St. Agnes – eine Kirche gibt einem ganzen Viertel den Namen

Die Agneskirche, Bild: Harald Ernst, CC BY-SA 3.0 DE
Die Agneskirche, Bild: Harald Ernst, CC BY-SA 3.0 DE

Augen auf bei der Partnerwahl! Zumindest Peter Joseph Roeckerath (*1837, † 1905) hat da in seiner zweiten Ehe alles richtig gemacht. Nachdem seine erste Frau bereits kurz nach der Hochzeit verstorben war, heiratete er Agnes Margaretha Schmitz. Und machte damit den Fang seines Lebens.

Agnes Eltern waren reiche Kappes-Boore1Kappes ist Kohl. Nach deren Tod brachte sie jede Menge Land mit in die Ehe. Diese „Boore-Kappesfelder“ waren zunächst nicht besonders viel wert – wenn da nicht ab etwa 1880 der Abriss der Stadtmauer und die Stadterweiterung gekommen wären. Roeckerath erkannte, dass aus den Kappesfeldern wertvolles Bauland wurde. Er tauschte, kaufte und verkaufte Land und brachte es als Bauunternehmer zu beträchtlichem Wohlstand. Dabei hat es ihm mit Sicherheit nicht geschadet, dass er im Kölner Rat saß und später Mitglied des Reichstages war. Dat es in Kölle esu: Man kennt sich – man hilft sich.

Stiftung für das Seelenheil

Ein schwerer Schicksalsschlag war der Tode seiner geliebten Frau Agnes im Jahr 1890. Der erfolgreiche Bauunternehmer und konservative Christ beschloss daraufhin, etwas für sein Seelenheil – und auch das seiner Frau – zu tun und stiftete die Agneskirche. In der Vorhalle der Kirche steht daher in Stein gemeißelt:

„Zum frommen Andenken an die Frau Agnes Roeckerath, eine vortreffliche Gattin und Mutter, haben der überlebende Mann und ihre zehn Kinder und Schwiegerkinder diese Pfarrkirche zu Ehren der hl. Agnes, der Jungfrau und Märtyrerin, erbauen lassen.“
[Übersetzung]

Der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings sieht in dieser Stiftung auch den Vorteil für den schwerreichen Bauunternehmer selbst: „Roeckerath war im 19. Jahrhundert ein letztes strahlendes Beispiel für die 1.000 Jahre alte christliche Tradition, sich mit Spenden und Stiftungen das Himmelreich zu verdienen“.2Krings im Kölner Stadt-Anzeiger vom 07.11.2019

Agnes und Peter Joseph Roeckerath zur Hochzeit 1867
Agnes und Peter Joseph Roeckerath zur Hochzeit 1867
Umstrittener Standort

Baubeginn der Agneskirche war 1896. Nach den Plänen der Architekten Rüdell und Odenthal wurde ein neugotisches Gebäude nach dem Muster der Elisabethkirche in Marburg gebaut. Der Standort der Kirche war zunächst umstritten. Verworfen wurden Standorte im Belgischen Viertel oder an der Vorgebirgsstraße. Wer weiß – vielleicht wäre das Belgische Viertel heute das Agnesviertel? Denn die stattliche Kirche gab dem ganzen Viertel, welches eigentlich „Neustadt Nord“ heißt, den prägenden Namen: Et Agnesveedel.

Die Architekten planten ein streng neugotisches Gotteshaus mit einem schlanken, spitzen Turm. Doch hier konnte sich der Stifter Roeckerath durchsetzen: Gebaut wurde eine reine Hallenkirche mit „Turmanlage ohne Helm“.  Andere Quellen behaupten, dass das Geld für den Bau ausgegangenen wäre und der „halbe“ Turm ein Kompromiss gewesen wäre. Wie auch immer – entstanden ist ein imposanter Kirchenbau: Gemessen am Volumen ist die Agneskirche die zweitgrößte Kirche Kölns.3Platz 1 belegt selbstverständlich der Dom.

Die Agneskirche wurde 1901 fertiggestellt und liegt genau an der Weggabelung von Neusser Straße und Niehler Straße. Der Bau ist nicht, wie eigentlich bei Kirchenbauten üblich, nach Osten, sondern auf die Ringe ausgerichtet.

Erinnerung an den Widerstand in der Krypta

Unweit der Agneskirche entwickelte sich in den 1930er Jahren der Kölner Kreis, eine Widerstandsbewegung gegen die Nationalsozialisten. Zentrum dieser Bewegung war das Ketteler-Haus, die Kölner Zentrale der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung (KAB). Die führenden Köpfe waren Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller. Die Kölner Widerständler arbeiteten eng mit dem „Goerdeler Kreis“ zusammen. Das Ziel war, Hitler zu stürzen und den Krieg zu beenden.

Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurden auch die Mitglieder des Kölner Kreis festgenommen. Bernhard Letterhaus und Nikolaus Groß wurden hingerichtet, Otto Müller starb im Gefängniskrankenhaus Berlin-Tegel. Die Nationalsozialisten wollten jede Erinnerungsmöglichkeit an die Widerstandkämpfer auslöschen. Daher wurden die Leichname verbrannt und die Asche verstreut.

Die Widerstandskämpfer des Kölner Kreises: Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller, Bild: Bilder (Groß/Müller): Dat doris, CC BY-SA 4.0
Die Widerstandskämpfer des Kölner Kreises: Bernhard Letterhaus, Nikolaus Groß und Prälat Otto Müller, Bild: Bilder (Groß/Müller): Dat Doris, CC BY-SA 4.0

Zur Erinnerung an diese Männer dient heute die Krypta von St. Agnes. Mit massiven Eisentüren und vergitterten Fenstern erinnert dieser Ort eher an ein Gefängnis.

Massive Zerstörung im Krieg

Der Bombenkrieg führte auch in St. Agnes zu schweren Schäden. Das Dach ging in Flammen auf und das Gewölbe des Kirchenschiffs stürzte ein. Im Mai 1945 zerstörte das einstürzende Chorgewölbes den Hochaltar. Hastig wurde eine flache Betondecke eingezogen, und im Oktober 1950 konnte der Kirchenraum wieder eingeweiht werden.

Ein Brand zerstört 1980 den Dachstuhl der Agneskirche, Bild: Digit, WDR
Ein Brand zerstört 1980 den Dachstuhl der Agneskirche, Bild: Digit, WDR

Die unschöne Betondecke wurde von einer gefächerten Holzkonstruktion des Dombaumeisters Willy Weyres verdeckt. Diese Decke sollte unter Denkmalschutz gestellt werden. Als alles dafür vorbereitet war, brach am 18. Juni 1980 ein Feuer in St. Agnes aus. Das Löschwasser zerstörte die kunstvolle Deckenkonstruktion. In einem Video ist zu sehen, wie die Flammen meterhoch aus dem Dachstuhl schlagen.          

Aber – Glück im Unglück: Stattdessen wurden die ursprünglichen Gewölbe wieder hergestellt. Und St. Agnes erstrahlte wieder im Glanz, den sich der Stifter Peter Joseph Roeckerath gewünscht hatte.

Der prachtvolle Innenraum von St. Agnes, Bild: Till Niermann, CC BY-SA 3.0
Der prachtvolle Innenraum von St. Agnes, Bild: Till Niermann, CC BY-SA 3.0

11.11. um 11.11 Uhr in St. Agnes: Bleibt jeck & bleibt gesund

Ein wunderschönes Video zeigt den herrlichen Innenraum von St. Agnes. Schaut euch diesen Film an und freut euch insbesondere ab Minute vier über wunderschöne Musik.  


Milliardenfund bei Renovierung

2015 wurden die Opferstöcke der Kirche renoviert. Und diese Überarbeitung hat sich gelohnt: Es wurden mehrere Milliarden in Scheinen gefunden. Das Geld befand sich in Ritzen und doppelten Böden der Opferstöcke.

Der größte Schein hat einen Wert von 50 Milliarden. Leider handelte es sich dabei um Reichsmark aus der Inflation in den 1920er Jahren. Pfarrer Frank Müller von St. Agnes meint dazu in einem Interview des Domradios: “Ich vermute mal, dass man damals für 50 Milliarden gerade mal ein Brötchen oder einen Fahrschein für ein öffentliches Verkehrsmittel bekam.“.


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Zurück zu den Wurzeln – der Rusemondachszoch im Stadion 

Rosenmontagszug auf dem Neumarkt, Gemälde von Simon Meister, Köln 1836
Rosenmontagszug auf dem Neumarkt, Gemälde von Simon Meister, Köln 1836

Bevor sich das Festkomitee Kölner Karneval dazu entschlossen hat, eine Friedensdemo statt des Rosenmontagszugs zu veranstalten, gab es die Idee, den Zoch 2022 im Müngersdorfer Stadion seine Runden drehen zu lassen. Anschließend sollten die Persiflagewagen an ausgewählten Plätzen entlang des eigentlichen Zugwegs ausgestellt. Die Idee: Dann kütt der Zoch nit zo dä Lück – dann kumme die Lück zum Zoch. Keine schlechte Idee, um den Corona-Bedingungen Rechnung zu tragen.

Auch der erste Zoch „nur“ im Kreis

Der Zoch im Stadion wäre ähnlich wie der erste gewesen. Der allererste Zoch ging an Rosenmontag auch nicht quer durch die Stadt, sondern rund um den Neumarkt. Dort feierten am 10. Februar 1823 insgesamt 15 Gruppen1Darunter die Roten Funken und das Reiterkops Jan von Werth. die „Die Thronbesteigung des Helden Carneval“. Heute unvorstellbar: Die Vorbereitungszeit betrug gerade mal zwei Wochen.

Auszug aus dem Programm des ersten Kölner Rosenmontagszuges vom 10. Februar 1823
Auszug aus dem Programm des ersten Kölner Rosenmontagszuges vom 10. Februar 1823

Das frisch gegründete Festkomitee hatte die Zeit genutzt und ein strenges, zwölf Paragraphen umfassendes, Reglement für diesen ersten Zoch verfasst. Genauso, wie es die gut organisierten preußischen Besatzer gerne sahen:

„Der in ganz Teutschland einstens so berühmte kölnische Carneval soll durch das Zusammenwirken mehrerer Verehrer alter Volksthümlichkeit in diesem Jahre durch einen allgemeinen Maskenzug erneuert und auch gefeiert werden. Die dabei zum Grunde gelegte Idee ist die Thronbesteigung Carneval’s gedacht als König des Volksfestes.“
§1 Ablaufplan Rosenmontag 1823

Neue Konzepte – und Rückbesinnung auf den leiseren Karneval

Nach dem immer „größer – weiter – lauter“ der vergangenen Jahre ist die Rückbesinnung des Karnevals auf die Wurzeln eine positive Entwicklung. Schade nur, dass es durch die notwendigen strikten Einlassregeln nicht mehr jedem Jeck möglich sein wird, einfach hinzugehen, sich an die Straße zu stellen und den Zoch zu sehen.

Und ich bin sicher, dass noch weitere kreative Ideen kommen, wie Karneval unter Corona-Bedingungen gefeiert werden kann. Es ist nur keine Auszeichnung für den kölschen Fasteleer, dass es für diese Kreativität erst einer weltweiten Pandemie bedarf.


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Drei Kronen und elf Hermelinschwänze: Das Kölner Wappen

Wappen der Stadt Köln um 1500, hier noch mit Löwe und Greif
Wappen der Stadt Köln um 1500, hier noch mit Löwe und Greif

In den Souvenir-Läden rund um den Dom wird mehr Kölle-Jedöns von den Kölschen als von den auswärtigen Touristen gekauft. Der Kölner an sich liebt seine Stadt und bringt das auch zu Ausdruck, indem er seine Wohnung mit Dom-Aschenbechern oder Rhein-Platzdeckchen und sich selbst mit rud-wießen Ringel-Shirts verschönert. Und nirgendwo darf dabei unser Wappen fehlen.

So tragen auch selbstverständlich das Dreigestirn, jede Menge Gebäude, viele Ausflugsschiffe auf dem Rhein, Fenster im Dom und sogar Lukas Podolski1als Tätowierung auf dem Oberarm stolz unser Wappen. Doch was stellt unser Wappen dar? Höchste Zeit für eine Aufklärung!

Die Farben der Hanse

Zunächst muss man unterscheiden zwischen dem „Kleinen Stadtwappen“ und dem Wappen der kreisfreien Stadt Köln. Das „Kleine Stadtwappen“ ist das, was wir in der Regel als Wappen kennen: Drei goldene Kronen und elf Tränen/Flammen/Tropfen in rot & weiß.

Das Kölner Wappen mit den Kronen der Heiligen Drei Könige und den elf Hermelinschwänzen. Bild: Stadt Köln
Das Kölner Wappen mit den Kronen der Heiligen Drei Könige und den elf Hermelinschwänzen. Bild: Stadt Köln

Aufmerksame Leser des „Köln-Ding der Woche“ wissen natürlich Bescheid: Die Kronen stehen für die Heiligen Drei Könige und die Tränen, Flammen oder Tropfen sind eigentlich Hermelinschwänze und stehen für unsere Stadtpatronin, die Heilige Ursula.

Rot und weiß sind die Farben der Hanse. Aus diesem etwa Mitte des 12. Jahrhunderts als Zusammenschluss von Kaufleuten zur Förderung des Handels gegründeten Bündnis entstand ein übergreifender Städtebund. In der Blütezeit der Hanse von ungefähr 1250 bis 1400 war Köln eine der wichtigsten Hansestädte.

Das "Große Wappen" von Köln
Das „Große Wappen“ von Köln

Das Wappen der kreisfreien Stadt Köln

Das kleine Stadtwappen wird im „Großen Wappen der Stadt Köln“ von einem doppelköpfigen Adler eingefasst. Die beiden Adlerköpfe stehen für die kaiserliche und die königliche Macht, daher tragen die Adler auch Zepter und Schwert. Damit wird an die Zeit im Mittelalter erinnert, in der Köln zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte. Die zwei Adlerköpfe stehen für den römischen Kaiser, der zugleich der deutsche König war. Das Kölner Wappen gibt es in dieser Form bereits seit mehr als 700 Jahren mit nur leichten Anpassungen, so war bis um 1550 die heute weiße Fläche silbern.

Bienen statt Kronen

1794 wurde Köln von den Franzosen besetzt. Im Jahr 1812 verlieh auch niemand geringeres als Napoleon Bonaparte der Stadt den Titel „Stadt erster Ordnung“. Diese Städte wurden auch als „Gute Städte des französischen Kaiserreiches (Bonnes villes de l’Empire français)“ bezeichnet.

Napoleon verleiht der Stadt ein Wappen mit drei Bienen
Napoleon verleiht der Stadt ein Wappen mit drei Bienen

Mit der Ehrung als „Stadt erster Ordnung“ bekam Köln auch ein neues Wappen mit der Biene, dem Emblem Napoleons, im Wappen. Das Kölner Wappen französischer Prägung zeigte daher drei goldene Bienen und wurde von einem Kranz umrahmt, welcher rechts aus Olivenzweigen und links aus Eichenzweigen bestand. Quer darüber liegt ein Merkurstab, welcher als Symbol des römischen Gottes Merkur für den Handel steht.

Ab 1815 wurde Köln Teil des Königreichs Preußen und man kehrte zum gewohnten Wappen mit Kronen und Hermelinschwänzen in rot & weiß zurück.

Das Wappen mit der Karl-Küpper-Gedenktafel im im Gürzenich, Bild: Gestalteratelier Werner Blum, www.gestalteratelier.de

Meine Lieblingsversion unseres Wappens befindet sich im Gürzenich: Diese Version stellt eine Bütt dar und eine der drei Kronen steht schräg – als Erinnerung an den unangepassten Karnevalisten Karl Küpper.

Geht da mal hin und schaut euch das an.


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Die Heilige Ursula, Teil II: Der Reliquienkult wird für die Kölner zum guten Geschäft

Eine Ursulabüste mit Schauöffnung. Die Büsten sind hohl, der Deckel in Form des Kopfes kann abgenommen werden. Gefüllt werden die Büsten mit einem Schädel oder anderen Knochen, Bild: Raimond Spekking
Eine Ursulabüste mit Schauöffnung. Die Büsten sind hohl, der Deckel in Form des Kopfes kann abgenommen werden. Gefüllt werden die Büsten mit einem Schädel oder anderen Knochen, Bild: Raimond Spekking

Podcast Ursuala II, 25

Letzte Woche hatte ich euch von der Legende um die Heilige Ursula und ihren 11.000 Jungfrauen berichtet. Heute geht es darum, wie aus dieser Legende ein lukratives Geschäft mit Reliquien wurde.

Dank der 11.000 Jungfrauen waren ja tatsächlich theoretisch genug Knochen da, welche der Kölner in nette Schachteln verpacken und als Reliquien verkaufen konnte1Zur Erinnerung: Die Kirche hatte das Geschäft mit den Reliquien verboten. Aber der findige Kölner hatte auch dafür eine Lösung: Verkauft wurden nicht die Reliquien selber sondern die hübschen Kisten und Schachteln drumherum..

Es blieb aber ein praktisches Problem: Woher sollte man die Knochen nehmen? Wie gut, dass es direkt außerhalb der Stadtmauer ein altes römisches Gräberfeld und somit genug Nachschub an Knochen gab. Dieses Gräberfeld wurde kurzerhand zur Ruhstätte der 11.000 Jungfrauen erklärt. Und fertig – das Geschäft konnte anlaufen.

Römisches Gräberfeld wird geplündert

Die Menge an Knochen war so gewaltig, dass diese nicht nur als Reliquien verkauft, sondern auch als Zierrat verwendet wurden. Bestes Beispiel dafür ist die „Goldene Kammer“ in St. Ursula. In einer Seitenkapelle der Kirche sind die Wände meterhoch mit Knochen verziert. Dort finden sich Ornamente aus Hüften und Rippen, Muster aus Oberschenkelknochen und eine aus Knochen geformte Inschrift: „S. Ursula pro nobis ora“ – „Heilige Ursula, bitte für uns“. Unzählige Kopfreliquiare, die echte menschliche Schädel beinhalten, stehen sauber aufgereiht in den Regalen, gleich neben hunderten in Seidenpapier eingepackten Schädeln.

Wenn ich mit Gruppen im Rahmen der Lotsentour Innenstadt die Goldene Kammer besuche, herrscht zunächst immer Schweigen, und dann kommt unweigerlich die Frage: „Ist das alles echt?“. Ja, ist es. Das sind alles menschliche Knochen, zum größten Teil von dem geplünderten römischen Gräberfeld. In der Kammer und in der Kirche stehen auch noch große Sarkophage – bis zum Rand gefüllt mit Knochen. Immerhin waren es ja 11.000 Jungfrauen, deren Knochen untergebracht werden mussten.

Aus 11 werden 11.000

Weder für die Legende der Heiligen Ursula noch für die Zahl 11.000 Jungfrauen gibt es historische Belege. In der Kirche St. Ursula selber findet sich eine eingemauerte Inschrift aus dem 4. oder 5. Jahrhundert:

Die Inschrift des Clematius in St. Ursula, Bild: Raimond Spekking
Die Inschrift des Clematius in St. Ursula, Bild: Raimond Spekking

Diese „Inschrift des Clematius“ kann als Ursprung der Ursula-Legende angesehen werden. Dort steht (deutsche Übersetzung):
„Durch göttliche Flammenvisionen häufig ermahnt und durch die sehr große Kraft der Majestät des Martyriums der himmlischen Jungfrauen, die erschienen, aus der östlichen Reichshälfte herbeigeholt, (hat), nach Gelübde, Clematius, im Senatorenrang, auf eigene Kosten, auf seinem Boden, diese Basilika, wie es nach seinen Gelübde schuldete, von den Fundamenten erneuert. Wenn jemand aber unter der so großen Majestät dieser Basilika, wo die heiligen Jungfrauen für den Namen Christi ihr Blut vergossen haben, irgend jemandes Leichnam bestattet, mit Ausnahme der Jungfrauen, so wisse er, daß er mit ewigen Höllenfeuern bestraft wird.”

Aufmerksame Leser werden feststellen, dass in dieser Inschrift keine Rede von 11.000 Jungfrauen ist. Diese, für das Reliquiengeschäft ungemein praktische, Zahl basiert vermutlich auf einem gewollten Lesefehler. In älteren Dokumenten findet sich zu der Ursula-Legende die Angabe „X I M V“.

Liest man dies als „XI MV“ kann es als „11 M(artyres) V(irgines)“, also „Elf jungfräuliche Märtyrerinnen“ verstanden werden. Weil dies aber schlecht für das Geschäft gewesen wäre,  interpretierten die Kölner die Inschrift als „XIM V“. Und flott werden  das somit „11 M(ilia) V(irgines)“, also „11.000 Jungfrauen“.

Das Kölner Wappen mit den Kronen der Heiligen Drei Könige und den elf Hermelinschwänzen. Bild: Stadt Köln
Das Kölner Wappen mit den Kronen der Heiligen Drei Könige und den elf Hermelinschwänzen. Bild: Stadt Köln

Keine Tränen, keine Flammen sondern Hermelinschwänze

Dank ihres Martyriums und der damit verbunden Rettung Kölns hat es Ursula als Stadtpatronin bis auf das Stadtwappen geschafft. Zusammen mit den drei Kronen, welche die Heiligen Drei Könige symbolisieren, finden sich dort elf oft fälschlich als Tränen oder Flammen bezeichnete Symbole. Allerdings handelt es sich hier um Hermelinschwänze. Diese stammen ursprünglich aus dem Wappen der Bretagne und erinnern an Ursula und ihre 11.000 Begleiterinnen.


Hinter der schillernden Legende von Ursula wird ein anderer Stadtpatron oft vergessen: Der „Kriesgdienstverweigerer“ Gereon.


Der Name der Jungferninseln bezieht sich auf Ursula und die Jungfrauen

Kein geringerer als Christoph Kolumbus hat zur Ehre der Elftausend Jungfrauen die Jungferninseln in der Karibik nach Ihnen benannt: Santa Ursula, Once Mil Virgines, Archipiélago de las Vírgenes (Sankt Ursula, Elftausend Jungfrauen, Archipel der Jungfrauen). Noch heute zeigt das Wappen die Heilige Ursula. Ein großes DANKE an meinen treuen Leser Heinz Peter für diesen Hinweis.

Das Wappen der Britischen Jungferninseln Bild: Tobias Jakobs, CC0, via Wikimedia Commons
Das Wappen der Britischen Jungferninseln
Bild: Tobias Jakobs, CC0, via Wikimedia Commons

Ferdinand Magellan nannte das Kap am Eingang der Magellanstraße „Cabo Virgenes“ (Kap der Jungfrauen). da er es am 21. Oktober 1520, dem Ursula-Gedenktag, entdeckte.


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Der Frauenbrunnen: 2000 Jahre Kölner Frauen im Wandel der Zeit

Der Frauenbrunnen am Farina-Haus, Bild: Uli Kievernagel
Der Frauenbrunnen am Farina-Haus, Bild: Uli Kievernagel

Egal, ob als Marketing-Fachfrau, Tennis-Star, Umweltschützerin, Nonne oder Schauspielerin:  In Köln lebten und leben starke Frauen. Ganz plastisch gezeigt wird das im Innenhof des Farina-Hauses mitten in der Innenstadt am Frauenbrunnen.

Der offizielle Name dieses Brunnens lautet „Frauen im Wandel der Zeit“. Dargestellt werden zehn Frauen in jeweilig typischen Gewändern. Jede steht dabei für eine Epoche in der Stadtgeschichte. 

Nur durch diese, hier am Beispiel der Frauen gezeigte ständige Veränderung konnte unsere Stadt zu dem werden, was sie heute ist.


Die Ubierin, Bild: Uli Kievernagel
Die Ubierin, Bild: Uli Kievernagel

Ubierin (50 n. Chr.)

Die ersten Kölschen Frauen waren Ubierinnen. Dieser ursprünglich auf der „Schäl Sick“, der rechten Rheinseite, beheimatete Germanenstamm wurde von den Römern um 20/19 v. Chr. auf die linke Seite des Rheins umgesiedelt. Die neue Siedlung wurde „Oppidum Ubiorum“, also „Siedlung der Ubier“ genannt.

 

 

 


Die Römerin, Bild: Uli Kievernagel
Die Römerin, Bild: Uli Kievernagel

Römerin (50 n. Chr.)

Mit den Römern kam der Aufschwung an den Rhein. Eine – nicht ganz unumstrittene – Dame spielte dabei eine besondere Rolle: Agrippina, Nichte und gleichzeitig Gattin von Kaiser Claudius, sorgte dafür, dass Köln die Rechte einer Kolonie bekam. CCAA – Colonia Claudia Ara Agrippinensium entstand.

 

 

 


Die Fränkin, Bild: Uli Kievernagel
Die Fränkin, Bild: Uli Kievernagel

Fränkin (um 400)

Etwa 455 eroberten die Franken die damals wichtigste Stadt nördlich der Alpen. Damit endete die römische Herrschaft über Köln. In der Stadt lebten damals Franken, andere Germanen und auch Römer gemeinsam.

 

 

 


Die Heilige Ursula, Bild: Uli Kievernagel
Die Heilige Ursula, Bild: Uli Kievernagel

Die heilige Ursula

Sie ist nicht nur Schutzpatronin der Stadt, sondern auch Basis der Legende um die 11.000 Jungfrauen und dem damit verbundenen Reliquienkult. Ihre Darstellung auf dem Brunnen zeigt auch fünf dieser Jungfrauen. Die Legende besagt, dass Ursula eine Prinzessin aus der Bretagne war. Übrigens: Die elf als Tropfen, Flammen oder Tränen bezeichneten Elemente unseres Stadtwappens stellen tatsächlich Hermelinschwänze dar, die sich auf dem alten Wappen der Bretagne befanden.

 


Die Kölnerin um das Jahr 1400, Bild: Uli Kievernagel
Die Kölnerin um das Jahr 1400, Bild: Uli Kievernagel

Frau aus dem Mittelalter (um 1400)

Köln, als größte Stadt des Heiligen Römischen Reichs, hatte etwa 40.000 Einwohner. Der Gürzenich und der Rathausturm werden gebaut. In der Freien Reichsstadt genießen Frauen eine größere Freiheit als in jeder anderen Stadt. Sie gründen eigene Zünfte z.B. die Zunft der Garnmacherinnen, Seidenmacherinnen und Goldspinnerinnen.

 

 

 


Die Jüdin, Bild: Uli Kievernagel
Die Jüdin, Bild: Uli Kievernagel

Jüdin (1424)

Die jüdische Gemeinde Kölns war die die älteste jüdische Gemeinschaft nördlich der Alpen. Der Frauenbrunnen befindet sich fast mitten im alten jüdischen Viertel. Im Jahr 1424 werden die Juden aus Köln vertrieben.

 

 

 

 


Die Niederländerin, Bild: Uli Kievernagel
Die Niederländerin, Bild: Uli Kievernagel

Niederländerin (um 1600)

Insbesondere durch den Rhein als Handelsweg bestehen enge Bindungen zu den Niederlanden. Köln wird der Marktplatz für z.B. Heringe und Muscheln aus der Nordsee. In umgekehrter Richtung wird insbesondere viel Wein verschifft. Der Geusenfriedhof ist nach niederländischen Glaubensflüchtlingen benannt.

 

 

 


Die Italienerin, Bild: Uli Kievernagel
Die Italienerin, Bild: Uli Kievernagel

Italienerin (18. Jahrhundert)

Der Erfinder des „Eau de Cologne“ war der Italiener Johann Maria Farina. Der Brunnen steht inmitten des ehemaligen Farina-Fabrikgeländes.

 

 

 

 

 


Preußin (1832)

Die Preussin, Bild: Uli Kievernagel
Die Preussin, Bild: Uli Kievernagel

Im Jahr 1814 besetzen die Preußen Köln. Keine besonders gute Zeit für Frauen in einer von säbelschwingenden Männern dominierten Welt. Wilhelm II. spricht den Frauen jegliche Bedeutung ab und sorgt ausdrücklich dafür, dass auf der Siegesallee im Berliner Tiergarten nur Statuen von Männern aufzustellen sind. Gut, dass hier in Köln auch an die preußischen Frauen gedacht wird.

 

 

 


Die moderne Kölnerin, Bild: Uli Kievernagel
Die moderne Kölnerin, Bild: Uli Kievernagel

Kölnerin (1987)

Die moderne Frau aus Köln zeigt sich auf dem Brunnen mit Kind.

 

 

 

 

 

 


Mehr als nur Darstellung der Bekleidung

Der Frauenbrunnen wurde von der Bildhauerin Anneliese Langenbach (1926-2008) geschaffen. Besonderen Wert bei der Gestaltung des Frauenbrunnens hat sie auf die Kleidung der Frauen gelegt, geleitet von der Kernfrage: Welche Kleider haben wohl die Frauen in den jeweiligen Epochen getragen?

Doch der Brunnen zeigt mehr als Kleider: Ronald Füllbrandt von den Kölschgängern verweist in seinen Betrachtungen des Frauenbrunnens ausdrücklich darauf: „Ja, Köln hatte schon immer starke und hübsche Frauen, darauf sollten wir stolz sein.“

Und damit hat Ronald recht!


Brunnen in Köln
Brunnen in Köln

Neben dem Frauenbrunnen haben wir auch andere Brunnen in Köln:


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Nikolaus Gülich: „Der kölnische Rebell“

Der Kopf des Nikolaus Gülich von der abgerissenen Schandsäule, heute im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen, Bild: Willy Horsch CC BY 3.0
Der Kopf des Nikolaus Gülich von der abgerissenen Schandsäule, heute im Kölnischen Stadtmuseum zu sehen, Bild: Willy Horsch CC BY 3.0

Köln versinkt im Klüngel. Lukrative Amtsposten werden gegen eine „angemessene“ Gebühr vergeben. Die Geschäfte funktionieren nur dank Beziehungen und enger Verflechtungen. Städtische Aufträge gehen nicht an den günstigsten Anbieter, sondern an den, der einen kennt, der einen kennt.

Kommt euch irgendwie bekannt vor?
Klar – war aber irgendwie schon immer so.

Wir schreiben das Jahr 1680. Der Kölner Bürgermeister Maximilian von Kreps lässt seine Kutsche überholen und mit Blattgold belegen. Gleichzeitig wird sein Haus luxuriös umgebaut. Wie praktisch, dass von Kreps dafür keinen Pfennig bezahlen muss – alles geht zu Lasten der Stadt.

Ähnlich auch eine Geschichte aus der gleichen Zeit: Thomas Fabian wollte seine Lizenz als Verwalter des Ratskellers verlängern. Die beiden Kölner Bürgermeister Jakob von Wolfskehl und Gisbert von den Hoevel lassen sich die Verlängerung gut bezahlen: 1.000 Taler und ein Fass Wein für sich und zusätzlich jeweils 25 Taler für ihre Ehefrauen.

Gülich begehrt gegen den Klüngel auf

Doch einer begehrt dagegen auf: Nikolaus Gülich. Eigentlich ist Gülich ein Teil der privilegierten Oberschicht. Sein Vater ist Tuchhändler, seine Mutter Maria de Reuss entstammt einer bedeutenden Kölner Kaufmannsfamilie. Nikolaus, geboren am 30. Oktober 1644, erbt als ältestes von sechs Geschwistern das elterliche Geschäft. Er lässt sich an der Straße Obenmarspforten nieder und könnte das geruhsame Leben eines erfolgreichen Kaufmanns führen.

Ein Ereignis im März 1679 ändert allerdings Gülichs Einstellung grundlegend. Die Stadt, die verpflichtet war, Abgaben an die kaiserliche Armee zu zahlen, nahm diese Pflicht aber nicht so genau. Um aber an ihr Geld zu kommen, wurden Kölner Geschäftsleute, darunter auch Nikolaus Gülich, auf dem Weg zur Messe in Leipzig von Söldnern im Auftrag der Kaisers gefangen genommen. Das hört sich jetzt schlimmer an, als es vermutlich war. Tatsächlich ging es nur darum, Lösegeld zu erpressen, um dies mit fälligen Zahlungen für die kaiserliche Armee zu verrechnen – eine mehr oder minder gängige Praxis in der damaligen Zeit. Deswegen wurde auch im sogenannten Transfixbrief aus dem Jahr 1513 festgelegt, dass unverschuldet in Haft gekommene Kölner Bürger durch die Stadt befreit werden mussten. In der Regel lief dies ohne Waffengewalt durch die Zahlung einer entsprechenden Summe ab.

In diesem konkreten Fall weigerte sich der Stadtrat jedoch, die Summe zu zahlen, daher mussten die Gefangenen das Geld selber aufbringen. Kaum wieder in Köln angekommen, protestiert Gülich mit Unterstützung verschiedener Kaufmänner lautstark gegen diese Entscheidung des Rats. Dieser Protest bringt ihm eine Vorladung ein. Man droht mit Verhaftung, doch dank Gülichs wachsender Popularität kommt er mit einer Verwarnung davon.

Die Gülich-Schandsäule am Gülich-Platz, 1797 von den Franzosen abgebrochen, Bild: Benedikt Beckenkamp, Public domain, via Wikimedia Commons
Die Gülich-Schandsäule am Gülich-Platz, 1797 von den Franzosen abgebrochen, Bild: Benedikt Beckenkamp, Public domain, via Wikimedia Commons

Bürgermeister werden entmachtet

Dass ihm wichtige Rechte genommen werden und er mundtot gemacht werden soll, stachelt Nikolaus Gülich zunehmend auf – sein Kampf mit dem Stadtrat beginnt. Er verfasst im September 1680 eine Klageschrift und prangert deutlich den Ämterkauf, Wahlbetrug und die Veruntreuung städtischer Mittel an. Er stürmt mit Hilfe von bewaffneten Gefolgsleuten das Rathaus und setzt den Rat ab. Auch den Bürgermeistern Cronenberg, Wolfskehl und Kreps wird der Prozess gemacht, sie verlieren ihre Ämter, werden unter Hausarrest gestellt und müssen hohe Strafen bezahlen. Gülich, obwohl kein Jurist, wird 1683 als „syndicus specialis“ (Rechtsberater) neben einem neuen Stadtrat installiert.

Ab dieser Zeit verliert Nikolaus Gülich zunehmend seine Unterstützer. Er verhält sich selbstherrlich und so, wie er es der alten Stadtspitze selber vorgeworfen hat. Gleichzeitig verschlechtert sich die Wirtschaftslage, die Franzosen marschieren von Straßburg kommend in Richtung Rheinland. Kaiser Leopold I. hat Angst, seinen Einfluss in der wichtigen Reichsstadt Köln zu verlieren und unterstützt den „alten“ Rat um die abgesetzten Bürgermeister.

Gülich wird mit der Reichsacht belegt

So verhängte der Kaiser im August 1685 die Reichsacht über Gülich und seine Anhänger. Das bedeutete eine totale Rechtlosigkeit, der Besitz der mit der Reichsacht belegten Personen wurde beschlagnahmt und jeder hatte das Recht, den Geächteten straflos zu töten. Die meisten Anhänger Gülichs unterwarfen sich daraufhin dem Kaiser, Gülich selber wurde verhaftet und am 23. Februar 1686 in der Mülheimer Heide geköpft. Sein Kopf wurde am Bayenturm zur Abschreckung ausgestellt.

Auch sein Haus wurde abgerissen. Dort wurde eine Schandsäule aufgestellt: Ein in Bronze gegossener Kopf, aus dem ein Richtschwert herausragt. Die Säule wurde etwa 100 Jahre später von französischen Truppen abgerissen und Gülich als Volksheld gewürdigt. Der mit dem Schwert durchbohrte Kopf aus Bronze befindet sich heute im Kölnischen Stadtmuseum.


Das Farina-Stammhaus am prominenten Platz gegenüber dem Jülichs-Platz, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH
Das Farina-Stammhaus am prominenten Platz gegenüber dem Jülichs-Platz, Bild: Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz GmbH

Farina gegenüber dem Jülichs-Platz.

Der Platz des früheren Hauses heißt heute Gülichplatz, früher „Jülichs-Platz“. Der Dufthersteller Farina nahm diese Adresse sogar in den Firmennamen auf und heißt heute noch immer so:
Johann Maria Farina gegenüber dem Jülichs-Platz.


Nikolaus-Gülich-Fonds 

Die Kölner GRÜNEN haben 2006 den Nikolaus-Gülich

-Fonds gegründet. Mit Mitteln aus diesem Fonds werden Initiativen gefördert, die Ökologie, Selbstbestimmung, erweiterte Gerechtigkeit, lebendige Demokratie, Gewaltfreiheit und Menschenrechte verfolgen.


Figur des Nikolaus Gülich am Kölner Rathausturm (in der Mitte). Links neben ihm ist Johann Maria Farina, Bild: Raimond Spekking
Figur des Nikolaus Gülich am Kölner Rathausturm (in der Mitte). Links neben ihm ist Johann Maria Farina, Bild: Raimond Spekking

Gülich-Figur auf dem Rathausturm

Eine der 124 Figuren des Rathausturms ist Nikolaus Gülich gewidmet, dem Kämpfer gegen den Klüngel im Rathaus.


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Der Kölner Wasserkrieg: Streit um den Duffesbach

Das Wasser des Flusses wird genutzt, um den Wassergraben des Herrenhauses „Weißhaus“ in Klettenberg zu füllen. Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Das Wasser des Duffesbachs wird auch genutzt, um den Wassergraben des Herrenhauses „Weißhaus“ in Klettenberg zu füllen. Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

 

Der Duffesbach ist heute, da unterirdisch und kanalisiert, fast unbekannt. Das war in früheren Zeiten ganz anders. Das Wasser des Bachs war für die Kölner extrem wichtig. Schon ab etwa 1320 gab es daher einen städtischen „Bachmeister“ mit der Aufgabe, für eine ausreichende Menge Wasser im Duffesbach zu sorgen.

Dieser Bach läuft, bevor er nach Köln kommt, durch Hürth. Und auch die Hürther nutzten intensiv das Wasser des Duffesbachs. Nach Sicht des Kölner Bachmeisters unerlaubt, da es sich beim Duffesbach nicht um einen Fluss sondern um ein künstlich im Fluss gehaltenes Gewässer handeln würde, dessen Quellen sich im Besitz der Stadt Köln befinden würden. Folglich musste eine Vereinbarung getroffen werden.

Unter Woche Wasser für die Kölner – am Wochenende für die Hürther

Eine erste Einigung über die Wassernutzung mit den verschiedenen Grundeigentümern am Verlauf des Bachs gab es bereits im Jahr 1321. Diese Einigung bestand darin, dass die Grundeigentümer in Hürth immer nur samstags und sonntags das Wasser des Duffesbachs, der in Hürth „Hürther Bach“ hieß, nutzen durften. So wurde sichergestellt, dass werktags für die Kölner Handwerker wie Gerber oder Färber ausreichend Wasser zur Verfügung stand.

Die Hürther Bäche um 1800, Fotograf/Zeichner: Tranchot / von Müffling / Public domain
Die Hürther Bäche um 1800, Fotograf/Zeichner: Tranchot / von Müffling / Public domain

Diese Vereinbarung hielt. Mehr als 200 Jahre lang gab es nur kleinere, eher unbedeutende, Reibereien zwischen den Hürthern und den Kölnern um das Wasser. Doch im heißen Sommer 1560 nutzten die Hürther auch unter der Woche das Wasser mit der Folge, dass die Kölner Handwerker kein Wasser mehr zur Verfügung hatten. Zur Klärung machte sich der Kölner Bachmeister  mit einer kleinen Abordnung auf den Weg nach Hürth. Dort wurden die Kölner vom Hürther Schultheiß Damian Bell von Efferen und einer Horde mit Mistgabeln und Knüppeln bewaffneten Bauern empfangen und gefangen genommen.

Der Kölner Wasserkrieg entbrennt

Das konnte die stolze Reichsstadt Köln nicht hinnehmen und stellte mit 1.000 Mann eine große Streitmacht auf, die den Bauern zeigen sollte, wer in der Region das Sagen hatte. Schwer bewaffnet ging es Richtung Hürth in den „Kölner Wasserkrieg“. Zu einer Schlacht kam es allerdings nicht. Damian Bell wurde gefangen genommen und in den Kerker geworfen.

Damit hätte der ausgebrochene Wasserkrieg bereits am gleichen Tag beendet sein können, wenn nicht beide Seiten den juristischen Streit in dieser Sache gesucht hätten. Kern des Problems war dabei allerdings weniger der Tatbestand des „Wasserdiebstahls“ sondern vielmehr, welches Gericht zuständig war. Köln als Reichsstadt wollte den Streit vor das Reichskammergericht bringen. Die Hürther hingegen unterstanden den Herzogen von Brabant und wollten Fall vor deren Hof in Brüssel verhandeln. Und schon zog der „Kölner Wasserkrieg“ eine vorher nicht absehbare Welle nach sich.

Ferdinand I., (1503 - 1564), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und römisch-deutscher König, Bild: Dominicus Custos / Public domain
Ferdinand I., (1503 – 1564), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und römisch-deutscher König, Bild: Dominicus Custos / Public domain

Die Argumentation der Hürther: Da Brabant dem spanischen König unterstand, könne nur dieser als Gerichtsbarkeit anerkannt werden. Die Kölner wiederum berufen sich auf Kaiser Ferdinand I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und römisch-deutscher König, der jeden anderen Gerichtsstand als das Reichskammergericht schlichtweg ablehnte.

Und dieser juristische Streit sollte mehr als 50 Jahre lang währen. Erst 1617, nach unzähligen Klagen, Schriftsätzen und Verhandlungen, kam es zu einer Einigung, die sehr bekannt vorkommt: Die Hürther durften am Wochenende das Wasser des Duffesbachs nutzen, die Kölner unter der Woche.

Das hätte man einfacher haben können.


Etwas früher, bereits 1369, kam es zum „Kölner Flaschenkrieg“.


Der Duffesbach im Wechsel der Jahreszeiten (bitte Bilder anklicken)

Ein großes DANKE an Andy Ramacher und Elisabeth van Langen für die Fotos.


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Der Duffesbach – ja wo ist er denn?

Verlauf des Duffesbachs, Karte: Stadtentwässerungsbetriebe Köln
Verlauf des Duffesbachs, Karte: Stadtentwässerungsbetriebe Köln

 

Blaubach, Rothgerberbach, Mühlenbach, Weidenbach, Am Duffesbach – die Kölner Innenstadt ist voller Bäche. Der Kölsche spricht deswegen für die Strecke vom Eifelplatz, über St. Pantaleon und Waidmarkt bis zum Rhein auch nur von „den Bächen“. Aber wo sind diese Bäche? Und wie viele Bäche sind es denn überhaupt?

Ein Bach – viele Namen

Eigentlich ist es ganz einfach: Es gibt nur einen Bach – den Duffesbach. Dieser hat allerdings an verschiedenen Stellen unterschiedliche Namen. Und die Suche nach dem Duffesbach ist vergeblich: Der Bach ist heute durchgehend kanalisiert und läuft fast ausschließlich unterirdisch. Bei der Wasserqualität ist das auch besser, denn der niedrige Sauerstoffgehalt und die hohe Konzentration an Gift lässt im Wasser kaum Leben zu, so Hannah Brüggemann von der NABU-Naturschutzstation Leverkusen-Köln.1„Duffesbach”. In: KuLaDig, Kultur.Landschaft.Digital. URL: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-108535-20141126-7, abgerufen: 2. März 2020

Der Fluss entspringt in Hürth-Knapsack – auch hier ist er heute nicht mehr zu sehen. Unterirdisch und kanalisiert tritt dieser erst für ein kurzes Stück im Grüngürtel an die Oberfläche. Und wenn nicht bereits die Römer den Bachlauf verlängert hätten, wäre schon im heutigen Zollstock Schluss gewesen – der Duffesbach versickerte schlichtweg.

Wer heute aber einen echten Fluss erwartet, wird enttäuscht. Zu sehen ist der Fluss nur auf einem kurzen Stück im Grüngürtel. Je nach Wetter ist kaum mehr als ein schmales Rinnsal auszumachen.

Trockengefallener Duffesbach im Grüngürtel, Bild: Travus / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)
Trockengefallener Duffesbach im Grüngürtel, Bild: Travus / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)

Auch seine Mündung in den Rhein ist unspektakulär: Aus einem Rohr läuft der Duffesbach unterhalb der Wasseroberfläche direkt in den Rhein und ist nicht zu sehen – es sei denn, es ist extremes Niedrigwasser. Dann kann man zumindest das Rohr des Baches in Höhe der Rheingasse sehen. Hauptgrund dafür, dass der Duffesbach kaum noch Wasser führt, ist der Braunkohleabbau in der Ville. Damit sich die riesigen Tagebauten nicht mit Wasser füllten, musste der Grundwasserspiegel stark abgesenkt werden. So wurde dem Duffesbach schlichtweg das Wasser entzogen.

Mündung des Duffesbachs in den Rhein, Höhe Rheingasse. Nur zu sehen bei extremen Niedrigwasser, Bild: Marcus Bentfeld / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Mündung des Duffesbachs in den Rhein, Höhe Rheingasse. Nur zu sehen bei extremen Niedrigwasser, Bild: Marcus Bentfeld / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)
Bedeutende Wasserversorgung für die Stadt

Früher war das anders. Bevor die römische Wasserleitung aus der Eifel die Stadt mit Frischwasser versorgte, stellte der Duffesbach die wichtigste Wasserversorgung der Stadt dar, trieb unzählige Mühlen an und war existenziell für unterschiedliche Gewerbe. Die Namen „der Bäche“ weisen auf diese Nutzung hin:

  • Am Duffesbach
    Der Name leitet sich wahrscheinlich von einer Mühle, die „tuifhaus“ genannt wurde, her.
  • Rothgerberbach
    Hier waren viele Gerber im mittelalterlichen Köln ansässig.
  • Weidenbach und Blaubach
    An diesem Abschnitt waren die Färber zu finden, die mit Färberwaid Stoffe färbten.
  • Mühlenbach
    Dieser Name erschließt sich von selbst. Der Kölsche kennt heute noch die „Malzmühle“ wegen des dort gebrauten, süffigen Mühlen-Kölschs.

Die Nutzung des Wassers war für die Handwerker existenziell und jahrhundertelang Gegenstand von Streit: Wer durfte das Wasser wann nutzen? Dies führte 1560 sogar zum „Kölner Wasserkrieg“.

Unter dem "Rothgerberbach" verläuft der kanalisierte Fluss, Bild: HOWI - Horsch, Willy / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
Unter dem „Rothgerberbach“ verläuft der kanalisierte Fluss, Bild: HOWI – Horsch, Willy / CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)
Der Duffesbach bleibt kanalisiert

Es ist nicht zu erwarten, dass der Duffesbach eines Tages wieder an die Oberfläche geholt und zur Naherholung beitragen wird. Hintergrund ist, dass der Bach nie ein natürliches Bett gehabt hat und schon seit der römischen Zeit in Köln durch Menschen kanalisiert wurde. Außerdem ist schlichtweg kein Platz für eine Führung des Gewässers an der Oberfläche vorhanden.

Typisch Kölsch: Wenn man den Bach schon nicht sieht, kann man aber immerhin darüber singen. So haben die Bläck Fööss dem Duffesbach in dem Lied der „Drei vun d´r Eierquell“ eine wunderschöne Zeile gewidmet:

„Mer trofe e Mädche am Duffesbach,
do kräte met däm singem Tuppes Krach.“


Der Duffesbach im Wechsel der Jahreszeiten (bitte Bilder anklicken)

Ein großes DANKE an Andy Ramacher und Elisabeth van Langen für die Fotos.


 

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Das Kastell Alteburg – Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien

Das Flottenlager Alteburg, Zeichnung: Erich Hermans
Das Flottenlager Alteburg, Zeichnung: Erich Hermans

Heute flaniert man durch die Straßen der Marienburg. Große Bäume säumen die breiten Straßen, noble Autos der Marienburger stehen am Straßenrand. Kein Müll liegt herum, keine Plakate verschandeln die Landschaft. Die noblen Villen mit ihren gepflegten Vorgärten lassen einen glatt vergessen, dass man sich immer noch Köln befindet.

Vor 2.000 Jahren sah es hier ganz anders aus: Das Flottenkastell Alteburg war das Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien. Die römische Rheinflotte wurde um 13 v. Chr. aufgestellt und war eine Teilstreitkraft der römischen Flotte in den römischen Provinzen Ober- und Niedergermanien. Ihr Hauptquartier befand sich zunächst im Legionslager Vetera Castra bei Xanten und ab 50 n. Chr. im Kastell Alteburg. Heute erinnert kaum noch etwas an dieses große römische Kastell mit einer Stammbesatzung von mehr als 1.000 Mann. Lediglich die Straßennamen „Auf dem Römerberg“ und „Am Römerkastell“ lassen darauf schließen, dass es hier eine der wichtigsten römischen Verteidigungsanlagen am Rhein gab.

Da es kaum schriftliche Belege zu dem Kastel Alteburg gibt, kann auch die exakte Gründung nicht bestimmt werden. Die Römische Rheinflotte kann ab 13 v. Chr. nachgewiesen werden. Ganz im Sinne einer modernen Armee führten die Römer kombinierte Landeunternehmen der Flussstreitkräfte mit der Landarmee durch. Auf Patrouillenfahrten wurde der Rhein als wichtigster Verkehrsweg gesichert – immerhin war die Colonia Claudia Ara Agrippinensium ein extrem wichtiges Handelszentrum und der Rhein die Lebensader. Folglich ist es verständlich, dass die Flotte zum Schutz der Colonia und des Rheins auch ein entsprechendes Lager benötigte. Dieses Flottenkastell wurde etwa Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr. im heutigen Marienburg errichtet.

Unterkünfte für mehr als 1.000 Soldaten

Es gibt wenig gesicherte Erkenntnisse zu dem Lager Alteburg. Lediglich Grabungen aus den Jahren 1926/27 und später in den Jahren 1995/96 und 1998 bieten Informationen zu diesem strategisch bedeutsamen Lager. Das Kastell nahm mit rund 90.000 Quadratmetern eine Fläche von ungefähr sechs Fußballfeldern ein. Hier wurden Werkstätten, Unterkünfte, Verwaltung und auch ein eigener Tempel für die Soldaten errichtet. Zunächst nur in einfacher Lehmwerktechnik, später als Steinbauten.

Ansicht der Alteburg von Osten, Zeichnung: Erich Hermans
Ansicht der Alteburg von Osten, Zeichnung: Erich Hermans

Dabei waren die Marinesoldaten privilegiert: Sie hatten bessere Unterkünfte und es ist auch davon auszugehen, dass sie besser versorgt wurden. Bei Grabungen wurden neben Keramik und Tierknochen auch Waffen, Werkzeuge und Geräte gefunden. Eine Besonderheit des Kastells Alteburg waren die von den Archäologen gefunden großen, schweren Webgewichte. Diese kamen bei Webstühlen zum Einsatz, auf denen grobe Stoffe hergestellt wurden – Segel für die auf dem Rhein verkehrenden Kriegsschiffe.

Rekonstruktion eines römischen Flusskampfschiffs im Museum für Antike Schifffahrt in Main, Bild: Martin Bahmann [CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)]
Rekonstruktion eines römischen Flusskampfschiffs im Museum für Antike Schifffahrt in Main, Bild: Martin Bahmann [CC BY-SA (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/)]
Zerstört durch die Franken

Das Kastell wurde im dritten Jahrhundert n.Chr. bei einem Angriff durch die Franken zerstört. Da auch der Rhein in den Jahrhunderten immer wieder sein Bett verlassen hat, wurden die Gebäude vernichtet. Zumindest das, was die Kölner davon übriggelassen haben. Denn es ist davon auszugehen, dass Teile der Steingebäude abgerissen und diese als Baumaterial an anderer Stelle wieder eingesetzt wurden. Ende des 18. Jahrhunderts wurde auf dem früheren Gelände des Kastells die bis heute erhalten gebliebene Alteburger Mühle (An der Alteburger Mühle 6) errichtet.

Heute in dem friedlichen Stadtteil Marienburg – bis auf die Straßennamen – nichts mehr an das Hauptquartier der römischen Kriegsflotte in Germanien.

Plan des Flottenlagers Alteburg, Zeichnung: Erich Hermans


Im Jahr 2017 ging der Geisterzoch unter dem Motto „Dr römischen Flott ze Ihre: Öm de Alteburch eröm“ vom Chlodwigplatz aus bis zum ehemaligen Kastell und zurück.  


Ein weiteres wichtiges Kastell der Römer war das Kastell Divita, der Brückenkopf im heutigen Deutz.

 


Ein großes DANKE an Erich Hermans, der mir erlaubt hat, die Zeichnungen des Flottenlagers für diesen Beitrag zu verwenden und an Franz-Josef Knöchel von KuLaDig, der mir historische Informationen zum Kastell zur Verfügung gestellt hat.


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Der Gürzenich und Alt St. Alban: Orte der Gegensätze

Der Gürzenich und Alt St. Alban - Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)
Der Gürzenich und Alt St. Alban – Orte voller Gegensätze, Bilder: Köln-Kongress (Gürzenich), Raimond Spekking / CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons (St. Alban)

Auf der eine Seite ausgelassene Party, kostümierte Menschen, laute Musik. Gleich daneben tiefste Trauer und die Erinnerung an den Tod in einer Kirchenruine. In keinem anderen Ort in Köln liegen die Gegensätze so nah beieinander wie beim Gebäudeensemble des Gürzenich und der Ruine Alt St. Alban.

Der Gürzenich ist „Kölns gute Stube“. Erbaut von 1441 bis 1447 diente dieser prächtige gotische Bau als Kauf- und Lagerhaus. Namensgeber war das Stadthaus der aus Düren stammenden „Herren der Burg Gürzenich“, welches sich an der Stelle des heutigen Gürzenichs befand. Der Gürzenich wurde als Repräsentationshaus der Stadt errichtet. Hier wurden Kaiser empfangen, feinste Bankette ausgerichtet und 1505 sogar ein Reichstag abgehalten.

Mit dem Bedeutungsverlust Kölns ab dem 16. Jahrhundert schwand auch die Bedeutung des Gürzenichs. Doch die findigen Kölner nutzten das Gebäude doppelt: Zwar wurden hier Lebensmittel, Häute, Seide, Öle oder Seife gelagert und gehandelt, aber das Obergeschoss wurde regelmäßig leergeräumt, um Platz für Feierlichkeiten aller Art zu haben. Es war also schon immer so: Der Kölner an sich feiert gerne. Und deswegen werden seit 1822 bis heute Karnevalsveranstaltungen im Gürzenich abgehalten. Von 1857 bis zur Fertigstellung der Philharmonie im Jahr 1986 war der Gürzenich auch Heimat des renommierten Gürzenich-Orchesters.

Ab 1865 wurde der Gürzenich vom kombinierten Lager- und Festsaal in einen reinen Festsaal umgewandelt. Durch Um- und Anbauten wurde der Gebäudekomplex vergrößert, zusätzliche Säle entstanden.

Bildergalerie Gürzenich

Wiederaufbau im Stil der 1950er Jahre

Im zweiten Weltkrieg wurde der Gürzenich fast vollständig zerstört, nur die Außenmauern des Gebäudes standen noch. Der Wiederaufbau und die Innenausstattung im Stil der 1950er machen das Gebäude zu einem der wichtigsten Denkmäler dieser Zeit in Köln. Dabei wurde die Ruine von Alt St. Alban mitten in den Komplex integriert. Das führt dazu, dass man vom großzügigen Foyer des Gürzenichs durch die Fenster einen direkten Blick in die Ruine hat. Dieser Blick wird auf die Figurengruppe „Trauerndes Elternpaar“, im Original von Käthe Kollwitz, gelenkt.1Das Original der Skulpturen steht heute auf dem Deutschen Soldatenfriedhof in Vladslo, Belgien. In der Ruine von Alt St. Alban steht eine Kopie, die von Joseph Beuys und Erwin Heerich angefertigt wurde. Die beiden Figuren strahlen die unendliche Trauer über den im Ersten Weltkrieg gefallenen Sohn aus.

Skulptur "Trauernde Eltern", Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)
Skulptur „Trauernde Eltern“, Bild: Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons)

Die Feste des Lebens vor den Hintergrund des Todes

Und da ist er – der krasse Gegensatz. Das hat auch Holger Kirsch, Prinz Holger I. im Dreigestirn 2015, erlebt. In der Euphorie seiner bevorstehenden Proklamation ging er im vollen Ornat die Treppe hinauf in den großen Saal. Voller Freude und Glück. Und dann schaut er durch das Fenster des Gürzenichs in die Kirchenruine Alt St. Alban und sieht „dieses plötzliche Gegenüber von totalem Glück und absoluter Trauer“, so Kirsch in einem Interview des WDR.

So hat Rudolf Schwarz, einer der Architekten des Ensembles aus St. Alban und Gürzenich, Recht  behalten. Er schrieb zu dieser ganz besonderen Architektur: „Die Feste des Lebens werden vor den Hintergrund des Todes gestellt.“


Erleben kann man diesen Gegensatz am besten von Innen. Aber auch bei einem Blick von außen in die Ruine von Alt St. Alban kann man in die Fenster des Foyers sehen. Unbedingt mal hingehen!


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