihrem Tod im Jahr 1849.

Sibylle Mertens-Schaafhausen im Jahr 1842, Zeichnung von Adolf Schlesinger, Public domain, via Wikimedia Commons
Sibylle Mertens-Schaaffhausen im Jahr 1842, Zeichnung von Adolf Schlesinger, Public domain, via Wikimedia Commons

Erfolge als Denkmalschützerin und Archäologin

Sibylle Mertens-Schaaffhausen engagierte sich leidenschaftlich für Musik, Kunst und Denkmalschutz. In ihrer Bonner Villa veranstaltete sie Konzerte und unterstützte das Beethoven-Denkmal. Sie förderte den Kölner Dom und den Wiederaufbau des Rolandsbogens. In Genua pflegte sie während einer Choleraepidemie im Sommer 1835 Kranke, wofür sie mit einer Medaille geehrt wurde. Sie notierte damals „Ich bin an die­sem un­ge­heu­ren Elend geis­tig ge­sun­det, er­kann­te sie. “ 

Nach dem Tod ihres Mannes 1842 blieb Sibylle Mertens-Schaaffhausen länger in Italien. In Genua erforschte sie mit dem Künstler Santo Varni mittelalterliche Kunstschätze. 1836 erkannte sie dort ein Fragment des Mausoleums von Halikarnassos. Später lebte sie in Rom und entdeckte 1846 ein Fragment der „Fasti Capitolini“2Eine Inschrift mit einer Liste römischer Konsuln und Feldherren, das heute in den Vatikanischen Museen aufbewahrt wird.

Der Totenzettel der „Rheingräfin“ Sibylle Mertens-Schaafhausen. Als Geburtsdatum wird hier fälschlicherweise der 3. Februar 1797 (statt dem korrekten Datum 29. Januar 1797) angegeben. Vermutlich hat der Verfasser des Totenzettels das Taufdatum, welches in den Kirchenbüchern in der Regel immer an erster Stelle steht, mit dem Geburtsdatum verwechselt. Danke für diesen Hinweis an Michael Osieka aus Köln. Bild: Totenzettel Sammlung der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln
Der Totenzettel der „Rheingräfin“ Sibylle Mertens-Schaaffhausen. Als Geburtsdatum wird hier fälschlicherweise der 3. Februar 1797 (statt dem korrekten Datum 29. Januar 1797) angegeben. Vermutlich hat der Verfasser des Totenzettels das Taufdatum, welches in den Kirchenbüchern in der Regel immer an erster Stelle steht, mit dem Geburtsdatum verwechselt. Danke für diesen Hinweis an Michael Osieka aus Köln. Bild: Totenzettel Sammlung der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln

Vernichtung des Lebenswerks

Bereits 1842 war Louis Mertens verstorben. Die sechs gemeinsamen Kinder bestanden darauf, sofort ihren Erbteil ausgezahlt zu bekommen. So wurde Sibylle Mertens-Schaaffhausen gezwungen, große Teile ihres Vermögens  zu veräußern, um die Erben auszuzahlen.  

Die „Rheingräfin“ verstarb am 22. Oktober 1857 in Rom. Sie wurde auf dem Friedhof „Campo Santo Teutonico“, dem Friedhof der Deutschen und der Flamen, neben dem Petersdom in Rom bestattet.

Grabtafel für Sibylle Mertens auf dem Campo Santo Teutonico in Rom, Bild: Dadamax, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Grabtafel für Sibylle Mertens-Schaaffhausen auf dem Campo Santo Teutonico in Rom, Bild: Dadamax, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Nach ihrem Tod wurde alles, was an Vermögensgegenständen übrig war, von ihren Kindern verkauft. Dazu gehörten unter anderem

  • ihre wertvolle Bibliothek,
  • kostbare Möbel,
  • mehr als 1.800 Gem­men,3Eine Gemme ist ein Schmuck- bzw. bzw. Edelstein.
  • 50 Sta­tu­et­ten aus Bron­ze und in Edel­me­tall,
  • vie­le all­täg­li­che Ob­jek­te (Ge­wich­te und Waa­gen, Par­füm­kap­seln),
  • cir­ca 6.000 Mün­zen,
  • Glä­ser, El­fen­bei­ne und Ton­ge­fä­ße,
  • die mit­tel­al­ter­li­che Samm­lung mit wich­ti­gen El­fen­bein­re­liefs (eins be­fin­det sich heu­te im Vic­to­ria and Al­bert Mu­se­um in Lon­don) und
  • 60 historische Waf­fen.4Quelle: Fabbri, Francesca, Sibylle Mertens-Schaaffhausen, in: Internetportal Rheinische Geschichte, abgerufen unter: https://www.rheinische-geschichte.lvr.de/Persoenlichkeiten/sibylle-mertens-schaaffhausen/DE-2086/lido/65e706849c1845.63339519 (abgerufen am 16.04.2025)
Der Umgang ihrer Kinder mit ihrem Vermächtnis kommt einer Vernichtung aller Erinnerungen nahe. So wurde das Erbe einer selbstbestimmten Frau, die den Konventionen in der damaligen Zeit trotzte, in alle Winde verstreut. Ganz im Interesse ihrer Nachkommen, die alle Erinnerungen an ihre Mutter auslöschen wollten. Wie gut, dass Sibylle Mertens-Schaaffhausen bereits zu Lebzeiten ihre gesamte Korrespondenz der Bibliothek der Bonner Universität vermacht hat.
 
So sind – sehr zum Verdruss der Erben – viele zum Teil intime Briefe und Tagebucheinträge heute noch erhalten.

Das "Zeitzeichen" des WDR ist eine Radiosendung und greift täglich historische Daten auf, Bild: WDR
Das „Zeitzeichen“ des WDR ist eine Radiosendung und greift täglich historische Daten auf, Bild: WDR

Zeitzeichen zum 225. Geburtstag der Rheingräfin

Der WDR hat in seiner Sendung Zeitzeichen vom 30. Januar 2022 eine hörenswerte Sendung zu Sibylle Mertens-Schaaffhausen veröffentlicht.


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